Ohne freie Wahlen ist Demokratie nicht denkbar. Sie sind die wichtigste Form demokratischer Kontrolle: Bei Wahlen überträgt das Volk die Macht für eine festgelegte Zeit an seine Vertreter.
Wahlen sind die einfachste Form politischer Beteiligung. Für die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger sind sie die einzige Form der direkten Teilnahme am politischen Prozess. Alle anderen Arten von Partizipation sind mit einem deutlich höheren Aufwand verbunden.
Wahlen sind die wichtigste Form politischer Beteiligung in der Demokratie. Ohne Wahlen ist Demokratie nicht denkbar. Durch Wahlen wird die politische Führung bestimmt und der politische Kurs der nächsten Legislaturperiode festgelegt.
Wahlen sind das wirksamste Instrument demokratischer Kontrolle: Wenn die Wähler mit der Politik der Regierenden unzufrieden sind, können sie diese abwählen und einen Machtwechsel herbeiführen.
Wahlgrundsätze und Wahlsysteme
Artikel 38 (1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. (2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.
Die Grundsätze für die Wahl zum Deutschen Bundestag, zu den Landtagen und zu den Gemeindevertretungen sind im Grundgesetz in Art. 38 und Art. 28 und im Bundeswahlgesetz festgelegt. Sie gelten ebenso für die Wahl der deutschen Abgeordneten ins Europäische Parlament.
Die Wahlen sind:
allgemein: Alle Staatsbürger ab einem bestimmten Alter (in Deutschland 18 Jahre) können wählen und gewählt werden;
unmittelbar: Die Wähler wählen direkt einen oder mehrere Abgeordnete über eine Liste, nicht wie bei einer indirekten Wahl zunächst Wahlmänner, die dann die Abgeordneten wählen (wie bei der Wahl des Präsidenten der USA);
frei: Auf die Wähler darf keinerlei Druck ausgeübt werden, ihre Stimme für einen Kandidaten oder für eine Partei abzugeben; die Bürger sind auch frei, nicht zu wählen, es gibt keine Wahlpflicht;
gleich: Jede Stimme zählt gleich viel;
geheim: Es bleibt geheim, wie der Wähler abstimmt; Wahlkabine, Stimmzettel im Umschlag, Wahlurne oder Wahlgeräte dienen diesem Zweck.
Für die Wahl zum Bundestag und zu den Landtagen gilt ein Wahlsystem, das als personalisierte Verhältniswahl bezeichnet wird. Es entspricht im Ergebnis der Verhältniswahl, auch wenn es Elemente der Mehrheitswahl enthält.
Bei Wahlen nach dem Prinzip der Mehrheitswahl (auch Persönlichkeitswahl) wird das Wahlgebiet in Wahlkreise eingeteilt, aus denen je ein Abgeordneter zu entsenden ist. Gewählt ist der Kandidat, der die einfache Mehrheit der Stimmen im Wahlkreis auf sich vereinigt.
Bei der reinen Verhältniswahl entscheiden sich die Wähler nicht für einzelne Kandidaten, sondern für die Liste einer Partei. Wer als Volksvertreter ins Parlament ziehen kann, entscheidet die Reihenfolge der Kandidaten auf der Liste, die von den Parteien selbst festgelegt wird. Jede Partei schickt so viele Abgeordnete ins Parlament, wie es ihrem Anteil an abgegebenen Stimmen im gesamten Wahlgebiet entspricht.
Das Mehrheitswahlsystem begünstigt ein Zweiparteiensystem mit regierungsfähigen Mehrheiten. Das Verhältniswahlsystem führt dazu, dass alle Parteien gemäß ihrem Anteil an den Wählerstimmen im Parlament vertreten sind, soweit sie eine Sperrklausel überwinden.
Bundestagswahl
Der Bundestag wird für vier Jahre gewählt (Legislaturperiode). Bei der Bundestagswahl hat der Wähler zwei Stimmen. Mit der Erststimme wählt er den Kandidaten einer Partei im Wahlkreis (Mehrheitswahl), mit der Zweitstimme die Liste einer Partei (Verhältniswahl). Die Sitze werden entsprechend den für die Listen insgesamt abgegebenen Stimmen auf die Parteien verteilt. Ausschlaggebend für die Sitzverteilung ist also die Zweitstimme. Die Listen werden für jedes der 16 Bundesländer getrennt aufgestellt (Landeslisten).
Themengrafik Bundestag: Die Zweitstimme entscheidet, wie viele Sitze eine Partei im Bundestag erhält. Zum Öffnen der PDF-Version (78 KB) klicken Sie bitte auf das Bild. Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Dem 17. Deutschen Bundestag, der nach der Wahl von 2009 zusammengetreten ist, gehören 622 Abgeordnete an. 299 sind in den Wahlkreisen direkt, 323 über Landeslisten gewählt worden. Unter den Letzteren sind 24 Überhangmandate, drei für die CSU, 21 für die CDU.
Der Wähler kann mit der Erststimme für den Wahlkreiskandidaten einer Partei und mit der Zweitstimme für die Liste einer anderen Partei stimmen. Er kann damit einem populären Kandidaten zum Einzug in den Bundestag verhelfen, auch wenn er eine andere Partei bevorzugt. Häufiger wird diese Aufteilung der Stimmen (Stimmen-Splitting) von solchen Wählern genutzt, die einer Koalition zur Macht verhelfen wollen. Wähler einer großen Partei stimmen für den Direktkandidaten "ihrer" Partei und für die Liste der kleineren Koalitionspartei, damit diese nicht an der Fünfprozenthürde scheitert.
Überhangmandate entstehen, wenn für eine Partei in einem Land mit den Erststimmen mehr Kandidaten in den Bundestag gewählt werden, als ihr nach dem Ergebnis der Zweitstimmen in diesem Land zustehen. Solche Überhangmandate fallen typischerweise dann an, wenn eine Partei bei den Zweitstimmen in einem Land zwischen 38 und 45 Prozent liegt, dort aber alle oder fast alle Direktmandate gewonnen hat.
Die Bundeszentrale für politische Bildung erklärt, wie die Bundestagswahlen funktionieren. Wieviel Stimmen hat man? Was ist wichtiger die Erst- oder die Zweitstimme? Was wählt man mit den beiden Stimmen?
Verteilung der Mandate
Bei der Verteilung der Sitze werden nur Parteien berücksichtigt, die mehr als fünf Prozent der Zweitstimmen oder mindestens drei Direktmandate erlangt haben. Mit dieser "Sperrklausel" soll verhindert werden, dass Splitterparteien in den Bundestag kommen.
Bis einschließlich 1983 wurden die Mandate bei der Bundestagswahl nach dem "Höchstzahlverfahren" des belgischen Mathematikers d´Hondt berechnet. Da dieses Verfahren die großen Parteien, wenn auch geringfügig, begünstigt, wurde es seit 1987 für die Bundestagswahl und inzwischen auch für die meisten Landtagswahlen durch das Verfahren nach Hare-Niemeyer ersetzt. Dieses war für die kleineren Parteien günstiger. Für die Bundestagswahl bedeutete das: Alle Zweitstimmen für eine Partei im Bundesgebiet wurden mit der Zahl der insgesamt zu vergebenden Bundestagsmandate (598) multipliziert und dann durch die Gesamtzahl aller Zweitstimmen geteilt. In einem zweiten Schritt wurde berechnet, wie sich die Gesamtzahl der Mandate auf die 16 Landeslisten verteilt.
Bei der Bundestagswahl 2009 fand ein neues "Divisorverfahren mit Standardrundung" nach Sainte-Laguë Anwendung, das alle diese Mängel vermeidet. Dies hatte der Bundestag am 24. Januar 2008 beschlossen.
Mit Urteil vom 3. Juli 2008 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Berechnung der Überhangmandate nach dem gültigen Wahlgesetz zu Ungerechtgkeiten führen kann. Es hat dem Gesetzgeber aufgegeben, in angemessener Frist eine Neuregelung einzuführen.
Landtagswahlen
Bei den Wahlen zu den Landtagen der meisten Bundesländer gilt dasselbe Wahlsystem, zumindest mit seinen wichtigsten Merkmalen: personalisierte Verhältniswahl mit Erst- und Zweitstimme, Fünfprozent-Sperrklausel und Überhangmandate. Unterschiedlich ist teilweise die Verrechnung der Stimmen (zum Beispiel: Baden-Württemberg 70 Direktmandate, 50 Mandate, die nach dem Verhältnis der für die Parteien abgegebenen Stimmen verteilt werden; Nordrhein-Westfalen 128 Direktmandate, 53 Listenmandate; Sachsen je 60 Direktmandate und Listenmandate). Die Legislaturperiode der meisten Landtage dauert inzwischen fünf Jahre, bei fünf Landtagen vier Jahre.
Kommunalwahlen
Die Wahlen zu den Gemeindevertretungen laufen nach denselben allgemeinen Grundsätzen ab wie die Wahlen zum Bundestag und zu den Landtagen. Die Wahlordnungen für die Gemeinderäte und Kreistage in mittlerweile zwölf Ländern weisen eine Besonderheit auf. Jedem Wähler stehen so viele Stimmen zur Verfügung, wie Gemeinde- bzw. Kreistagsmitglieder zu wählen sind (je nach Größe der Gemeinde zwischen 8 und 80). Der Wähler kann diese Stimmen auf Kandidaten verschiedener Listen verteilen. Das nennt man Panaschieren (von französisch panacher = bunt machen, mischen). Er kann außerdem verschiedenen Kandidaten auf einer Liste oder auf mehreren Listen bis zu drei Stimmen geben, insgesamt wiederum so viele, wie die zu wählende Vertretung Mitglieder hat. Das wird als Kumulieren (von lateinisch cumulus = Haufen) oder "Häufeln" bezeichnet.
Aus: Pötzsch, Horst: Die Deutsche Demokratie. 5. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2009, S. 37-41.
Der Historiker und Politologe Horst Pötzsch war bis 1992 Leiter der Abteilung "Politische Bildung in der Schule" der Bundeszentrale für politische Bildung.
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