Wie viele Menschen aus Drittstaaten leben in der Europäischen Union? Welche EU-Bürger:innen sind am mobilsten und wie hat sich die Zu- und Auswanderung in den letzten Jahren entwickelt?
Wie viele Drittstaatsangehörige und EU-Binnenmigrant:innen leben in der EU?
Am 1. Januar 2021 lebten 23,8 Millionen Menschen ohne die Staatsangehörigkeit eines zur EU gehörenden Landes (Drittstaatsangehörige) in den insgesamt 27 Mitgliedstaaten der EU . Das entspricht 5,3 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU, in der knapp 446 Millionen Menschen leben. Weitere 13,7 Millionen Menschen, und damit 3,1 Prozent der Gesamtbevölkerung, waren EU-Binnenmigrant:innen, also Staatsangehörige der EU-Mitgliedsländer, die in einem anderen EU-Land als dem leben, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen (EU-Binnenmigration) (siehe Abbildung 1).
Zahlen schaffen Realitäten – Grenzen dieser Grafiken
Statistische Daten, Graphen und Diagramme werden häufig als objektive Abbildungen der Wirklichkeit verstanden. Es ist aber wichtig zu hinterfragen, woher diese Daten kommen und welche Perspektive sie vermitteln. So stellen auch die hier dargestellten Grafiken nur eine der möglichen Betrachtungsweisen dar, mit der die Bevölkerung in der Europäischen Union sowie Mobilität von Menschen in diesem Gebiet dargestellt werden können.
In diesen Grafiken wird besonders das Unterscheidungsmerkmal der Staatsangehörigkeit genutzt, um einen Überblick über die verschiedenen Bevölkerungsgruppen in der Europäischen Union zu geben. Dabei ist zu beachten, dass eine Kategorisierung von Menschen immer einige Merkmale (hier die Staatsangehörigkeit) als relevant herausstellt und andere unberücksichtigt lässt. Dies trägt dazu bei, dass in den Abbildungen nur einige Personengruppen in der EU sichtbar werden und ihnen ein Migrationsbezug zugeschrieben wird. Zunächst beschreibt die Staatsangehörigkeit jedoch nur ein rechtliches Verhältnis einer Person zu einem Staat. Staatsangehörigkeitsgesetzgebungen sind von Staat zu Staat unterschiedlich und die Staatsangehörigkeit einer Person kann sich im Laufe des Lebens ändern. Besitzt eine Person nicht die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltslandes, so bedeutet dies nicht automatisch, dass sie eigene Migrationserfahrung hat. Es kann aber eine familiäre Migrationsgeschichte vermutet werden.
Mit Blick auf Migrationsstatistiken ist hier zudem eine Sensibilität für die verschiedenen Erhebungsmethoden und mögliche Grenzen der erfassten Bevölkerungsdaten wichtig. Die meisten EU-Mitgliedstaaten stützen ihre Statistiken auf administrative Datenquellen wie Bevölkerungsregister, Ausländerregister, Register für Aufenthalts- oder Arbeitsgenehmigungen, Krankenversicherungsregister und Steuerregister. Einige andere Länder (wie etwa Rumänien) verwenden aber Spiegelstatistiken, Stichprobenerhebungen oder Schätzverfahren zur Erstellung von Wanderungsstatistiken. Das bedeutet, dass die hier genutzten Werte nur bedingt vergleichbar und aussagekräftig sind.
In welchen EU-Staaten ist der Anteil ausländischer Staatsangehöriger am größten?
In Relation zur Gesamtbevölkerung hat Luxemburg den größten Anteil ausländischer Staatsangehöriger und Staatenloser: 47,1 Prozent der Bevölkerung haben nicht die luxemburgische Staatsangehörigkeit, wobei 81,5 Prozent davon die Staatsbürgerschaft eines anderen EU-Staates besitzen. Auch der Anteil ausländischer Staatsangehöriger und Staatenloser in den Bevölkerungen von Malta (20,1 Prozent), Zypern (18,5 Prozent), Österreich (17,1 Prozent) und Estland (15,1 Prozent) ist vergleichsweise hoch. Im Kontrast dazu besitzen weniger als ein Prozent der Bevölkerung in Rumänien nicht die rumänische Staatsangehörigkeit (siehe Abbildung 2).
Welche sind die wichtigsten Ziel- und Herkunftsländer?
Die EU-Länder mit der größten absoluten Zahl ausländischer Staatsangehöriger und Staatenloser waren Anfang 2021 Deutschland (10,6 Millionen), Spanien (5,4 Millionen), Frankreich und Italien (jeweils 5,2 Millionen). Es handelt sich um die vier bevölkerungsreichsten Länder der EU, die zusammen 57,6 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen.
In den meisten EU-Mitgliedstaaten setzt sich die ausländische Bevölkerung vor allem aus Drittstaatsangehörigen zusammen (siehe Abbildung 3). Zu den zahlenmäßig wichtigsten Herkunftsländern von Drittstaatsangehörigen, die Anfang 2021 in einem der 27 EU-Staaten lebten, zählen Marokko (1,9 Millionen), die Türkei (1,9 Millionen) und Syrien (1,2 Millionen). Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs (883.000), der Ukraine (822.000), Algeriens (697.000) und Russlands (657.000) waren ebenfalls zahlreich in der EU vertreten. Welche Drittstaatsangehörigen in den Bevölkerungen der einzelnen EU-Mitgliedstaaten dominieren, hängt u.a. von der Migrationsgeschichte und den dadurch entstandenen Migrationsbeziehungen zu Nicht-EU-Staaten ab. So stammt die größte Gruppe ausländischer Staatsangehöriger in Deutschland aus der Türkei, mit der seit der Interner Link: Anwerbung türkischer Arbeitskräfte ("Gastarbeiter") von 1961 bis 1973 Migrationsverflechtungen bestehen. In Frankreich hingegen zählen Algerien und Marokko zu den Hauptherkunftsländern von dort lebenden Ausländer:innen. Beide Länder waren in ihrer Geschichte ganz oder teilweise französische Kolonien. Bei den Nicht-Staatsangehörigen in Interner Link: Estland und Interner Link: Litauen hingegen handelt es sich überwiegend um russischsprachige Menschen, die selbst oder deren Vorfahren überwiegend zur Zeit der sowjetischen Besatzung des Interner Link: Baltikums eingewandert sind; nach der Unabhängigkeit der drei baltischen Staaten 1991 erhielten sie aber nicht deren Staatsangehörigkeit und verloren mit dem Ende der Sowjetunion auch ihre sowjetische Staatsangehörigkeit. Für diese Bürger:innen wurde der Interner Link: "Nichtbürger"-Status eingeführt, der allerdings mit beschränkten Rechten einhergeht.
Aktuelle Entwicklungen wegen des Kriegs in der Ukraine
Wegen des Interner Link: russischen Angriffskriegs in der Ukraine und den dadurch Interner Link: ausgelösten umfassenden Fluchtbewegungen wächst aktuell vor allem die Zahl ukrainischer Staatsangehöriger, die in der EU leben – insbesondere in den Hauptaufnahmeländern: In Polen waren am 20. März 2023 rund 1,6 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine registriert, in Deutschland etwa mehr als eine Million (Stand: 31.01.2023) und in Tschechien knapp 500.000 (Stand: 19.03.2023). Insgesamt waren in der EU, Norwegen und der Schweiz bis zum 6. November 2022 rund fünf Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine für einen temporären Schutzstatus nach der sogenannten Interner Link: Massenzustromrichtlinie registriert.
