Die wichtigste Aufgabe des Bundestages ist die Gesetzgebung. Er wählt aber auch den Bundeskanzler und kontrolliert die Regierung. In Plenardebatten werden wichtige politische Themen diskutiert und unterschiedliche Standpunkte vorgetragen.
Das Grundgesetz beschreibt an verschiedenen Stellen die Aufgaben des Bundestages. Nimmt man die Zahl der Artikel des Grundgesetzes (Art. 70–82) als Maßstab, so wäre die bei Weitem wichtigste Aufgabe die Gesetzgebung (Gesetzgebungsfunktion). Das Parlament wird in der Lehre von der Gewaltenteilung als Legislative bezeichnet. Das könnte zu dem Missverständnis führen, dem Parlament komme allein die Aufgabe der Gesetzgebung zu. Im Grundgesetz wird als weitere Aufgabe des Bundestages die Wahl des Bundeskanzlers und anderer wichtiger Staatsorgane genannt (Wahlfunktion). Einige Artikel (43, 44, 67, 110) weisen dem Bundestag die Aufgabe zu, Regierung und Verwaltung zu kontrollieren (Kontrollfunktion).
Aufgaben und Bedeutung des Bundestages gehen aber über diese "klassischen", im Grundgesetz umschriebenen Funktionen hinaus. Er soll die wichtigsten politischen Themen zur Diskussion stellen und Lösungen und Alternativen anbieten (Willensbildungsfunktion). Zugleich sollen im Bundestag die im Volk vorhandenen Meinungen Ausdruck finden (Artikulationsfunktion).
Regierungsbildung (Wahlfunktion)
Artikel 63 (1) Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage ohne Aussprache gewählt. (2) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt. Der Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen. (3) Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag binnen vierzehn Tagen nach dem Wahlgange mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen. (4) Kommt eine Wahl innerhalb dieser Frist nicht zustande, so findet unverzüglich ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Vereinigt der Gewählte die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich, so muß der Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen. Erreicht der Gewählte diese Mehrheit nicht, so hat der Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ihn zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen.
Wahl des Bundeskanzlers Die Wahl des Bundeskanzlers ist in Art. 63 GG geregelt. Bisher sind alle Kanzler im ersten Wahlgang mit der absoluten Mehrheit der Stimmen gewählt worden, sowohl bei der Wahl zu Beginn der Legislaturperiode als auch bei der Wahl des Nachfolgers eines zurückgetretenen Bundeskanzlers. Die Bestimmungen in Art. 63 Abs. 3 und 4 GG für den Fall, dass ein Kandidat die "Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages" verfehlt, blieben bisher gegenstandslos.
Das ist eine Folge des über vier Jahrzehnte stabilen Parteiensystems mit zwei großen Volksparteien, die entweder allein (nur 1957) oder zusammen mit anderen Parteien in einer Koalition eine Regierung bilden konnten. Die beiden großen Parteien gehen mit Spitzenkandidaten, dem amtierenden Kanzler bzw. dem "Kanzlerkandidaten", in die Wahl. Schon vor der Wahl haben die Parteien also festgelegt, welcher der Kandidaten bei entsprechender Mehrheit Kanzler werden soll, zumeist auch, in welcher Koalition er regieren will. Der Bundestag führt mit der Wahl des Kanzlers letztlich nur den Wählerwillen aus.
Konstruktives Misstrauensvotum
Artikel 67 (1) Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Mißtrauen nur dadurch aussprechen, daß er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt und den Bundespräsidenten ersucht, den Bundeskanzler zu entlassen. Der Bundespräsident muß dem Ersuchen entsprechen und den Gewählten ernennen.(2) Zwischen dem Antrage und der Wahl müssen achtundvierzig Stunden liegen.
Der Bundestag kann nach Art. 67 GG den Bundeskanzler abwählen, indem er mit der absoluten "Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt". Damit wird gesichert, dass der Bundeskanzler nur dann aus dem Amt entfernt werden kann, wenn sich im Bundestag in der Folge eine neue Regierungsmehrheit zusammenfindet.
Verhindert wird dadurch, dass, wie in der Weimarer Republik, negative Mehrheiten, die sich allein in der Ablehnung der Regierung einig sind, die Regierung stürzen können. Die Bestimmung in Art. 67 wird als "konstruktives Misstrauensvotum" bezeichnet.
"Misstrauensvotum" bedeutet hier nur das Gegenteil von "Vertrauensvotum", mit dem der Kanzler sich in seinem Amt bestätigen lassen kann; es enthält keinerlei Vorwurf, etwa den einer Amtspflichtverletzung. Ein konstruktives Misstrauensvotum hat es im Bundestag bisher zweimal gegeben, das gescheiterte gegen Bundeskanzler Willy Brandt 1972 und das erfolgreiche gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt 1982.
