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Möglichkeiten der Einflussnahme

Olaf Leiße

/ 5 Minuten zu lesen

Eine Million Unterschriften, Petitionen oder Beschwerden: Einflussmöglichkeiten sind da. Doch wie stark können Bürger wirklich mitreden in der EU?

Die Bürgerinitiative "30km/h – macht die Straßen lebenswert!" setzt sich für ein EU-weites reguläres Tempolimit von 30 km/h für Wohngebiete ein. Sie ist eine von über 100 zugelassenen Bürgerinitiativen. (EUGENT/30kmh.eu) Lizenz: cc by-nc-sa/4.0/deed.de

Die Europäische Union hat ein repräsentatives politisches System, in dem die Abgeordneten des Interner Link: Europäischen Parlaments als Repräsentanten der europäischen Völker zusammen mit den Vertretern der Mitgliedstaaten über Gesetze entscheiden. Es gibt aber auch Möglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger, Einfluss auf das politische Geschehen auf europäischer Ebene zu nehmen. Dazu zählen die Europäische Bürgerinitiative, der Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments und der Bürgerbeauftragte.

Europäische Bürgerinitiative

Die Europäische Bürgerinitiative wurde mit dem Interner Link: Vertrag von Lissabon eingeführt und trat 2012 in Kraft. Die Grundidee war, den Unionsbürgerinnen -und -bürgern die Möglichkeit zu geben, ihre Anliegen in den Gesetzgebungsprozess einzuspeisen. Mindestens eine Million Bürgerinnen und Bürger sind notwendig, um die Interner Link: Europäische Kommission aufzufordern, einen Rechtsakt in einem bestimmten Politikfeld auszuarbeiten (Artikel 11, Abs. 4 EUV). Die ersten Initiativen richteten sich unter anderem gegen die Privatisierung der Wasser- und Abwasserwirtschaft, für den Schutz von Embryonen, den Stopp von Tierversuchen und den europawei ten Ausstieg aus der Atomenergie.

Der Ablauf einer Bürgerinitiative gliedert sich in mehrere Schritte:

Im ersten Schritt muss die Initiative in einer der 24 Amtssprachen bei der Europäischen Kommission registriert werden. Dazu muss sich zunächst ein Organisationsteam zusammenfinden, das aus mindestens sieben Personen besteht, die in mindestens sieben Mitgliedstaaten leben.

Im zweiten Schritt wird die Initiative von der Kommission auf ihre Zulässigkeit überprüft. Das Anliegen muss in den Zuständigkeitsbereich der Europäischen Union fallen und darf keine Vertragsänderung oder diskriminierende Forderungen enthalten.

Im dritten Schritt werden die notwendigen Unterschriften gesammelt. Das kann online erfolgen oder durch Unterschriftensammlung auf der Straße. Die Kommission muss die Initiative mit Informationen und technischen Mitteln unterstützen. Die Sammlung der Unterschriften unterliegt den jeweiligen nationalen Bestimmungen. Es müssen insgesamt mindestens eine Million Stimmen gesammelt werden, die mindestens aus einem Viertel der Mitgliedstaten stammen müssen. Derzeit sind das sieben Staaten. Damit soll die länderübergreifende Relevanz des Themas sichergestellt werden. Da die Staaten unterschiedliche Einwohnerzahlen haben, wurde für jedes Land eine Mindestanzahl festgelegt, die erreicht werden muss. In Deutschland müssen momentan mindestens 69.120, in Österreich 14.400 Unterschriften gesammelt werden. In Zypern oder Malta sind nur 4.320 Unterschriften notwendig.

Im vierten Schritt werden die Unterschriften zunächst den jeweiligen nationalen Behörden und anschließend der Kommission zur Prüfung vorgelegt. Im Falle einer positiven Prüfung führt zunächst das Europäische Parlament eine Anhörung mit den Initiatoren durch und anschließend befasst sich die Kommission mit der Initiative. Kritik an der Bürgerinitiative entzündete sich daran, dass das Verfahren Zeit und Ressourcen kostet. Daher sind gut organisierte Interessenorganisationen deutlich im Vorteil, eine Initiative erfolgreich durchzubringen. Darüber hinaus ist umstritten, inwieweit die Kommission eine erfolgreiche Initiative berücksichtigen muss. Die Kommission geht davon aus, dass sie sich mit der Initiative befassen muss, aber eine Pflicht zur Ausarbeitung eines Entwurfs für einen neuen Rechtsakt wird nicht gesehen. Zukünftige Reformen müssten daher darauf zielen, die Bindungskraft einer erfolgreichen Initiative zu stärken und das Verfahren insgesamt zu vereinfachen, damit es seinem Anspruch auf Mobilisierung und Partizipation der Zivilgesellschaft und Legitimierung europäischer Politik besser gerecht werden kann.

Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments

Eine weitere Möglichkeit für Unionsbürgerinnen und -bürger, Einfluss auf die europäische Politik auszuüben, ist die Nutzung des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments (Artikel 227 AEUV). Dieser Ausschuss gehört zu den ständigen Gremien des Parlaments. Eine Interner Link: Petition kann eine Beschwerde, ein Hinweis auf eine Verletzung von Grundrechten, eine Aufforderung an die europäischen Institutionen zu handeln oder eine Bitte um Stellungnahme von einer Institution sein. Inhaltlich gibt es keine Einschränkungen für die Petition; sie muss jedoch formal korrekt eingereicht werden, im Zuständigkeitsbereich der Europäischen Union und ihrer Organe liegen und den Petenten persönlich betreffen.

Wenn der Ausschuss zu dem Schluss kommt, dass die Petition gerechtfertigt ist und das Anliegen unterstützt, kann das Parlament mit den zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen und Maßnahmen zur Behebung des Problems empfehlen. Handelt es sich um eine Angelegenheit von allgemeinem Interesse, kann das Parlament eine politische Initiative ergreifen oder sogar ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof einleiten. Die Anzahl der zur Behandlung angenommenen Petitionen schwankt jährlich und lag zuletzt zwischen etwa 1.200 und 1.500. Die meisten Petitionen kommen aus Spanien, gefolgt von Italien und Deutschland, und betreffen die Themen Umwelt, Binnenmarkt und Justiz.

Europäischer Bürgerbeauftragter

Das Amt des Europäischen Bürgerbeauftragten wurde zusammen mit der Unionsbürgerschaft mit dem Interner Link: Vertrag von Maastricht 1992 eingeführt. Besonders in den skandinavischen Ländern gibt es bereits seit dem 19. Jahrhundert Interner Link: Ombudsleute. Sie sollen die Verwaltung unabhängig auf Unregelmäßigkeiten und Versäumnisse überprüfen. Der Europäische Bürgerbeauftragte, der im Interesse der Bürger die Arbeit der europäischen Institutionen, insbesondere der Kommission, auf Missstände hin untersucht, nahm 1995 seine Tätigkeit auf. Der Sitz des Amtes befindet sich in Straßburg, in unmittelbarer Nähe des Europäischen Parlaments. Nach den Europawahlen wird der Bürgerbeauftragte vom Parlament für die nächsten fünf Jahre gewählt, eine Wiederwahl ist möglich. Der Bürgerbeauftragte übt sein Amt völlig unabhängig aus und darf keinerlei Weisungen von Regierungen, EU-Organen oder anderen Institutionen entgegennehmen (Art. 228 AEUV).

An den Bürgerbeauftragten dürfen sich Unionsbürgerinnen und -bürger sowie natürliche oder juristische Personen mit Sitz in der Europäischen Union wenden.

Interessierte finden zur Kontaktaufnahme ein Formular auf der Externer Link: Webseite des Europäischen Bürgerbeauftragten. Die meisten Anfragen betreffen Themen wie Transparenz (Zugang zu Informationen und Dokumenten), Personalangelegenheiten, Bürgernähe (z. B. Sprache, Pünktlichkeit), Verwaltungsentscheidungen, Finanzmanagement, Verfahrensrechte und Grundrechte. Der angezeigte Missstand darf jedoch nicht Teil eines laufenden oder früheren Gerichtsverfahrens sein. Der Bürgerbeauftragte hat die Aufgabe, die Arbeit der EU transparenter zu gestalten, Entscheidungen verständlicher zu machen und die Verwaltung zur Einhaltung guter Praxis zu bewegen. Er ist ausschließlich für die Organe der Europäischen Union und deren Tätigkeiten zuständig, nicht jedoch für die Verwaltung der Mitgliedstaaten, auch wenn diese EU-Recht umsetzen.

Der Bürgerbeauftragte veranstaltet regelmäßig Events, um die Verwaltung transparenter zu machen. Dabei sollen Vertreter europäischer Institutionen, Politiker sowie Verwaltungskräfte in einen direkten Dialog mit Bürgern, Verbänden, Interner Link: Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen, Journalisten, regionalen Vertretern und zivilgesellschaftlichen Organisationen treten. Das Ziel ist es, alle Beteiligten enger zusammenzubringen und einen Austausch über zukünftige Entwicklungen, Wünsche und Anforderungen zu fördern.

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Apl. Prof. Dr. Olaf Leiße ist Leiter des Arbeitsbereichs Europäische Studien am Institut für Politikwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist außerplanmäßiger Professor für Europäische Studien und Autor zahlreicher Bücher über die Europäische Union.