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Dokument 1.13: Die Begründung des Auswanderungsbegehrens durch den Bürger Jakob Damm, aus "Re Patria", 1974 | Russlanddeutscher Samisdat | bpb.de

Russlanddeutscher Samisdat Abschnitt I: Einführung A. Deutsche Dissidenten, Oppositionelle und Nonkonformisten im sowjetischen Unrechtsstaat (1950er–1980er Jahre) B. Russlanddeutscher Samisdat und das Umfeld seiner Entstehung C. Anmerkungen zu den Quellen Abschnitt II: Quellenteil Teil 1: Der Kampf um die Autonomie und für nationale und bürgerliche Gleichberechtigung Dokument 1.1: Brief von Viktor Schneider an Stalin und an die Zeitung "Prawda", April 1951 Dokument 1.2: Brief von Therese Chromowa an Nikita Chruschtschow über die Frage der Wiederherstellung der Autonomen Republik der Wolgadeutschen, 15. September 1961 Dokument: 1.3 Brief von Reinhardt Köln an Nikita Chruschtschow über die Rehabilitierung der Wolgadeutschen, 8. April 1963 Dokument 1.4: Die Orenburger Initiative: Ein Appell an die deutsche Bevölkerung der Sowjetunion, August 1964 Dokument 1.5: Erste Delegation der Deutschen in Moskau in Fragen der Wiederherstellung der Autonomie. Informationsbericht über historische Hintergründe und gegenwärtige Lage der deutschen Bevölkerung in der UdSSR, 9. Januar 1965 Dokument 1.6: Erste Delegation der Deutschen in Moskau in Fragen der Wiederherstellung der Autonomie. Empfang der Teilnehmer durch den Staatspräsidenten Anastas Mikojan, 12. Januar 1965 Dokument 1.7: Zweite Delegation der Deutschen in Moskau in Fragen der Wiederherstellung der Autonomie. Verkürzte Niederschrift des Gesprächs beim Empfang der Teilnehmer durch den Staatspräsidenten Anastas Mikojan, 7. Juli 1965 Dokument 1.8: Zweite Delegation der Deutschen in Moskau in Fragen der Wiederherstellung der Autonomie. Eine kritische Bestandsaufnahme der Ergebnisse des Treffens mit dem Staatspräsidenten Anastas Mikojan, 9. Juli 1965 Dokument 1.9: Dritte Delegation der Deutschen in Moskau in Fragen der Wiederherstellung der Autonomie. Aufzeichnung der Unterredung von vier Vertretern der Delegation mit dem Leiter des Empfangsbüros des ZK der KPdSU, 15. Juli 1967 Dokument 1.10: Appell der in der Sowjetunion lebenden Bürger deutscher Nationalität an die Organisation der Vereinten Nationen, 18. Mai 1973 Dokument 1.11: Inhaltsverzeichnis und Vorwort der Herausgeber des Samisdat-Sammelbandes "Re Patria", 1974 Dokument 1.12: Antrag der Eheleute Ruppel für den Austritt aus der sowjetischen Staatsbürgerschaft, aus "Re Patria", 1974 Dokument 1.13: Die Begründung des Auswanderungsbegehrens durch den Bürger Jakob Damm, aus "Re Patria", 1974 Teil 2: Intellektueller Samisdat Dokument 2.1: Brief der deutschsprachigen Schriftsteller, März 1965 Dokument 2.2: Konstantin Wuckert über das Alltags- und Berufsleben der Deutschen in Zentralasien und Beziehungen zu der einheimischen Bevölkerung, Juni 1976 Dokument 2.3 Ein Appell und offener Brief an die sowjetischen Wissenschaftler. Gewidmet der Wiedergeburt der deutschen Nation in der UdSSR, 1982 Dokument 2.4 Eingabe der Schauspieler und Mitarbeiter des Deutschen Dramatheaters in Temir-Tau, Kasachstan, an den 27. Parteitag der KPdSU, Ende 1985 – Angang 1986 Teil 3: Kampf um die Ausreise aus der UdSSR nach Deutschland (BRD und DDR) Dokument 3.1: Flugblatt, geschrieben von Wladimir Hoffmann, in dem zur Ausreise in die Bundesrepublik aufgerufen wird, 1957 Dokument 3.2: Lage der Deutschen in der Unionsrepublik Estland, 1974 Dokument 3.3: "Fremdes Brot." Valentin Wiens über die Verfolgung der deutschen Aktivisten, die für das Recht auf Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland kämpfen, 1975 Dokument 3.4: Brief von Konstantin Wuckert an die Staatschefs der UdSSR, BRD und DDR über das Recht der deutschen Sowjetbürger auf Ausreise in die BRD oder in die DDR, Juni 1976 Dokument 3.5 Verzweifelter Hilferuf von 583 Deutschen aus der Sowjetunion, 1976 Teil 4: Künstlerische und volkskundliche unzensierte Werke Dokument 4.1: "Wiegenlied einer sowjetdeutschen Mutter in der sibirischen Verbannung" von Dominik Hollmann Dokument 4.2: Liedertextsammlung "Unsere Stimme", Typoskript, Oktober 1965 Abschnitt III: Lebensläufe einiger nonkonformer Aktivisten und Dissidenten Erich (Erhard) Abel Therese Chromowa Eduard Deibert Wjatscheslaw Maier Andreas (Andrej) Maser Ludmilla Oldenburger Friedrich Ruppel Friedrich Schössler Konstantin Wuckert Abkürzungsverzeichnis

Dokument 1.13: Die Begründung des Auswanderungsbegehrens durch den Bürger Jakob Damm, aus "Re Patria", 1974

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An das Innenministerium der Estnischen SSR,
Lai tänav, Tallinn,
Abteilung für Visa und Registrierung (OWIR)

vom Bürger Damm, Jakob Kondratjewitsch, geb. 1938, Deutscher, wohnhaft: Estnische SSR, Jögeva, Nöukogude Str. 9, Wg. 31.

ANTRAG

Ich und meine Familie wenden uns mit der Bitte an Sie, uns die Ausreise in unsere historische Heimat – Deutschland – zu gestatten. Ein Verzeichnis der Deutschen, die nach Deutschland auszureisen wünschen, wurde der Regierung am 18. Mai 1973 überreicht. Die Antwort blieb jedoch bis heute aus. Unser Ersuchen wird von uns damit begründet, dass für die Deutschen in der Sowjetunion [als Nationalität] keine Existenzmöglichkeiten bestehen. Die in der Sowjetunion ansässigen Deutschen sind, was ihre Bevölkerungszahl betrifft, nicht die kleinste Volksgruppe, sondern es gibt Völkerschaften mit einer weit geringeren Bevölkerungszahl. Diese werden jedoch als Nation anerkannt. Sie haben eine [Unions]republik oder eine Autonomie [d.h. autonome Republik], wo sie ihre Regierungen, ihre Universitäten, höhere Lehranstalten, Schulen, Klubs, Theater, Kindergärten und -krippen haben. In ihrer Muttersprache erscheinen Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, werden Fernsehen- und Radiosendungen ausgestrahlt usw. Die Deutschen in der Sowjetunion haben jedoch Garnichts, sie sind es nicht einmal wert, irgendwo erwähnt zu werden.

Wir haben, so gab die [Zentral]Regierung der Abordnung der Deutschen zur Antwort, kein Territorium, was so viel bedeutet, dass es für uns in der Sowjetunion nichts gibt. Es fehlt uns nicht nur an [eigener] Regierung, sondern sogar an Grundschule, in der unsere Kinder die Möglichkeit hätten, in ihrer Muttersprache unterrichtet zu werden. Es scheint, dass wir es nicht verdient haben. Andererseits aber, laut Äußerungen beim Empfang der deutschen Abordnung durch die [Zentral]Regierung, erkennt man die Deutschen als fleißige und gewissenhafte Arbeiter an, der Anteil Straffälliger unter ihnen ist am geringsten usw.

Worin besteht da die Logik: an der Arbeitsfront gelten wir als gute Werktätige, wenn es sich jedoch um unsere nationalen Rechte handelt, stellt es sich heraus, dass solche für die Deutschen nicht existieren. Es drängt sich die Frage auf – wie soll es weitergehen, was erwartet uns, Deutsche der [Sowjet]Union, in der Zukunft? Die Schlussfolgerung ist klar: Assimilation. Aber warum? Wer und mit welchem Recht nahm uns alles, worauf alle Völker der Welt ein Anrecht haben? Und warum sollen wir aussterben [als Volk mit eigener Sprache und Kultur], in dem wir in anderen [Völkern] aufgehen werden? Wodurch sind wir schlechter als die Anderen? Wenn es sich vorrangig um das Territorium handelt, so erlauben Sie allen, die es wünschen, nach Deutschland zu übersiedeln. Ich und meine Familie erwarten mit großer Hoffnung einen positiven Bescheid auf unsere Bitte.

15. August 1973

DAMM J.K.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Das Schreiben wurde am 15. August 1973 verfasst. Erstveröffentlichung auf Russisch in der Samisdat-Schrift "Re Patria", 1974. Nachgedruckt in: Re Patria Nr. 1. Sbornik materalov, posvjaščennych nemcam Sovetskogo Sojuza [Materialsammlung zu den Deutschen in der Sowjetunion] (Vol’noe slovo. Samizdat. Izbrannoe. Vypusk 16). Frankfurt/M: Posev 1975, S. 48–49, online: Externer Link: http://vtoraya-literatura.com/pdf/volnoe_slovo_16_1975__ocr.pdf. Der Text wurde vom Sender RFE/RL (Russian Broadcast Recordings) mehrmals ausgestrahlt. Erste Ansage erfolgte am 5. September 1974, online (russisch) ab 4:40 bis 07:30 min: Externer Link: http://catalog.osaarchivum.org/catalog/osa:a8ab46e5-300a-493e-abbd-ac1ab67170ab. Eine Übersetzung ins Deutsche erschien in: Deutschtum im Osten. Dokumente (Hrsg. vom Bund Re Patria, Frankfurt/M), Nr. 1/1975, S. 7–8. Hier erfolgt eine überprüfte, korrigierte und kommentierte deutsche Neufassung.

  2. Vgl. hierzu das Interner Link: Dokument 1.10.

  3. Das ist ein Rekurs auf die Worte des Staatsoberhaupts Anastas Mikojan während der Unterredung mit den Vertretern der Ersten Delegation der Deutschen im Januar 1965, siehe Interner Link: Dokument 1.6.