Am 17. Oktober ist der Internationale Tag für die Beseitigung der Armut. Der Aktionstag geht auf den 17. Oktober 1987 zurück, als sich mehr als 100.000 Menschen in Paris öffentlich mit von Armut betroffenen Menschen solidarisierten. 1992 wurde er erstmals von der UN-Generalversammlung ausgerufen.
Laut Externer Link: Zahlen der Weltbank lebte 2024 mit 43,65 Prozent fast die Hälfte der Weltbevölkerung in Armut, hatte also weniger als 6,85 Dollar (knapp 6 Euro) pro Tag zur Verfügung.
Armutsgefährdung in Deutschland steigt
In Deutschland wird die Armutsentwicklung häufig durch die sogenannte Armutsgefährdungsquote beschrieben. Im vergangenen Jahr lag diese nach Angaben des Statistischen Bundesamts bei 15,5 Prozent. Demnach waren rund 13,1 Millionen Menschen in Deutschland armutsgefährdet. Im Vorjahr waren noch 14,4 Prozent oder 12,1 Millionen betroffen.
Die Corona-Pandemie verschlechterte die Situation vieler Haushalte. Zur Hochphase der Pandemie 2020 und 2021 lag die Armutsgefährdungsquote bei 16,1 beziehungswiese 16 Prozent. Bis 2023 ist sie dann leicht gesunken, bis sie 2024 wieder leicht anstieg.
Je nach Bundesland unterscheiden sich diese Zahlen deutlich: In Bremen (25,9 Prozent), Sachsen-Anhalt (22,3 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (17,4 Prozent) ist die Armutsgefährdung am höchsten. In Baden-Württemberg (13,2 Prozent) und Bayern (11,8 Prozent) sind die wenigsten Menschen betroffen.
Inflation verstärkt Armut
Laut dem Externer Link: Armutsbericht 2024 des Paritätischen Gesamtverbands führte die Interner Link: Inflation, die vor allem infolge des Interner Link: russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine massiv gestiegen war, „zu einer Verschärfung der Armut“. Demnach hatten Armutsbetroffene im Vergleich von 2020 zu 2024 kaufkraftbereinigt im Schnitt weniger zur Verfügung. Lag das mittlere Einkommen von Personen unterhalb der Armutsgrenze 2020 noch bei 981 Euro, seien es 2024 preisbereinigt nur noch 921 Euro im Monat gewesen. Verteuern sich Nahrungsmittel, Mieten und Energie wie in den vergangenen Jahren stark, sind Menschen mit kleineren Einkommen besonders benachteiligt, da sie in der Regel einen größeren Teil ihres Einkommens für diese Grundbedürfnisse ausgeben.
Hohe Vermögensungleichheit
Das Interner Link: Vermögen in Deutschland ist sehr Interner Link: ungleich verteilt: Das reichste 1 Prozent der Bevölkerung hierzulande verfügte 2022 nach Angaben des Externer Link: Global Wealth Report 2023 über 30 Prozent des gesamten Vermögens. Die im Hinblick auf den Besitz unteren 50 Prozent der Bevölkerung besaßen Externer Link: Daten der Europäischen Zentralbank zufolge lediglich gut 2,5 Prozent des Gesamtvermögens.
Damit ist die soziale Ungleichheit hierzulande größer als etwa in Frankreich, wo die reichsten 1 Prozent im gleichen Jahr über Externer Link: 21,2 Prozent des Vermögens verfügten, jedoch geringer als etwa in den USA (Externer Link: 34,2 Prozent). Zwar konnten auch weite Teile der Mittelschicht aufgrund des starken Wertzuwachses von Immobilien ihre Vermögen im Schnitt vergrößern, nicht jedoch die ärmere Hälfte der Bevölkerung – ihr fehlt oft die Möglichkeit zu sparen.
