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Heimat und Identität | Refugee Eleven | bpb.de

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Heimat und Identität

/ 6 Minuten zu lesen

Jeder Mensch verbindet mit dem Begriff Heimat etwas Anderes. Für viele Menschen hat Heimat etwas mit einem konkreten Ort zu tun. Damit ist aber nicht nur die eine Stadt oder das eine Dorf gemeint, wo wir geboren wurden. Es kann der Ort sein, an dem wir aufgewachsen sind. Oder die persönliche Umwelt, die unseren Charakter, unsere Wertvorstellungen und unseren Blick auf die Welt geprägt hat – die uns zu den Menschen machen, die wir heute sind.

Refugee Eleven: Heimat und Identität (Folge 5/11)

Version mit deutschen Untertiteln

Refugee Eleven: Heimat und Identität (Folge 5/11)

Orsey Nijervan und Enis Alushi sprechen auf dem Trainingsplatz des 1. FC Nürnberg im Rahmen des Projekts "Refugee Eleven" darüber, welche Rolle Heimat für ihre eigene Identität hat.

Für viele Menschen ist Heimat an Personen gebunden, die Familie oder den Freundeskreis, an Feste und Bräuche oder eine Religion. Auch ein vertrauter Dialekt, ein Geschmack, ein Geruch oder eine Melodie können heimatliche Gefühle auslösen. Heimat ist keine konkrete Sache. Heimat ist ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit, der Zugehörigkeit und Orientierung. Dieses Gefühl ist nicht zwingend an einen Ort gebunden, es kann an den unterschiedlichsten Orten entstehen.

Heimat ist vor allem die Antwort auf die Fragen: Wo gehöre ich hin? Was brauche ich, damit ich mich wohlfühle? Was Heimat ist, verändert sich im Laufe eines Lebens immer wieder. Zum Beispiel dadurch, dass man das Elternhaus verlässt, eine Lebensgemeinschaft eingeht, ein Kind bekommt. "Wir haben in Syrien Werte, die mit unserem Land verbunden sind. Wenn man nach Deutschland kommt, muss man die deutschen Werte akzeptieren. Man muss offen sein und sich anpassen. Sonst kann man hier nicht leben. Das ist nicht so einfach – und ich vermisse meine Mutter, meine ganze Familie."
Osey Nijervan 22 Jahre, Mittelfeldspieler bei SC Germania Erftstadt-Lechenich
"Ich bin im Kosovo geboren, lebe aber schon die meiste Zeit meines Lebens in Deutschland. Ich habe beide Länder in mir – beide sind meine Heimat. Im Kosovo lebt der größte Teil meiner Verwandten, ich spiele für die Nationalmannschaft. Aber hier in Deutschland lebe ich mit meiner Frau und meinem Kind."
Enis Alushi 31 Jahre, Mittelfeldspieler, wechselte im Januar 2017 vom 1. FC Nürnberg zu Maccabi Haifa

Gibt es Ängste, dass sich Deutschland verändert?

Manche Menschen befürchten, dass sich Deutschland aufgrund der bis 2016 neu angekommenen Menschen verändert. Sie kritisieren zum Beispiel, dass die Aufnahme, Verpflegung und Unterbringung von Geflüchteten den Staatshaushalt zu stark belasten würde. Dank der guten Wirtschaftslage decken die Mehreinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen aber die Ausgaben für die Versorgung der Geflüchteten. Nach Einschätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln könnten Ausgaben für Geflüchtete und deren eigener Konsum das Wirtschaftswachstum sogar auf lange Sicht erhöhen. Eine Voraussetzung dafür sei aber beispielsweise die erfolgreiche Einbindung von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt und das deutsche Bildungssystem.

Auch wird manchmal angeführt, Geflüchtete erhielten mehr Unterstützung als Empfänger von Arbeitslosengeld II. Diese Behauptung ist falsch. Geflüchtete bekommen in den Erstaufnahmeeinrichtungen vor allem Sachleistungen – Unterkunft, Kleidung und Verpflegung. Ausbezahlt wird ihnen ein monatlicher Geldbetrag ab 135 Euro, um ihre persönlichen Bedürfnisse zu decken – umgangssprachlich auch "Taschengeld" genannt. Der Betrag hängt davon ab, ob jemand alleinstehend oder verheiratet ist, oder auch Kinder hat. Von diesem Geld müssen die Geflüchteten unter anderem Fahrkarten bezahlen, um zu einer Arztpraxis zu kommen sowie Telefon- und Internetkosten, um mit der Familie in Kontakt zu bleiben.

Eine neue Heimat finden

Auf dem Trainingsplatz des 1. FC Nürnberg trafen sich Enis Alushi und Osey Nijervan. Sie sprachen darüber, welche Rolle Heimat für ihre eigene Identität hat. (© bpb)

Mit geliebten Menschen im Herkunftsland in Kontakt zu bleiben, ist vielen Geflüchteten besonders wichtig. Obwohl sie in Deutschland einen sicheren Ort finden, haben sie auch viel zurücklassen müssen: Menschen, die ihnen vertraut sind, ihre Familie, ihr Zuhause. Der plötzliche Verlust der Heimat durch eine Flucht kann ein traumatisches Erlebnis sein. Der Schmerz darüber beginnt meist erst später, wenn die Menschen zur Ruhe kommen. Sie fühlen sich dann manchmal einsam und heimatlos.

Aber es ist möglich, ein Heimatgefühl in einem neuen Land zu entwickeln. Wichtig ist dabei das Gefühl, zu einer Gemeinschaft zu gehören. Das Erlernen der Sprache, neue Bekanntschaften, Freundschaften, Kontakte zu Nachbarn und ein Beruf können dabei helfen, dass ein neuer Ort entsteht, an dem man zuhause ist und sich zuhause fühlt. Heimatfindung ist auch ein innerer Prozess. Wie stehe ich zu der Gesellschaft in der ich jetzt lebe? Wie stehe ich zu der Gesellschaft meines Herkunftslandes? Die Fragen, die dieser Prozess aufwirft, können auch mit Ängsten verbunden sein.

Viele geflohene Menschen haben irgendwann ein Heimatgefühl zu zwei Orten. Zum Beispiel zu Syrien und Deutschland. Man spricht dann von einer hybriden Identität. Im Zeitalter der Globalisierung teilen zunehmend mehr Menschen diese Erfahrung. Sie verlassen ihre Heimat, um woanders zu leben. Viele von ihnen fühlen sich dann an mehreren Orten der Welt zuhause, sie verstehen sich als Weltbürgerinnen und Weltbürger. Der Unterschied ist, dass sie ihre Heimat freiwillig verlassen haben. Wenn man die Heimat unter Zwang verlassen muss, kann es dagegen schwerer fallen, ein neues Heimatgefühl zu entwickeln. Deshalb ist es für Geflüchtete wichtig, nicht ausgegrenzt und abgelehnt zu werden.

Aufgaben für den Unterricht

  • Wann, wo und wem fühlst du dich zugehörig?

  • Beschreibe eine Situation, in der du dich schon einmal fremd gefühlt hast. Was hat dir in diesem Moment geholfen?

  • Wie können sich geflüchtete Menschen in Deutschland zugehörig fühlen? Entstehen dadurch Vorteile oder Nachteile für die Gesellschaft? Diskutiere in der Gruppe.