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G20-Gipfel in Johannesburg 2025 | Hintergrund aktuell | bpb.de

G20-Gipfel in Johannesburg 2025

Claudia Schmucker Redaktion

/ 5 Minuten zu lesen

Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Schmucker spricht im Interview über die Bedeutung des G20-Formats, die Rolle der USA und Chinas – und erklärt, welche Themen dieses Jahr entscheidend sein könnten.

Der diesjährige G20-Gipfel findet vom 22. bis 23. November in Johannesburg unter dem Vorsitz Südafrikas statt unter dem Motto „Solidarität, Gleichheit, Nachhaltigkeit“. (© picture-alliance/dpa, Kay Nietfeld)

bpb.de: Frau Schmucker, vor allem US-Präsident Donald Trump setzt zunehmend auf bilaterale Abkommen – nicht nur bei Zollfragen. Auch will er dieses Jahr keine Delegation nach Johannesburg schicken. Wie wichtig sind Formate wie die G20 noch für den Welthandel und andere internationale Bereiche?

Claudia Schmucker: Grundsätzlich ist es wichtig, dass es das G20-Format gibt. Die G7 werden oft nur als Format des Westens angesehen. Bei G20-Treffen kommen dagegen Vertreter des Westens sowie der sogenannten Schwellenländer zusammen. Dort können wichtige Themen am Rande des Gipfels in bilateralen Treffen besprochen oder auf die Agenda gesetzt werden. Das darf nicht unterschätzt werden. Allerdings handelt es sich um ein informelles Format – es gibt kein festes Regelwerk. Das sind alles Absprachen zwischen den Staaten. Das Format ist daher von der Kooperationsbereitschaft der Staaten abhängig. Mit den Interner Link: USA hat allerdings zurzeit einer der wichtigsten Akteure kein Interesse mehr daran, sich in diesem Kreis abzusprechen. Interner Link: China wiederum hat enormes Interesse, sich als multilateral agierendes Land darzustellen.

So funktioniert die G20

Die Interner Link: G20 ("Gruppe der 20", engl. "Group of 20") ist ein internationales Forum, das die 19 wirtschaftlich einflussreichsten Industrie- und Schwellenländer, die Interner Link: Afrikanische Union (AU), die Interner Link: EU und weitere internationale Organisationen zusammenbringt. Gemeinsam sollen sie Lösungen für globale – vor allem wirtschaftliche – Probleme entwickeln. Im Fokus der Treffen standen bislang zwar vor allem die globale Finanz- und Wirtschaftsordnung sowie generell die wirtschaftliche Zusammenarbeit, etwa durch den Abbau von Zöllen. Es werden dort jedoch auch andere Themen, wie die Entwicklungspolitik, besprochen. Die G20 entstand vor allem als Reaktion auf die Finanzkrise der 1990er-Jahre in Asien. Das Gründungstreffen der G20 richtete Deutschland am 15. und 16. Dezember 1999 in Berlin aus.

Aufgrund der im Sommer 2007 einsetzenden weltweiten Interner Link: Finanz- und Wirtschaftskrise einigten sich die Staats- und Regierungschefs der G20-Länder im Jahr 2008 darauf, das G20-Format zu einem Austauschformat auf höchster Ebene zu machen. Noch im selben Jahr wurde in Washington D. C. ein Maßnahmenkatalog beschlossen, um die Folgen der Krise für die Realwirtschaft in den Griff zu bekommen.

Die G20 ist informeller Natur. Sie ist keine internationale Organisation, hat anders als etwa die Interner Link: Vereinten Nationen weder einen eigenen Verwaltungsapparat noch eine permanente Vertretung ihrer Mitglieder. Einmal im Jahr treffen sich die Staats- und Regierungschefs oder in der Regel hochrangige Stellvertreter zu einem G20-Gipfel. Die Ergebnisse werden in einer Abschlusserklärung festgehalten, sind aber rechtlich nicht bindend. Die jeweilige G20-Präsidentschaft bestimmt die Agenda des Gipfels sowie die Auswahl der Gäste – in diesem Jahr hat Südafrika diese Funktion inne. Die G20 ist eng vernetzt mit anderen internationalen Organisationen Interner Link: wie der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF).