Besonders betroffen: Arbeitslose, junge Erwachsene und Migranten
Besonders von Armut bedroht sind Arbeitslose. 60,7 Prozent und damit weit mehr als die Hälfte von ihnen waren war laut Statistischem Bundesamt 2024 armutsgefährdet. Im Vorjahr lag die Quote mit 46,5 Prozent noch deutlich niedriger. Unter Erwerbstätigen war der Anteil mit 6,5 Prozent dagegen zuletzt sogar leicht zurückgegangen.
Überdurchschnittlich betroffen sind außerdem junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren. Mit 24,8 Prozent ist laut dem Externer Link: Armutsbericht 2025 fast jede vierte Person aus dieser Gruppe armutsgefährdet. Der Grund: Viele von ihnen befinden sich noch in Ausbildung oder stehen erst am Beginn ihrer Erwerbstätigkeit. Gerade Studierende sind durch die vielerorts stark gestiegenen Mieten belastet. Dem Statistischen Bundesamt zufolge gaben Studierende mit eigener Haushaltsführung im vergangenen Jahr im Schnitt mehr als die Hälfte (Externer Link: 52,9 Prozent) ihres verfügbaren Einkommens für Wohnkosten aus. Jeder Zweite verfügt demnach über weniger als 930 Euro im Monat. 62 Prozent der Studierendenhaushalte galten 2024 als überbelastet durch Wohnkosten.
Nicht zuletzt leben Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit häufiger in materiell prekären Verhältnissen als Deutsche. Laut Daten des Statistischen Bundesamts waren 30 Prozent von ihnen im vergangenen Jahr armutsgefährdet.
Rente und Familiengründung als Armutsrisiko?
Unter Personen ab 65 Jahren war mit 19,4 Prozent im Schnitt fast jeder Fünfte im vergangenen Jahr von Armut gefährdet – und damit signifikant mehr als im Bevölkerungsdurchschnitt (15,5 Prozent). Unter allen Personen in Armut hierzulande sind rund ein Viertel Rentnerinnen und Rentner.
Frauen sind mit 16,2 Prozent häufiger armutsgefährdet als Männer (14,7 Prozent). Jede fünfte Frau über 65 ist von Armut betroffen – auch hier ist der Anteil höher als bei Männern. Dies liegt auch an den niedrigeren Renten aufgrund der unterschiedlichen Erwerbsbiografien.
Kinder können das Armutsrisiko erhöhen. Mit jeder Geburt steigen die Ausgaben, gleichzeitig erschwert die Betreuung der Kinder einen Ausgleich durch Mehrarbeit – oder führt sogar zu einer Reduzierung der Erwerbstätigkeit. Wenn jedoch beide Eltern arbeiten, erhöht dies das Haushaltseinkommen. In der Summe sind Haushalte mit Kindern der Statistik zufolge im Schnitt sogar weniger von Armut betroffen. Überdurchschnittlich betroffen sind laut Armutsbericht allerdings Alleinerziehende mit 27 Prozent.
Auch Interner Link: Alleinlebende sind mit 29 Prozent fast doppelt so häufig armutsgefährdet wie der Bevölkerungsdurchschnitt. In Deutschland leben junge Männer (25 bis 45 Jahre) und Frauen über 65 Jahren häufig allein.
Mindestlohnerhöhung und Wohngeldreform dämpfen Armutsanstieg
Entgegen dem Trend waren Erwerbstätige 2024 weniger stark armutsgefährdet als noch im Vorjahr. Der Paritätische Gesamtverband stellt hier eine Wirkung von Interner Link: Mindestlohnerhöhung und Interner Link: Wohngeldreform der Ampel-Regierung fest.
