Die Menschenrechtslage von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und von trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI) ist seit langem in vielen Staaten desolat. Homosexuelle Handlungen sind in mindestens 72 Staaten strafbar, in acht Staaten werden Homosexuellen sogar mit dem Tod bestraft
LSBTI werden oft zusammen genannt, aber hinter der Abkürzung verbergen sich ganz verschiedene Menschen, die ebenso verschiedenen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Gemeinsam haben sie die Ursache, die oft als "Heteronormativität" bezeichnet wird: die herrschenden Normen von Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität. Ein 'richtiger Mann" hat einen männlichen Körper, verhält sich männlich und fühlt sich von Frauen angezogen, Frauen jeweils andersherum.
Schwule, Lesben und Bisexuelle werden aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert
Lesben, Schwule und Bisexuelle (LSB) sind der Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung ausgesetzt. Sexuelle Orientierung bedeutet "die Fähigkeit eines Menschen, sich emotional und sexuell intensiv zu Personen desselben oder eines anderen Geschlechts oder mehr als einen Geschlechts hingezogen zu fühlen und vertraute und sexuelle Beziehungen mit ihnen zu führen."
Transgeschlechtliche Menschen werden aufgrund ihrer Geschlechtsidentität diskriminiert
Transgeschlechtliche Menschen oder Trans*
Intergeschlechtliche Menschen sind verstümmelnden medizinischen Eingriffen ausgesetzt
Wiederum anders sind die Menschenrechtsverletzungen an intergeschlechtlichen Menschen oder Inter*
Das Menschenrechtsregime springt an
Lange Zeit hat das internationale Menschenrechtsregime zu diesen Menschenrechtsverletzungen geschwiegen, doch seit ungefähr zehn Jahren gibt es erhebliche Fortschritte. Meilensteine waren die Vorstellung der "Yogyarkarta-Prinzipien zur Anwendung der Menschenrechte in Bezug auf die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität" 2007 und die Resolution 17/19 "Menschenrechte, sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität" des Menschenrechtsrats 2011. Mit dieser Resolution haben die Vereinten Nationen die Menschenrechtsverletzungen an LSBTI zum ersten Mal offiziell anerkannt. Diese Anerkennung von LSBTI als schützenswerte Gruppe ist so wichtig, weil damit die vorhandenen internationalen und nationalen Menschenrechtsinstrumente effizienter zu ihrem Schutz eingesetzt werden können. Auf diese Resolution können sich die vielfältigen Organisationen, Gerichte und auch NGOs im Menschenrechtsregime berufen.
Die wichtigsten internationalen Menschenrechtsinstrumente, die mittlerweile auch beim Schutz von LSBTI helfen, sind der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR), der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR), die Konvention zur Beseitigung jeglicher Diskriminierung der Frau (CEDAW), die Anti-Folter-Konvention (CAT) und die Kinderrechtskonvention (CRC). In den 1990ern begann der Schutz von LSBTI durch diese Instrumente, insbesondere bezüglich des Schutzes von einvernehmlichen homosexuellen Handlungen unter Erwachsenen, die damals in wesentlich mehr Staaten als heute ein Straftatbestand waren. Die Bestrafung solcher Handlungen wurde vor allem als eine Verletzung des Schutzes der Privatsphäre, des Diskriminierungsverbotes und des Gebots der Gleichheit vor dem Gesetz gewertet. In den 2000ern wurden die Menschenrechtsinstrumente häufiger angewandt, was auch für die Diskriminierung von Trans*-Personen gilt; die Inkludierung von Inter*-Personen in das Menschenrechtsregime erfolgt erst seit jüngster Zeit.
Der Westen und die Anderen
Doch das internationale Menschenrechtsregime ist nur ein Teil von effektivem Menschenrechtsschutz. Genauso wichtig sind die lokalen Rechte und Antidiskriminierungspolitiken und eine aktive Zivilgesellschaft, die Missstände anprangert und Verbesserungsvorschläge macht. Und diesbezüglich gibt es riesige Unterschiede zwischen den Staaten. Insgesamt setzen sich westliche Staaten für die Rechte von LSBTI ein, während viele afrikanische und islamische Staaten, Russland und der Vatikan sie bekämpfen. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch in den westlichen Staaten erhebliche Probleme gibt. Vor allem sollte vermieden werden, LSBTI-Rechte zu instrumentalisieren, um damit antimuslimische Ressentiments zu schüren und 'den Westen' als anderen Kulturen überlegen zu präsentieren – denn dies trägt zu Rassismus bei. Tatsächlich ist die heute weltweit herrschende Homophobie sogar überwiegend ein westliches Produkt. Sie entstand mit der Pathologisierung von LSBTI durch die mit der Aufklärung entstandenen Humanwissenschaften und bereitete sich durch den Kolonialismus weltweit aus.
Für die LSBTI-Menschenrechtsarbeit in verschiedenen kulturellen Kontexten gilt, was für Menschenrechtsarbeit generell gilt: Eine Politik zum Schutz von LSBTI sollte kontextspezifisch angepasst werden und sich möglichst den Bedürfnissen der Betroffenen anpassen. So steht beispielsweise die Straffreiheit für homosexuelle Akte hoch oben auf der internationalen Agenda, während afrikanische Aktivist_innen dieses Ziel in der momentanen Lage gar nicht als prioritär einstufen und befürchten, dass verstärktes internationales Engagement in diese Richtung ihre Situation verschlimmern würde. Auch die Kappung von Entwicklungshilfen als Sanktion für homo- und transphobe Politiken wurde von lokalen Aktivist_innen als kontraproduktiv kritisiert, wie im Fall von Großbritannien 2011. Großbritannien stellte Entwicklungshilfezahlungen an afrikanische Länder mit homophober Gesetzgebung ein, dies wurde von den afrikanischen Regierungsvertreter_innen als kolonialistisch und von lokalen LSBTI*-Aktivist_innen als politisch kontraproduktiv kritisiert
Die Ursache für Homo- und Transphobie liegt in den Köpfen
Ein weitgehender Diskriminierungsschutz von LSBTI ist indes nur zu erreichen, wenn es eine aktive politische Bildungs- und Aufklärungsarbeit gibt. Denn die Ursache für Homo- und Transphobie liegt in den Köpfen: Es ist die heteronormative Vorstellung, dass die Gesellschaft 'natürlicherweise' aufgeteilt sei in Männer und Frauen, die sich gegenseitig begehren und dass alle Abweichungen davon 'unnatürlich' oder 'pervers' seien. Aufklärungsarbeit in diesem Sinne an Schulen ist in Deutschland und anderen westlichen Staaten massiven Attacken von konservativen Eltern ausgesetzt, die damit einen umfassenden Menschenrechtsschutz von LSBTI erschweren.
Sexualität ist einer der am meisten von Normen und Wertvorstellungen unterworfene Lebensbereiche – das Recht auf sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung kann nur durch die ständige Kritik dieser Normen realisiert werden.