Wohin soll es gehen?
Politische und wissenschaftliche Klimaziele
Im Jahr 2015 hat sich die internationale Staatengemeinschaft im Externer Link: Pariser Klimaschutzabkommen das völkerrechtlich verbindliche Ziel gesetzt, den weltweiten Temperaturanstieg im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, einen Anstieg auf 1,5 Grad nicht zu überschreiten. Nach schnellstmöglichem Erreichen des Höhepunktes der Treibhausgasemissionen soll die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts treibhausgasneutral werden ("Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken", Art. 4, Abs. 1).
Ausgehend von dieser politisch gesetzten Vorgabe leitet der Interner Link: Weltklimarat wissenschaftlich ab, dass die durchschnittlichen globalen CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2010 um 45 % und bis zum Jahr 2050 auf Netto-Null fallen müssen, wenn das 1,5 Grad-Limit eingehalten werden soll. Netto-Null bedeutet in diesem Zusammenhang, dass alle nicht vermiedenen vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen in zusätzlich zu schaffenden Reservoirs, so genannten CO2-Senken, gebunden oder gespeichert werden müssen. Als natürliche Senken kommen hierbei vor allem Böden, Wälder und Moore in Frage, es gibt aber auch künstliche Senken, die etwa durch CO2-Abscheidung und -Speicherung geschaffen werden (carbon capture and storage, CCS).
Im Interner Link: Pariser Klimaschutzabkommen werden keine Emissionsminderungsziele für einzelne Staaten festgeschrieben. Die Vertragsstaaten werden jedoch zur Einführung national festgelegter Klimaschutzbeiträge (sogenannte nationally determined contributions, NDCs) verpflichtet. In Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Interner Link: Bundes-Klimaschutzgesetz verschärfte Deutschland seine Emissionsreduktionsziele auf mindestens 35 % bis 2030 und mindestens 88 % bis 2040 im Vergleich zu 1990; bis 2045 soll Treibhausgasneutralität erreicht werden. Die Europäische Union (EU) hat sich mit dem Externer Link: Europäischen Klimagesetz darauf festgelegt, bis 2030 mindestens Interner Link: 55 % ihrer Treibhausgase im Vergleich zu 1990 zu reduzieren und bis 2050 klimaneutral zu werden.
Trends und Projektionen für Treibhausgasemissionen in der EU
Klimaneutralitätsziele rücken in der Klimapolitik auch international immer stärker in den Fokus. So haben sich neben der EU unter anderem auch China, Japan, Südkorea, die USA, Australien, Kanada, Brasilien und viele kleinere Staaten Klimaneutralitätsziele mit unterschiedlichen Zieljahren auferlegt. Über 130 Länder diskutieren derzeit über Netto-Null-Emissionsziele, haben diese angekündigt oder bereits verabschiedet. Die Externer Link: Internationale Energieagentur (IEA) hat Externer Link: Anfang November 2021 berechnet, dass der durchschnittliche globale Temperaturanstieg bis 2100 auf 1,8 Grad reduziert werden könnte, wenn alle derzeit vorgelegten Ziele vollständig und rechtzeitig erreicht werden würden (IEA 2021) – dies ließe das Temperaturziel des Pariser Klimaschutzabkommens in greifbare Nähe rücken.
Darüber hinaus streben sowohl regionale als auch nicht-staatliche Akteure an klimaneutral zu werden: Ende August 2021 hatten sich bereits 733 Städte, 31 Regionen, 3.067 Unternehmen, 173 der größten Investoren und 624 Universitäten unter der Externer Link: "Race to Zero"-Kampagne der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen Neutralitätsziele gesetzt. Die Umsetzung dieser Ziele mit entsprechenden Plänen und Maßnahmen variiert jedoch stark.
Wer soll was beitragen?
Abwägungen zwischen Verantwortung, Fähigkeiten, wirtschaftlicher Entwicklung und noch verfügbarem Kohlenstoffbudget
Es ist international nicht festgeschrieben, wer welchen Beitrag zum Klimaschutz leisten soll. Für die Beurteilung dieser Frage können unterschiedliche Faktoren herangezogen werden, insbesondere:
die Verantwortung für den Klimawandel, messbar über
die aktuellen Treibhausgasemissionen und
die kumulierten Treibhausgasemissionen, welche die historische Verantwortung für den Klimawandel nachzeichnen,
die aktuellen Pro-Kopf-Emissionen,
die wirtschaftlichen, finanziellen, technologischen und institutionellen Fähigkeiten zum Klimaschutz,
den Stand der wirtschaftlichen Entwicklung und
das noch zur Verfügung stehende Kohlenstoffbudget, also die Gesamtmenge an Treibhausgasemissionen, die noch ausgestoßen werden darf, bevor ein anvisiertes Temperaturlimit überschritten wird.
