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"Geschlechtsspezifische Verfolgung findet in vielen Fällen im Privaten statt" | Menschenrechte | bpb.de

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"Geschlechtsspezifische Verfolgung findet in vielen Fällen im Privaten statt" Ein Gespräch mit Marei Pelzer von Pro Asyl über geschlechtsspezifische Fluchtursachen

Marei Pelzer

/ 2 Minuten zu lesen

Gibt es besondere Verfolgungsarten, unter denen vor allem Frauen zu leiden haben? In welchen Fällen führt die Verfolgung aufgrund des Geschlechts zur Asylanerkennung? Ein Gespräch mit Marei Pelzer über geschlechtsspezifische Fluchtursachen.

Frau Pelzer, sind Frauen anderen Fluchtursachen unterworfen als Männer?

Marei Pelzer: Ja. Neben den Fluchtgründen, denen auch Männer unterworfen sind – wie Krieg oder politische Unterdrückung – gibt es besondere Verfolgungsarten, unter denen vor allem Frauen zu leiden haben. Beispiele sind: Genitalverstümmelung, Zwangsverheiratungen, Ehrenmorde oder Vergewaltigungen im Rahmen von Bürgerkriegen oder anderen Konflikten.

Wie äußert sich geschlechtsspezifische Verfolgung?

Das Besondere an geschlechtsspezifischer Verfolgung ist in vielen Fällen, dass sie im Privaten stattfindet. So wird zum Beispiel die Zwangsheirat von den eigenen Familien betrieben. Auch häusliche Gewalt findet im Privaten statt. Wenn der eigene Staat hiergegen nichts unternimmt und die betroffene Frau ins Ausland fliehen muss, dann liegt eine Verfolgung vor.

Wird geschlechtsspezifische Verfolgung im Asylrecht anerkannt?

Ja, geschlechtsspezifische Verfolgung ist nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt. Diese Konvention, die als Reaktion auf die Barbarei des Nationalsozialismus 1951 verabschiedet wurde, soll Flüchtlingen den Schutz vor Zurückweisung in den Verfolgerstaat geben. Sie vermittelt auch dann Schutz, wenn die Verfolgung von privaten Akteuren ausgeht, wie etwa von Familienangehörigen.

In welchen Fällen führt die Verfolgung aufgrund des Geschlechts zur Asylanerkennung in Deutschland?

Die deutsche Rechtsprechung hat sich lange dagegen versperrt, frauenspezifische Fluchtursachen anzuerkennen. Erst mit dem Zuwanderungsgesetz wurde Anfang 2005 endlich rechtliche Klarheit geschaffen. Auch nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung führen zu einem Schutzanspruch. Jetzt fallen – zumindest theoretisch – auch Misshandlungen im familiären Bereich oder etwa Vergewaltigung unter das Asylrecht.

Wie wird in der Praxis mit Asylanträgen verfolgter Frauen verfahren?

Theorie und Praxis fallen leider noch oft auseinander. In der Praxis haben viele betroffene Frauen keine Chance auf Asyl. Die BeamtInnen, die das Asylverfahren durchführen, sind oftmals nicht ausreichend geschult, um die Asylsuchenden angemessen zu behandeln. Vielen Frauen wird unterstellt, sie hätten sich die Erlebnisse nur ausgedacht. Andere werden abgelehnt, weil sie sich in ihrem Herkunftsstaat in einen anderen Landesteil hätten begeben können. Es fehlt an Sensibilität und Verständnis auf Seiten des Amtes.

Vergewaltigung, Ehrenmord sowie Genitalverstümmelung wird in vielen europäischen Staaten inzwischen als geschlechtsspezifische Verfolgung anerkannt. Wie ist aber der Umgang mit Fluchtursachen, die sich auf das Übertreten von "Sitten und Normen" eines Landes, einer "Kultur" beziehen?

Hier unterscheidet die Rechtsprechung: ist eine Frau "verwestlicht", dann will man ihr bestimmte Lebensformen nicht zumuten – wie etwa die strengen Kleidervorschriften im Iran. Dagegen haben es Frauen sehr viel schwerer, die keinen westlichen Lebensstil nachweisen können. Diese Unterscheidung halte ich für falsch. Menschenrechte gelten universell. Alle Menschen haben das Recht auf persönliche Freiheit, Würde und körperliche Unversehrtheit.

Das Interview führte Berke Tataroglu.

Fussnoten

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Marei Pelzer, geb. 1974 in Dinslaken, hat in Marburg und Freiburg Rechtswissenschaften studiert. Sie ist rechtspolitische Referentin der bundesweiten Flüchtlingsorganisation PRO ASYL in Frankfurt am Main.