Vertrauensfrage
Artikel 68 (1) Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen. Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt.
Mit der Vertrauensfrage kann der Bundeskanzler prüfen, ob im Bundestag noch eine Mehrheit der Abgeordneten hinter ihm steht. Er kann die Vertrauensfrage mit einer Sachfrage (etwa mit einem Gesetzesentwurf) verknüpfen, um seine Politik durchzusetzen. Er kann die Vertrauensfrage aber auch nutzen, um darzulegen, dass er keine parlamentarische Mehrheit mehr findet und Neuwahlen anstrebt.
Dies ist bisher dreimal geschehen. Im Jahr 1972 stellte Willy Brandt nach dem gegen ihn gescheiterten Misstrauensvotum die Vertrauensfrage, um die parlamentarische Pattsituation zu beenden und Neuwahlen herbeizuführen. 1983 nutzte Helmut Kohl – ohne die Absicht eine Mehrheit zu finden – die Vertrauensfrage, um nach dem durch konstruktives Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt (1982) erfolgten Regierungswechsel Neuwahlen zu erreichen und seine Parlamentsmehrheit zu vergrößern. Gerhard Schröder strebte auf gleiche Weise 2005 vorgezogene Neuwahlen an, die er allerdings nicht gewann.
Bereits 1983 war das Vorgehen von Bundeskanzler Kohl auf heftige Kritik gestoßen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit diesem Fall befasst und klargestellt, dass Art. 68 GG dem Bundeskanzler nicht gestattet, sich zum geeignet erscheinenden Zeitpunkt die Vertrauensfrage mit dem Ziel negativ beantworten zu lassen, die Auflösung des Bundestages und Neuwahlen zu betreiben. Die Mehrheit des Gerichts billigte dem Bundeskanzler im speziellen Fall aber eine außergewöhnliche Lage zu.
Gesetzgebung (Gesetzgebungsfunktion)
In einem Bundesstaat wie der Bundesrepublik Deutschland gibt es Bundesgesetze, die für das gesamte Gebiet des Bundes gelten, und Landesgesetze, die nur im jeweiligen Bundesland verbindlich sind. Landesgesetze dürfen Bundesgesetzen nicht widersprechen (Art. 31 GG: Bundesrecht bricht Landesrecht). Damit soll gesichert werden, dass überall im Bundesgebiet die "Lebensverhältnisse gleichwertig" gestaltet werden können.
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Ausschließliche Gesetzgebung des Bundes Das Grundgesetz regelt sehr ausführlich die Zuständigkeiten der Gesetzgebung von Bund und Ländern. Mit der Föderalismusreform aus dem Jahr 2006 wurden die Zuständigkeiten neu austariert. Art. 73 GG zählt 17 Gebiete auf, in denen der Bund das Recht der ausschließlichen Gesetzgebung hat.
Dazu gehören beispielsweise die Auswärtigen Angelegenheiten, die Verteidigung, die Staatsangehörigkeit, die Währung, die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes bis hin zum Urheberrecht und zur Statistik des Bundes. Hinzu kommen noch weitere Gebiete, für die das Grundgesetz an anderer Stelle die Zuständigkeit des Bundes festlegt, beispielsweise die Kriegsdienstverweigerung (Art. 4 Abs. 3 GG) und die Parteien (Art. 21 Abs. 3 GG).
Ausschließliche Gesetzgebung der Länder Zu den bedeutendsten Rechtsfragen, die den Ländern vorbehalten sind, zählen das Bildungs- und Schulwesen, die Kulturpolitik, das Polizeirecht und die Gemeindeordnung. Als Ausgleich für den Verzicht auf die Mitwirkung bei vielen Bundesgesetzen erhielten die Länder im Zuge der Föderalismusreform 2006 neue Zuständigkeiten: für das Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten, für den Strafvollzug, das Heimrecht, das Ladenschluss- und Gaststättenrecht, das Versammlungsrecht. Überdies steht den Ländern ein "Abweichungsrecht" zu (Art. 72 Abs. 3 GG); sie können bei bestimmten Materien vom Bundesrecht abweichen und eigene Regelungen treffen, vor allem beim Umweltrecht, bei der Hochschulzulassung und dem Hochschulabschluss.
Konkurrierende Gesetzgebung Für viele Rechtsgebiete sind nach dem Grundgesetz Bund und Länder nebeneinander zuständig. Das sind die Gebiete der konkurrierenden Gesetzgebung (c Seite 76, 95). Der Bund hat hier ein Vorrecht. Nur wenn er davon keinen Gebrauch macht, können die Länder ihre eigenen Gesetze erlassen. In der Praxis hat der Bund, um die "Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" zu wahren (Art. 72 Abs. 2, Art. 106 Abs. 3 GG), von seinem Vorrecht weitgehend Gebrauch gemacht.
KompetenzverteilungZuständigkeiten von Bund und Ländern in der Gesetzgebung
Bund und Länder Konkurrierende Gesetzgebung (Art. 72, 74 GG; Auszüge)
Bürgerliches Recht
Strafrecht
Personenstandswesen
Vereinsrecht
Aufenthaltsrecht für Ausländer/innen
Arbeitsrecht
Wirtschaftsrecht
Schifffahrt
Straßenverkehr
Länder Ausschließliche Gesetzgebung
Kultur
Polizeiwesen
Bildungs- und Schulwesen
Gesundheitswesen
Kommunalwesen
Der Katalog der Gebiete, die der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegen, ist ständig erweitert worden und umfasst jetzt 33 Punkte (Art. 74). Dazu gehören das bürgerliche Recht, das Strafrecht, das Personenstandswesen, das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer, das Arbeitsrecht, Schifffahrt, Straßenverkehr, die Abfallbeseitigung, die Luftreinhaltung, die Lärmbekämpfung, der Naturschutz und die Landschaftspflege, die Raumordnung, die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.
Rahmengesetzgebung Bis zum Jahr 2006 besaß der Bund das Recht einer Rahmengesetzgebung, das bedeutet, er konnte einen gesetzlichen Rahmen für einige Rechtsgebiete schaffen, den die Länder durch eigene Regelungen im Einzelnen ausfüllen konnten. Der entsprechende Artikel des Grundgesetzes (Art. 75) entfiel im Zusammenhang mit der Föderalismusreform.
Kontrolle von Regierung und Verwaltung (Kontrollfunktion)
Nach dem traditionellen Verständnis von der Teilung der drei Gewalten hat das (Gesamt-)Parlament die Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren. Für parlamentarische Demokratien ist jedoch eine andere Form der Gewaltenteilung charakteristisch: Regierung und Mehrheitsfraktionen steht die parlamentarische Opposition gegenüber. Die Kontrollfunktion nimmt hier vor allem die Opposition wahr. Sie nutzt verschiedene Instrumente, beispielsweise Anfragen und Untersuchungsausschüsse, um die Regierung öffentlich zu kritisieren und zu kontrollieren. Die Mehrheitsfraktionen werden die Regierung nur in Ausnahmefällen kritisieren. In der Regel stimmt die Regierung ihre Vorhaben vorher mit den sie tragenden Fraktionen ab, sodass Konflikte hier eher die Ausnahme darstellen.
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Anfragen Im Grundgesetz sind nur wenige Kontrollrechte ausdrücklich festgehalten, so in Art. 43 das Recht, jedes Mitglied der Bundesregierung herbeizurufen. In der Geschäftsordnung des Bundestages ist dieses Fragerecht im Einzelnen geregelt:
Große Anfragen können von einer Fraktion oder mindestens 31 Abgeordneten gestellt werden. Sie müssen schriftlich eingereicht werden. Sobald die Regierung ebenfalls schriftlich geantwortet hat, wird eine Debatte im Plenum angesetzt. Große Anfragen werden vor allem von der Opposition genutzt, um die Regierung zu zwingen, in wichtigen politischen Fragen öffentlich Rede und Antwort zu stehen, auf deren Schwächen aufmerksam zu machen und die eigenen Alternativen darzustellen. Große Anfragen der Koalitionsfraktionen sollen der Regierung Gelegenheit verschaffen, ihre Erfolge herauszustellen und die Kritik der Opposition zu entkräften.
Kleine Anfragen müssen gleichfalls von mindestens 31 Abgeordneten eingereicht werden. Ihr Ziel ist es, von der Regierung Informationen über einen bestimmten Sachverhalt zu bekommen. Sie sollten innerhalb von 14 Tagen schriftlich beantwortet werden; es gibt aber keine Debatte. Befriedigt die Auskunft nicht, kann der Abgeordnete in der Fragestunde Zusatzfragen stellen.
Die Fragestunde findet einmal wöchentlich (mittwochs) statt. Sie dauert 120 Minuten. Jeder Abgeordnete darf pro Sitzungswoche bis zu zwei Fragen an die Bundesregierung stellen. Sie müssen einige Tage vorher eingereicht werden, bei dringendem öffentlichen Interesse noch am Vortag. Beantwortet werden sie meist vom zuständigen Parlamentarischen Staatssekretär oder Minister. Der Fragesteller kann zwei, jeder andere Abgeordnete eine Zusatzfrage stellen. Oftmals kommt es zu einem lebhaften Rededuell, besonders wenn sich mehrere Abgeordnete verabredet haben, die Regierungsvertreter in die Enge zu treiben. Die Fragestunde anlässlich der "Spiegelaffäre" 1962, in der mehrere Abgeordnete der Opposition zahlreiche Fragen und Zusatzfragen stellten, trug zum Sturz des damaligen Bundesverteidigungsministers bei.
Die Befragung der Bundesregierung findet wie die Fragestunde einmal wöchentlich (mittwochs) statt. Die Mitglieder des Bundestages können an die Bundesregierung Fragen von aktuellem Interesse im Rahmen ihrer Verantwortlichkeit richten, vorrangig zu der vorangegangenen Kabinettssitzung. Es antworten die angesprochenen Mitglieder der Bundesregierung.
Aktuelle Stunden können wie die Großen und Kleinen Anfragen von einer Fraktion oder von 31 Abgeordneten zu einem Thema von aktuellem Interesse beantragt werden. Jeder Diskussionsbeitrag darf nicht länger als fünf Minuten dauern. Die Aktuelle Stunde wird häufig von der Opposition genutzt, um spontan ein umstrittenes Thema aufzugreifen und die Regierung zu kritisieren.
Aktuelle StundeBeispiele für Themen, die 2007/08 in Aktuellen Stunden behandelt wurden
08.03.2007, CDU/CSU, SPD: Airbusrestrukturierung – Kernkompetenzen und Zukunftstechnologien in Deutschland erhalten und ausbauen
10.05.2007, CDU/CSU, SPD: Aktuelle wirtschaftliche Entwicklung und Lage auf dem Arbeitsmarkt
11.05.2007, FDP, B90/Grüne: Haltung der Bundesregierung zur Finanzierung des geplanten Ausbaus von Kinderkrippen
04.07.2007, B90/Grüne: Bundeswehreinsatz beim G-8-Gipfel
19.09.2007, FDP: Haltung der Bundesregierung zu den Äußerungen des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, in Terrorabsicht entführte Flugzeuge ohne gesetzliche Grundlage abschießen zu lassen
08.11.2007, CDU/CSU, SPD, B90/Grüne: Jüngste Entwicklung in Pakistan
16.01.2008, B90/Grüne: Haltung der Bundesregierung zur Bekämpfung der Jugendkriminalität hinsichtlich der Prävention, Straffälligenhilfe und Ausstattung der Jugendgerichte
20.02.2008, Die Linke, B90/Grüne: Fehlende Strategien der Bundesregierung in der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Konsequenzen
12.03.2008, FDP, Die Linke: Haltung der Bundesregierung zu den Konsequenzen aus dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zum Mindestlohn für Briefdienste
09.04.2008, B90/Grüne: Unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Bundesregierung zur Erhöhung der Biospritbeimischung
08.05.2008, CDU/CSU, SPD: Wachstum und Beschäftigung als Grundlage wirtschaftlicher Sicherheit – Haltung der Bundesregierung zur Entwicklung des Arbeitsmarktes und zu den Wachstumsperspektiven für Deutschland
Quelle:Deutscher Bundestag
Untersuchungsausschüsse Der Bundestag muss auf Antrag von mindestens einem Viertel seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einsetzen (Art. 44 GG), um Missstände und Verfehlungen aufzuklären. Ein Untersuchungsausschuss kann Zeugen und Sachverständige vorladen und Beweise erheben. Die Beratungen der Ausschüsse sind grundsätzlich nicht öffentlich; erweiterte öffentliche Ausschussberatungen und öffentliche Anhörungssitzungen sind aber möglich.
Untersuchungsausschüsse werden zumeist gebildet, um Skandale und Affären aufzuklären. In der Regel fordert die Opposition solche Untersuchungen, wenn Mitglieder der Regierung oder der Regierungsparteien belastet sind. In den Untersuchungsausschüssen, die wie alle anderen Ausschüsse entsprechend der Stärke der Fraktionen besetzt sind, haben die Fraktionen der Regierungsparteien die Mehrheit. Sie sind naturgemäß nicht daran interessiert, ihrer Regierung zu schaden. Ihr Eifer, den Sachverhalt bis ins Letzte aufzuklären, hält sich daher in Grenzen. Oftmals enthalten die Abschlussberichte ein Mehrheits- und ein Minderheitsvotum.
Enquete-Kommissionen Das französische Wort enquête bedeutet Untersuchung. Anders als die Untersuchungsausschüsse, die sich nur aus Abgeordneten zusammensetzen, werden Enquete-Kommissionen aus Abgeordneten und Sachverständigen gebildet. Ihre Aufgabe ist es, zu einem wichtigen Themenkomplex alle verfügbaren Informationen zusammenzutragen und Entscheidungen des Bundestages langfristig vorzubereiten. Ihre Berichte werden auch in der Öffentlichkeit beachtet. Themen, mit denen sich Enquete-Kommissionen befassen, sind beispielsweise: "Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten", "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements", "Demographischer Wandel – Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik", "Recht und Ethik der modernen Medizin" und "Kultur in Deutschland".
Das Budgetrecht, das Recht, Steuern und Abgaben zu bewilligen, ist das klassische Kontrollrecht des Parlaments.Zuerst erkämpfte es sich das englische Parlament, im 19. Jahrhundert wurde es in die Verfassungen der konstitutionellen Monarchien aufgenommen. Die Parlamente nutzten dieses Recht, um die Steuern möglichst niedrig zu halten und die Ausgaben zu beschränken.
Die Bundesregierung legt jedes Jahr einen Haushaltsplan vor, der die erwarteten Einnahmen und die vorgesehenen Ausgaben enthält. Der Haushaltsplan wird vom Haushaltsausschuss beraten und anschließend vom Bundestag als Gesetz verabschiedet (Art. 110 GG).
Die Regierungsfraktionen, die im Haushaltsausschuss die Mehrheit haben, unterstützen die Vorlage der Regierung, die sie vorher mit ihr abgestimmt haben, sodass die Opposition kaum Chancen hat, Änderungen zu erreichen. 80 bis 90 Prozent der Ausgaben sind ohnehin gesetzlich festgelegt, sodass der Spielraum gering ist. Die Bundesregierung kann nach Art. 113 GG Einspruch gegen Gesetze einlegen, welche die von ihr vorgeschlagenen Ausgaben des Haushaltsplans erhöhen oder die vorgesehenen Einnahmen vermindern.
Der Haushaltsplan ist das "Regierungsprogramm in Zahlen". Die Opposition nutzt daher die abschließende Beratung des Haushalts im Plenum des Deutschen Bundestages, die alljährliche "Haushaltsdebatte", um die Regierung zu attackieren und mit ihrer Politik abzurechnen.
Petitionen
Artikel 17 Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.
Das Recht, sich mit Petitionen, das sind Bitten und Beschwerden, an die Volksvertretung zu wenden, ist ein Grundrecht, das allen Bürgerinnen und Bürgern zusteht. Unter Bitten sind insbesondere Vorschläge zur Gesetzgebung (Änderung und Aufhebung von Gesetzen) zu verstehen. Beschwerden richten sich gegen das Handeln der Verwaltung. Der Petitionsausschuss des Bundestages hat nicht nur, wie jeder andere Ausschuss des Bundestages, das Recht, Mitglieder der Bundesregierung herbeizurufen, er kann auch von der Regierung und den Behörden Auskunft und Einsicht in Akten verlangen, Sachverständige und Zeugen hören sowie Zutritt zu ihren Einrichtungen verlangen. Nach Abschluss der Ermittlungen fasst der Petitionsausschuss seine Meinung in einer Abschlussempfehlung an den Bundestag zusammen. Hierin kann beispielsweise vorgeschlagen werden, das Anliegen des Einsenders (Petenten) gegenüber der Bundesregierung zu unterstützen.
Nach der Wiedervereinigung hatte sich die Anzahl der jährlichen Eingaben nahezu verdoppelt (1992: rund 24.000). 2008 gingen 18.096 Petitionen ein. Sie zeigen dem Bundestag, wo in Gesetzgebung und Verwaltung Lücken, Fehler und Härten auftreten. So hat der Petitionsausschuss beispielsweise mit Erfolg empfohlen, die Rentenregelung für die Bürger der neuen Länder zu verbessern und die Verjährungsfrist für DDR-Staatsunrecht erst am Tag der Wiedervereinigung beginnen zu lassen.
Auch Soldaten können sich an den Petitionsausschuss wenden; für sie gibt es aber noch eine eigene Beschwerdeinstanz, den Wehrbeauftragten.
Wehrbeauftragter
Artikel 45 b Zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle wird ein Wehrbeauftragter des Bundestages berufen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Der Wehrbeauftragte soll die Entwicklung der Bundeswehr zu einer demokratischen Armee fördern und kontrollieren. Zugleich ist er eine Art Frühwarnsystem für die Probleme der Bundeswehr. Er kennt die Nöte und die Stimmung der Truppe besser als jeder andere. Sein Jahresbericht an den Bundestag wird auch in der Öffentlichkeit stark beachtet.
