Stahl, Zement, Plastik, Glas, Papier, Aluminium – wichtige Grundstoffe für zahlreiche Industriebranchen und feste Bestandteile unseres täglichen Lebens. Doch ihre Produktion verbraucht viel Energie und stößt große Mengen Treibhausgase aus. Wie kann Deutschland klimaneutral werden und gleichzeitig starker Industriestandort bleiben?
Deutschland ist Industrieland. "Made in Germany" gilt auf der ganzen Welt als Qualitätsmerkmal. Als größter deutscher Industriezweig steht besonders die Automobilbranche oft sinnbildlich für deutsche Ingenieurskunst, Wohlstand und Arbeitsplätze zugleich. In den Autos verbaut sind wiederum Stahl, Kunststoffe, Elektronik und vieles mehr – auch sie werden in großen Mengen in Deutschland produziert, ebenso wie die Maschinen, die für ihre Herstellung notwendig sind. Neben großen globalen Playern zeichnet sich der deutsche Industriesektor auch durch einen breiten Mittelstand aus kleinen und mittelgroßen Unternehmen aus.
Die industrielle Produktion bringt Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Innovationen. Sie verbraucht aber auch große Mengen an Energie und Ressourcen und verursacht hohe Treibhausgasemissionen. Externer Link: Mehr als ein Fünftel der deutschen Treibhausgasemissionen sind dem Industriesektor zuzurechnen. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen alle Industrieunternehmen – ob groß oder klein – ihren Treibhausgasausstoß schnell und stark reduzieren. Zwischen 1990 und 2019 sind die jährlichen Emissionen der Industrie um 36 Prozent gesunken. Vor allem in den 1990er Jahren wurden viele Treibhausgase eingespart, doch seitdem waren die Minderungen im Vergleich zu den anderen Sektoren eher unterdurchschnittlich. Laut dem deutschen Klimaschutzgesetz muss die Industrie ihre Emissionen bis 2030 gegenüber 2019 Externer Link: um weitere 36 Prozent reduzieren.
Ein großes Augenmerk liegt dabei auf den energieintensiven Grundstoffindustrien. Dazu zählen die Branchen Baustoffe, Chemie, Glas, Nichteisen-Metalle, Papier und Stahl. Zur Herstellung dieser Materialien wird besonders viel Energie benötigt, die heute noch weitgehend aus fossilen Energieträgern bereitgestellt wird. Grundstoffe sind zentral für alle Bereiche des täglichen Lebens: für die Häuser, in denen wir wohnen; für die Straßen, Schienen, Brücken, Züge, Autos und Fahrräder, auf und mit denen wir uns fortbewegen; für die Düngemittel und Verpackungen der Lebensmittel, von denen wir uns ernähren. Und auch für die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft sind Grundstoffe essenziell. Beispielsweise kommt der Bau von Windrädern oder Elektromotoren nicht ohne Grundstoffe aus. Auch die Klimaneutralität anderer Sektoren wie Energie, Gebäude oder Verkehr hängt somit stark davon ab, dass es gelingt, auf eine klimaneutrale Industrieproduktion umzusteigen.
Wie kann die Industrie klimaneutral werden?
Um das Ziel der Klimaneutralität im Industriesektor zu erreichen, gibt es verschiedene grundlegende Strategien, die parallel verfolgt werden sollten.
Zunächst einmal gilt es, die Energiemenge zu minimieren, die für die industrielle Produktion aufgewendet werden muss. Das ist die Strategie der Energieeffizienz. Produktionsprozesse sollten dahingehend optimiert werden, mit möglichst geringem Energieeinsatz möglichst viel produzieren zu können. Viele Optionen zur Effizienzsteigerung lohnen sich aufgrund eingesparter Energiekosten auch finanziell und wurden daher von der Industrie in den letzten Jahrzehnten bereits umgesetzt. Doch an vielen Stellen gibt es auch hier noch Potenziale zur weiteren Einsparung. Nach Schätzungen des Externer Link: Umweltbundesamtes wird der Energieeinsatz allein unter Berücksichtigung der aktuellen Politik und Maßnahmen im Industriesektor trotz gleichbleibender Produktionsmengen zwischen 2018 und 2040 um 12 % sinken. Wenn Politik und Industrie nach dem Leitprinzip "efficiency first" in Zukunft verstärkt auf Energieeffizienz achten, können wohl noch deutlich größere Einsparungen erzielt werden.
Eine weitere wichtige Strategie ist, den Bedarf an Grundstoffen insgesamt zu reduzieren. Denn je weniger Materialien benötigt werden, desto weniger müssen produziert werden. So werden sowohl Emissionen eingespart als auch Energie und Ressourcen. Das kann z. B. gelingen, indem Materialien sparsamer eingesetzt werden. So gibt es beispielsweise im Bauwesen Potenziale, mit Materialien wie Beton oder Stahl sparsamer umzugehen oder sie teilweise durch nachwachsende Rohstoffe wie Holz zu ersetzen. Beim Bau eines Einfamilienhauses aus Holz können zwischen Externer Link: 35 und 56 Prozent Treibhausgasemissionen eingespart werden.
Außerdem können Materialien eingespart werden, indem die Nachfrage nach den aus ihnen hergestellten Endprodukten reduziert wird. Interner Link: Wenn z. B. mehr Menschen vom privaten Pkw auf Car-Sharing oder den ÖPNV umsteigen, müssen weniger Autos produziert werden – und dementsprechend auch weniger Stahl, Aluminium und Plastik. Gleiches gilt z. B. auch für einen reduzierten Verbrauch von Konsumgütern wie Kleidung oder Einwegprodukten und -verpackungen aus Plastik. Interner Link: Solche Maßnahmen werden auch als Suffizienzstrategie bezeichnet. Außerdem können Primärmaterialien (also aus Rohstoffen neu hergestellte Grundstoffe, wie z. B. Stahl aus Eisenerz oder Plastik aus Erdöl) eingespart werden, indem mehr recycelte Materialien verwendet werden.
Recyclingprozesse sind deutlich weniger energie- und emissionsintensiv als die Herstellung neuer Materialien. Für die Materialien Stahl, Aluminium und Polyethylen kann der Energieverbrauch durch Recycling Externer Link: um den Faktor 5 bis 17 gesenkt werden. Die Recyclingquoten von Grundstoffen sind derzeit noch sehr unterschiedlich. Beispielsweise werden Papier, Aluminium und Stahl bereits zu vergleichsweise hohen Anteilen recycelt. Bei Plastik hingegen besteht noch einiges an Spielraum, insbesondere im Bereich der Post-Consumer-Abfälle: 2019 wurden nur etwa 33 % der Kunststoffabfälle aus privaten Haushalten stofflich verwertet, also wieder zu neuen Plastikprodukten verarbeitet. Wenn es gelingt diese Recyclingquoten zu steigern, Stoffkreisläufe zu schließen und so von einer linearen zu einer Kreislaufwirtschaft überzugehen, können viele Primärmaterialien eingespart werden.
Es ist sinnvoll all die genannten Strategien zu verfolgen, um Energie, Ressourcen und Emissionen einzusparen. Letztendlich werden aber weiterhin auch Primärmaterialien benötigt werden. Die hierfür notwendigen Produktionsprozesse, die derzeit noch auf Basis fossiler Energieträger funktionieren, müssen also klimaneutral umgestellt und zukünftig mit erneuerbaren Energien betrieben werden.
Chancen und Herausforderungen der Industrietransformation
In den energieintensiven Grundstoffindustrien ist häufig die Rede von "schwer vermeidbaren" Emissionen, da eine Umstellung auf erneuerbare Energien nicht so einfach möglich ist, ohne die bestehenden Produktionsverfahren vollständig über Bord zu werfen. Ein anschauliches Beispiel bietet die Eisen- und Stahlproduktion: Hier werden Hochöfen für die Produktion von Roheisen mit Kohle befeuert, wobei große Mengen CO2 ausgestoßen werden. Die Kohle lässt sich in diesem Prozess nicht vollständig und nachhaltig durch einen erneuerbaren Energieträger ersetzen. Um Klimaneutralität zu erreichen, müssen die Hochöfen daher stillgelegt und durch eine gänzlich andere Technologie ersetzt werden – eine Herausforderung, die sich auch bei vielen anderen energieintensiven Prozessen stellt.
Das Schlüsselwort lautet hier Elektrifizierung: Wo auch immer möglich, sollte der direkte Einsatz von fossilen Energieträgern durch den Einsatz von erneuerbarem Strom ersetzt werden. So kann zum Beispiel in der Chemieindustrie die für verschiedene Prozesse benötigte Wärme und der Dampf elektrifiziert und so mit erneuerbaren Energien bereitgestellt werden. Doch das ist nicht überall möglich: Anders als beispielsweise im Automobilbereich (Elektroautos) oder bei der Gebäudebeheizung (elektrische Wärmepumpen) lassen sich viele Industrieprozesse nach heutigem Stand gar nicht oder nur sehr aufwendig direkt mit Solar- oder Windstrom betreiben. Stattdessen ist es notwendig, den Strom zunächst in eine andere Form von Energie umzuwandeln. Besonders zentral ist hier die Wasserstoffelektrolyse, bei der auf Basis von Wasser und grünem Strom Wasserstoff (H2) klimaneutral hergestellt werden kann. Dieser kann dann in verschiedenen Industrieprozessen zum Einsatz kommen – beispielsweise als Energieträger und Reduktionsmittel in der Herstellung von Roheisen im Stahlsektor. Die kohlebasierten Hochöfen könnten so durch sogenannte Direktreduktionsanlagen ersetzt werden, die mit grünem Wasserstoff betrieben werden können. In der Chemieindustrie wird Wasserstoff außerdem auch stofflich genutzt, z. B. um Ammoniak herzustellen, der wiederum für die Produktion von Düngemitteln benötigt wird.
Bis genügend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, wird der Einsatz von Erdgas für einige Industrieprozesse als Übergangslösung gehandelt. So können neue Produktionsanlagen bereits "H2-ready" aufgebaut und in Betrieb genommen werden, auch wenn das Angebot an grünem Wasserstoff noch zu gering ist. Bereits heute ist Erdgas in vielen Industrieprozessen, wie zum Beispiel in der Papier-, Glas- und Chemieindustrie, ein zentraler Energieträger und Einsatzstoff. Problematisch ist allerdings, dass Deutschland stark abhängig von Erdgas-Importen ist. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat deutlich gemacht, dass eine starke einseitige Energieabhängigkeit die Versorgungssicherheit gefährden und entschiedenes Handeln in geopolitischen Krisensituationen erheblich erschweren kann. Energieintensive Betriebe, die ihre Produktion nicht ohne Weiteres auf einen anderen Energieträger umstellen können, sind für starke Preisanstiege oder Knappheitssituationen besonders anfällig. Der Notfallplan Gas der Bundesregierung stellt die Belieferung von Industrieunternehmen anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Wärmeversorgung, hintenan. Umso wichtiger ist es daher, die Abhängigkeit von bestimmten fossilen Energieträgern durch mehr Energieeffizienz und -suffizienz sowie durch einen verstärkten Ausbau erneuerbarer Energien möglichst schnell und stark zu reduzieren.
Viele der benötigten neuen Produktionstechnologien befinden sich noch in der Entwicklung und sind daher heute noch nicht verfügbar. Manche Emissionen werden sich aus heutiger Sicht sogar gar nicht vermeiden lassen. So wird zum Beispiel bei der Herstellung von Zement aufgrund chemischer Prozesse CO2 freigesetzt, das sich nicht durch einen Energieträgerwechsel vermeiden lässt. Um klimaneutral Zement zu produzieren, muss das entstandene CO2 daher eingefangen und anschließend entweder eingelagert oder in anderen Produktionsprozessen verwendet und im Kreis geführt werden. Auch diese Technologie ("Carbon Capture and Use or Storage", kurz CCUS) befindet sich heute noch in den Kinderschuhen.
Diese neuen klimafreundlichen Technologien – ob Wasserstoffeinsatz in der Stahlindustrie oder CO2-Abscheidung in der Zementherstellung – sind aus heutiger Sicht außerdem deutlich teurer zu betreiben als die bestehenden, fossilbasierten Prozesse. In sie zu investieren rechnet sich für die Unternehmen momentan in der Regel noch nicht und gefährdet unter den aktuellen Rahmenbedingungen ihre Wettbewerbsfähigkeit. Hinzu kommt, dass sie stark von der Verfügbarkeit großer Mengen an grünem Strom (und grünem Wasserstoff) abhängen. Diese müssen nicht nur produziert, sondern auch zu den Industriestandorten transportiert werden. Eine entsprechende Infrastruktur, um den notwendigen Strom, Wasserstoff und auch abgeschiedenes CO2 zu transportieren, muss erst noch aufgebaut werden.
Die Industrie steht somit vor großen Herausforderungen: Sie muss neue Technologien entwickeln, hohe Summen in neue Produktionsanlagen investieren, höhere Betriebskosten stemmen und große Mengen an erneuerbarem Strom und Wasserstoff beziehen können.
Doch diese Herausforderungen anzunehmen und sich dennoch auf den Weg zu einer klimaneutralen Produktion zu machen birgt auch große Chancen. Die Welt hat sich im Pariser Abkommen zur Klimaneutralität verpflichtet. Früher oder später müssen also alle Industrieunternehmen auf der ganzen Welt auf klimafreundliche Technologien umsteigen. Deutsche Unternehmen haben die Chance, sich eine Technologieführerschaft zu sichern und zum Exporteur klimafreundlicher Technologien zu werden. Des Weiteren befinden sich Grundstoffindustrien am Anfang verschiedenster Wertschöpfungsketten. Verarbeitende Industrien, wie beispielsweise die Automobilbranche, möchten ihren Kunden nachhaltigere Produkte anbieten können. Sie werden in Zukunft verstärkt klimafreundliche Materialien für die Herstellung ihrer Produkte benötigen. Unternehmen der Grundstoffindustrie, die mit der Transformation vorangehen, können sich diese Nachfrage sichern. Große Zukunftsinvestitionen sind schwer zu stemmen, doch sie bringen auch neues Wissen, neue Märkte und neue Wertschöpfung.
Und was macht die Politik?
Die Politik spielt für die Industrietransformation eine wichtige Rolle: Sie muss es schaffen, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die Industrieunternehmen die Transformation stemmen und im internationalen Markt weiterhin bestehen können. Letzteres ist zentral, denn Grundstoffe werden global gehandelt. Wenn deutsche bzw. europäische Unternehmen aufgrund strikter Umwelt- und Klimaauflagen ihre Produkte zu höheren Kosten produzieren müssen als ihre internationale Konkurrenz, dann können sie diese auch nur zu höheren Preisen am Markt anbieten. Das gefährdet ihre Wettbewerbsfähigkeit und kann dazu führen, dass die Unternehmen ihre Produktion entweder vollständig einstellen oder in andere Länder und Regionen verlagern, in denen es weniger strenge Regulierungen gibt. Das reduziert die von der Industrie insgesamt ausgestoßene CO2-Menge nicht (im Gegenteil – es könnte sogar mehr CO2 emittiert werden, wenn sich die Produktion auf weniger effizienten Anlagen im Ausland verschiebt), sondern verlagert sie nur woanders hin. Das nützt dem Klima nichts und wirkt sich außerdem negativ auf die hiesige Wirtschafts- und Beschäftigungslage aus. Diesen Effekt bezeichnet man auch als "Carbon Leakage".
Die Politik muss es also schaffen, klimafreundliche Investitionen der Unternehmen wirksam anzureizen und gleichzeitig Carbon Leakage zu verhindern. Auf EU-Ebene gibt es dafür seit 2005 den Interner Link: EU-Emissionshandel (EU-EHS). Doch der europäische Emissionshandel war in seiner bisherigen Ausgestaltung unzureichend, um einen ausreichend hohen CO2-Preis herbeizuführen und so die notwendigen großen Veränderungen in der Industrie anzustoßen. Die EU hat sich daher auf eine Reform des EU-EHS und die Einführung eines Grenzausgleichsmechanismus geeinigt, der importierten Produkten aus Ländern mit geringeren Klimaschutzstandards effektiv den gleichen CO2-Preis zuschreibt wie heimisch produzierten. So würden europäische Unternehmen durch die CO2-Bepreisung gegenüber der außereuropäischen Konkurrenz nicht benachteiligt werden und hätten gleichzeitig einen starken Anreiz, in klimafreundliche Prozesse zu investieren.
Auch die seit 2021 regierende Ampelkoalition legt in ihrem Koalitionsvertrag ein Augenmerk auf industriellen Klimaschutz. Sie plant, mit verschiedenen regulativen und Fördermaßnahmen die notwendigen Rahmenbedingungen schnellstmöglich zu schaffen. Der Zeitfaktor ist wichtig, denn die meisten Industrieanlagen haben Lebensdauern von mehreren Jahrzehnten. Wenn sich ein Stahlunternehmen heute entweder für einen Kohle-Hochofen oder eine wasserstoffbetriebene Direktreduktionsanlage entscheidet, dann wird diese Anlage 2045 voraussichtlich noch in Betrieb sein. Um nachhaltige Investitionsentscheidungen bereits heute zu begünstigen, werden auf nationaler Ebene in Ergänzung zu den EU-Maßnahmen sogenannte Klimaschutzverträge diskutiert. Dabei handelt es sich um Verträge zwischen Staat und Unternehmen, die eine Prämie pro vermiedene Tonne Emissionen festschreiben, sodass die Mehrkosten der klimafreundlichen Produktion insgesamt ausgeglichen werden. Diese Zusicherung seitens des Staates gibt den Unternehmen Planungssicherheit und minimiert das Investitionsrisiko für neue Technologien. Und auch auf der Nachfrageseite kann der Staat nachhelfen: Die Ampelregierung plant Mindestquoten für klimafreundliche Produkte in der öffentlichen Beschaffung einzuführen, z. B. für die Verwendung von klimafreundlich produziertem Stahl und Zement beim Bau öffentlicher Gebäude. So kann ein zuverlässiger Absatzmarkt für grüne Produkte entstehen, was den Unternehmen wiederum mehr Investitionssicherheit verschafft.
Welche klimapolitischen Instrumente tatsächlich in welcher Ausgestaltung und Kombination eingeführt werden sollten, ist ein viel diskutiertes Thema. Und auch ein Blick über die Grenzen Deutschlands und Europas hinaus zeigt, das politisch viel Bewegung im Thema Industriedekarboniserung herrscht. Beispielsweise hat die USA 2022 ein Gesetz ("Inflation Reduction Act") auf den Weg gebracht, das mittels Subventionen eine klimafreundliche Produktion am US-amerikanischen Standort für Industrieunternehmen attraktiver machen wird.
Subventionen für den Klimaschutz
US-Präsident Joe Biden hat im August 2022 ein Subventionspaket für den Klimaschutz präsentiert. Dies ist Teil des Externer Link: Inflation Reducation Act (IRA, dt. Inflationsbekämpfungsgesetz). Rund 370 Milliarden Dollar sollen aus dem IRA in Klimaschutz und Energiesicherheit fließen. Dabei handelt es sich um die größte klimapolitische Investition in der US-Geschichte. Weitere Gelder sind unter anderem für soziale Maßnahmen im Gesundheitswesen vorgesehen.
Kritik am milliardenschweren Subventionspaket gibt es von der Europäischen Union (EU). Denn der IRA sieht neben Investitionen in erneuerbare Energien auch Steuererleichterungen für Unternehmen vor, die US-Produkte verwenden oder in den USA produzieren. Externer Link: Die EU wertet dies als diskriminierend und als Verstoß gegen die Regeln der Welthandelsorganisation.
Als Reaktion auf den IRA wurde im Januar 2023 der Externer Link: Green Deal Industrial Plan ("grüner Industrieplan") im Europäischen Parlament präsentiert. Dieser zielt auf mehr Wettbewerbsfähigkeit der CO2-neutralen Industrie ab und gründet auf Externer Link: vier Säulen: "ein günstiges Regelungsumfeld für die Netto-Null-Industrie, ein schnellerer Zugang zu Finanzmitteln, die richtigen Kompetenzen für Arbeitskräfte und ein offener Handel für widerstandsfähige Lieferketten."
Klimaneutrale Industrie?
Es herrscht Umbruchsstimmung in Deutschlands Industriesektor. In den 2020er Jahren stehen viele wichtige Investitionsentscheidungen für große Industrieanlagen an, die die Weichen in Richtung Klimaneutralität stellen können. Ein Großteil der stark emittierenden Unternehmen steht mit neuen, grünen Technologien in den Startlöchern. Die Politik arbeitet an verschiedenen Ansätzen, um die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Aus Klimaschutzsicht stimmen diese Entwicklungen hoffnungsvoll. Denn es ist nur wenige Jahre her, dass die Industrieunternehmen dem Thema Klimaschutz eher abwehrend gegenüberstanden: Zu viel Klimaschutz würde der deutschen Industrie schaden, ihre Wettbewerbsfähigkeit würde geschwächt werden – und sehr starke Emissionsminderungen oder gar Klimaneutralität seien technisch ohnehin gar nicht möglich. Industrielle Wertschöpfung und effektiver Klimaschutz wurden lange gegeneinander ausgespielt. Doch in den letzten Jahren hat sich diese Erzählung gewandelt: Industrieller Klimaschutz ist nicht nur machbar, sondern kann unter den richtigen Rahmenbedingungen Innovationskraft, Technologieführerschaft und Wettbewerbsvorteile mit sich bringen. Der Bundesverband der deutschen Industrie sieht in der Umsetzung der Klimaschutzziele eine "historische Chance, Deutschland zu einem klimaneutralen Industrieland zu transformieren, einen ambitionierten Beitrag zur Begrenzung der Auswirkungen des Klimawandels zu leisten und damit den Wohlstand dieser und kommender Generationen zu sichern."
So könnte "Made in Germany" auch in Zukunft noch für Qualität stehen – und zwar ohne Kompromisse auf Kosten des Klimas und zukünftiger Generationen.
Studium des Sustainability Managements, M. Sc.; derzeit Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich Strukturwandel und Innovation am Wuppertal Institut. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Industriedekarbonisierung.