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Die heute relevanten Paradigmen in der VWL sind die neue neoklassische Synthese (NNS, auch „New Consensus“ genannt), der Neoliberalismus und der Keynesianismus. Dabei ist die NNS, die aus der Neoklassik hervorging und einzelne Teile des Keynesianismus integriert, das dominante Paradigma, auch Mainstream genannt.
Die wichtigsten Unterschiede zwischen den drei Paradigmen liegen in ihrer zugrunde liegenden Forschungsmethodik. Um die Komplexität der Wirtschaftswelt zu erfassen, bildet man meist vereinfachende Modelle. In der Neoklassik und der NNS verfolgt man „reine Theorie“, also meist sehr abstrakte mathematische Grundmodelle, die – wie in der Mathematik – nur richtig oder falsch sein können, sodass man sie empirisch nicht überprüfen kann. Die NNS versteht sich wie eine Naturwissenschaft, der Neoliberalismus ist dagegen normativ ausgerichtet, und der Keynesianismus benutzt zwar auch Modelle, die aber den „stilisierten Fakten“ entsprechen sollen. Neoliberalismus und Keynesianismus verstehen sich als Sozialwissenschaften, in die auch Werturteile einfließen. Die Methodologie der NNS ist im Kern „axiomatisch-deduktiv“
Mikro- und Makroökonomik
Aus: Das Lexikon der Wirtschaft,
Teil der Volkswirtschaftstheorie, der sich mit dem Wirtschaftsverhalten von privaten Haushalten und Unternehmen befasst. So wird danach gefragt, wie wirtschaftliche Entscheidungen in privaten Haushalten (z. B. über die Verwendung des Einkommens) und Unternehmen (z. B. über die geplante Produktionsmenge) zustande kommen und wie sich diese Entscheidungen auf Angebot und Nachfrage auf verschiedenen Märkten auswirken.
Teil der Volkswirtschaftstheorie, der sich mit dem wirtschaftlichen Verhalten ganzer Sektoren (z. B. private Haushalte, Unternehmen oder Staat) befasst, gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge (z. B. die Konjunkturlage oder das Wachstum) untersucht und gesamtwirtschaftliche Größen (z. B. das Sozialprodukt, das Volkseinkommen oder die Beschäftigung) erklärt.
Die heute vorherrschenden Paradigmen haben sich auf den Fundamenten der liberalen ökonomischen Klassik – mit Adam Smith, David Ricardo und John Stuart Mill – und der Neoklassik herausgebildet, die Ende des 19. Jahrhunderts aufkam (repräsentativ Alfred Marshall aus Cambridge). Der erste Paradigmenwechsel kam nach 1945, als die vorherrschende Neoklassik durch die Theorie von John Maynard Keynes (1936) erschüttert wurde. Die Neoklassik konnte die Weltwirtschaftskrise von 1929 nicht erklären, nicht vorhersehen und nicht bekämpfen. In stark verkürzter Form wurde Keynes‘ Lehre als neue makroökonomische Theorie mit der neoklassischen Mikroökonomie „verbandelt“. Paul Samuelson, der damals wichtigste Lehrbuchautor, prägte 1948 dafür den Begriff „neoklassische Synthese“ – für die „kurze Frist“ gilt Keynes, für die „lange Frist“ die Neoklassik.
Die Neue Neoklassische Synthese
Um diese Theorie zu verstehen, muss zuvor die Neoklassik kurz dargestellt werden. Diese konstruiert ein Modell der optimalen gleichgewichtigen Produktion unter der Bedingung vollständigen Wettbewerbs auf allen Märkten bei Privateigentum an Unternehmen – und ohne Staat. Angebot und Nachfrage treffen sich bei einem Gleichgewichtspreis , egal ob auf dem Güter-, Arbeits- oder Finanzmarkt. Diese Gleichgewichte sind stabil in dem Sinn, dass Märkte nach schockartigen Abweichungen schnell wieder in den Ruhezustand des Gleichgewichts zurückfinden. Treibende Kraft ist das Streben der Individuen nach Nutzenmaximierung („
Herrscht auf allen Märkten einer Volkswirtschaft allgemeines Gleichgewicht, also auch Vollbeschäftigung, dann werden die Einkommen und deren Verteilung durch die Produktivität von Arbeit und Kapital erklärt.
Die NNS ergänzt die Neoklassik zur allgemeinen Gleichgewichtstheorie und macht dabei Anleihen beim Neu-Keynesianismus, der Teile von Keynes‘ Theorie uminterpretiert. Die wichtigsten Veränderungen gegenüber der Neoklassik sind die Folgenden:
Starre Preise: Löhne, Preise und Zinsen sind nicht so flexibel wie die Neoklassik annahm, und zwar aus Gründen mikroökonomischer Effizienz: ständig schwankende Preise können die Kosten von Markttransaktionen erhöhen. Das kann zu temporären Marktungleichgewichten führen, sodass Lohnsenkung in Krisen, das neoklassische Rezept gegen Arbeitslosigkeit, kurzfristig nicht funktioniert.
Mikrofundierung: Alle ökonomischen Aussagen, auch der Makroökonomik, müssen mikrofundiert sein, also durch Maximierungslogik der Individuen begründbar sein.
Verzicht auf den Monetarismus: Zentralbanken können die Geldmenge nicht kontrollieren, wohl aber die kurzfristigen Zinsen („Leitzinsen“), eine von den Keynesianern übernommene Theorie.
Die Zinspolitik der Zentralbanken kann Inflation wirksam bekämpfen. Langfristig ist Geld neutral. Die Zinsen dürfen nicht so niedrig sein, dass sie zu so niedriger Arbeitslosigkeit führen, dass davon inflationärer Lohndruck ausgeht, aber sie dürfen auch nicht zu hoch sein. Die Investitionen sind bei stabilen Erwartungen allein vom Zins abhängig, sodass die Zentralbank Preisniveaustabilität und hohe Beschäftigung bei ausreichender Investitionsmenge gewährleisten kann. Theorie rationaler Erwartungen: Die Gleichgewichtstheorie wird auf Zukunftsmärkte ausgedehnt (Investitionen, Finanzmärkte), auf denen Zukunftserwartungen eine große Rolle spielen. Weil wettbewerbliche Zukunftserwartungen der Wirtschaftssubjekte rational seien, kommt es auch hier zu stabilen Gleichgewichten, insbesondere auf den Finanzmärkten. Daher brauchen diese nicht reguliert werden.
Krisen: Wirtschaftskrisen entstehen durch unerwartete Ereignisse, durch „exogene“ Schocks wie Naturkatastrophen, Epidemien oder Kriege.
Fiskalpolitik: Für die kurze Frist, also in einer Rezession, ist antizyklische Fiskalpolitik mit Kreditfinanzierung notwendig. Die Haushaltsdefizite sollten in der Hochkonjunktur ausgeglichen werden, so dass über den Konjunkturzyklus hinweg ein Budgetausgleich entsteht.
Effiziente Institutionen sind zur Bekämpfung von Marktversagen (öffentliche Güter) und externen Effekten der Produktion und Konsumption wichtig.
Technischer Wandel: Technischer Fortschritt ist nicht „exogen“. Innovationen entstehen durch positive externe Effekte von Forschung und Entwicklung sowie von Humankapital (Ausbildung).
Sozialstaat: Die NNS ist indifferent in Bezug auf Veränderungen der Einkommens- und Vermögensverteilung. Statische und dynamische Allokationseffizienz ist für die NNS wichtiger. Effizienz wird meist als „Pareto-Effizienz“
interpretiert.
Die NNS hat trotz vieler Neuerungen große Ähnlichkeit mit der alten Neoklassischen Synthese von Paul Samuelson: vereinfacht gesagt, kurzfristig ein wenig Keynesianismus (Keynes als Ratgeber nur bei schweren Krisen), Neoklassik für den Normallfall. Die Überzeugungskraft der NNS hat jedoch nach der Finanzkrise 2008-09 nachgelassen, da die Fiskalpolitik mit Staatsverschuldung – insbesondere in den USA – faktisch eine viel größere Rolle spielt, und die Theorie rationaler Erwartungen durch die Finanzkrise massiv beschädigt wurde. Sie wird auch durch die Verhaltensökonomik infrage gestellt.
Neoliberalismus
Teilweise von Neoklassik und NNS abweichend, teilweise überlappend existiert eine weitere Strömung, die man als Neoliberalismus im weiteren Sinne bezeichnen kann; ihre Protagonisten in Deutschland sind der Ordoliberalismus
Der Begriff
Aus diesen Ideen formte Alfred Müller-Armack (1946) den Begriff der „sozialen Marktwirtschaft“, der so variabel ausfiel, dass er wissenschaftlich nahezu unbrauchbar war, aber als politisches Markenzeichen viel konsensstiftenden Interpretationsspielraum ließ. Er wurde von Ludwig Erhard übernommen, Jahrzehnte später auch von der deutschen Sozialdemokratie. Der Begriff wird nahezu nur in Deutschland verwendet. Die Konzeption im Sinne von Eucken ist makroökonomisch blind und lehnte den Keynesianismus ab.
Friedrich von Hayek wies den Freiburger Ordoliberalismus zurück, insbesondere die Idee der sozialen Marktwirtschaft, weil er Märkte per se als sozial ansah, denn sie gewährleisten die wirtschaftliche Freiheit des Individuums gegenüber dem Staat. Statt vollständigem Wettbewerb wurde von ihm die Funktion von Wettbewerb als „Entdeckungsverfahren“ für Innovationen jeder Art favorisiert, und zugleich Wettbewerb von verschiedenen Währungen auf nationaler Ebene und in Verbindung mit freiem Kapitalverkehr gefordert. Hayeks Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ (1944) warnte nicht nur vor Planwirtschaft, sondern auch vor Interventionsspiralen in einem Sozialstaat, die letztlich die Freiheit der Individuen bedrohen.
Die Public Choice-Theorie von James Buchanan vergleicht gewählte Politiker mit Eigennutz maximierenden Unternehmern und fordert die Beschränkung von staatlicher Tätigkeit, vor allem durch ein Verbot staatlicher Kreditaufnahme in der Verfassung und durch weitgehende Privatisierungen.
International hat der deutsche Ordoliberalismus wenig Resonanz gefunden, dafür umso mehr die libertären Ideen von Hayek, die teilweise in den Mainstream einflossen. Häufig wird im internationalen Kontext auch der sogenannte “Washington Consensus” als Inbegriff des Neoliberalismus bezeichnet, obwohl darin dieser Begriff nicht vorkommt.
"Washington Consensus"
Der Begriff wurde von John Williamson 1990 geprägt, einem Entwicklungsökonomen und Politikberater in Washington, der darstellen wollte, was die in Washington vorherrschende wirtschaftspolitische Meinung unter der Präsidentschaft von Reagan und Bush Senior gegenüber Lateinamerika und anderen Ländern ist. Dabei bezog er sich auf die Meinungen und Prinzipien, die im US-Finanz- und Außenministerium, in der Weltbank und im Währungsfonds damals Konsens waren (alle vier sind räumlich eng benachbart in Washington und befinden sich in ständigem Meinungsaustausch). Diese Meinung würde möglicherweise angesichts des Zusammenbruchs der Sowjetunion auch auf osteuropäische Länder übertragen, mangels einer speziellen Strategie. In zehn “Geboten”, die nicht unbedingt Williamsons eigene Meinung widerspiegeln, fasste er diese vermeintliche Strategie für Entwicklungs-, Schwellen- und Transformationsländer zusammen. Die wichtigsten sind:
Reduktion der Budgetdefizite auf inflationsneutrales Niveau; Umschichtung öffentlicher Ausgaben zugunsten von Bildung und Infrastruktur; Senkung des Spitzensteuersatzes bei breitere Bemessungsgrundlage; Abschaffung von Obergrenzen für Kreditzinsen („financial repression“ genannt); Abwertung der Währungen gegenüber dem Dollar, um Industrieexporte wettbewerbsfähiger zu machen; Abschaffung mengenmäßiger Importbeschränkungen, Zollsenkung; Beseitigung von Hemmnissen für ausländische Direktinvestitionen, nicht zuletzt aus den USA; Privatisierung von Staatsunternehmen; Beseitigung von Wettbewerbsbeschränkungen gegenüber ausländischen Firmen und besserer Schutz von Eigentumsrechten im informellen Sektor.
Interessant ist, dass in dieser Liste die Liberalisierung des internationalen Kapitalverkehrs nicht auftaucht, ebenso wenig freie Wechselkurse. Bei der Anwendung dieser Grundsätze in Osteuropa, aber auch in Lateinamerika und Asien standen Deregulierungen im Finanzsektoren, Privatisierungen (auch der Banken), Förderung von Direktinvestitionen und mehr freier Außenhandel im Vordergrund. Diese „zehn Gebote“ passen zu beiden Flügeln des zuvor beschriebenen Neoliberalismus, obwohl diese sich sehr kritisch gegenüberstehen.
Keynesianismus
Keynes entwickelte in seinem Hauptwerk (1936) „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ (orig. The General Theory of Employment, Interest and Money) einen Gegenentwurf zur Neoklassik. Der Titel des Buches ist Programm. Keynes stellte das Saysche Theorem auf den Kopf: die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage bestimmt normalerweise das Angebot und damit bei gegebener Produktivität die Beschäftigung. Unterauslastung der Kapazitäten, also Nachfragemangel mit mehr oder minder hoher Arbeitslosigkeit kommt, viel häufiger als Vollbeschäftigung vor. Arbeitslosigkeit kann nicht durch Lohnsenkung beseitigt werden, weil dadurch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage reduziert würde. Der Mangel an Nachfrage hängt in erster Linie von zu geringen Investitionen in Produktionskapazitäten ab. Diese sind wiederum von der erwarteten zukünftigen Konsumnachfrage, der zukünftigen Rentabilität und den Zinsen abhängig, auch von der unternehmerischen kollektiven Zuversicht („animal spirits“ oder Lebensgeister bei Keynes) – also von Erwartungsgrößen. Diese sind von Unsicherheit geprägt, weil die Zukunft fundamental unsicher ist. Mal sind die Erwartungen zu optimistisch, häufig zu pessimistisch. Zudem haben die Menschen ganz unterschiedliche Erwartungen, nicht einheitliche, vermeintlich „rationale“. Bei schlechten Nachfrageerwartungen halten die Vermögensbesitzer ihre Anlage eher liquide oder präferieren kurzfristige Anlagen („Liquiditätspräferenz“), umgekehrt in guten Zeiten. Der Zinssatz wird vor allem von der jeweiligen Liquiditätspräferenz bestimmt. Der Zins kann gesamtwirtschaftliches Sparen und Investieren nicht in Übereinstimmung bringen, zumal Sparen und Konsum relativ zinsunelastisch sind. Investitionen bestimmen letztlich die Höhe der Produktion, des Volkseinkommens und des Sparens (bei gegebener Sparquote). Ohne staatliche Nachfragestabilisierung durch die Geld- und Fiskalpolitik kann sich Arbeitslosigkeit und Produktion auf niedrigem Niveau verfestigen.
Der moderne Keynesianismus, häufig „Post-Keynesianismus“ genannt (im Gegensatz zum Neu-Keynesianismus), erweitert und aktualisiert Keynes‘ Ideen an verschiedenen Stellen:
Verteilung: Löhne und Kapitalrenditen werden nicht durch die (Grenz-)Produktivität von Arbeit und „Kapital“ bestimmt. Kapital lässt sich nicht widerspruchsfrei aggregieren. Der Grad des Wettbewerbs sowie Verteilungskonflikte bestimmen Löhne und Gewinnaufschläge.
Starre Güterpreise: Ähnlich wie die NNS beobachten die Keynesianer eine Tendenz zu geringerer Preisflexibilität. Sie begründen dies mit der Dominanz monopolistischer und oligopolistischer Märkte. Unternehmen schauen mehr auf die Mengen als auf die Preise, sodass bei Ungleichgewichten auf vielen Güter- und Arbeitsmärkten Mengenanpassung dominiert.
Wachstum: Die Tendenz zu Überkapazitäten und einem strukturellen, also langfristigen Mangel an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage kann das Wachstum der Volkswirtschaften langfristig dämpfen. Investitionen erhöhen zwar die Nachfrage, aber auch die Kapazitäten. Daher muss auch der Konsum, stark von Löhnen getragen, mitsteigen. Unter günstigen Rahmenbedingungen kann es auch lange Phasen starken Wachstums mit hoher Beschäftigung geben, wie in der Nachkriegszeit. Das Wachstumstempo selbst bestimmt zu einem wichtigen Teil das Tempo des technischen Fortschritts (Nicholas Kaldor). Das Wachstum des privaten Konsums ist stark von der Einkommensverteilung abhängig: wohlhabende Haushaushalte sparen viel mehr als Normalverdiener oder Arme, viele Vermögensbesitzer, auch Firmen, bevorzugen Sparen in Form von Immobilien und Wertpapieren. Technischer Fortschritt bedarf zudem der Förderung des Staates in Forschung und Entwicklung sowie bei der Ausbildung.
Zinsen und Monetarismus: Die Zinsen werden nicht von der Theorie der verleihbaren Fonds bestimmt, sondern von der Notenbank, die indirekt mit dem kurzfristigen Zins auch den langfristigen Zins weitgehend bestimmt. Dieser beeinflusst die Unternehmensentscheidungen.
Ablehnung der Theorie rationaler Erwartungen: Keynes war der erste, der die Rolle von Erwartungen entdeckt hat. Deren Unsicherheit drückt sich in Volatilität aus. Häufig erfolgt die Erwartungsbildung durch Rückgriff auf die Trends der Vergangenheit, durch „animal spirits“ oder Spekulation, besonders auf Vermögensmärkten. Erwartungen können durch stabile Nachfragedynamik, stabile langfristige Zinsen, niedrige Inflation, stabile Wechselkurse und durch Finanzmarktregulierung verstetigt werden, oder durch eine
Interner Link: Tobin-Steuer ,deren Idee von Keynes stammt. Inflation ist meist Konfliktinflation infolge von Verteilungskonflikten, insbesondere zwischen Kapital und Arbeit, Anbietern von Rohstoffen und deren Nachfragern oder durch Abwertung. Daher ist eine regelbasierte Einkommenspolitik, etwa durch produktivitätsorientierte Lohnentwicklung, von großer Bedeutung. Hohe Zinsen können Inflation nur langsam und häufig verbunden mit Stagnation („Stagflation“) bekämpfen, und niedrige Zinsen haben nur schwache Wirkung auf Investitionen, wenn es an Nachfrage mangelt.
Fiskalpolitik: Bei schwacher Nachfrage ist kreditfinanzierte expansive Fiskalpolitik, vorzugsweise über die Staatsausgaben, sehr wirksam. Auch langfristig können Staatsausgaben in eigener Währung kreditfinanziert werden, solange die Staatsschulden tragfähig bleiben. Da jegliche Kreditaufnahme, auch die der Privaten, zur Geldschöpfung führt („endogene Geldmenge“), ist auch eine direkte Kreditfinanzierung des Staates bei der Zentralbank prinzipiell inflationsneutral möglich (Abba Lerner).
Wechselkurse: Der moderne Keynesianismus fordert ein globales Währungssystem mit stabilen, aber anpassungsfähigen Wechselkursen. Besonders schwache Volkswirtschaften im globalen Süden leiden unter stark schwankenden Wechselkursen. Das derzeitige globale Währungssystem führt zu einer starken Hierarchie an Währungen mit der privilegierten Leitwährung (US-Dollar) an der Spitze, während die Währungen von Entwicklungsländern in monetärer Abhängigkeit verharren.
Vermögensverteilung: Die ungleiche Einkommensverteilung führt zu großer und steigender Ungleichheit der Vermögensverteilung. Dies hemmt das Wachstum der Güternachfrage, führt zur Vermachtung der Wirtschaft und zum Finanzkapitalismus mit hoher Krisenanfälligkeit. Letztlich untergräbt sie die Funktionsweise der Wirtschaftsordnung.
Mitunter wird keynesianische Wirtschaftspolitik mit „Nachfragepolitik“ gleichgesetzt, also mit Fiskalpolitik zur Stärkung der Güternachfrage durch Haushaltsdefizite. Dies ist eine verengte Sicht. Nachfragesteigerung zielt auf Angebotssteigerung und mehr Beschäftigung. Nachfragepolitik ist also auch Angebots- und Strukturpolitik.
Angesichts neuer ökonomischer Herausforderungen – neue politische Blockbildung, De-Globalisierung, Klimakrise, steigende Ungleichheit der Einkommens- und Vermögensverteilung, extreme Entwicklung der Finanzmärkte – ist eine weitere Aufweichung des Mainstreams oder ein erneuter Paradigmenwechsel nicht auszuschließen, ebenso wenig eine Pluralität von verschiedenen Theorien ohne erkennbaren Mainstream.