Eine Maßnahme, um die Beteiligung weiterer Gruppen zu ermöglichen, sind Engagementgruppen der G20. Das sind offizielle Dialog- und Beteiligungsformate, die Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Forschung und weiteren nichtstaatlichen Akteuren zusammenbringen, um die Arbeit und Entscheidungen der G20 mitzugestalten. Diese Gruppen erarbeiten eigenständig Positionspapiere und Handlungsempfehlungen zu den Themen der G20-Agenda und bringen diese in die Verhandlungen der Staats- und Regierungschefs ein. Zu den Bekanntesten gehören etwa W20 (Women 20), mit Fokus auf Frauenrechte und wirtschaftliche Gleichstellung oder C20 (Civil 20), wo zivilgesellschaftliche Organisationen gesellschaftliche Anliegen und Demokratiefragen einbringen.

Der G20 gehören 19 Staaten, die EU und seit 2023 auch die AU an. Neben den G-7-Staaten (USA, Deutschland, Japan, Frankreich, Großbritannien, Kanada, Italien) sind Argentinien, Australien, Brasilien, China, Indien, Indonesien, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea und die Türkei Mitglied des Formats. Damit machen die G20 rund zwei Drittel der Weltbevölkerung und 85 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus.

bpb.de: Aber in der Praxis geht China doch auch oft den Weg, mit den Staaten direkte Abkommen zu schließen.

Ja. Aber es gibt diverse Themen, die China gerne auf plurilateraler Ebene angeht – etwa Finanzmarktreformen oder Reformen multiliteraler Organisationen. Wenn es seine Interessen nicht nur als einzelnes Land, sondern mit einer Gruppe von Entwicklungs- und Schwellenländern voranbringen kann, ist das aus Sicht Pekings gut. China nutzt zwar in bilateralen Verhandlungen auch Druck, Interner Link: etwa bei afrikanischen Ländern, aber es bedient sich eben auch solcher Formate wie der G20. Das Land wird dort im Kreis der Schwellenländer sehr kooperativ und konstruktiv auftreten. China will sich im Vergleich zu den USA als erwachsener präsentieren. Die USA werden dieses Jahr keine Delegation schicken, und die verbliebenen Mitglieder werden versuchen, bei Themen, bei denen es eine weitgehende Einigkeit gibt, voranzukommen – etwa beim Schutz vor Naturkatastrophen, der hohen Verschuldung von Entwicklungsländern, der Energiewende oder der digitalen Wirtschaft. Da werden wohl Ergebnisse kommen.

Zitat

Die geopolitischen Risse unter den Teilnehmerstaaten sind zu groß

bpb.de: Also erfüllt das G20-Format prinzipiell noch seinen Zweck?

Ja, aber wir werden keine großen Ergebnisse sehen. Wir haben eine Welt voller Krisen und Konflikte: Da ist der Interner Link: russische Angriffskrieg, der Interner Link: Klimawandel oder die Krise multilateraler Organisationen – in Johannesburg wird es in diesen zentralen Feldern jedoch keine konkreten Ergebnisse geben. Dazu sind die geopolitischen Risse unter den Teilnehmerstaaten zu groß. Das Problem ist, dass Russland in der Gruppe ist – und mit Russland kann man nicht verhandeln.

bpb.de: Früher gab es vereinfacht gesagt bei vielen Themen, wie dem Klimaschutz, zwei Lager. Hier die Industriestaaten, dort die Schwellenländer – wie sehen heute die geopolitischen Interessen der wichtigsten G20-Staaten aus?

Claudia Schmucker (© Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik)

Auf der einen Seite gibt es immer noch die G7 – auf der anderen Seite die Interner Link: BRICS-Staaten: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Beide Lager sind Teil der G20. Allerdings wird Südafrika versuchen, diese Fragmentierung zu vermeiden. Europa und Deutschland haben kein Interesse, entlang dieser Frontlinie zu verhandeln. Südafrika hat daher übergreifende Themen gesucht, die nicht zu stark politisiert sind. Es sind Themen, bei denen man konstruktiv weiterkommen kann. Es wird dennoch Gruppenbildungen geben: Die Konfliktlinien werden aber je nach Thema unterschiedlich verlaufen. Es werden nicht einfach die BRICS-Staaten auf der einen und die G7-Staaten auf der anderen Seite stehen.

bpb.de: Bei welchen Themen sind konkrete Ergebnisse zu erwarten?

Möglicherweise in den Bereichen nachhaltige Entwicklung, Umgang mit Naturkatstrophen, erneuerbaren Energien oder Interner Link: Künstlicher Intelligenz. Bei den großen Krisen wie dem Ukrainekrieg oder dem Klimawandel wird es keine Fortschritte geben – ebenso wie beim Eindämmen der zahlreichen aktuellen Handelskonflikte. Viele wichtige Themen fehlen auf der Tagesordnung. Das ist schade, weil ja viele relevante Player zusammenkommen. Südafrika hat immerhin versucht, einige der Themen, wie etwa den Klimawandel, pragmatisch zu verpacken – statt Klimawandel wird mit Rücksicht auf die USA jetzt eben über Katastrophenschutz gesprochen.

