Themen Mediathek Shop Lernen Veranstaltungen kurz&knapp Die bpb Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen Mehr Artikel im

Mit Schulklassen an Orten von NS-Verbrechen | InfoPool Rechtsextremismus | bpb.de

InfoPool Rechtsextremismus Zielgruppen Schule Politische Bildung Jugendarbeit & Soziale Arbeit Sicherheitsbehörden Öffentliche Verwaltung Betroffene Themenschwerpunkte Grundlagen: Begriffe & Konzepte Ausstieg & Deradikalisierung Beratungsarbeit Reichsbürger Antifeminismus Gedenkstätten Weitere Themen Materialsammlungen Fachdidaktische Publikationen Materialien und Methoden für die pädagogische Praxis Ausgewählte Publikationen für pädagogische Fachkräfte Service Anlaufstellen Angebote der bpb Über den InfoPool Rechtsextremismus

Mit Schulklassen an Orten von NS-Verbrechen Eine Handreichung für Gedenkstättenbesuche und den Umgang mit Rechtsextremismus

Friederike Krebs

/ 12 Minuten zu lesen

Gedenkstättenfahrten sind ein zentraler Baustein historisch-politischer Bildung – besonders im schulischen Kontext. Der Beitrag bietet eine praxisnahe Handreichung für Lehrkräfte zur Planung und Durchführung von Besuchen in KZ-Gedenkstätten und thematisiert den Umgang mit rechtsextremen Widerständen.

Die Bildungsreferentin Friederike Krebs im Gespräch mit einer Gruppe von Schüler:innen in der Gedenkstätte Ravensbrück. Besuche in ehemaligen Konzentrationslagern hält sie für einen unverzichtbaren Bestandteil historisch-politischer Bildungsarbeit. (© Stephanie Wächter)

Die deutsche Gedenkstättenlandschaft ist vielfältig. Auch wenn sich viele Aussagen im Text auf den Besuch anderer Einrichtungen übertragen lassen, konzentriert sich dieser Beitrag auf den Besuch von KZ-Gedenkstätten. Er dient als praxisorientierte Handreichung für die Planung von Gedenkstättenfahrten mit Schulklassen oder mit anderen Jugendgruppen. Neben theoretischen Argumenten und hilfreichen Quellen werden konkrete Tipps für die Vorbereitung und Durchführung angeboten – nicht zuletzt im Umgang mit Widerständen aus dem rechten bis rechtsextremen Umfeld.

Gedenkstättenbesuche als wichtiger Bestandteil schulischer Bildungsarbeit zu Rechtsextremismusprävention

KZ-Gedenkstätten sind Orte, an denen versucht wird, das Ausmaß an Gewalt, Verfolgung und Menschenverachtung des NS-Regimes zu vermitteln. Sie konfrontieren die Besucher:innen mit den Folgen von Rassismus, Antisemitismus und autoritärem Denken und können so dazu beitragen, dass ein Bewusstsein über historische Verantwortung entwickelt wird.

Angesichts der Bedrohung demokratischer Werte, weltweit aufstrebender autokratisch-faschistischer Bewegungen und dem stetig abnehmenden Wissen über die nationalsozialistische Vergangenheit sind Gedenkstättenfahrten ein unverzichtbarer Bestandteil schulischer Bildungsarbeit. Laut der jüngst veröffentlichte Memo-Studie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld wollen 38 Prozent der Befragten einen Schlussstrich unter die Erinnerung an die NS-Zeit ziehen. Gleichzeitig nehmen historische Verzerrungen und Verdrängungstendenzen weiter zu. So glauben nur noch 20 Prozent, dass der wirtschaftliche Wohlstand vieler deutscher Familien auf NS-Verbrechen beruht. Wird diese Frage auf die eigene Familie bezogen, sinkt die Zustimmung weiter auf lediglich drei Prozent (Walter et al. 2025).

