Klimapolitik in Deutschland ist eng verwoben mit Energiepolitik, denn diese bedingt das Niveau der Treibhausgasemissionen. Wie hat die deutsche und europäische Gesetzgebung die Klimapolitik in Deutschland im Zeitverlauf verändert und welche zukünftigen Trends sind zu erwarten?
Die energiebedingten CO2-Emissionen machen in Deutschland rund 85 Prozent der Treibhausgas-Emissionen aus. Dabei entfällt nach wie vor (Stand 2021) mit 37 Prozent der größte Anteil der Externer Link: energiebedingten Treibhausgas-Emissionen auf die Energiewirtschaft, welche die öffentliche Strom- und Wärmeversorgung aber auch Raffinerien zur Produktion von Treibstoffen sowie die Erzeugung von Festbrennstoffen ausmacht. Vor diesem Hintergrund ist die Interner Link: deutsche Klimapolitik von je her eng mit der Energiepolitik verwoben.
Historische Abkehr von fossilen Rohstoffen
Aus diesem Grund sind nationale und internationale Klimaschutzziele nicht zu erreichen, wenn die Energiewirtschaft auf fossilen Energieträgern basiert. Doch historisch gesehen ist die Diskussion einer Abkehr von fossilen Rohstoffen hin zu alternativen Energiequellen deutlich älter als die Klimapolitik. So gab es bereits im 18. Jahrhundert vor allem in Großbritannien intensive Debatten über die Endlichkeit der Kohlevorräte und deren Reichweite (Externer Link: Sieferle 1982, neu aufgelegt 2021). In der modernen Industriegesellschaft wurde der Diskurs im Rahmen der Ölkrise der 1970er Jahre beflügelt und hatte ihren Ursprung in den USA. Von US-Präsident Jimmy Carter wurden erste Initiativen ergriffen, die einen Wandel des Energiesystems und den Ausbau der erneuerbaren Energien zum Ziel hatte. So ist es kein Wunder, dass es ein US-amerikanischer Physiker und Umweltaktivist war, der 1976 den Ausdruck "sanfte Energien" (engl. Soft Energy) prägte, nämlich Amory Lovins.
Der Autor zahlreicher Bücher beschrieb einen Weg von einem zentralisierten, auf fossilen und nuklearen Brennstoffen beruhenden Energiesystem hin zu einem auf erneuerbare Energien basierenden und durch Effizienz gekennzeichneten Systems. Die Artikel von Amory Lovins (Externer Link: "The road not taken", 1976), die Gründung des Öko-Instituts 1977 sowie die Publikation der "Energiewende. Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran" von F. Krause, H. Bossel, Müller-Reißmann (1980) waren wesentliche Wegmarken und intellektuelle Startimpulse der Energiewende- und Klimapolitik in Deutschland.
Energiewende
In Deutschland wurde in den 1980ern der Begriff "Energiewende" geprägt und etabliert, mit dem dann in den 1990er Jahren auch der Begriff der Klimapolitik verknüpft wurde.
Lange Zeit zählte die deutsche Klimapolitik im internationalen Vergleich zu den anspruchvollsten und effektivsten. Vor allem die Klimaschutzgewinne einer teilweisen Deindustrialisierung sowie eines Umbaus des Energiesystems der neuen Bundesländer nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten führten dazu, dass die Treibhausgas-Emissionen hierzulande erheblich sanken, während sie in etlichen anderen Industrieländern selbst noch nach Abschluss der UN-Klimarahmenkonvention (1992) gestiegen sind.
In weiten Teilen der bundesdeutschen Politik lassen sich zentrale politische Referenzdokumente zur Klimaschutzpolitik finden. Beispielhaft seien folgend einige besonders wesentliche Meilensteine genannt:
All diese Initiativen und Gesetze sind Ausdruck des politischen Willens, das Ziel eines angemessenen und erforderlichen Beitrags zum Klimaschutz in Deutschland auf den Weg zu bringen. Dabei ist deutlich zu erkennen, dass es von einer eher vorsichtigen Umgestaltung hin zu einem grundlegenden Paradigmenwechsel geht. Zudem sieht man, dass schon die Dichte neuer Gesetzesinitiativen erkennbar zugenommen hat.
Wechselbeziehung zur europäischen Klimapolitik
Dabei ist die nationale Klimapolitik in einer ganz wesentlichen Wechselbeziehung zur Interner Link: europäischen Klimaschutzpolitik zu sehen. Der so genannte Externer Link: European Green Deal, den man durchaus als europäische Transformationsagenda für Wirtschaft und Gesellschaft bezeichnen kann, ist die derzeit wichtigste handlungsleitende Richtschnur für europäische und insbesondere auch für die deutsche Klimaschutzpolitik. Er besagt, dass Klimaschutzziele in quasi allen Politikfeldern berücksichtigt werden müssen. Damit wird erstmalig die Klimapolitik zur treibenden Kraft, um Investitionen zu lenken und nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen.
Neben dem Langfristziel der Treibhausgasneutralität sind vor allem die laut Klimaschutzgesetz erkennbare Verschärfung der Zwischenziele bis 2030 hervorzuheben. Das Externer Link: novellierte Gesetz schreibt als Treibhausgasminderungsziel für das Jahr 2030 ein Minus von 65 Prozent gegenüber 1990 vor, zuvor waren es 55 Prozent. Bis 2040 müssen die Treibhausgase sogar um 88 Prozent reduziert und bis 2045 die Treibhausgasneutralität erreicht werden. Zudem wurden sektorale Reduktionsziele verbindlich festgelegt (Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr Landwirtschaft und Abfall) und auf die neuen Ziele ausgerichtet. Erstmals gibt es auch ein verbindliches Ziel für natürliche Senken, wodurch die Bindung von CO2 etwa in Wäldern oder Mooren festgelegt wird.
Gesetze zur Verminderung der Treibhausgasemissionen
Obwohl noch vor dem Interner Link: Fukushima-Unglück beschlossen, zeigte schon das alte Energiekonzept der Bundesregierung aus dem Jahr 2010 bis zum Jahre 2050 einen politischen Zielkorridor auf: Nämlich den Ersatz fossiler durch erneuerbare Energien und verstärkte Anstrengungen zur Steigerung der Energieeffizienz. Im Klimaschutzgesetz 2021 geht die nationale Klimaschutzpolitik noch einen Schritt weiter und definiert mit Blick auf das neue europäische Klimaziel 2030 sowie als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes konkrete Meilensteine und jährliche Minderungsziele für alle klimarelevanten Sektoren.
Insgesamt weisen alle jüngeren Entwicklungen, insbesondere die ambitionierteren Reduktionsziele zur Verminderung der Treibhausgasemissionen Deutschlands bis 2045 auf eine kontinuierlich angelegte und dynamische Transformation bestehender Energie- und Verkehrsinfrastruktursysteme sowie sich andeutende Veränderungen der industriellen Landwirtschaft in ein postfossiles und klimafreundliches Zeitalter hin.
Mit seiner auch langfristig angelegten Strategie schafft das novellierte Klimaschutzgesetz 2021 für alle Akteur*innen auch ein Mehr an Planungssicherheit, wodurch Energiewirtschaft, Industrie und im Prinzip auch jeder einzelne*r Bürger*in die Gewissheit erhalten, dass fossile Energieträger keine Zukunft haben. Wer eine Investition tätigen will weiß, dass sie nur dann auch wirtschaftlich nachhaltig ist, wenn sie den Anforderungen an den Klimaschutz entspricht. Denn es ist schon jetzt festgelegt, dass in den Jahren 2024, 2032 und 2034 jeweils Minderungsziele für jeden Sektor definiert werden, die zur Erreichung des Gesamtziels der Klimaneutralität beitragen müssen.
Zudem wurde mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm 2022 zusätzliches Geld bereitgestellt, um für den Transformationsprozess in der Industrie mit beispielsweise grünem Wasserstoff zur Stahlproduktion, für energetische Gebäudesanierungen und eine klimafreundliche Mobilität die erforderlichen Anreize zu geben.
Ausblick
Ein Blick in die Glaskugel ist immer schwierig, es zeichnet sich jedoch ab, dass über die Koalitionsvertrag der Ampelkoalition 2021 vereinbarten Ziele eine weitere Dynamik auf den Klimaschutzprozess einwirken wird. Zudem zeigt der Krieg in der Ukraine, dass Klimaschutzpolitik, mit einem forcierten Ausbau erneuerbarer Energien, auch ein Beitrag zur Friedenspolitik und Versorgungssicherheit sein kann und vor allem die Abhängigkeit von anderen Staaten erheblich reduzieren kann.
Dazu passt, dass der Ausbau von Ökostrom im Koalitionsvertrag als "gemeinsame Mission" bezeichnet wird, die von öffentlichem Interesse ist. Die dort festgelegten Ausbauziele sind enorm: So sollen bis 2030 die erneuerbaren 80 Prozent des Bruttostrombedarfs von 680 bis 750 Terawattstunde (TWh) jährlich decken. Das Ausbauziel für Photovoltaik bis 2030 wurde auf zirka 200 Gigawatt (GW) installierter Leistung im Vergleich zum EEG 2021 verdoppelt, das 2030er-Ziel für Offshore-Windkraft steigt von derzeit 20 auf 30 GW und soll in den Jahren darauf sogar auf 70 GW bis 2045 deutlich weiterwachsen.
Zudem werden im Koalitionsvertrag viele weitere Details aufgeführt, die einen echten Booster beim Klimaschutz bedeuten können, worunter beispielsweise die Befreiung von der Ausschreibungspflichten für Bürgerenergieprojekte fällt. Die bislang freiwillige Regelung zur finanziellen Beteiligung von Kommunen an Solar- und Windparks im EEG 2021 soll zudem auf Bestandsanlagen ausgedehnt und für Neuanlagen verpflichtend gemacht werden. 2 Prozent der Landesfläche sollen für Windenergie ausgewiesen werden, was etwa einer Vervierfachung entspricht.
Vor dem Hintergrund, dass der Gebäudesektor im Jahr 2020 sein Emissionsziel gemäß Klimaschutzgesetz 2019 um 2 Mio Tonnen (t) CO2-Äquivalente und nach ersten Schätzungen in 2021 sogar um 12 Mio t. verfehlt hat, lässt der Koalitionsvertrag auch für den Wärmebereich erhebliche Veränderungen erwarten. Denn Heizen ohne Öl und Gas wird zunehmend zu einer zentralen Frage der Außen- und Sicherheitspolitik unseres Landes. So sollen bereits ab 2025 strengere Standards bei Energieverbrauch für Neubauten gelten, wonach nur noch 40 Prozent des Energieverbrauchs eines sogenannten Referenzgebäudes (bisher 75 Prozent) verbraucht werden dürfen, ab 2025 soll zudem jede neue Heizung, auch wenn es um den Ersatz einer Bestandsanlage geht, auf der Basis von mindestens 65 Prozent Erneuerbaren betrieben werden und die Kommunen sollen verpflichtet werden, eine Wärmeplanung zu machen, damit bis 2030 mindestens 50 Prozent der Wärme klimaneutral erzeugt werden.
Oliver Wagner, Dipl.-Sozialwissenschaftler; derzeit Co-Leiter des Forschungsbereichs Energiepolitik in der Abteilung "Energie, Verkehrs- und Klimapolitik" am Wuppertal Institut. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Kommunale Energie- und Klimapolitik sowie Klimaschutzbildung.