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Desinformationen und Micro-Targeting

Josephine B. Schmitt

/ 3 Minuten zu lesen

(© Erwan B/unsplash)

Desinformationen

Im Gegensatz zu traditionellen Medien, in denen der (professionelle) Journalismus in weiteren Teilen (noch) als Gatekeeper den Zugang zu und die Art von Informationen reguliert, lösen die Strukturen des Internets die bisherige Wissensordnung auf und schaffen Raum für Unsicherheiten bezüglich bestehender Kontexte, Hierarchien oder auch der Abfolge im Prozess der Wissensaneignung (Neuberger, 2019). Neben unproblematischen Angeboten finden sich im Netz eine Vielzahl an Inhalten, welche die Medienkompetenz des/-der Einzelnen auf der einen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf der anderen Seite herausfordern. Gezielt gestreute Desinformationen oder sogenannte "Fake News" gehören zu den besonders problematischen Angeboten. Als "Deep Fakes" – also digital manipulierte Audio-Inhalte oder Videos – wirken Desinformationen in der Regel hoch realistisch und sind kaum von "echtem" Material zu unterscheiden.

Als bewusst gestreute Falschinformationen finden sich "Fake News" vielfältig im Rahmen von extremistischen oder populistischen Botschaften (Sängerlaub, Meier & Rühl, 2017) – oft auch als Bestandteil von Verschwörungserzählungen (Schneider, Schmitt & Rieger, 2020). Sie werden ideologisch motiviert mit dem Ziel verbreitet, Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle etwa gegenüber Minderheiten (zum Beispiel Geflüchtete, Homosexuelle) zu manipulieren – und schließlich das Vertrauen in Politik, Medien und Gesellschaft zu zerstören.

Durch soziale Medien verbreiten sie sich rasend schnell, in vielen Fällen deutlich schneller als korrekte Informationen (Vosoughi, Roy & Aral, 2018). Oft liegt es daran, dass sie einfache, in sich geschlossene, emotionalisierende Geschichten erzählen, die leicht bei vielen Menschen Anklang finden. In Deutschland fallen Mitglieder und Unterstützer/-innen der AfD bzw. rechtspopulistische und rechtsextreme Medien (z.B. Breitbart News, Compact) als Ersteller und Verbreiter von "Fake News" auf (Sängerlaub et al., 2017; Riebe, Pätsch, Kaufhold & Reuter, 2018).

Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 sollen viral verbreitete »Fake News« – u.a. mit Unterstützung von Social Bots – das öffentliche Meinungsklima zu Gunsten von Trump entscheidend geprägt haben (Bessi & Ferrera, 2016). Im Rahmen des deutschen Bundestagswahlkampfes 2017 wurde eine mögliche Einflussnahme durch "Fake News", verbreitet durch Social Bots, auf die öffentliche Meinung ausführlich (medial) diskutiert (siehe z.B. Adler, 2017, Kühn, 2017). Am Ende schienen die Sorgen jedoch unbegründet (Sängerlaub et al., 2017).

Wie hoch der Anteil an Desinformationen auf YouTube bzw. vergleichbaren Videoplattformen ist bzw. wie viele Menschen oder Social Bots an deren Verbreitung beteiligt sind, darüber gibt es bisher keine genauen Zahlen oder Studien.

Micro-Targetting

Die Herausforderungen liegen nicht mehr nur in der reinen Nutzung sozialer Medien durch problematische Akteur/-innen sowie der Verbreitung und Kommentierung von Inhalten durch Sympatisant/-innen, sondern auch in den soziale Medien selbst. So wird Content eben nicht mehr nur durch "natürliche" Personen und soziale Dynamiken verbreitet. Social Bots und Algorithmen (siehe auch Interner Link: Nutzer/-innenstruktur und Nutzungsmotivation), welche basierend auf der Sammlung und Verarbeitung größter Datenmengen, relativ genaue Profile von Konsument/-innen erstellen, tragen Ihren Teil zur Verbreitung von Inhalten bei. Diese technischen Möglichkeiten nutzen einerseits die Plattformen selbst für die Monetarisierung von Inhalten, andererseits werden sie u.a. von Unternehmen zu Werbezwecken genutzt. Ein prominentes Beispiel aus dem politischen Bereich ist Cambridge Analytica. Dieses Unternehmen soll im US-Amerikanischen Wahlkampf 2016 gezielt persönliche, psychologische und anderen Charakteristiken für eine genaue Wähler/-innenansprache genutzt haben (Heawood, 2018; Isaak & Hanna, 2018).

Es scheint nur eine Frage der Zeit bis ein gezieltes Micro-Targeting, also die effektive, zielgruppenspezifische Zuweisung hoch personalisierter Inhalte auch für die Verbreitung extremistischer Botschaften verwendet wird. In Kombination mit einer automatisierten Erstellung und Verbreitung von Inhalten ist dies aus medienpädagogischer und politisch bildnerischen Perspektive besonders gefährlich.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Seit dem US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2016 wird der Begriff "Fake News" insbesondere für zwei verschiedene Phänomene verwendet: 1. dient er (Rechts-)Populist/-innen als Verunglimpfung von Medienberichterstattung, die sich gegen sie und ihre Vorstellungen richtet, 2. beschreibt er bewusst gestreute Falschinformationen, die der Meinungsmache dienen sollen.

Weitere Inhalte

Dr. Josephine B. Schmitt arbeitet als wissenschaftliche Koordinatorin am Center for Advanced Internet Studies (CAIS) in Bochum. Zuvor war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikations-wissenschaft und Medienforschung der LMU München tätig. Am CAIS befasst sie sich einerseits mit der Erforschung und Entwicklung von innovativen Konzepten für die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Digitalisierungsforschung sowie der Identifikation relevanter Forschungsthemen. Andererseits forscht sie zu Inhalt, Verbreitung und Wirkung von Hate Speech, extremistischer Propaganda und (politischen) Informations- und Bildungsangeboten (insb. Bewegtbildung) im Internet.

Zudem entwickelt sie didaktische Konzepte für die Radikalisierungsprävention u.a. im Auftrag des Innenministeriums NRW. Darüber hinaus berät sie verschiedene Behörden und zivilgesellschaftliche Akteure bezüglich der genannten Themenfelder. Entstanden im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung sind Unterrichts- sowie pädagogische Begleitmaterialien zum Einsatz von Webvideo-Reihen im Unterricht. Sie gibt zudem Workshops und Vorträge zu verschiedenen Themen der politischen Bildung und Medienkompetenz (z. B. "Fake News", extremistische Propaganda, Populismus).