Zudem stehen Gedenkstätten verstärkt unter Druck. Sie sind in den letzten Jahren häufiger Interner Link: revisionistischen Angriffen ausgesetzt und spielen im rechten, die NS-Geschichte relativierenden Kulturkampf eine große Rolle. Deshalb ist es heute wichtiger denn je, diese Orte aufzusuchen und zu stärken.

Erwartungen an Gedenkstättenbesuche und Herausforderungen in der Gedenkstättenpädagogik

Ein Blick in die Geschichte zeigt, wie sehr die Entstehung der KZ-Gedenkstätten von der deutschen Teilung geprägt war. IInterner Link: n der DDR dienten sie vor allem der antifaschistischen Staatspropaganda, während die Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen in der Bundesrepublik lange Zeit privatisiert oder zivilgesellschaftlich organisiert war. Erst nach dem Mauerfall konnte sich eine gesamtdeutsche Erinnerungskultur etablieren.

Mit diesen Entwicklungen gingen hohe Erwartungen an die pädagogische Wirkung einher. Unter dem Eindruck rassistischer Anschläge zu Beginn der 1990-er Jahre entstand die Idee, Gedenkstättenbesuche könnten insbesondere Jugendliche in Bezug auf autoritäre oder rechtsextreme Tendenzen sensibilisieren. Politiker:innen sprechen sich seitdem periodisch für Pflichtbesuche aus, wie auch die derzeitige Bundesbildungsministerin Karin Prien. Der Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, hält solche Forderungen für unrealistisch (Wagner 2025). In der Praxis wird nämlich immer wieder deutlich, dass derartige Erwartungen an Gedenkstättenaufenthalte überhöht und fehlgeleitet sind. Fehlende Bildung ist keineswegs der einzige und entscheidende Faktor dafür, dass Menschen xenophob und rechtsextrem werden. Ein Besuch kann zwar im Einzelfall Impulse setzen, aber nicht die langfristige, kontinuierliche Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Faschismus, Demokratie, Geschichte und Menschenrechten ersetzen. Gedenkstättenpädagog:innen haben zuweilen den Eindruck, sie hätten den Auftrag, ein Allheilmittel gegen Rechtsextremismus bereitzustellen. „Neben der Forderung, den antifaschistischen Schleudergang anzuwerfen, sehen sie sich mit dem Anspruch konfrontiert, ‚Orte des gesellschaftlichen Recyclings‘ zu sein“, analysiert Geschichtsdidaktikerin Cornelia Chmiel (2021). Auch für Lehrkräfte ist eine Gedenkstättenfahrt eine besondere Herausforderung: Einerseits sollen sie Exkursionen organisieren, pädagogisch einbinden und nachbereiten. Dabei fehlen oft ausreichende zeitliche oder finanzielle Ressourcen.
Andererseits stehen sie unter dem Druck, den Besuch als moralisches Schlüsselerlebnis zu gestalten. Parallel dazu bleiben der Bildungssektor und die Gedenkstättenpädagogik jedoch chronisch unterfinanziert. Nicht zuletzt fällt das wichtige Vermittlungsformat Zeitzeug:innengespräch weg, da es kaum noch Überlebende gibt, die ihre Geschichten persönlich erzählen können.

Für Schüler:innen ist der Gedenkstättenbesuch ebenfalls nicht einfach. Sie sehen sich häufig unausgesprochenen Erwartungen gegenüber: Sie sollen betroffen, still, würdevoll und nachdenklich sein. Die Idee, dass man sich die Schrecklichkeit der NS-Verbrechen vor Ort besser vorstellen könne, ist weit verbreitet und problematisch. Zwar können Gedenkstätten emotionale Zugänge eröffnen, doch wie intensiv und reflektiert diese Erfahrung ist, hängt stark vom jeweiligen Vorwissen, der Offenheit und inneren Beteiligung der Schüler:innen ab. Nicht alle fühlen an einem solchen Ort dasselbe und nicht jede Reaktion entspricht den normierten Erwartungen an angemessenes Verhalten. Kichern und Unruhe können beispielsweise auch eine Reaktion auf Stress und Überforderung sein.

