Im letzten Quartal 2019 traten die ersten Infektionen mit dem Covid-19-Virus im chinesischen Wuhan auf. Das Virus breitete sich schnell weltweit aus. Im Januar 2020 wurden erste Fälle in Deutschland bekannt. Mehr als zweieinhalb Jahre später stellt die Covid-19-Pandemie weiterhin eine Herausforderung für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dar. Vor allem zu Beginn der Pandemie wurden in Deutschland einschränkende Maßnahmen getroffen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Darunter fielen zum Beispiel Kontaktbeschränkungen sowie die Einschränkung des öffentlichen Lebens. Weltweit kam es zu Grenzschließungen sowie Reisebeschränkungen.
Viele der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Maßnahmen erfuhren große mediale Aufmerksamkeit. Weniger im Fokus waren die Folgen für Geflüchtete und Migrant*innen, obwohl diese vor besonderen Herausforderungen gestellt wurden. In häufig beengten Wohnsituationen – etwa in Flüchtlingslagern oder Massenunterkünften für Arbeitsmigrant*innen – waren sie einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt. Ein eingeschränkter Zugang zur Gesundheitsversorgung erhöhte zudem das Risiko eines schweren Verlaufs. Darüber hinaus verloren Migrant*innen auch häufiger ihren Job als Einheimische, waren also von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie stärker betroffen als Nicht-Migrant*innen, zumal sie in vielen Ländern von staatlichen Hilfsprogrammen ausgeschlossen blieben. Gleichzeitig wurde während der Pandemie deutlich, dass Migrant*innen häufig in systemrelevanten Berufen arbeiten, etwa im Gesundheitssektor.
Dieser Beitrag gibt zunächst einen Überblick über die Entwicklung der globalen Migrationsbewegungen im Zuge der Pandemie. Exemplarisch zeigt er anschließend die wirtschaftlichen und sozialen Folgen für Geflüchtete und Migrant*innen in Deutschland auf. Der Fokus des Beitrags liegt dabei auf den Entwicklungen der ersten beiden Jahre der Pandemie (2020/2021).
Hinweis: Aktuelle Entwicklungen durch den Krieg gegen die Ukraine
Der Interner Link: russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Situation im dritten Jahr der Corona-Pandemie mit Blick auf Migrationsbewegungen innerhalb Europas und die gesundheitliche Versorgung von Geflüchteten in Deutschland verändert. So sind 2022 in sehr kurzer Zeit mehrere hunderttausend Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Sie genießen – im Gegensatz zu Asylsuchenden – einen Interner Link: privilegierten Status ("Massenzustromrichtlinie"), der ihnen eine befristete Aufenthalts- sowie Arbeitserlaubnis einräumt. Zudem können sie Interner Link: Leistungen nach Sozialgesetzbuch beziehen und Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung erhalten. Barrieren, die im Zuge der Corona-Pandemie für viele Geflüchtetengruppen zu Einschränkungen der Mobilität und gesundheitlichen Versorgung geführt haben, konnten so für ukrainische Kriegsflüchtlinge verringert werden. Gleichzeitig führt der umfangreiche Zuzug der Kriegsflüchtlinge aktuell zur Belastung von Kommunen bei der Unterbringung, Versorgung und Integration geflüchteter Menschen. Der schnelle Arbeitsmarktzugang wirkt sich zudem auf die Arbeitsmarktzahlen aus.
Migrationsgeschehen während der Covid-19-Pandemie
Grenzschließungen, Einreisestopps für Drittstaatenangehörige, die zeitweilige Schließung von Visastellen, der Rückgang bei der Vermittlung von Arbeitskräften aus dem Ausland sowie die Reduktion des Flugverkehrs wirkten sich weltweit auf Migrationsbewegungen (z.B. Arbeitsmigration und Familiennachzug, aber auch Flucht) aus – vor allem zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020. Zwar dokumentierten die Vereinten Nationen auch 2020 einen Anstieg der Zahl internationaler Migrant*innen im Vergleich zum Vorjahr – von 272 Millionen (2019) auf 281 Millionen (2020). Dieser Anstieg fiel jedoch schätzungsweise um zwei Millionen niedriger aus als ursprünglich erwartet.
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Auch grenzüberschreitende Fluchtbewegungen verlangsamten sich im Zuge der Pandemie. 2020 suchten rund 1,5 Millionen weniger Menschen Schutz im Ausland, als dies vom Interner Link: UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) erwartet worden war.
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Für Deutschland erfasst das Interner Link: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) monatlich die Zahl der Menschen, die erstmals einen Asylantrag in Deutschland stellen. Hier lässt sich mit Blick auf das erste Corona-Jahr ebenfalls ein Rückgang feststellen (siehe Abbildung 2). So wurden monatlich bis zu 66 Prozent (Mai 2020) weniger Erstanträge gestellt als im jeweiligen Vorjahresmonat. Zwischen Juni und Dezember 2020 näherte sich die Interner Link: Asylantragszahl wieder dem Vorpandemieniveau und überstieg dieses ab Mitte 2021. Dieser Aufwärtstrend setzt sich in 2022 fort.
Die Pandemie führte auch zu einem Rückgang mit Blick auf alle anderen Migrationsformen. So fiel etwa die Arbeitsmigration nach Deutschland 2020 um fast 54 Prozent niedriger aus als im Vorjahr. Während 2019 noch 64.219 Drittstaatsangehörige zu Erwerbszwecken nach Deutschland einreisten, wanderten 2020 nur noch 29.747 Arbeitsmigrant*innen zu.
Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Migrant*innen und Geflüchtete in Deutschland
Gesundheit
Migrant*innen und Geflüchtete sind durch teilweise prekäre Arbeits- und Wohnbedingungen mit unzureichenden Hygienemaßnahmen einer erhöhten Ansteckungsgefahr ausgesetzt.
Die Covid-19-Pandemie wirkt sich auch auf die mentale Gesundheit aus. Dies zeigt ein allgemein gestiegener Bedarf an psychotherapeutischer Betreuung.
Arbeitsmarkt
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Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind bis ins Jahr 2022 hinein in vielen Branchen auf dem Arbeitsmarkt zu spüren. Im ersten Lockdown betrafen Entlassungen und Kurzarbeit besonders Geflüchtete, aber auch Migrant*innen.
Viele Geflüchtete und Migrant*innen arbeiten in systemrelevanten Berufen, die in der Covid-19-Krise einen besonderen Stellenwert erfahren haben. Medial erhielten unter anderem aus dem Ausland stammende Erntehelfer*innen Aufmerksamkeit.
Vor der Pandemie im Jahr 2019 hatten ca. 15 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in systemrelevanten Berufen
Integration und Bildung
Während der Lockdowns – insbesondere im Frühjahr 2020 – kamen viele Integrationsangebote zum Erliegen. So wurden etwa Sprachkurse ausgesetzt, weil Präsenzunterricht nicht mehr stattfinden konnte. Im ersten Lockdown mussten beispielsweise rund 220.000 Zugewanderte ihre Integrationskurse unterbrechen.
Studien zeigen darüber hinaus, dass es während der Pandemie zu einem Anstieg von Interner Link: Diskriminierung und Rassismus gegenüber Geflüchteten und Migrant*innen gekommen ist. Weltweit gibt es Beobachtungen, dass Migrant*innen als mobile Bevölkerung häufig für die Verbreitung des Virus verantwortlich gemacht wurden.
Fazit
Die Covid-19-Pandemie bewirkte – vor allem im ersten Jahr ihres Ausbruchs – sowohl global betrachtet als auch mit Blick auf Deutschland eine Verlangsamung bzw. einen Rückgang von Migrationsbewegungen, weil zu ihrer Eindämmung Grenzen geschlossen und Mobilität erschwert wurde. Zudem haben sich bestehende Probleme in Integrationsprozessen verstärkt und neue Herausforderungen traten zum Vorschein. Allerdings bietet die Covid-19-Krise auch die Chance, dass Migrant*innen und Geflüchtete für ihren Beitrag zum Funktionieren unserer Gesellschaft mehr Anerkennung erhalten, weil beispielsweise deutlich wurde, wie viele von ihnen in systemrelevanten Berufen arbeiten, etwa im Gesundheitswesen. Generell hat die Pandemie gezeigt, dass Politik und Gesellschaft gefordert sind, Migrant*innen und Geflüchtete in Gesundheits- und Wirtschaftskrisen nicht aus den Augen zu verlieren, sondern die besonderen Herausforderungen für diese gesellschaftlichen Gruppen anzuerkennen und diesen aktiv zu begegnen.