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Bisherige Erweiterungsrunden

Olaf Leiße

/ 5 Minuten zu lesen

Die EU‑Erweiterungen waren auch ein Kampf um Menschenrechte und demokratische Standards. Wer in die EU will, muss mehr mitbringen als nur Beitrittswillen: Demokratie, Rechtsstaat, Marktwirtschaft.

Am 1. Januar 2007 trat Rumänien der EU bei. (© picture-alliance/ dpa | Robert_Ghement)

Erste Erweiterungsrunden

Sechs Staaten waren Gründungsmitglieder der Interner Link: Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft: Die Kriegsgegner Deutschland und Frankreich sowie die Länder zwischen ihnen, Niederlande, Belgien Luxemburg, dazu noch Italien. Sie bilden sozusagen den Kern der europäischen Integration. In einer ersten Erweiterungsrunde traten 1973 Dänemark, Irland und das Vereinigtes Königreich der Gemeinschaft bei. Bei dieser Norderweiterung wurden mit Dänemark und Großbritannien zwei eher integrationsskeptische Länder aufgenommen. In wirtschaftlicher Hinsicht war der Beitritt jedoch kein Problem, denn alle Länder verfügten über eine hochentwickelte Ökonomie.

Demokratisierung in Südeuropa und politische Integration

In Südeuropa herrschten bis in die 1970er Jahre hinein Diktaturen, nach deren Ende sich der Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft eröffnete. In Griechenland herrschte Interner Link: bis 1974 eine Militärdiktatur. Nach deren Sturz kehrte das Land zur Demokratie zurück und 1976 konnten Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden. Diese führen nach erfolgreichem Abschluss 1981 zum Beitritt Griechenlands als erstes Land der Süderweiterung der Gemeinschaft. In Spanien herrschte seit 1939 ebenfalls das Militär unter Generalissimus Franco. Nach seinem Tod 1975 begann sein Nachfolger König Juan Carlos I. einen Demokratisierungsprozess. Trotz eines Putschversuchs des Militärs und mehrerer Terroranschläge gelang die Rückkehr zur Demokratie. Auch in Portugal herrschte eine rechtsgerichtete Diktatur. In der Interner Link: Nelkenrevolution 1974 putschten linksgerichtete Militärs und beendeten die Zeit der Diktatur. Nach längeren Verhandlungen konnten Spanien und Portugal 1986 beitreten. Alle drei Beitritte beruhten auf politischen Entscheidungen: Die Wirtschaft der Länder war nicht so hoch entwickelt, aber die Europäische Gemeinschaft wollte den Demokratisierungsprozess unterstützen und einen Rückfall in die Diktatur dauerhaft verhindern, was auch gelang.

Die Osterweiterung und die Kopenhagener Kriterien

Der Fall der Berliner Mauer und der Umbruch in Europa ermöglichten neue politische Konstellationen. Drei Länder, die während der Blockkonfrontation Interner Link: neutral blieben, wollten nun ebenfalls Mitglied der Europäischen Union werden. Österreich, Finnland und Schweden traten 1995 der EU bei. Schon bald nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Machtbereichs zeichnete sich ab, dass alle Länder Osteuropas einen Beitritt in die westeuropäischen Bündnissysteme, Interner Link: Nato und EU, anstrebten. Sie suchten Sicherheit gegen Russland und wirtschaftlichen Wohlstand. Eine Aufnahme dieser Länder wurde auch in Westeuropa befürwortet, allerdings war die EU nicht auf die gleichzeitige Aufnahme so vieler Staaten vorbereitet. Im Juni 1993 formulierte der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs in Kopenhagen drei Kriterien, die die aufnahmesuchenden Länder erfüllen sollten. Diese sogenannten Kopenhagener Kriterien sind:

  1. Institutionelle Stabilität und die Etablierung einer demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung, Wahrung der Menschenrechte und Schutz von Minderheiten. Die seit Jahrzehnten kommunistisch regierten Länder mussten ein Mehrparteiensystem zulassen, freie Wahlen und grundsätzlich demokratische Spielregeln einführen sowie die Rechtsstaatlichkeit fördern. In allen Bereichen des politischen Lebens mussten die Staaten Osteuropas bei Null beginnen. Sie hatten keinerlei Erfahrung mit demokratischer Politik und sahen sich vor große Herausforderungen gestellt.

  2. Eine funktionsfähige Marktwirtschaft, die dem Wettbewerbsdruck innerhalb der Europäischen Union standhalten kann. Dazu zählte der Übergang von der staatlich regulierten Planwirtschaft zu Formen der (sozialen) Marktwirtschaft. Die Währung musste frei umtauschbar sein, damit sich ein angemessener Wechselkurs einspielt. Die Enteignungen von Unternehmen, Häusern, Grund und Boden sollten im Zuge einer Privatisierung rückgängig gemacht werden. Eine große Herausforderung bestand darin, marktfähige Produkte herzustellen, die in der freien Wirtschaft auch nachgefragt werden. Die bislang hergestellten Produkte waren nur in einer geschlossenen Wirtschaft ohne Konkurrenz verkäuflich.

  3. Die Fähigkeit, den Verpflichtungen einer Mitgliedschaft in der EU nachzukommen. Jeder Beitrittskandidat musste sämtliche Rechtsakte der EU, den „Gemeinschaftlichen Besitzstand“, übernehmen. Das bedeutet auch, beispielsweise strenge Umweltauflagen zu beachten, was mit immensen Kosten verbunden ist.

Das vierte Kriterium hat sich die Europäische Union selbst verordnet. Sie muss in der Lage sein, die beitrittssuchenden Staaten aufzunehmen. Mit der Reform der Verträge hat die EU ihre Institutionen und die Entscheidungsverfahren so angepasst, dass sie auch bei einem Beitritt zahlreicher Staaten funktionsfähig bleiben sollte.

Nach längeren Verhandlungen konnten zum 1. Mai 2004 acht Staaten Mittel- und Osteuropa beitreten: die Tschechische Republik, die Slowakei, Polen, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn und Slowenien. Dazu kamen noch die südeuropäischen Staaten Zypern und Malta. Die Europäische Union war damit auf 25 Mitglieder angewachsen. Euphorisch wurde von der Wiedervereinigung Europas gesprochen. Und dies mit Recht, denn nunmehr war der „Eiserne Vorhang“, die politische und ideologische Grenze zwischen Ost und West, die Europa so lange getrennt hatte, endgültig überwunden und die Teilung des Kontinents Geschichte. Allerdings erwies es sich bis heute als schwierig, die Staaten auf das wirtschaftliche Niveau Westeuropas zu heben.

Weitere Beitritte und Reformdruck

Zwei weitere Staaten Osteuropas standen weiterhin vor der Tür. Rumänien und Bulgarien wurde die Aufnahme zunächst verwehrt, da ihre Reformbemühungen die EU nicht überzeugt hatten. Die Union machte daher Druck, insbesondere gegen die weit verbreitete Korruption vorzugehen und ein stabiles Rechtssystem aufzubauen. Mit leichter Verspätung konnten beide Länder 2007 der EU beitreten.

Nunmehr richtete sich der Blick auf die Länder Südosteuropas. Von den Nachfolgestaaten Jugoslawiens war bislang nur Slowenien beigetreten. Große Beitrittsambitionen hatte Kroatien, dessen politisches System sich gefestigt hatte und dessen Wirtschaft nicht zuletzt aufgrund des Tourismus florierte. Als bislang letztes Land ist Kroatien 2013 der Europäischen Union beigetreten. Damit ist der Kreis der Mitglieder auf den bisherigen Höchststand von 28 Staaten angewachsen. Mit den Beitritten hat sich verändert, wie weitgehend die einzelnen Mitglieder Aufgaben und Ressourcen auf die EU übertragen haben: Nicht alle Staaten haben den Euro als Gemeinschaftswährung übernommen. Und auch dem Schengener Abkommen, das den Bürgerinnen und Bürgern Reisefreiheit ohne Grenzkontrollen ermöglicht, ist noch nicht von allen Staaten umgesetzt.

Rückschritte, Vielfalt und innere Spannungen

Weitere Staaten stehen vor der Tür und möchten beitreten, doch zunächst ist die Europäische Union geschrumpft. In einem Referendum am 23. Juni 2016 entschied sich eine Mehrheit von knapp 52 Prozent der Bürgerinnen und Bürger des Vereinigten Königreichs, die Europäische Union zu verlassen. Interner Link: Der Brexit, der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, erfolgte zum 31. Januar 2020. Die Europäische Union verfügt seitdem über 27 Mitgliedstaaten.

Mit dem Beitritt der osteuropäischen Staaten ist die Europäische Union unter vielen Gesichtspunkten vielfältiger geworden. Wirtschaftlich sehr unterschiedliche Staaten müssen nun zusammenfinden, es gibt sehr viele kleine und mittlere und nur wenig große Staaten, alte und junge Demokratien, Staaten mit einer sehr unterschiedlichen Geschichte, geprägt von verschiedenen geschichtlichen Ereignissen, mit einer vielfältigen Parteienlandschaft, oft entgegengesetzten nationalen Interessen. Die Europäische Union muss all diese Gegensätze aushalten und manchmal ausgleichen, ohne die nationale Vielfalt zu zerstören. Der Brexit ist für die europäische Integration ein Rückschlag, aber paradoxerweise hat sich die englische Sprache als Verkehrssprache in der EU und ihren Institutionen durchgesetzt.

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Apl. Prof. Dr. Olaf Leiße ist Leiter des Arbeitsbereichs Europäische Studien am Institut für Politikwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist außerplanmäßiger Professor für Europäische Studien und Autor zahlreicher Bücher über die Europäische Union.