Das Amt des Wehrbeauftragten hat sein Vorbild im schwedischen Ombudsman, einem "Bürgeranwalt", der die Rechte der Bürger gegenüber der Verwaltung wahren soll. Es wurde 1956 vom Bundestag eingerichtet.
Der Wehrbeauftragte wird für fünf Jahre vom Bundestag gewählt. Er schreitet ein, wenn Grundrechte der Soldaten oder die Grundsätze der Inneren Führung verletzt werden. Er kann jederzeit unangemeldet die Truppe besuchen, dabei Auskünfte von Vorgesetzten verlangen und ohne Anwesenheit von Vorgesetzten mit Soldaten sprechen.
Jeder Soldat kann sich unter Umgehung des Dienstweges direkt an ihn wenden. Der Wehrbeauftragte erhält jedes Jahr mehrere tausend Eingaben, die sämtlich überprüft werden. Wenn Beschwerden berechtigt sind, gibt der Wehrbeauftragte eine Empfehlung, der in der Praxis fast immer entsprochen wird.
Teilnahme an der politischen Willensbildung (Willensbildungsfunktion)
Das Parlament soll das "Forum der Nation" sein. Hier sollen die wichtigen politischen Themen diskutiert und Konzepte zur Lösung von Problemen entwickelt werden. Die unterschiedlichen Standpunkte sollen in verständlicher Form vorgetragen und die Gründe für Entscheidungen erkennbar gemacht werden. Das geschieht in den großen Plenardebatten, in denen die Bundesregierung sowie Regierungsfraktionen und Opposition ihre Positionen vor der Öffentlichkeit darlegen und begründen.
Doch solche großen Debatten sind selten, und sie finden nicht immer die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, die ihnen zukommen sollte. Es gehört zu der gängigen Kritik am Bundestag, dass er die informierende Funktion nicht ausreichend wahrnimmt. Politische Meinungs- und Willensbildung findet heute vor allem auf dem Weg über die Massenmedien statt. Regierungsmitglieder und führende Abgeordnete der Koalitionsparteien und der Opposition teilen ihre Meinungen der Öffentlichkeit in Fernsehen (beispielsweise in Talkshows), Hörfunk und Zeitungen mit. Dabei geht jedoch verloren, was nur eine Debatte leisten kann: die Auseinandersetzung, das Ringen um bessere Lösungen in Rede und Gegenrede.
Wenn der Bundestag nicht der zentrale Ort politischer Auseinandersetzung ist, hat das auch mit seinem Selbstverständnis als Arbeitsparlament zu tun. Die politische Willensbildung vollzieht sich in den Fraktionen und den Ausschüssen, dort fallen auch die politischen Entscheidungen. Diese intensive und effiziente Detailarbeit geschieht zwangsläufig unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Repräsentation der Bevölkerung und Artikulationsfunktion
Im Parlament soll zur Sprache kommen, was die Bürger politisch bewegt. Die Wähler erwarten, dass ihre eigenen Ansichten zu politischen Themen in den Debatten ausgesprochen (artikuliert) werden und dass ihre Wünsche und Interessen im Parlament vertreten (repräsentiert) sind.
Häufig wird beklagt, die Bürger dürften alle vier Jahre zur Wahl gehen, danach hätten sie keinen Einfluss mehr auf die politischen Entscheidungen. Doch Abgeordnete wollen wiedergewählt werden. Die Wünsche der Wähler hören sie in ihrem Wahlkreis. Meinungsumfragen geben ständig ein Bild von der Stimmung der Bürger. Zahlreiche Landtags- und Kommunalwahlen finden im Laufe einer Legislaturperiode statt und bieten den Wählern Gelegenheit, ihre Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik zu bekunden. Das alles hat Rückwirkungen auf die Politik der Regierung und auf das Verhalten der einzelnen Abgeordneten.
Das bedeutet nicht, dass Bundestag und Regierung lediglich den Willen der Bevölkerung nachvollziehen sollen. Politische Führung heißt, eine als richtig erkannte Politik auch gegen Meinungsumfragen durchzusetzen. Wenn diese Politik erfolgreich ist, wird sie später von den Wählern honoriert. So hat die Regierung Adenauer gegen den Willen der Mehrheit die Einbindung in das westliche Bündnissystem vollzogen, die Regierung Schmidt und die ihr folgende Regierung Kohl haben die Nachrüstung aufgrund des NATO-Doppelbeschlusses betrieben und durchgesetzt.
Repräsentation und Sozialstruktur Kann der Bundestag, wird häufig gefragt, seine Repräsentationsfunktion angemessen wahrnehmen, wenn er nicht die soziale Struktur in der Zusammensetzung seiner Wählerschaft widerspiegelt? Tatsächlich weicht das "Sozialprofil" des Bundestages sehr weit von dem seiner Wählerschaft ab.
Am auffälligsten ist die Unterrepräsentation der Frauen. Obwohl sie mehr als die Hälfte der Wähler stellen, lag ihr Anteil an den Abgeordneten von 1949 bis 1987 regelmäßig unter 10 Prozent. Dem 17. Bundestag gehören immerhin 33 Prozent Frauen an.
Deutlich überrepräsentiert sind Abgeordnete mit Universitätsabschluss und Abschluss einer Fachhochschule oder Pädagogischen Hochschule. Bei der Aufschlüsselung der Berufsangaben fällt auf, dass Angehörige des öffentlichen Dienstes besonders häufig vertreten sind, sie stellen traditionell etwa zwei Fünftel der Abgeordneten. Relativ hoch ist der Anteil der Verbandsvertreter. Sehr gering ist dagegen die Zahl der Arbeiter.
Der Aussagewert von Berufsangaben ist gering. Sehr viele Abgeordnete haben einen wechselvollen Lebensweg hinter sich, wobei sie mehrere Berufe ausgeübt haben, von denen sie einen angeben, manchmal zeitweilige Tätigkeiten im öffentlichen Dienst oder als kommunale Wahlbeamte. Der Weg eines Arbeiters in die Politik führt in der Regel über die Gewerkschaft oder den zweiten Bildungsweg und berufliche Tätigkeiten als Gewerkschaftssekretär, Redakteur oder Angestellter einer Partei, er zählt dann nicht mehr als Arbeiter. Die mangelnde Repräsentation der Frauen wird auf das System der Kandidatenaufstellung zurückgeführt, bei dem Männer – entgegen den Mahnungen der Parteivorstände – ihre Mehrheiten ausnutzen. Der Anteil der Frauen an den Parteimitgliedern liegt bei etwa einem Viertel. Wenn man dies als Maßstab nimmt, wären sie im 17. Bundestag etwas überproportional vertreten.
Das Prinzip der Repräsentation besagt nicht, dass jede Gruppe entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung im Parlament vertreten sein muss. Das wäre einer Ständegesellschaft angemessen. Die Überzeugungen und Interessen der Abgeordneten werden nicht in erster Linie vom Geschlecht, von der sozialen Herkunft oder vom beruflichen Werdegang bestimmt, sondern von ihrer politischen Sozialisation. Dennoch müssen größere Anstrengungen unternommen werden als bisher, um allzu krasse Unterschiede zwischen Sozialstruktur der Bevölkerung und der Abgeordneten, insbesondere die Unterrepräsentation der Frauen, abzubauen.
Gewaltenteilung/Gewaltenverschränkung
Das Grundgesetz legt in Art. 20 fest, die Staatsgewalt werde durch "besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt".
Es knüpft damit an die klassische Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative an, die von dem französischen Staatsphilosophen Montesquieu formuliert worden ist. Ihr liegt der Gedanke zugrunde, dass in einer politischen Ordnung die Freiheit nur gesichert ist, wenn die staatliche Macht nicht, wie in den absoluten Monarchien, in einer Hand liegt, sondern geteilt ist. Montesquieu sah diese Gewaltenteilung im England seiner Zeit verwirklicht: Das Parlament aus zwei Kammern übte die gesetzgebende Gewalt aus, der König hatte die ausführende Gewalt, und unabhängige Richter sprachen Recht.
Nach diesem Modell, wenn auch in abgewandelter Form, ist die Präsidialdemokratie der USA konstruiert. Die drei Gewalten sind streng getrennt, können aber ihre Macht nicht allein ausüben. Durch ein System von "Hemmungen und Gegengewichten" (checks and balances) sind sie bei der Ausübung ihrer Funktionen aufeinander angewiesen.
In parlamentarischen Demokratien wie der Bundesrepublik Deutschland hat sich eine andere Form der Gewaltenteilung herausgebildet. Die Trennlinie verläuft nicht mehr zwischen Parlament und Regierung, sondern zwischen Parlamentsmehrheit und Regierung auf der einen und der Opposition auf der anderen Seite. Die Regierung geht aus den Mehrheitsfraktionen hervor und wird von ihnen getragen. Die Mitglieder der Regierung sind in der Regel auch Mitglieder des Parlaments. Gegenspielerin von Regierung und Parlamentsmehrheit ist die Opposition.
Verfassungsorgane und Gewaltenverschränkung: Machtbegrenzung durch Kontrolle und Verflechtung Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
In Bundesstaaten wird die Macht des Bundes auch durch die Länder begrenzt. Die staatliche Gewalt und die staatlichen Aufgaben sind zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt. In der Bundesrepublik Deutschland wirken die Länder durch den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes mit. Die Verwaltung, der die Ausführung der Gesetze und Rechtsverordnungen obliegt, ist überwiegend Sache der Bundesländer und auf der untersten Ebene Aufgabe der Kommunen.
Statt durch eine strikte Trennung der Gewalten ist die parlamentarische Demokratie gekennzeichnet durch eine Gewaltenverschränkung. Legislative und Exekutive sind miteinander verknüpft, getrennt von ihnen ist dagegen die Rechtsprechung. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Beschränkung und Kontrolle der Macht der Regierenden gewährleistet durch:
die Opposition im Bundestag,
das föderalistische System mit der Aufteilung der staatlichen Gewalt und der staatlichen Aufgaben auf Bund, Länder und Gemeinden,
die unabhängige Justiz, vor allem die weitreichenden Befugnisse des Bundesverfassungsgerichts,
die öffentliche Meinung.
Opposition
Im Grundgesetz kommt der Begriff "Opposition" nicht vor, ebenso wenig in den meisten Landesverfassungen. In Deutschland hat sich das Verständnis für die Bedeutung der Opposition nur langsam durchsetzen können. Opposition wurde lange mit Obstruktion, mit bloßer Verneinung gleichgesetzt. In England wurde die Opposition schon im 18. Jahrhundert neben dem Prinzip der Repräsentation als die zweite große Erfindung des parlamentarischen Systems bezeichnet. In der Bundesrepublik Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht 1952 das "Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition" zu den "grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung" gezählt. Die Opposition hat die Aufgabe, die Regierung zu kritisieren, zu kontrollieren und Alternativen anzubieten.
Kritik Das Programm und die Politik der Regierung unterliegen ständiger Kritik seitens der Opposition. Sie nimmt diese Funktion nicht so sehr mit Blick auf das Parlament wahr, sondern wendet sich an die Öffentlichkeit, um die nächsten Wahlen für sich zu entscheiden.
Kontrolle Die Instrumente der parlamentarischen Kontrolle, wie Anfragen und Untersuchungsausschüsse, werden vorwiegend von der Opposition genutzt, um Fehler und Schwächen der Regierung aufzudecken.
Alternativen Die Opposition steht zur Ablösung der Regierung bereit. Für diesen Fall bietet sie sachliche und personelle Alternativen an. Die Sachalternativen werden sich auf wenige wichtige und umstrittene Politikbereiche beschränken. Als personelle Alternative zur Regierung präsentiert sie den Kanzlerkandidaten und eine Mannschaft aus fähigen Persönlichkeiten. Jede Opposition steht vor der Frage, ob sie in erster Linie die Auseinandersetzung mit der Regierung suchen oder ob sie durch Zusammenarbeit Einfluss auf Entscheidungen nehmen will. In der parlamentarischen Praxis der Bundesrepublik wechselten sich Phasen der Auseinandersetzung (Konfrontation) und der Zusammenarbeit (Kooperation) ab. Scharfe Auseinandersetzungen gab es, wenn entscheidende politische Weichenstellungen bevorstanden, zum Beispiel die Wiederbewaffnung 1956 und die Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition 1969–1972. Bei der Gesetzgebung hat die Opposition zumeist auf Kooperation gesetzt und versucht, die Gesetze in ihrem Sinne zu verbessern.
Im Bundestag kann die Opposition gegen die Mehrheit wenig bewirken. Chancen, auf die Politik der Regierung Einfluss zu nehmen, eröffnet das bundesstaatliche System. Es sieht eine Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung vor. Wenn im Bundesrat Landesregierungen die Mehrheit haben, die der Opposition im Bundestag entsprechen, muss sich die Regierung bei Gesetzen oder auch bei außenpolitischen Verträgen mit der Opposition verständigen, um nicht einen (aufschiebenden) Einspruch oder eine Ablehnung im Bundesrat zu riskieren. Das war von 1969 bis 1982 der Fall, als der sozial-liberalen Koalition eine Mehrheit der unionsregierten Länder im Bundesrat gegenüberstand, und galt von 1991 bis 1998, als die SPD-geführten Landesregierungen im Bundesrat die Mehrheit erreicht hatten und eine von CDU/CSU und FDP gebildete Bundesregierung amtierte.
Aus: Pötzsch, Horst: Die Deutsche Demokratie. 5. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2009, S. 61-86.
Der Historiker und Politologe Horst Pötzsch war bis 1992 Leiter der Abteilung "Politische Bildung in der Schule" der Bundeszentrale für politische Bildung.