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Wie weiter in der EU-Asyl- und Migrationspolitik?

Raphael Bossong

/ 2 Minuten zu lesen

Der EU-Migrationspakt sollte an Bedingungen geknüpft, das Schutzprogramm für ukrainische Kriegsflüchtlinge aufrechterhalten und legale Arbeitsmigration forciert werden, meint Raphael Bossong.

Wegweiser für Schutzsuchende aus der Ukraine zur zentralen Anlaufstelle für Flüchtlinge in Köln im April 2022. Ukrainische Kriegsflüchtlinge müssen kein Asylverfahren durchlaufen, sondern erhalten in den EU-Mitgliedstaaten unmittelbar temporären Schutz. (© picture alliance / Panama Pictures)

Die EU sollte mit Blick auf die zukünftige Gestaltung ihrer Asyl- und Migrationspolitik drei strategische Ziele verfolgen:

Erstens ist die teilweise Verabschiedung des Interner Link: Pakts für Migration bis Anfang 2024 an die Bedingungen zu knüpfen, dass eine Balance zwischen mehr Grenzschutz und Maßnahmen, die die Durchsetzung von Grundrechten und europäische Solidarität unterstützen, erhalten bleibt. Das Aufschnüren des "Paketansatzes" begünstigt zunächst sicherpolitische Interessen. So ist anstelle einer verbindlichen Lastenteilung eher von einer Einigung über weitere Personenkontrollen (Identifizierung, Gesundheits- und Sicherheitsprüfungen, Erhebung von Fingerabdrücken und weiteren biometrischen Informationen in der Interner Link: EURODAC-Datenbank) und eingeschränkte Asylverfahren (z.B. Grenzverfahren in geschlossenen Einrichtungen und mit stark verknappten Fristen) auszugehen. Die Rückbesinnung auf das geltende Interner Link: Gemeinsame europäische Asylsystem (GEAS) ist jedoch kein Ausweg. Es bleibt nur zu hoffen, dass die EU-Mitgliedstaaten zu mehr Rechtstreue zurückkehren, wenn sie einige ihrer restriktiven Praktiken in reformierten EU-Rechtsakten reflektiert sehen, etwa in Form beschleunigter Asyl- und Rückführungsverfahren. Solche Verschärfungen müssen aber zwingend mit unabhängigen Aufsichtsinstrumenten verbunden werden, während Schutzsuchende in jedem Fall einen Anspruch auf einen individuellen Rechtsweg haben sollten. Der effektive Zugang zu Asylverfahren und die Identifizierung von schutzbedürftigen Personen müssen unbedingt garantiert werden.

Zweitens gilt es, den gewählten Ansatz für ukrainische Schutzsuchende aufrechtzuerhalten. Ihnen wird umgehend ein temporärer Schutzstatus zugesprochen, der ihnen Zugang zum Arbeitsmarkt, zum Bildungssystem, zur Gesundheitsversorgung und sozialstaatlichen Leistungen gewährt. Eine solche verlässliche Versorgung sollte mindestens weitere zwei Jahre aufrechterhalten werden. Zudem wären eine breitere innereuropäische Verteilung sowie Integration über den zeitweisen Schutzstatus hinaus erstrebenswert. Darauf aufbauend sollten mehr Elemente der Freiwilligkeit bei der Flüchtlingsaufnahme (z.B. Wahlmöglichkeiten für Schutzsuchende), frühzeitiger Leistungen und Rechte für Schutzsuchende sowie Krisen-Resilienz – also die Fähigkeit, auf unvorhergesehene Ereignisse und große Fluchtbewegungen reagieren zu können – in ein zukünf-tiges GEAS eingebaut werden.

Drittens muss vor dem Hintergrund wachsender Arbeits- und Fachkräftebedarfe in vielen EU-Ländern unter zunehmend schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen eine europäische Agenda der legalen Arbeitsmigration forciert werden – auch in flexiblen Koalitionen, um fehlende EU-Kompetenzen in diesem Bereich zu überbrücken. Damit verbundene positive Anreize für die Kooperation mit Drittstaaten sind absolut unerlässlich, beispielsweise Visaerleichterungen im Gegenzug für eine engere Zusammenarbeit mit der EU bei der Kontrolle irregulärer Migrationsbewegungen.

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Dr. Raphael Bossong ist Wissenschaftler bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die europäische Grenzsicherung und Auswirkungen der Migrationskrise auf die EU.