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Migrationspolitik im Fokus Archiv Monatsrückblick Migrationspolitik – Mai 2024 Juni 2024

Kontingente und Quoten als migrationspolitisches Steuerungsinstrument

Vera Hanewinkel

/ 9 Minuten zu lesen

Quoten oder Kontingente sind ein seit langem verbreitetes Instrument zur Steuerung von Migration. In welchen Bereichen werden sie eingesetzt, seit wann und warum?

Bei der Ernte sind in Deutschland viele Landwirte auf Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Eine feste Anzahl davon darf jährlich aus Ländern wie Moldau oder Georgien angeworben und temporär beschäftigt werden. (© picture-alliance/dpa, Guido Kirchner)

Der Begriff „Kontingent“ fällt in der Migrationspolitik immer wieder. Gemeint ist damit eine beschränkte Zahl von Aufnahmeplätzen oder Aufnahmequoten, die für die Zuwanderung z. B. aus humanitären, arbeitsmarkt- oder familienpolitischen Gründen staatlich festgelegt werden. Kontingente sind also ein Instrument der Migrationssteuerung. Sie werden sowohl als nationales Instrument (staatliches Aufnahmeprogramm) als auch im Rahmen internationaler Kooperationen (z. B. UNHCR-Interner Link: Resettlement) eingesetzt. Kontingente sollen dem Staat eine gewisse Kontrolle über den Umfang der Zuwanderung und die Auswahl der Zuwandernden ermöglichen. Im Bereich der Arbeitsmigration kann die Einwanderung beispielsweise an wirtschaftlichen Bedarfen ausgerichtet werden. Im humanitären Bereich ermöglichen Kontingente, die notwendigen Kapazitäten und Ressourcen für die Flüchtlingsaufnahme besser abschätzen zu können und bieten Schutzsuchenden eine legale Möglichkeit der Einreise. Erstzufluchtsstaaten in Krisenregionen können entlastet werden, indem Geflüchtete von dort in andere Länder umgesiedelt werden. Die Zahl der schutzsuchenden Menschen übersteigt dabei bei weitem die weltweit von Staaten zur Verfügung gestellten Kontingente für die Flüchtlingsaufnahme.

Historischer Rückblick: Steuerung der Arbeitsmigration im 20. Jahrhundert

Kontingente sind kein neues migrationspolitisches Instrument. In ihrer heutigen Form stehen sie im Zusammenhang mit der Herausbildung staatlicher Migrationskontrolle seit dem Ersten Weltkrieg, welche mit der Einführung eines standardisierten Passsystems einherging, das darauf zielt, Aus- und Einwanderung zu kontrollieren und zu begrenzen und dabei insbesondere das Kriterium der Nationalität zugrunde legt. Zum Beispiel wurde in den 1920er Jahren die Interner Link: Einwanderung in die USA über Quotenregelungen gesteuert. So legten der Emergency Quota Act von 1921 und der Immigration Act von 1924 eine jährliche Obergrenze für die Zahl der Personen fest, die aus jedem einzelnen Land einwandern durften.

Etwa zeitgleich wurden in Europa in der Zwischenkriegszeit bilaterale Abkommen zur Regulierung temporärer Arbeitsmigration geschlossen – auch in der Weimarer Republik. Diese legten nicht nur die Bedingungen für die zeitlich befristete Zuwanderung fest, sondern bestimmten – zum Teil in flankierenden und regelmäßig neu verhandelten Vereinbarungen – auch den Umfang der Einwanderung. Dabei ging es nicht zwingend um Begrenzung: So nutzten das nationalsozialistische Deutsche Reich bestehende bilaterale Wanderungsverträge mit Ländern wie Italien und Polen aber auch Rumänien, Bulgarien und Ungarn, um immer mehr Arbeitskräfte für die eigene Kriegswirtschaft zu gewinnen – zusätzlich zur Zwangsrekrutierung ausländischer Arbeitskräfte in besetzten oder annektierten Gebieten.