Zwar hat die damalige Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP auch die Hilfen für die Existenzsicherung deutlich aufgestockt – so stieg der Bürgergeld-Satz für einen Erwachsenen zwischen 2022 und 2024 von 449 Euro auf Externer Link: 563 Euro. Die Schutzwirkung des Sozialstaates vor Armut hat laut Berechnungen des Armutsberichts aber abgenommen: Gäbe es keine Sozialleistungen (etwa Renten, Wohngeld oder Arbeitslosengeld) wären im vergangenen Jahr 40,6 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet gewesen. Bei einer ähnlich hohen Armutsquote (16 statt 15,5 Prozent der Gesamtbevölkerung) lag diese Zahl 2021 bei 43,7. Demnach hat die staatliche Umverteilung im Vergleich zu 2021 an Wirkung verloren.
Die Regelleistungen der Grundsicherung decken nach Ansicht des Paritätischen Gesamtverbands „weiterhin nicht die zentralen Bedarfe“. Der Sozialverband fordert deswegen u.a. eine Erhöhung der Grundsicherung über 800 Euro sowie weitere Reformen bei Wohngeld und Ausbildungsförderung.
Bürgergeld: Reform angekündigt
Seit der letzten Erhöhung des Bürgergeldes am 1. Januar 2024 blieb dieses unverändert. Auch im kommenden Jahr sollen die Regelsätze im Bürgergeld und der Sozialhilfe laut der aktuellen Bundesregierung aus Union und SPD nicht steigen.
Die Regierungskoalition Externer Link: argumentiert, dass aufgrund hoher Inflationsraten die Regelbedarfe in den Jahren 2023 und 2024 zu stark erhöht worden seien. Die Inflation sei letztlich weniger stark gestiegen als ursprünglich angenommen. Damit würden die Regelsätze weiterhin höher liegen, als die Neuberechnung für 2026 als Soll ergeben habe. Die Regelsätze müssten demnach eigentlich sinken, blieben wegen der Externer Link: Besitzschutzregelung jedoch gleich. Nach dieser Regel dürfen die Leistungen nicht niedriger als im Vorjahr sein.
Aufgrund der schlechten Haushaltslage wurden zuletzt Forderungen nach Kürzungen und Verschärfungen beim Bürgergeld lauter. Anfang Oktober 2025 gab die Bundesregierung bekannt, das Bürgergeld unter der neuen Bezeichnung „Grundsicherung“ reformieren zu wollen.
Dabei geht es vor allem um stärkere Sanktionen, etwa wenn Arbeitslose nicht zu Terminen erscheinen oder Jobangebote nicht annehmen. Nach zweimaligem Nichterscheinen sollen die Leistungen um 30 Prozent gekürzt werden. Beim dritten Mal sollen dann alle Geldleistungen eingestellt werden, beim vierten Mal auch die Mietzahlungen.
Damit würden Sanktionen in Zukunft schneller und stärker greifen als bisher. Menschen mit körperlichen oder psychischen Einschränkungen sollen von den Verschärfungen ausgenommen sein.
Widerspruch von Opposition und Sozialverbänden
Bereits vor den Ankündigungen sprachen sich Teile der Opposition, diverse Sozialverbände und UNICEF vehement gegen Kürzungen beim Bürgergeld und bei der Wohnkostenübernahme aus. Sie warnen vor einer Zunahme der Armut, insbesondere auch bei Kindern. Auch die Möglichkeit, Menschen, die ihre Mitwirkungspflichten verletzen, sämtliche Leistungen zu streichen, stößt auf Externer Link: Kritik.
Dabei wird meist auf ein Externer Link: Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019 verwiesen. Das Gericht hatte seinerzeit bekräftigt, dass Bedürftige laut Grundgesetz einen Anspruch auf die „Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“ haben. Es ließ allerdings eine Ausnahme zu: Wer eine Arbeit grundlos ablehnt, obwohl er sie annehmen könnte, dem dürften theoretisch alle Leistungen gestrichen werden. Das Bundesverfassungsgericht stellte dafür jedoch hohe Hürden auf.
Im Interner Link: Gesetzgebungsprozess dürfen betroffene Behörden und Verbände zur geplanten Reform Stellung nehmen. Die Regierung will die Reform bis Anfang 2026 umsetzen.
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