Wer hat am meisten zum weltweiten CO2-Ausstoß beigetragen?
Je nachdem, welche Gewichtung diese und/oder andere Faktoren erhalten, kommen verschiedene Ansätze zur Festlegung fairer Beiträge zum Klimaschutz zu unterschiedlichen Ergebnissen. Sowohl der Externer Link: Climate Action Tracker (CAT) als auch der Externer Link: Klimatschutz-Index und der Externer Link: Climate Equity Reference Calculator sehen für Deutschland (Externer Link: CAT, Externer Link: KSI) und die EU (Externer Link: CAT, Externer Link: KSI) noch deutlich Luft nach oben im Bezug auf ihr Ambitionsniveau beim Klimaschutz. So argumentiert beispielsweise der Climate Action Tracker, dass Deutschland seine Emissionsminderungsziele anschärfen, deutlich mehr Finanzmittel für andere Länder zur Verfügung stellen und seine Politiken und Maßnahmen intensivieren müsste, um seinen fairen Anteil beizutragen.
Fairer Beitrag zum Klimaschutz laut Climate Action Tracker
Der Climate Action Tracker wird vom Externer Link: New Climate Institute, Externer Link: Climate Analytics und dem Externer Link: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erstellt und trifft Aussagen zum Ambitionsniveau von 32 Nationalstaaten und Ländergruppen, die zusammen circa 80 % der globalen Treibhausgasemissionen verantworten.
Aufbauend auf der veröffentlichten wissenschaftlichen Literatur konstruiert er Spannbreiten dafür, wie der faire Beitrag der berücksichtigten Staaten zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens für die Jahre 2025, 2030 und 2050 sein müsste. Nach einem Abgleich mit den tatsächlichen Klimaschutzbemühungen kategorisiert der Climate Action Tracker den Beitrag der Staaten zum globalen Klimaschutz als kritisch unzureichend, hochgradig unzureichend, unzureichend, 2 Grad kompatibel oder 1,5 Grad kompatibel.
Die Lücke zwischen aktuellem Ambitionsniveau und der Emissionsreduktion, die für das Einhalten des 2 Grad- bzw. 1,5 Grad-Limits notwendig ist, besteht nicht nur in Bezug auf Deutschland und die Europäische Union. So stellt der Externer Link: Emissions Gap Report des Externer Link: Umweltprogramms der Vereinten Nationen eine solche Lücke auch für die globale Ebene fest. Die Staatengemeinschaft tut demnach immer noch viel zu wenig im Kampf gegen die menschengemachte Klimaerwärmung und ist weit davon entfernt, die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens einzuhalten. Der Emissions Gap Report stellt fest, dass die COVID-19-Krise nur zu einer kurzfristigen Verringerung der globalen Emissionen ohne wesentlichen Effekt auf die Reduzierung bis 2030 hat und die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre weiter ansteigt. Die Chance, Externer Link: die Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft nach der COVID-19-Krise für den nachhaltigen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft zu nutzen, wurde bisher nur begrenzt genutzt.
Der zukünftige Interner Link: globale Temperaturanstieg ist abhängig von der Gesamtmenge an durch den Menschen ausgestoßenen Treibhausgasen. Dieser Zusammenhang lässt sich gut mit dem Konzept des CO2-Budgets veranschaulichen: Um eine bestimmte Temperaturobergrenze nicht zu überschreiten, darf nur eine bestimmte Menge an anthropogenen Treibhausgasen ausgestoßen werden. Die Menge an Treibhausgasen, die zukünftig noch ausgestoßen werden kann ohne diese Temperaturobergrenze zu überschreiten hängt also ab von der Treibhausgasmenge, die bereits in der Vergangenheit in die Atmosphäre eingebracht wurde.
