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Außerschulische Bildungskonzepte

Josephine B. Schmitt

/ 4 Minuten zu lesen

(© picture-alliance/dpa, Sophia Kembowski)

Auch im Alltag von Eltern mit Kleinkindern übernehmen Angebote der Bewegtbildung wichtige Funktionen. Eine mehrteilige multimethodische Studie (Tagebuchstudie, repräsentative Befragung) zeigt einen weitgehend problembewussten Umgang der Eltern mit Bewegtbildangeboten, wenngleich diese Angebote vielfach als Erziehungshilfe sowie zur Erleichterung von "Versorgungstätigkeiten oder Überbrückung von Fahrt- und Wartezeiten" verbunden werden (Holler, 2019, S. 21). Von den Kindern selbst werden die online-verfügbaren Bewegtbildangebote laut einer Interviewstudie von Oliemat et al. (2018) eher als Unterhaltungsangebote denn als Lerninhalte verstanden.

Problematisiert wird durch die Eltern v.a. eine Überforderung der Kinder ob der Angebotsvielfalt, Schwierigkeiten abzuschalten und sich alternativen Angeboten zuzuwenden (Holler, 2019). Die Eltern erfüllen damit eine wichtige Funktion im Rahmen der medialen Sozialisation ihrer Kinder. Sie prägen nicht nur die Art und den Umfang der Nutzung mobiler Endgeräte, sondern auch den Zugang ihrer Kinder zur digitalen Kultur (Elias & Sulkin, 2017; Nansen & Jayemanne, 2016).

Neumann und Herodotou (2020) entwickelten Kriterien für die Evaluation von YouTube-Videos für Kinder und erprobten sie im Rahmen einer quantitativen Inhaltsanalyse anhand verschiedener beliebter Videos. Sie befassten sich insbesondere mit der Frage, inwiefern beliebte YouTube-Videos, welche auf die Zielgruppe der 0- bis 8-Jährigen zielen, für eben diese geeignet sind. Sie analysierten die Videos im Hinblick auf Altersangemessenheit, inhaltliche Qualität, Design und Lernziele. Die Autor/-innen fanden eine große Diversität im Hinblick auf die inhaltliche Qualität der Videos – ein Umstand, der große Anforderungen an die Auswahl durch die Eltern stellt. Videos niedriger Qualität zeichneten sich dadurch aus, dass sie keine Animationen zur Wiederholung von Inhalten enthielten und Lerninhalte nicht gesondert hervorhoben. Weiterhin kritisieren die Autor/-innen die schlechte Abbildung von Diversität hinsichtlich der dargestellten Geschlechter sowie die Betonung kultureller Stereotype.

Neben diesen Studien, welche die Medienarbeit von Eltern gemeinsam mit ihren Kindern betreffen, gibt es noch eine überschaubare Menge an Forschungsarbeiten, welche sich mit Fragen der Digitalisierung und sozialen Medien in der sozialen Arbeit befassen, YouTube bzw. Webvideos werden eher selten als konkretes Tool genannt. So führt Kutscher (2016) an, dass die digitalen Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten ein besonderes Bewusstsein für Tools und Kommunikationsweisen von Sozialarbeiter/-innen erfordern, die den Schutz der Daten und der Privatsphäre von Sozialarbeiter/-innen und Klient/-innen ermöglichen. Lehmann und Voit (2020) demonstrieren anhand des Einsatzes einer software-basierten Lösung mit Gamification-Elementen zum Gewichtsmanagement für Mensch mit Behinderungen, dass sich durch digitale Technologien zwar neue Möglichkeiten für die Zielerreichung in der sozialen Arbeit ergeben, diese aber nicht zwingend einfach oder gar schnell sind.

