Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Die Aufgaben des Bundestages | ABDELKRATIE | bpb.de

abdelkratie Hintergrundinfos zu Staffel 1 Demokratie Demokratie – Einfache Sprache Wahlen und Parteien Wahlen und Parteien – Einfache Sprache Volk Volk – Einfache Sprache Meinungsfreiheit Meinungsfreiheit – Einfache Sprache Religionsfreiheit Religionsfreiheit Menschenwürde Menschenwürde – Einfache Sprache Rechtsstaat Rechtsstaat – Einfache Sprache Widerstand und Protest Widerstand und Protest – Einfache Sprache Gleichheit und Gerechtigkeit Gleichheit und Gerechtigkeit – Einfache Sprache Warum steht "Rasse" im GG? Warum steht "Rasse" im GG? – Einfache Sprache Menschenrechte Menschenrechte – Einfache Sprache Hintergrundinfos zu Staffel 2 Wahlrechtsgrundsätze Personalisiertes Verhältniswahlrecht Fünf-Prozent-Hürde Die Aufgaben des Bundestages Regierungsbildung Briefwahl Wahlentscheidung Mitwirkende Kontakt

Die Aufgaben des Bundestages

Anastasia Pyschny

/ 6 Minuten zu lesen

(© bpb)

Kurze Zeit nach der Bundestagswahl treffen sich die gewählten Abgeordneten zur ersten Bundestagssitzung in der neuen Wahlperiode. Bei dieser konstituierenden Sitzung werden viele wichtige Entscheidungen getroffen. Zum Beispiel wird der Präsident oder die Präsidentin des Deutschen Bundestages von den Abgeordneten gewählt. Darüber hinaus wird über die Geschäftsordnung des Bundestages abgestimmt, die Regelungen zu Redezeiten und Verhaltensweisen im parlamentarischen Alltag vorgibt. Nach dieser ersten Zusammenkunft können die Bundestagsabgeordneten offiziell mit der Parlamentsarbeit beginnen. Aber was genau muss ein Parlament alles leisten?

Eine endgültige Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Es existieren mehrere unterschiedliche Übersichten, in denen Aufgaben von Parlamenten aufgezählt werden. Jedoch sind in modernen Auflistungen drei Parlamentsfunktionen immer zu finden: die Gesetzgebungsfunktion, die Kontrollfunktion und die Wahlfunktion. Darüber hinaus heben alle Funktionskataloge – trotz unterschiedlichster Bezeichnungen − die Aufgabe eines Parlamentes hervor, zu kommunizieren. Deshalb gehört die "Kommunikationsfunktion" ebenfalls zu den klassischen Parlamentsaufgaben.

Die Gesetzgebungsfunktion

Damit das Zusammenleben in einer Gesellschaft funktioniert, braucht es Gesetze, die für das ganze Bundesgebiet gelten und an die sich alle halten müssen. Wenn auf Bundesebene ein neues Gesetz entstehen soll, kann nicht nur der Bundestag, sondern auch die Bundesregierung oder der Bundesrat aktiv werden. Alle drei Verfassungsorgane haben das Recht auf Gesetzesinitiative ("Initiativrecht"). Die meisten Gesetzesentwürfe werden von der Bundesregierung in das Parlament eingebracht. Der Grund hierfür ist, dass die Bundesregierung und die ihr unterstehenden Verwaltungen das Gesetz später umsetzen müssen und aufgrund dieser praktischen Erfahrungen genau wissen, in welchen Bereichen neue Gesetze sinnvoll sind. Zudem hat die Bundesregierung ein großes Interesse daran, durch das Einbringen von Gesetzesinitiativen die Umsetzung der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Ziele anzustoßen.

Liegt dem Bundestag ein Gesetzesentwurf vor, wird er in der Regel in drei Durchläufen beraten, den sogenannten Lesungen. In der dritten Lesung erfolgt die Schlussabstimmung über ein Gesetz. In jeder Wahlperiode werden mehrere Hundert Gesetze vom Bundestag verabschiedet. Aufgrund der bedeutenden Rolle, die der Gesetzgebung im Parlamentsalltag zukommt, wird der Bundestag manchmal auch "Gesetzgeber" genannt. Allerdings ist diese Bezeichnung ungenau, weil der Bundestag noch weitere wichtige Funktionen ausübt wie zum Beispiel die Kontrollfunktion.

Die Kontrollfunktion

(© bpb)

Das politische System der Bundesrepublik Deutschland ist die parlamentarische Demokratie. Zu ihren wesentlichen Merkmalen gehört es, dass das Parlament die Regierung kontrolliert. Wie die Kontrolle ausgeführt wird, hängt vor allem davon ab, welcher Gruppierung im Parlament ("Fraktion") eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter angehört: einer Fraktion der Opposition oder einer regierungstragenden Fraktion.

Die Fraktionen der Opposition (aktuell: AfD, FDP, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen) haben ein Interesse daran, die Regierung öffentlich zu kontrollieren, um ihre Schwachstellen aufzuzeigen und sich gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern jeweils als bessere Regierungspartei zu präsentieren. Dies tun sie zum Beispiel, indem sie verschiedene Fragerechte nutzen, die ihnen laut Geschäftsordnung des Bundestages zustehen. Es ist Aufgabe der Regierung, die Nachfragen der Abgeordneten innerhalb einer bestimmten Frist zu beantworten. Die Antworten erfolgen entweder schriftlich oder mündlich im Rahmen der "Fragestunde", die in Sitzungswochen regelmäßig jeden Mittwoch stattfindet und live im Fernsehen übertragen wird. Auch das "schärfste Schwert" der parlamentarischen Kontrolle wird in aller Regel von den Fraktionen der Opposition eingesetzt: der Untersuchungsausschuss. Er muss von einem Viertel aller Bundestagsmitglieder einberufen werden und dient der innerparlamentarischen Aufklärung von Missständen in Regierung und Verwaltung. In der 19. Wahlperiode wurden insgesamt drei Untersuchungsausschüsse eingesetzt, zuletzt zur parlamentarischen Aufarbeitung des Skandals um den Finanzdienstleister Wirecard.

(© bpb)

Die regierungstragenden Fraktionen (aktuell: CDU/CSU und SPD) bilden mit der Regierung eine funktionelle Einheit. Schließlich sind viele Regierungsmitglieder gleichzeitig auch Bundestagsabgeordnete wie zum Beispiel Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU/CSU) oder Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Die regierungstragenden Fraktionen bestehen allerdings nicht nur aus Regierungsmitgliedern, sondern aus sehr vielen Abgeordneten und auch sie prüfen, was die Regierung macht. Anders als die Oppositionsfraktionen haben sie jedoch meist kein Interesse daran, die Regierung öffentlich zu kritisieren. Gibt es Unstimmigkeiten bezüglich eines Gesetzesvorhabens zwischen der Regierung und der sie tragenden Fraktionen, wird darüber vor allem in nichtöffentlichen Sitzungen, zum Beispiel in den Arbeitskreisen der Fraktionen, gesprochen.

Die Wahlfunktion

Es hat sich vor der Bundestagswahl etabliert, dass Parteien mit einer realistischen Aussicht auf das höchste Regierungsamt ihren Kanzlerkandidaten oder ihre Kanzlerkandidatin benennen. Tatsächlich gewählt werden kann ein Kandidat oder eine Kandidatin für das Amt des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin jedoch erst, wenn er oder sie vom Bundespräsidenten beziehungsweise von der Bundespräsidentin dafür vorgeschlagen wird (Artikel 63 Grundgesetz). Dem Bundestag kommt im Anschluss die Aufgabe zu, über diesen Vorschlag abzustimmen. Um den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin zu wählen, müssen mehr als die Hälfte aller Abgeordneten dem Vorschlag zustimmen. Diese Mehrheit wird auch "Kanzlermehrheit" genannt. Sollte sie auch im zweiten Wahlgang nicht erreicht werden, genügt im dritten Wahlgang die einfache Mehrheit. Bislang wurde die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler jedoch stets im ersten Wahlgang gewählt.

Genießt der Kanzler oder die Kanzlerin nicht mehr das Vertrauen der Abgeordneten, kann er oder sie durch ein "konstruktives Misstrauensvotum" abgewählt werden. Das von den Bundestagsabgeordneten ausgesprochene Misstrauen wird deshalb "konstruktiv" genannt, da sie mit der Abwahl des Kanzlers oder der Kanzlerin gleichzeitig eine neue Person in dieses Amt wählen müssen (Artikel 67 Grundgesetz). In der Geschichte der Bundesrepublik gab es ein erfolgreiches Misstrauensvotum im Jahr 1982 gegen Helmut Schmidt (SPD). Die FDP verließ die sozialliberale Koalition und stellte zusammen mit der Fraktion von CDU/CSU einen Misstrauensantrag. Dieser führte mit sieben Stimmen mehr als notwendig zur Wahl von Helmut Kohl (CDU) zum neuen Bundeskanzler. Sollte der Kanzler oder die Kanzlerin an der parlamentarischen Unterstützung zweifeln, hat er oder sie die Möglichkeit, die Vertrauensfrage zu stellen. Wird ihm oder ihr das Vertrauen entzogen, kann es zu Neuwahlen kommen. Die Vertrauensfrage wurde bereits fünf Mal gestellt, zuletzt von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 2005.

Neben dem Regierungsoberhaupt wählt der Bundestag den Wehrbeauftragten, den Präsidenten und Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes sowie sechs der zwölf Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts. Zudem gehört die Hälfte aller Bundestagsabgeordneten von Amts wegen der Bundesversammlung an, die alle fünf Jahre die Bundespräsidentin oder den Bundespräsidenten wählt.

Die Kommunikationsfunktion

(© bpb)

Prinzipiell wirkt die Kommunikation des Bundestages in zwei Richtungen. Einerseits wird den Bürgerinnen und Bürgern durch die im Plenum stattfindenden Debatten Politik vermittelt, da aktuelle politische Probleme benannt und gemäß den Einstellungen der im Bundestag sitzenden Parteien unterschiedlich diskutiert werden. Die Plenardebatten tragen zur öffentlichen Meinungsbildung bei, da sie im Reichstagsgebäude vor Ort (mit Anmeldung), auf der Website des Deutschen Bundestages, im Fernsehen oder im Radio mitverfolgt werden können. Andererseits muss auch sichergestellt werden, dass die in der Bevölkerung vorherrschenden Meinungen im Parlament ihren Ausdruck finden. Sie werden durch die Abgeordneten in die Debatte eingebracht, die während ihrer Wahlkreisarbeit versuchen, möglichst viel über die Interessen und Wünsche der Bürgerinnen und Bürger zu erfahren. Ignorieren sie die Bürgerinteressen, müssen die Abgeordneten damit rechnen, nicht erneut in den Bundestag gewählt zu werden.

Alles zusammen: eine Herkulesaufgabe

Alle vier beschriebenen Funktionen zusammen stellen die Gesamtaufgabe des Parlamentes dar: das Erzeugen von Legitimität durch Repräsentation. Im Bundestag werden allgemein verbindliche Entscheidungen getroffen. Sie werden von den Abgeordneten stellvertretend für die deutsche Bevölkerung diskutiert und gefällt. Die Entscheidungsfindungen sind aufgrund komplexer Problemlagen nicht immer leicht und die Lösungsangebote treffen auch nicht bei allen Bürgerinnen und Bürgern auf Zustimmung. Das müssen sie aber auch nicht. Schließlich ist Kritik in der Demokratie nicht nur erlaubt, sondern kann – wenn sie begründet ist − auch notwendige Veränderungen anstoßen. Die Arbeitsleistung des Bundestages sollte allerdings nur vor dem Hintergrund seiner vielfältigen und anspruchsvollen Aufgaben bewertet werden, um zu einer abwägenden und realitätsgerechten Beurteilung zu kommen.

Fussnoten

Weitere Inhalte

ist seit 2016 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Parlamentarismusforschung (IParl) tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Parteien und Wahlen in Deutschland und Frankreich.