Im Zusammenhang mit dieser staatlich organisierten Form der Zuwanderung kam in den 1930er Jahren der Begriff des „Interner Link: Gastarbeiters“ oder „Fremdarbeiters“ auf, verbunden mit der Vorstellung einer befristet anwesenden, aber nicht in die Gesellschaft zu integrierenden ausländischen Arbeitskraft.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen viele europäische Staaten bilaterale Wanderungsverträge, um Arbeitskräfte zu gewinnen, darunter ab Mitte der 1950er Jahre auch die damals noch junge Bundesrepublik. Die über diese Verträge nach Westdeutschland gekommenen Arbeitskräfte werden bis heute als „Gastarbeiter“ erinnert. Auch in der ehemaligen DDR wurde die Zuwanderung von „Vertragsarbeitern“ über bilaterale Abkommen geregelt.

Nachkriegszeit: Kontingente als Instrument des Flüchtlingsschutzes

Parallel zur Arbeitsmigration entwickelten sich in der Nachkriegszeit Kontingente zu einem wichtigen Instrument des internationalen Flüchtlingsschutzes. Im Dezember 1946 einigten sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen auf die Einrichtung der nicht-ständigen International Refugee Organization (IRO). Unter Führung der USA wurde die IRO mit der Neuansiedlung (Resettlement ) von Menschen beauftragt, die im Zweiten Weltkrieg durch Gewalt, Vertreibung, Verschleppung und Deportationen in Europa entwurzelt worden waren. Bis 1951/52 fanden durch die Organisation etwa eine Million Menschen weltweit ein neues Zuhause.

Abgelöst wurde die IRO 1953 durch das drei Jahre zuvor gegründete UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) – bis heute die zentrale Organisation im internationalen Flüchtlingsschutzregime. UNHCR hat unter anderem den Auftrag, „dauerhafte Lösungen“ für geflüchtete Menschen zu finden. Resettlement ist eine davon und bedeutet heute, dass Flüchtlinge, die in einem Staat Zuflucht gesucht haben, dort aber nicht dauerhaft bleiben dürfen, ausgewählt und in andere Staaten überführt werden, die ihnen eine dauerhafte Aufnahme gewähren.

In großem Umfang fand Resettlement erstmals 1956/57 statt, als rund 200.000 Menschen infolge des blutig niedergeschlagenen Volksaufstandes gegen das kommunistische Regime in Ungarn nach Österreich flüchteten. Insgesamt 170.000 dieser Flüchtlinge wurden aus Österreich in andere Staaten umverteilt, darunter Kanada, die USA und Australien, die jeweils 37.500, 30.000 und 14.000 Menschen aufnahmen. In allen drei Staaten ist Resettlement bis heute die zentrale (und präferierte) Säule der Flüchtlingsaufnahme.

Resettlement in Kanada, Australien und den USA

Deutschland wie auch viele andere EU-Staaten haben in den 2010er Jahren begonnen, Resettlement als festes Element in ihre Flüchtlingspolitik zu integrieren. In den USA, Kanada und Australien bildet es hingegen schon lange eine zentrale Säule des Flüchtlingsschutzes. Alle drei Staaten zählten in den letzten Jahrzehnten zu den Ländern, die sich am stärksten am globalen Resettlement in Kooperation mit dem UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) beteiligt haben.

In absoluten Zahlen nahmen die USA weltweit die meisten Resettlement-Flüchtlinge auf – insgesamt mehr als drei Millionen seit der Einrichtung des nationalen Resettlement-Programms im Jahr 1980. Im Herbst 2025 senkte U.S.-Präsident Donald Trump (Republikaner) das jährliche Aufnahmekontingent von zuletzt 125.000 Flüchtlingen auf 7.500 Personen für das Jahr 2026 ab.

Australien hat seit den 1970er Jahren ein Resettlement-Programm. Diese Form der staatlich organisierten Aufnahme von Schutzsuchenden gilt dem Land als bevorzugter Weg des Flüchtlingsschutzes. Menschen hingegen, die eigenständig und ohne Visum in Australien ankommen und dort Asyl beantragen – sie werden in der Debatte zum Teil als „Vordrängler“ (queue jumpers) bezeichnet –, wird seit Jahrzehnten mit einer Interner Link: Politik der Abschreckung begegnet. Mit dem Boot in Australien eintreffende Asylsuchende werden in kooperierende Pazifikstaaten (Nauru, früher auch Papua-Neuguinea) verbracht und dort während ihres Asylverfahrens in Haft- und Unterbringungseinrichtungen festgehalten. In der Regel dürfen sie selbst dann nicht nach Australien einreisen, wenn ihnen ein Schutzstatus gewährt wird.

Kanada setzt beim Resettlement nicht nur auf die staatlich geförderte Flüchtlingsaufnahme (government-assisted resettlement), sondern seit der Einführung des nationalen Resettlementprogramms im Rahmen des Einwanderungsgesetzes von 1976 auch auf das sogenannte Externer Link: Private Sponsorship. Dabei verpflichten sich zivilgesellschaftliche Organisationen oder auch kanadische Staatsangehörige bzw. Ausländer mit einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung, ein Jahr lang die Kosten für die Versorgung eines Flüchtlings zu tragen und zum Beispiel bei der Wohnungs- und Arbeitssuche zu helfen. Seit 2013 sind über diese privat-unterstützen Aufnahmen insgesamt mehr Resettlement-Flüchtlinge nach Kanada gekommen als über das staatlich geförderte Aufnahmeprogramm. Im November 2024 wurde das Private Sponsorship bis Ende 2025 ausgesetzt, da die Nachfrage das Kontingent der für diese Aufnahmen zur Verfügung stehenden Plätze überschritt. Kanada legt im Externer Link: Immigration Levels Plan jährliche Obergrenzen für verschiedene Einwanderungskategorien fest (u.a. Arbeits-, Familien- und humanitäre Migration).

Resettlement der Boat People

Eines der größten Resettlement-Programme des UNHCR wurde ab 1975 nach dem Ende des Interner Link: Vietnamkrieges aufgelegt – im Kontext der Flucht von mehr als drei Millionen Menschen aus den ehemaligen französischen Kolonien Interner Link: Vietnam, Kambodscha und Laos. Innerhalb von zwanzig Jahren wurden 1,3 Millionen Flüchtlinge in mehr als 15 Staaten neu angesiedelt. Die Bundesrepublik Deutschland beteiligte sich ebenfalls an der Aufnahme: Ab 1978 wurden die ersten sogenannten Interner Link: Boat People aus Vietnam in die BRD eingeflogen. Sie hatten versucht, auf überfüllten Booten und Schiffen über das Südchinesische Meer zu fliehen. Die Bilder der indochinesischen Fluchtkrise führten in vielen Ländern zu einer Welle der Solidarität.

1980 verabschiedete der Bundestag das Externer Link: „Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge“. Es erlaubte die humanitäre Aufnahme von Menschen über Kontingente. Dadurch konnten vietnamesische Flüchtlinge direkt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, ohne dafür ein Asylverfahren durchlaufen zu müssen. Zudem wurden ihnen umfassende Integrationshilfen gewährt. Insgesamt nahm die Bundesrepublik über diesen Weg Externer Link: mehr als 30.000 Indochinaflüchtlinge auf.

Interner Link: In den 1990er Jahren formalisierte und standardisierte UNHCR das Resettlement unter anderem durch die im 1996 erstmals erschienenen UNHCR Resettlement Handbook festgelegten Strukturen und Verfahren zur Neuansiedlung von Flüchtlingen. Heute zählt Resettlement zu einem fest etablierten Instrument im Flüchtlingsschutz.

Kontingente in der jüngeren deutschen Flüchtlingspolitik

Von 1991 bis zum Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes 2005 konnten Jüdinnen und Juden aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion als sogenannte Interner Link: Kontingentflüchtlinge ins wiedervereinigte Deutschland einreisen. Grundlage war das sogenannte Kontingentflüchtlingsgesetz, welches am 9. Januar 1991 auf der Ministerpräsidentenkonferenz des wiedervereinigten Deutschlands beschlossen worden war und mit der historischen Verantwortung für den Völkermord an den europäischen Jüdinnen und Juden begründet wurde.

Allerdings ist der Begriff des „Kontingentflüchtlings“ in diesem Zusammenhang nicht im Sinne eines festgelegten Kontingents zu verstehen, denn eine zahlenmäßige Begrenzung dieser Zuwanderungsgruppe hat es nie gegeben. Die über dieses Gesetz aufgenommenen Personen mussten kein individuelles Asylverfahren durchlaufen und keine individuelle Verfolgung nachweisen, aufnahmeberechtigt waren alle Personen, die eine jüdische Identität nachweisen konnten. Auch wenn das Aufnahmeverfahren 2005 neu geregelt wurde, können Jüdinnen und Juden aus postsowjetischen Staaten bis heute einen humanitären Aufenthaltstitel erhalten (§23 AufenthG), ohne ein Asylverfahren durchlaufen zu müssen. Seit 1990 sind auf diesem Wege mehr als 220.000 jüdische Zuwanderer aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion nach Deutschland eingereist.

Ein festes Resettlement-Programm existiert in Deutschland seit 2012. In diesem Rahmen beteiligte sich das Land in den vergangenen Jahren regelmäßig in Zusammenarbeit mit UNHCR an der Aufnahme von Flüchtlingen aus Erstzufluchtsstaaten, seit 2016 hat es am Resettlement-Programm der EU teilgenommen. Die Verwaltung der Kontingente liegt dabei in den Händen des Bundesministeriums des Innern (BMI) und des ihm nachgeordneten Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Neben dem Resettlement gab es in der Vergangenheit auf Bundes- und Länderebene auch andere humanitäre Programme, die für die Aufnahme einer vorab definierten Gruppe Schutzbedürftiger Kontingente eröffneten. Von Externer Link: 2013 bis 2015 nahm der Bund beispielsweise 20.000 syrische Flüchtlinge über drei Humanitäre Aufnahmeprogramme (HAP) auf. Die meisten Bundesländer richteten eigene Kontingente ein, um Syrer:innen Schutz vor dem Bürgerkrieg und Verfolgung in ihrem Herkunftsland zu gewähren. In diesem Rahmen konnten Syrer:innen aufgenommen werden, wenn in Deutschland lebende Personen – zumeist Verwandte – als Verpflichtungsgeber:innen fungierten und für den Lebensunterhalt aufkamen. Bis Ende 2015 wurden auf diesem Wege insgesamt ca. 21.500 Visa ausgestellt.

Nachdem die radikal-islamistischen Interner Link: Taliban im August 2021 die Macht in Afghanistan übernommen hatten, etablierte die damalige Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP im Oktober 2022 ein Programm zur Aufnahme von gefährdeten Afghan:innen. Darüber sollten monatlich bis zu 1.000 Menschen in Deutschland aufgenommen werden können. Bis November 2024 waren es 734 Personen. Ende Mai 2025 warteten in Pakistan noch rund Externer Link: 2.400 Afghan:innen mit einer Aufnahmezusage auf die Genehmigung ihrer Einreise nach Deutschland. Mehrere hundert Menschen mit deutscher Aufnahmezusage Externer Link: sind inzwischen aus Pakistan nach Afghanistan abgeschoben worden.

Von 2019 bis 2025 konnten sich zudem zivilgesellschaftliche Akteure über das Programm Externer Link: „Neustart im Team (NesT)“ an Resettlement-Aufnahmen beteiligen, indem sich mindestens vier ehrenamtliche Mentor/-innen verpflichten, besonders schutzbedürftige Flüchtlinge finanziell und ideell zu unterstützen. Die Zahl der dafür vom BMI festgelegten jährlichen Kontingente lag Externer Link: im niedrigen dreistelligen Bereich (zwischen 200 Personen im Jahr 2023 und bis zu 260 Personen im Jahr 2025). Auch der Familiennachzug zu Geflüchteten ist in Deutschland teilweise über Kontingente geregelt worden. Zwischen August 2018 und Juli 2025 konnten monatlich 1.000 Visa für den Nachzug von Angehörigen von in Deutschland lebenden Geflüchteten mit subsidiärem Schutzstatus ausgestellt werden. Insgesamt sind von Externer Link: August 2018 bis August 2024 rund 54.200 Visa an Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten erteilt worden.

Die seit Mai 2025 regierende Koalition aus CDU/CSU und SPD hat alle freiwilligen Aufnahmen von Flüchtlingen über Kontingente gestoppt und den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten für zunächst zwei Jahre ausgesetzt. Damit finden Kontingente aktuell in der deutschen Flüchtlingsschutzpolitik keine Anwendung mehr. Bei der Umverteilung von Asylsuchenden innerhalb Deutschlands und im Bereich der Erwerbsmigration kommen sie aber weiterhin zum Tragen.

Quoten zur Umverteilung von Asylsuchenden

In Deutschland werden Asylsuchende nach dem Interner Link: Königsteiner Schlüssel auf die 16 Bundesländer verteilt. Dieser legt den jeweils aufzunehmenden Anteil an allen Asylsuchenden auf der Basis der Steuereinnahmen sowie der Bevölkerungszahl der Länder fest. Die größten Anteile müssen entsprechend Nordrhein-Westfalen (knapp 21,1 Prozent), Bayern (15,6 Prozent) sowie Baden-Württemberg (13 Prozent) Externer Link: aufnehmen, die niedrigsten Mecklenburg-Vorpommern (knapp zwei Prozent), das Saarland (rund 1,2 Prozent) sowie Bremen (ein Prozent). Die einzelnen Bundesländer verfügen wiederum über eigene (Quoten-)Regelungen für die Verteilung der ihnen zugeteilten Asylsuchenden, die nicht mehr verpflichtet sind in landesgeführten Erstaufnahmeeinrichtungen zu leben, auf die Landkreise und Kommunen.

Ein ähnliches Verteilungssystem mit festen Aufnahmequoten auf der Basis vergleichbarer Kriterien ist infolge der umfangreichen Fluchtzuwanderung 2015/16, die die gemeinsame Interner Link: Asylpolitik der EU in die Krise stürzte, auch innerhalb der Europäischen Union gefordert worden. Auf ein solches Verteilungsmodell haben sich die Mitgliedstaaten jedoch bisher nicht einigen können. Die 2024 beschlossene Interner Link: Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, die von allen EU-Staaten bis 2026 umgesetzt werden soll, sieht zwar vor, dass jährlich ein Kontingent von zunächst mindestens 30.000 Schutzsuchenden aus ‚überlasteten‘ Mitgliedstaaten in andere EU-Länder umverteilt werden sollen und legt dafür einen Referenzschlüssel fest, der die jeweilige Wirtschaftsleistung und die Bevölkerungsgröße berücksichtigt (siehe Externer Link: Artikel 66 der Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung). Allerdings sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, sich tatsächlich an der Umverteilung (Relocation) von Schutzsuchenden zu beteiligen. Stattdessen haben sie gemäß der sogenannten flexiblen Solidarität auch die Möglichkeit, sich in anderer Form einzubringen, etwa durch finanzielle Beiträge oder die Bereitstellung von Ressourcen für das Grenzmanagement.

Bisher ist die innereuropäische Umverteilung von Schutzsuchenden wenig erfolgreich. So wurden z. B. im Zuge eines 2015 von den EU-Mitgliedstaaten mehrheitlich beschlossenen Umverteilungskontingents von insgesamt 160.000 Schutzsuchenden aus Griechenland und Italien bis März 2017 nur rund 34.000 Personen auch tatsächlich umverteilt. Polen und Ungarn nahmen gar keine Geflüchteten auf, die meisten anderen Staaten deutlich weniger als nach der verpflichtenden Quote vorgesehen.

Über einen 2022 beschlossenen freiwilligen Solidaritätsmechanismus, an dem sich 21 europäische Länder beteiligten und der insbesondere der Verteilung von aus Seenot geretteten Asylsuchenden aus den am Mittelmeer liegenden EU-Staaten diente, wurden rund 4.000 Menschen auf die am Mechanismus beteiligten Staaten verteilt – ursprünglich hatten diese 8.000 Umverteilungsplätze zugesagt. Die deutsche Bundesregierung setzte ihre Aufnahmen aus Italien beispielsweise aus, als die Regierung in Rom sich weigerte, Interner Link: Überstellungen von Asylsuchenden aus Deutschland im Rahmen des Dublin-Systems zuzulassen.

Debatte um die Abschaffung des individuellen Asylrechts zugunsten von Kontingentaufnahmen

In der EU gibt es seit ein paar Jahren eine Debatte darüber, das individuelle Recht auf Asyl abzuschaffen und schutzbedürftige Menschen stattdessen über festgelegte Kontingente aufzunehmen.

Kontingentaufnahmen könnten, so das Argument, gefährlichen Fluchtrouten wie Reisen über das Mittelmeer entgegenwirken, wenn dadurch legale Einreisewege ermöglicht würden. Außerdem benachteilige das aktuelle Asylrecht besonders schutzbedürftige Menschen, da gerade sie seltener gefährliche Fluchtrouten auf sich nehmen könnten. Ihrer Aufnahme könnte im Rahmen von Kontingentlösungen daher besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Kontingente könnten somit auch die Akzeptanz der Bevölkerung für die Flüchtlingsaufnahme fördern, weil die Regierung die Kontrolle darüber habe, wer als Flüchtling aufgenommen werde. In diesem Kontext ist politisch auch die Forderung nach der Interner Link: Auslagerung von Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU vorgebracht worden. Eine kontingentierte Zahl an Schutzberechtigten könne von dort dann in den EU-Mitgliedstaaten aufgenommen werden.

In der Kritik an dieser Idee wird darauf hingewiesen, dass das internationale Flüchtlingsschutzregime aus historischen Gründen auf dem individuellen Recht auf Asyl beruht. Dieses sei nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust als Reaktion auf das Versagen der internationalen Gemeinschaft beim Schutz insbesondere von verfolgten Jüdinnen und Juden eingeführt worden. Kontingente würden zudem immer vom politischen Willen zur Aufnahme von Flüchtlingen abhängen und damit einer gewissen Willkür auch mit Blick auf die als schutzwürdig erachteten Gruppen unterliegen. Sie seien zwar ein wichtiges Instrument im Flüchtlingsschutz – aber nur als Ergänzung des individuellen Asylrechts, nicht als Ersatz.

Kontingente zur Steuerung von Arbeitsmigration nach Deutschland

Die bekannteste auf Kontingenten basierende Regelung zur Steuerung von Arbeitsmigration nach Deutschland ist derzeit die sogenannte Externer Link: Westbalkanregelung. Sie wurde 2016 ins Leben gerufen und erlaubt es Staatsangehörigen der Westbalkanländer Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien, unter vereinfachten Bedingungen zum Arbeiten nach Deutschland zu kommen. Sie dürfen jede Art der Beschäftigung aufnehmen. Eine Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikation ist hierfür keine Voraussetzung – mit Ausnahme reglementierter Berufe (wie z. B. Ärzt:innen), in denen grundsätzlich die Gleichwertigkeit mit einem in Deutschland erworbenen Abschluss nachgewiesen werden muss. Die Bundesagentur für Arbeit muss ihre Zustimmung zur Beschäftigung erteilen. Die Zahl der Zustimmungen ist im Jahr 2025 auf 50.000 begrenzt. Die schwarz-rote Regierungskoalition plant, dieses Kontingent Externer Link: auf 25.000 abzusenken.

Auch im Bereich der zeitlich befristeten Arbeitsmigration gibt es Kontingentregelungen. Im Rahmen einer Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes wurde 2024 die Externer Link: „kurzzeitige kontingentierte Beschäftigung“ eingeführt. Darüber sollen ausländische Arbeitskräfte kurzfristig beschäftigt werden können, um in Spitzenzeiten Arbeitskräfteengpässe etwa im Hotel- und Gaststättengewerbe abzufedern. 2025 dürfen über diese Regelung maximal 25.000 Personen nach Deutschland kommen. Darüber hinaus ist im Kontext eines bilateralen Interner Link: Migrationsabkommens mit Georgien ein eigenes Kontingent in Höhe von 1.500 Personen für die kurzzeitige Beschäftigung in Deutschland festgelegt worden. Im Rahmen bilateraler Vereinbarungen (sogenannte Vermittlungsabsprachen) können zudem bestimmte Kontingente in festgelegten Branchen und Berufen einreisen, etwa Pflegkräfte im Externer Link: „Triple Win“-Programm oder Externer Link: Saisonarbeitskräfte aus Georgien und der Republik Moldau. Auch hier greifen oft Höchstgrenzen für die Zuwanderung. So dürfen beispielsweise jährlich 5.000 Saisonarbeitskräfte aus Georgien und 1.500 aus Moldau angeworben werden.

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Vera Hanewinkel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.