Laut dem Weltklimarat haben menschliche Aktivitäten seit dem Beginn der Industrialisierung bisher bereits circa 2.390 Milliarden Tonnen CO2 verursacht. Um das 1,5-Grad-Limit mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 % nicht zu überschreiten, können insgesamt noch maximal 400 Milliarden Tonnen CO2 an anthropogenen Treibhausgasen ausgestoßen werden, um das 2-Grad-Limit nicht zu überschreiten 1.150 Milliarden Tonnen CO2 (IPCC 2021).
Je schneller die globalen Treibhausgasemissionen sinken, desto länger bleibt noch ein Restbudget für spätere Jahre bzw. kommende Generationen erhalten. Zu geringer Klimaschutz heute führt hingegen dazu, dass die Treibhausgasemissionen in der Zukunft deutlich stärker sinken müssen, um ein bestimmtes Klimaziel zu erreichen.
Der Handlungsdruck ist daher enorm. Mit jedem Tag, an dem weltweit weiterhin hohe Emissionswerte zu verzeichnen sind, schrumpft das zukünftige CO2-Budget und die Anforderungen an künftige Klimaschutzbemühungen steigen. Dies veranschaulicht plastisch dieExterner Link: CO2-Uhr des Externer Link: Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) die darstellt, wieviel CO2 noch in die Atmosphäre abgegeben werden darf, um die globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad beziehungsweise 2 Grad zu begrenzen und wie viel Zeit bis dahin noch bleibt.
Was kostet Klimaschutz? Und was Klimawandel?
Die Folgen des Klimawandels sind international stark unterschiedlich verteilt. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Interner Link: wirtschaftlichen Schäden, die der Klimawandel verursacht, die Kosten ambitionierten Klimaschutzes deutlich übersteigen. Dies ist eine der Kernaussagen des wegweisenden Externer Link: Stern-Reports zur Ökonomie des Klimawandels aus dem Jahr 2006, der die wirtschaftlichen Folgen des globalen Temperaturanstiegs in den Fokus rückte. Nicholas Stern hatte diesen circa 700 Seiten starken wissenschaftlichen Bericht im Auftrag der britischen Regierung erstellt. Der Bericht stellt heraus, dass die Bekämpfung des Klimawandels langfristig eine Strategie für mehr Wachstum ist und nicht im Widerspruch zu wirtschaftlicher Entwicklung steht. So können durch Klimaschutzmaßnahmen beispielsweise Zukunftsmärkte in den Bereichen Externer Link: CO2-neutraler Energieerzeugung, Externer Link: Energiespeicher, Externer Link: Wasserstoff oder CO2-Abscheidung und -Speicherung (Externer Link: carbon capture and storage, CCS) erschlossen werden. Die Kosten des Nichthandels seien zwischen 5 und 20 mal so hoch wie die Kosten der Eindämmung des Klimawandels (Stern 2006).
Auch für Deutschland gibt es entsprechende Berechnungen. So geht McKinsey in seiner auf eigene Initiative hin herstellte Studie "Net-Zero Deutschland" davon aus, dass die Kosten der Dekarbonisierung bis zum Jahr 2045 durch Einsparungen im Gesamtzeitraum ausgeglichen werden können, wenn der optimale Emissionsminderungspfad beschritten wird. Allerdings sind hierfür die nächsten zehn Jahre von entscheidender Bedeutung und der Umstieg auf "grüne" Technologien muss konsequent in allen Wirtschaftssektoren und Lebensbereichen umgesetzt werden. Gelingt es nicht, rechtzeitig die Rahmenbedingungen für eine gegenüber den letzten 30 Jahren dreimal so schnelle Transformation zu schaffen, kann dies zum Verlust von Marktanteilen deutscher Unternehmen und Arbeitsplätzen führen. Für seine Studie hat McKinsey unter anderem die Optionen der Dekarbonisierung in Deutschland in den Sektoren Energie, Gebäude, Industrie, Landwirtschaft und Verkehr, die für 99 % der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich sind, systematisch und detailliert analysiert (McKinsey 2021).
Was auf dem Spiel steht, ist klar: Eine lebenswerte Welt für die heutige und zukünftige Generationen. Das Zeitfenster, dass noch für die Begrenzung der globalen Erwärmung auf maximal 1,5 Grad bleibt, schließt sich zusehends. Nur schnelle, tiefgreifende Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft, die bisher beispiellos sind, können die schlimmsten Folgen der globalen Erwärmung noch verhindern. Die Ziele sind gesetzt – jetzt geht es an die Umsetzung von ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen.