Analyse: Ein "neuer Kurs" im Verhältnis von Staat und Wirtschaft in Russland?
Trotz relativ schneller Erholung von der globalen Krise, fehlt es der russischen Wirtschaft an Investitionen. Der Staat hat die Aufgabe das Vertrauen der Wirtschaft zurückzugewinnen und ein stabiles institutionelles Umfeld zu schaffen. Hierfür ist zum einen eine Reform der Staatsverwaltung, zum anderen ein konstruktiver Dialog mit allen Beteiligten erforderlich.Einleitung

Im Februar 2012 kündigte der damalige Ministerpräsident und Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin Pläne zur Einsetzung eines Beauftragten zum Schutz des Unternehmertums sowie umfassende Maßnahmen zur radikalen Verbesserung des Wirtschaftsklimas in Russland an. Auf einer Sitzung des Russischen Verbandes der Industriellen und Unternehmer am 9. Februar erklärte er, dass die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren bei Baumaßnahmen, der Zollabwicklung von Importen sowie weitere ähnliche Indikatoren zu Bewertungskriterien für die Tätigkeit föderaler Behörden werden sollen. Diese Maßnahmen sollen helfen, die besten Verfahren für den Umgang mit Investoren zu identifizieren und zu verbreiten sowie zu einer bedeutenden Verbesserung der Position Russlands in internationalen Ratings des Wirtschaftsklimas führen – mit einem Sprung vom 120. auf den 20. Platz. Zur Ausarbeitung dieser Initiativen stellte die Agentur für Strategische Initiativen (ASI) am 23. April "Standards für die Tätigkeit der Regionalverwaltungen zur Gewährleistung eines günstigen Investitionsklimas in den Regionen" sowie "Fahrpläne" zu vier großen Regulierungsbereichen der Unternehmensaktivitäten zur öffentlichen Diskussion, darunter die Genehmigung von Baumaßnahmen, der Zugang zur Stromversorgung, die Zollabfertigung sowie die Exportförderung. Gleichzeitig wurden von Dmitrij Medwedew über die "Offene Regierung" Initiativen zur Privatisierung und deutlichen Einschränkung der Tätigkeiten von Staatsunternehmen sowie zur Beschränkung des "machtvollen Drucks" auf die Wirtschaft angestoßen. Wie ernst sind diese Maßnahmen gemeint? Fallen sie nicht in die Kategorie der Wahlkampfversprechen? Unserer Meinung nach drücken diese Ankündigungen reale Veränderungen in der Wirtschaftspolitik aus und werden sich nachhaltig auf das Verhältnis von Staat und Wirtschaft in Russland in der nahen Zukunft auswirken. Eine indirekte Unterstützung erhält diese These zum Beispiel dadurch, dass die Weltbank im Auftrag der russischen Regierung schon Ende 2010 das Projekt "Doing Business in Russia" aufnahm, das den Vergleich von Bedingungen der Unternehmensgründung, der Registrierung von Eigentum, Genehmigungen für Bauprojekte und den Anschluss an das Stromnetz in 30 Regionen vorhersieht. Zudem wurden schon im Jahr 2010 von Präsident Medwedew Veränderungen in der Gesetzgebung initiiert, die die Anwendung von strafrechtlichen Sanktionen gegenüber Unternehmern einschränken. Zum Verständnis des von der Regierung angekündigten "neuen Kurses" lohnt es sich zudem, die Misserfolge in der Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft, die in den letzten Jahren in Russland offensichtlich wurden, aufmerksamer zu analysieren.