In einigen EU-Staaten kommen die meisten der dort lebenden ausländischen Staatsangehörigen nicht aus Drittstaaten, sondern aus einem anderen EU-Mitgliedsland. Das ist in Belgien, Irland, Zypern, Luxemburg, Österreich und der Slowakei der Fall. In Österreich bilden beispielsweise Menschen aus dem benachbarten und sprachverwandten Deutschland die größte Gruppe ausländischer Staatsangehöriger. In Luxemburg und Belgien tragen nicht zuletzt die dort ansässigen EU-Institutionen zur Zuwanderung aus dem EU-Raum bei. Zu einigen heutigen EU-Staaten (u.a. zu Italien und im Fall von Luxemburg auch Portugal) bestehen aber auch historische Migrationsbeziehungen, weil von dort beispielsweise nach dem Zweiten Weltkrieg Arbeitskräfte angeworben wurden. In Irland wiederum zählen Polen, Litauen und Lettland zu den Hauptherkunftsländern der ausländischen Bevölkerung; das liegt daran, dass Irland als einer der wenigen 'alten' EU-Staaten keine Übergangsregelungen für den Zuzug von Staatsangehörigen der Interner Link: 2004 der EU beigetretenen osteuropäischen Staaten eingeführt hatte.
Wie viele mobile EU-Bürger:innen gibt es?
Im Jahr 2020 sind insgesamt 1,2 Millionen Menschen von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen gezogen. 2019, im Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie, waren es 1,4 Millionen. Unter den Menschen, die innerhalb der EU migrieren, finden sich viele EU-Bürger:innen, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen. Sie werden auch als EU-Binnenmigrant:innen oder mobile EU-Bürger:innen bezeichnet. Anfang 2021 lebten 13,7 Millionen EU-Bürger:innen in einem anderen Mitgliedstaat. Besonders mobil sind Menschen aus Rumänien, Polen, Italien und Portugal (siehe Abbildung 4). So leben beispielsweise rund drei Millionen rumänische Staatsangehörige in anderen EU-Mitgliedstaaten. In Deutschland kommen eingewanderte EU-Bürger:innen vor allem aus Polen (17,34 Prozent), Rumänien (16,9 Prozent) und Italien (13,2 Prozent) (siehe Abbildung 5).
Wie viele Menschen wandern in die EU ein? Wie viele wandern aus?
Im Jahr 2020 wanderten insgesamt 1.917.842 Menschen aus Nicht-EU-Staaten (Drittstaaten) in die 27 Mitgliedstaaten der EU ein, 956.247 verließen den EU-Raum. Die Nettozuwanderung belief sich damit 2020 auf 961.595 Personen und lag deutlich niedriger als 2019 (knapp 1,5 Millionen; siehe Abbildung 6). Der Rückgang ist vor allem auf den Ausbruch der Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Maßnahmen zu ihrer Eindämmung zurückzuführen, die Interner Link: weltweit mit Einschränkungen grenzüberschreitender Mobilität einhergingen. Im Durchschnitt lag die jährliche Nettozuwanderung in die EU im Zeitraum 2013 bis 2020 bei knapp 956.000 Personen.
Wie hat sich die Zahl der Asylanträge in der EU entwickelt?
Nachdem die Zahl der in den EU-Mitgliedstaaten gestellten Asylanträge mit rund 1,2 Millionen Erstanträgen in den Jahren Interner Link: 2015 und Interner Link: 2016 einen Höhepunkt erreicht hatte, ist sie in den folgenden Jahren deutlich gesunken. Im Jahr 2021 haben 537.355 Menschen einen Erstantrag auf Asyl in einem der 27 Mitgliedstaaten der EU gestellt. Damit lag die Zahl der Asylanträge auf einem ähnlichen Niveau wie im Jahr 2014 (530.560) (siehe Abbildung 7). Die Zeitung Welt am Sonntag berichtete im Januar 2023 auf der Basis bislang unveröffentlichter Daten der Europäischen Asylagentur (EUAA), dass die Zahl der in den 27 EU-Mitgliedstaaten gestellten Asylanträge 2022 gegenüber dem Vorjahr um 46,5 Prozent gestiegen sei, auf insgesamt 923.991 (2021: 632.405). Die meisten Asylanträge habe Deutschland entgegengenommen, gefolgt von Frankreich, Spanien und Österreich. Nur ein sehr kleiner Anteil der Anträge (zwischen Januar und Oktober 2022 etwa 3,3 Prozent; 23.080 Erstanträge ) wurden von Schutzsuchenden aus der Ukraine gestellt, da sie einen Schutzstatus nach der Externer Link: Richtlinie über den temporären Schutz von Flüchtlingen (Temporary Protection Directive) beantragen können. Dieser erlaubt es ihnen, zunächst ein Jahr in der EU zu bleiben und Zugang u.a. zum Arbeitsmarkt, zum Bildungssystem, zu medizinischer Versorgung und Sozialleistungen zu erhalten – ohne vorher ein Asylverfahren durchlaufen zu haben. Auf die Aktivierung der Richtlinie hatten sich die EU-Staaten Anfang März 2022 geeinigt. Im Zeitraum vom 24. Februar 2022 und dem 6. November 2022 haben sich rund 4.7 Millionen aus der Ukraine geflohene Menschen für diesen temporären Schutzstatus registrieren lassen. Damit sind im Verlauf des Jahres 2022 mehr Schutzsuchende in der EU, Norwegen und der Schweiz angekommen als in den Jahren 2015 und 2016 zusammen.
Interner Link: Syrien, Interner Link: Afghanistan und Interner Link: Irak führten 2021 mit fast 40 Prozent der Asyl-Erstanträge in der EU die Liste der Länder an, aus denen die meisten Asylantragstellenden kamen. Seit 2013 ist Syrien das Hauptherkunftsland von Asylsuchenden in der EU. Ab August 2021 kamen mehr Asylantragstellende aus Afghanistan als aus Syrien in die EU, was vor allem mit der (erneuten) Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan zusammenhing. Gemessen an der jährlichen Gesamtzahl der Asylanträge blieb aber auch im Jahr 2021 Syrien das Hauptherkunftsland Asylsuchender in der EU.
Wie verteilen sich die Asylanträge auf die EU-Mitgliedstaaten?
Die Zahl der im EU-Raum gestellten Asylanträge verteilt sich sehr ungleich auf die 27 EU-Mitgliedstaaten, was seit Jahren für Spannungen mit Blick auf die Frage nach Solidarität bei der Übernahme humanitärer Verantwortung sorgt. Im EU-weiten Vergleich nahm Deutschland, wie in vielen anderen Jahren auch, im Jahr 2021 absolut betrachtet die meisten Asylanträge entgegen. Mit 148.175 registrierten Asylbewerber:innen entfielen 27,6 Prozent aller Asylerstanträge in der EU auf Deutschland, gefolgt von Frankreich (103.790 bzw. 19,3 Prozent), Spanien (62.050 bzw. 11,5 Prozent), Italien (45.200 bzw. 8,4 Prozent) und Österreich (37.800 bzw. sieben Prozent).
Ein anderes Bild ergibt sich, wenn die Asylzugänge in Relation zur jeweiligen Bevölkerungszahl gesetzt werden: Wie auch in den Vorjahren war 2021 Zypern mit 1.479 Asylantragstellenden auf jeweils 100.000 Einwohner:innen der EU-Mitgliedstaat mit den höchsten Asylantragszahlen im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße. Darauf folgten Österreich (423), Slowenien (247), Malta (232) und Luxemburg (215). Acht Mitgliedstaaten lagen 2021 über dem EU-weiten Durchschnitt von 161 Asylanträgen pro 100.000 Einwohner:innen; 19 Staaten lagen (meist deutlich) darunter. Ungarn hat die geringste Anzahl an Asylanträgen bezogen auf die Bevölkerungsgröße. Das kann auf die strenge Abschottungspolitik der ungarischen Regierung zurückgeführt werden, deren Asylregeln und Praktiken der ‚rechtswidrigen Inhaftierung‘ von Asylsuchenden bereits vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als Interner Link: Verstöße gegen EU-Recht verurteilt wurden.
absolviert den Masterstudiengang Internationale Migration und Interkulturelle Beziehungen (IMIB) an der Universität Osnabrück und ist Studentische Hilfskraft am dortigen Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS).