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"Jugendliche lesen 2018 mehr als jemals zuvor"

Theresa Kühnert Theresa Samuelis

/ 6 Minuten zu lesen

Lesen lernen und fördern mit den Möglichkeiten der Digitalisierung – Lukas Heymann von der Stiftung Lesen erklärt im Interview, wie das aussehen und gelingen kann. Und wann das gedruckte Buch immer noch genau das richtige Medium ist.

Ob Buch oder App - wichtig ist, dass Kinder lesen. ( Max Goncharov / bearbeitet / Externer Link: Unsplash / Lizenz: Externer Link: Unsplash Licence )

werkstatt.bpb.de: Die Stiftung Lesen tritt für eine Gleichwertigkeit aller Medien ein und zeigt sich insbesondere gegenüber digitalen Lesemedien offen. Welches Potenzial sehen Sie für die Leseförderung durch digitale Medien?

Lukas Heymann: Die Externer Link: Stiftung Lesen setzt sich dafür ein, dass jedes Kind und jeder Jugendliche in Deutschland über die notwendige Lese- und Medienkompetenz verfügt und Lesefreude entwickelt. Dazu schaffen wir Leseanreize und wählen mitunter ungewöhnliche Wege und Zugänge: so nutzen wir Comics, Spielfilme und Wettbewerbe, um Kinder und Jugendliche für das Lesen zu begeistern. Dank einer Kooperation mit uns enthält das Kindermenü einer Fastfood-Kette regelmäßig ein Kinderbuch.

In diesem Kontext sind auch und vor allem digitale Medien eine gute Möglichkeit, Menschen zu erreichen, die bisher wenig oder gar keine Berührung mit Geschichten in ihrem Alltag hatten. Mithilfe geeigneter Apps oder unseres digitalen Vorleseservice "einfach vorlesen!" zeigen wir ihnen, dass sie auch auf mobilen Geräten lesen und vorlesen können. Besonders gut zeigt sich außerdem bei digitalen Kommunikationsformaten wie Facebook, WhatsApp und Twitter, dass sie ohne eine gute Lesekompetenz überhaupt nicht genutzt werden können.

Welche Formate digitaler Leseangebote gibt es überhaupt?

Das Feld ist sehr vielfältig und hat sich in den letzten Jahren stets weiterentwickelt: Es gibt Roman- und Sachbuchtexte sowie die Digitalausgaben von Zeitschriften und Zeitungen, die man auf dem E-Reader oder mit einer passenden App auf Smartphone und Tablet lesen kann. Auch Websites bieten Leseanlässe: So berichtet der örtliche Sportverein über das zurückliegende Turnfest und Modeblogs über aktuelle Klamottentrends. Auch in den sozialen Medien wird geschrieben und gelesen, auf Twitter, Facebook, Instagram und bei WhatsApp.

Lukas Heymann ( privat / bearbeitet )

Für Kinder und Jugendliche bieten sich Kinderbuch- oder Bilderbuchapps an. Hier werden bekannte Titel oder völlig neue Geschichten in einer eigenen App aufbereitet. Die Bilder sind an einigen Stellen animiert und können durch Berührung des Bildschirms ausgelöst werden. Den Geschichtentext können zum Beispiel die Eltern vorlesen. Viele dieser Apps beinhalten allerdings auch spielerische Elemente, so dass die Unterscheidung zwischen "Buch mit Spiel" oder "Spiel mit Text" nicht so leicht zu treffen ist. Das ist vor allem dann wichtig, wenn Eltern ein Bilderbuch zum Vorlesen erwarten, dann aber auf Spiele stoßen, die das Lesevergnügen unterbrechen oder nicht zum Fortgang der Geschichte beitragen.

Im Bereich Augmented Reality gibt es ebenfalls einige Versuche, gedruckte Bücher mit einer App zu verbinden. Das Handy wird dann über das Buch gehalten und auf dem Bildschirm entsteht der Effekt, als ob die Buchseite lebendig werden würde. Die Funktionsweise ist leider nur begrenzt alltagstauglich, da viele Kinder schlicht nicht über die notwendigen motorischen Fähigkeiten verfügen, das Smartphone ruhig und langsam über die Buchseiten zu halten oder zu bewegen. Die Kombination aus gedrucktem Buch und digitalem Medium gelingt bei sogenannten Lernstiften besser. Hier berührt das Kind mit einem dickeren Stift die Buchseiten und an verschiedenen Stellen wird ein passendes Geräusch abgespielt oder der Text wird vorgelesen.

Was können digitale Medien, wie beispielsweise Apps, was ein Buch nicht kann?

Digitale Medien bieten durchaus einen Mehrwert, der sie von klassischen Büchern unterscheidet. So können Apps für Teilgruppen, die eher mit Computerspielen sozialisiert wurden und wenig Erfahrung mit Büchern haben, eine gute Möglichkeit sein, ihnen den Spaß am Lesen näher zu bringen. Oftmals fragen uns Eltern, die vorlesen möchten, aber deren Kind das Vorlesen nicht mag, was sie tun können. Eine App könnte hier die Lösung sein. Man sitzt nebeneinander, kann gemeinsam die Seiten beziehungsweise den Bildschirm erkunden, Fragen stellen oder klären. Auch für Menschen, die sich für technische Dinge interessieren, sind Apps eine Möglichkeit, ihren Kindern vorzulesen. Ein Tablet und eine App mit einer interessanten Geschichte können so zum Vorlesen anregen.

In unserem digitalen Vorleseservice "einfach vorlesen!" erscheinen wöchentlich drei Vorlesegeschichten. Die vorlesende Person sieht auf einen Blick, wie lange die Geschichte voraussichtlich dauert. Daneben kann sie die Schriftgröße einstellen und die Hintergrundfarbe ändern, so dass jeder sich die Seite nach seinen Bedürfnissen einrichten kann. Es gibt außerdem einen Erinnerungsservice per WhatsApp oder Facebook, sodass keine neuen Geschichten verpasst werden.

Und andersrum gefragt: Was kann ein Buch, was eine App nicht kann?

Die Geschichten in den Apps sind meist kürzer als ein Bilder- oder Lesebuch. Für Leute, die viel lesen, bieten sich deshalb eher Bücher an, vor allem, wenn es sich um Buchreihen handelt. Ich kenne keine App, die eine Geschichte und ihre Charaktere ähnlich lang verfolgt, wie eine Buchserie. Ob das Buch jedoch gedruckt oder digital gelesen wird, ist unerheblich. Hier muss die Leserin oder der Leser entscheiden, ob sie oder er lieber auf Papier oder auf einem elektronischen Trägermedium liest. Oder der Anlass entscheidet: zu Hause gedruckt – unterwegs auf dem E-Reader.

Wie sollte eine gute und hochwertige Kinderbuch-App aussehen und funktionieren?

Neben dem Inhalt, der zum Entwicklungsstand des Kindes und zu dessen Lebenswelt passen sollte, sollte eine App einigen Richtlinien folgen: Sie sollte keine Werbung enthalten, ohne In-App-Käufe auskommen und auf möglichst wenig Informationen des Nutzers zugreifen. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist, dass Animationen und interaktive Elemente nur so eingesetzt werden, dass sie wirklich zur Geschichte beitragen, etwas aus dem Text aufgreifen oder fortführen. Wenn es nur blinkt und quietscht, lenkt das zu sehr ab.

Wenn Eltern eine gute Kinderbuch-App gefunden haben – wie sollte das digitale Leseangebot nun genutzt und begleitet werden?

Wir empfehlen, dass Eltern sich die App zunächst alleine ansehen und kennenlernen. Sollte dies nicht möglich sein, sollten sie bei den ersten Durchgängen mit dem Kind unbedingt dabei sein – oftmals ist ihre Anwesenheit sowieso gefordert, um beispielsweise den Text vorzulesen. Neben dem Vorlesen haben Eltern dann auch die Aufgabe, Spiele zu erläutern und vorzumachen. Wenn das Kind die App auch alleine nutzen kann, sollten Eltern die Zeit und den Bildschirm im Auge behalten. Denn schnell ist eine Stunde vorbei, die das Kind vorm Tablet gesessen hat oder das Kind nutzt zwischendurch eine andere App als zuvor vereinbart.

Sie gehen davon aus, dass etwa 50 Prozent der digitalen Aktivitäten von Jugendlichen mit Lesen einhergehen. Um was für eine Art des Lesens geht es hier? Und unterscheidet sich dieses Lesen von der Lektüre eines Romans oder einer Abenteuergeschichte?

Laut Externer Link: JIM-Studie 2017 verteilt sich die Internetnutzung von 12- bis 19-Jährigen prozentual folgendermaßen: 38 Prozent Kommunikation, 20 Prozent Spiele, 11 Prozent Informationssuche, 30 Prozent Unterhaltung. Beim Lesen im Internet geht es um Informationsaufnahme, um Kommunikation und Meinungsaustausch und darum, Dinge zu verstehen oder sich Wissen anzueignen. Kommunikation und Recherchen, die hier stattfinden erfordern zwingend, dass gelesen wird – in den anderen Bereichen ist es zumindest teilweise notwendig. Es erfordert bei den Jugendlichen eine ausgeprägte Lesekompetenz, denn sie orientieren sich schnell auf den verschiedenen Webseiten oder "wischen" sich durch Instagram. Dieses Lesen unterscheidet sich natürlich vom Lesen gedruckter Bücher, wo man einer meist fiktionalen Geschichte folgt, mit Charakteren sympathisiert und mitfühlt.

Was aber ebenfalls wichtig ist: Seit 1998 ist der Anteil der Jugendlichen, die täglich oder mehrmals in der Woche Bücher lesen gleich geblieben und liegt bei ca. 40 Prozent. Der Anteil an Internetnutzern ist nach und nach auf fast 100 Prozent gestiegen. Zur täglichen Buchlesezeit kommen diese Lesezeiten im Internet noch hinzu. Jugendliche lesen also 2018 mehr als jemals zuvor.

Wo können sich Eltern und Akteurinnen und Akteure aus der Bildungsarbeit über gute digitale Leseangebote informieren?

Auf unserer Webseite stellen wir regelmäßig Leseempfehlungen in einer Mediendatenbank vor. Hier können auch Apps herausgefiltert werden. Darüber hinaus stellt das Externer Link: Deutsche Jugendinstitut in seiner Datenbank "Externer Link: Apps für Kinder" zahlreiche Anwendungen vor. Neben dem Alter kann man sich hier auch ausschließlich Bilderbuch- und Kinderbuch-Apps anzeigen lassen. Lehrerinnen und Lehrer können auch kostenfrei Mitglied in unserem Lehrerclub werden und sich dort regelmäßig neu erscheinende Arbeitsmaterialien und Unterrichtsideen herunterladen.

Über die Stiftung Lesen

Die Externer Link: Stiftung Lesen in setzt sich seit ihrer Gründung 1988 für die Förderung von Lesefreude und Lesekompetenz bei Kindern und Jugendlichen ein. In Zusammenarbeit mit Bundes- und Landesministerien, Wissenschaft, Stiftungen, Verbänden und Unternehmen entwickelt sie für jede Altersgruppe sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren passende Angebote. Dazu zählen Programme wie "Lesestart – 3 Meilensteine für das Lesen", ein MINT-Geschichtenset, den "Bundesweiten Vorlesetag" sowie die Aktion "Ich schenk dir eine Geschichte" anlässlich des Welttag des Buches.

Über unseren Interviewpartner:

Lukas Heymann (*1983) studierte Erziehungswissenschaft mit den Schwerpunkten Erwachsenenbildung und Medienpädagogik an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Seit 2008 arbeitet er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen.

Theresa Kühnert ist seit Juli 2019 als Redakteurin für Externer Link: werkstatt.bpb.de tätig. Davor studierte sie Sozial- und Politikwissenschaften in Leipzig sowie Geschichte und Politik des 20. Jahrhunderts an der FSU Jena. Seit 2020 betreut sie außerdem verschiedene Projekte im Bereich der historisch-politischen Bildungsarbeit.

Theresa Samuelis ist seit Oktober 2016 Redakteurin für werkstatt.bpb.de. Sie studierte Theaterwissenschaft, Französische Philologie und Angewandte Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin und an der Université Laval Quebec in Kanada. Während des Studiums hospitierte und arbeitete sie unter anderem für die Pressestelle der Schaubühne Berlin sowie die Onlineredaktionen des ZDFtheaterkanals und des Suhrkamp Verlags. Neben ihrer Tätigkeit für die KOOPERATIVE BERLIN ist sie als freie Autorin für Online und Hörfunk tätig.