Das frei verfügbare "Handbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung", herausgegeben von Kutscher, Ley, Seelmeyer, Siller, Tillmann und Zorn (2020), geht in die volle Breite des Themas und "eröffnet vielfältige theoretische und empirische Perspektiven auf Digitalisierungsprozesse" (S. 10). Es will "Digitalisierungsprozesse und Dynamiken Sozialer Arbeit in ihrer wechselseitigen Verwobenheit [zu] betrachten" (ebd., S. 11). Insbesondere der vierte Teil des Buches ist für die hier im Rahmen dieser Expertise zu leistende Betrachtung relevant. Er befasst sich entlang unterschiedlicher menschlicher Entwicklungsphasen mit den Möglichkeiten und Herausforderungen der Digitalisierung in Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit. In seinem Beitrag zu (digitalen) Medien in der Kinder- und Jugendarbeit etwa beschreibt Franz Josef Röll (2020) einerseits mögliche Ausdrucksformen der Digitalisierung in der Kinder- und Jugendarbeit. Diese reichen von Möglichkeiten in den 1990er Jahren mit – aus heutiger Sicht – einfachen Mitteln Text, Bild, Ton und Film zu erzeugen, über die Nutzung von Google Maps zur Darstellung "mediale[r] Selbstrepräsentationen von Cliquen oder Peergroups" (S. 458) bis hin zum Einsatz von Spielen, Jugendinformationsdiensten und sozialen Medien, die niedrigschwellige Partizipationsmöglichkeiten auf der einen Seite und neue Erfahrungs- und Gestaltungsräume auf der anderen Seite eröffnen. Seiner Ansicht nach eignen sich digitale Medien, so auch YouTube, dazu die Kinder- und Jugendarbeit bei der Umsetzung ihrer Grundprinzipien (Offenheit, Freiwilligkeit, Niedrigschwelligkeit, Subjektorientierung, Partizipation und Anwaltschaft für Kinder und Jugendliche) zu unterstützen. So wird nicht nur der Kontakt zu den Jugendlichen auf Augenhöhe eröffnet. Er ergeben sich auch neue Projekt- und Arbeitsformen. Durch den Einsatz und die Produktion von eigenen Inhalten (mit den eigenen mobilen Endgeräten) etwa lassen sich vergleichsweise einfache Wege der Darstellung eigener Themen und die Herstellung von relevanter Anschlusskommunikation (online wie offline) finden – alles selbstverständlich mit Abstrichen, setzt man sich gezielt mit den Datenschutz- und Monetarisierungsstrategien sozialer Medien oder aber auch potentieller Gefahren wie Hate Speech auseinander.

Christiane Bollig (2020) diskutiert in dem Band die Möglichkeiten aber auch die Herausforderungen virtuell-aufsuchender Sozialarbeit. Hierbei geht es um das gezielte Präsent- und Ansprechbarsein in virtuellen Räumen, die zum medialen Alltag Jugendlicher gehören, als ergänzendes Kontaktangebot. Zu den virtuellen Räumen zählen insbesondere soziale Medien, zu denen auch YouTube gehört. Als Herausforderung betont sie, dass die Adressat/-innen sozialer Arbeit dadurch eine erhöhte Verfügbarkeit der Sozialarbeiter/-innen erwarten. Die ständige Erreichbarkeit erzeugt auf beiden Seiten Druck. Weiterhin habe die zunehmende Verlagerung der Kommunikation in den virtuellen Raum ambivalente Auswirkungen auf die Beziehungsgestaltung. So kann es zu einer Abnahme von Face-to-Face-Kontakten kommen.

Der Beitrag von Susanne Studeny (2020) wiederum befasst sich mit der Digitalisierung in der Obdachlosenhilfe. Sie argumentiert, dass digitale Medien ein Mittel der Teilhabe für Obdachlose darstellen können. So haben Obdachlose durch internetfähige Mobiltelefone nicht nur Zugang zu notwendigen Informationsquellen, sondern auch ein Mittel, um Kontakt herzustellen und zu halten.

Wie bereits dargelegt, ist YouTube in den Arbeiten zur außerschulischen Bildungsarbeit immer nur ein Angebot unter vielen anderen sozialen Medien. Welche Rolle YouTube im Besonderen spielt, das bleibt eine offene Frage.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Dr. Josephine B. Schmitt arbeitet als wissenschaftliche Koordinatorin am Center for Advanced Internet Studies (CAIS) in Bochum. Zuvor war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikations-wissenschaft und Medienforschung der LMU München tätig. Am CAIS befasst sie sich einerseits mit der Erforschung und Entwicklung von innovativen Konzepten für die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Digitalisierungsforschung sowie der Identifikation relevanter Forschungsthemen. Andererseits forscht sie zu Inhalt, Verbreitung und Wirkung von Hate Speech, extremistischer Propaganda und (politischen) Informations- und Bildungsangeboten (insb. Bewegtbildung) im Internet.

Zudem entwickelt sie didaktische Konzepte für die Radikalisierungsprävention u.a. im Auftrag des Innenministeriums NRW. Darüber hinaus berät sie verschiedene Behörden und zivilgesellschaftliche Akteure bezüglich der genannten Themenfelder. Entstanden im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung sind Unterrichts- sowie pädagogische Begleitmaterialien zum Einsatz von Webvideo-Reihen im Unterricht. Sie gibt zudem Workshops und Vorträge zu verschiedenen Themen der politischen Bildung und Medienkompetenz (z. B. "Fake News", extremistische Propaganda, Populismus).