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Die großen Erfolge der G20 liegen in der Vergangenheit

bpb.de: In der Vergangenheit gab es durchaus nennenswerte Ergebnisse bei G20-Gipfeln, etwa bei der Regulierung der Finanzmärkte. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Erfolge des Formats und in welchen Bereichen könnte es künftig Bewegung geben?

Die großen Erfolge der G20 liegen in der Vergangenheit. Der größte war, als Interner Link: 2008 angesichts der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise das G20-Format auf die Ebene der Staats- und Regierungschefs gehoben wurde und die G20-Länder das Format zum Austausch nutzten. Die Suche nach einer gemeinsamen Antwort auf die damalige Krise hat gut funktioniert. Auch danach gab es noch Erfolge. Aber solange der russische Angriffskrieg weitergeht, sehe ich keine Chance, dass beim G20-Format Bewegung reinkommt und große Erfolge erzielt werden.

bpb.de: Russland ist aus wirtschaftlicher Sicht im Vergleich zu Ländern wie den USA oder China sowie der EU nicht sonderlich bedeutend. Wäre ein Ausschluss wie einst beim früheren G8-Format denkbar?

Das wäre eine tolle Lösung – aber keine realistische. Die G20 kann man nicht mit den G7 oder G8 vergleichen. Letztere sind trotz der jüngsten Entwicklungen in den USA eine wertebasierte Gruppe. Das heißt: man kann ein Land rausnehmen, wenn es gegen die gemeinsamen Werte verstößt. Das war Externer Link: 2014 bei Russland nach dem Angriff auf die Krim der Fall. Die G20 ist dagegen kein von gemeinsamen Werten getragenes Format. Kriterium ist allein die wirtschaftliche Größe. Ob ein Land eine Demokratie ist oder ob es Krieg führt, spielt keine Rolle. Das ist aber nur ein Grund, warum ein Ausschluss nicht geht. Viele Länder wollen sich nicht gegen Russland stellen – insbesondere die BRICS-Staaten. Sie werten den Überfall auf die Ukraine als europäischen Krieg. Die BRICS-Länder haben enge Kontakte zu Russland und wären niemals bereit, das Land aus der Gruppe zu werfen.

bpb.de: Wie wichtig ist die G20 im Vergleich zum G7-Format? Und welche Rolle spielen andere Formate wie BRICS für den Welthandel und andere Felder?

Die G7 wurde lange als irrelevant kritisiert, weil sie die globale Machtverschiebung nicht widerspiegelt. Dies wurde insbesondere während der Finanzkrise deutlich. Damals hat man gesagt: Das sind alternde westliche Länder mit niedrigem Wirtschaftswachstum. Wir brauchen China, Indien, Brasilien, um globale Probleme zu behandeln – und deshalb hat man die G20 aufgewertet. Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine wurde die G7 wieder wichtiger – als gemeinsame Wertegemeinschaft. Trotz der Entwicklung der USA unter Trump: Die G7 stehen prinzipiell für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Frieden. Die G7 ist anders als die G20 in gewisser Weise homogen und kann deshalb geschlossener und effektiver agieren. Sie hat unglaublich an Bedeutung gewonnen – und ging in den vergangenen Jahren etwa weitgehend geschlossen gegen China und Russland vor. Auch die BRICS-Staaten bemühen sich – trotz ihrer heterogenen Zusammensetzung – zunehmend um Geschlossenheit. Bei ihnen geht es in erster Linie um entwicklungspolitische Themen und eine stärkere Stimme in multilateralen Organisationen.

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Dr. Claudia Schmucker leitet das Zentrum für Geopolitik, Geoökonomie und Technologie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Forschungsschwerpunkte der promivierten Wirtschaftswissenschaftlerin und Magistra für Nordamerikastudien sind die europäische und transatlantische Handelspolitik, die Rolle der Welthandelsorganisation (WTO) sowie informeller Foren wie G7 und G20.

„Hintergrund Aktuell“ ist ein Angebot der Onlineredaktion der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb. Es wird von den Redakteur/-innen und Volontär/-innen der Onlineredaktion der bpb redaktionell verantwortet und seit 2017 zusammen mit dem Südpol-Redaktionsbüro Köster & Vierecke erstellt.

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