Ein zusätzliches Spannungsfeld entsteht durch die Erwartung, einen authentischen Eindruck zu bekommen. KZ-Gedenkstätten sind zwar an den tatsächlichen Lagerorten eingerichtet worden, sie sind jedoch keine erhaltenen Originalschauplätze, sondern rekonstruierte, symbolische und ihrerseits wiederum historische Erinnerungsräume. Trotzdem existiert die Vorstellung, dass dort eine Art Wahrheit oder Essenz der Geschichte sicht- und spürbar sei. Dies birgt das Risiko, dass Besucher:innen enttäuscht, unzufrieden oder verwirrt sind, wenn sich der Besuch nicht als emotional erschütterndes Erlebnis gestaltet. An der Stelle ist es hilfreich, wenn sich alle Beteiligten bewusst machen, dass Betroffenheit und Trauer erstens nicht das einzige Anzeichen für Empathie sind und zweitens keine Voraussetzung für ein kritisches Bewusstsein darstellen, sondern höchstens ein Auslöser sein können.

Handlungsempfehlungen für Gedenkstättenbesuche mit Schulklassen

Um das Potenzial einer Gedenkstättenfahrt voll zu entfalten, bedarf es einer sorgfältigen Planung und einer guten pädagogischen Einbettung. Der Besuch sollte besser nicht als Einstieg in das Thema dienen, sondern auf bereits im Unterricht erarbeitetem Wissen aufbauen. Ab Klasse 9 lässt sich eine thematische Verankerung gut realisieren, zum Beispiel im Kontext des Basismoduls „Demokratie und Diktatur“ der Doppeljahrgangsstufen 9/10, das im Fach Geschichte in Berlin-Brandenburg vorgesehen ist. Doch auch die anderen gesellschaftswissenschaftlichen Fächer und Deutsch, Kunst, Musik sowie Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde bieten Anknüpfungspunkte an die jeweiligen Rahmenlehrpläne. Im Rahmen des Deutschunterrichtes kann sich beispielsweise auf zum Thema gelesene Gedichte oder Bücher bezogen werden. Die Fächer Kunst und Musik bieten die Möglichkeit, sich mit im KZ entstandenen Kunstwerken oder Musikstücken auseinanderzusetzen. Auch während des Gedenkstättenbesuchs können Schwerpunkte wie „Religion im KZ“ den Bezug zum jeweiligen Unterricht herstellen. Die Pädagog:innen vor Ort richten sich gern nach den spezifischen Interessen ihrer Gruppen. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass es Fälle gibt, in denen ein Besuch schon in der 8. oder sogar bereits in der 7. Klasse zumutbar und lohnenswert sein kann. Da gerade in der Pubertät der Reifegrad innerhalb einer Gruppe stark schwanken kann, ist hier jedoch die Einschätzung der involvierten Pädagog:innen entscheidend.

Für den Besuch von Schulklassen kann es sich als Interner Link: sinnvoll erweisen, kleinere Einrichtungen auszuwählen, die sich in unmittelbarer Nähe befinden. Lokale Gedenkstätten bringen Schüler:innen nicht nur mit der Geschichte ihrer Region in Berührung. Fahrten dorthin sparen auch Zeit und Kosten. Schulklassen leisten durch ihren Besuch einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung dieser oftmals unterfinanzierten Einrichtungen. Während große, prominente Gedenkstätten in den letzten Jahren einen stetigen Zuwachs an Besucher:innen verzeichnen, leiden viele kleinere Gedenkorte unter geringer Aufmerksamkeit. Ihre Einbindung in schulische Bildungsarbeit bedeutet deshalb, sich aktiv für eine vielfältige Erinnerungskultur einzusetzen.

Es empfiehlt sich, möglichst früh mit der jeweiligen Gedenkstätte Kontakt aufzunehmen, da die Kapazitäten der pädagogischen Abteilungen stark begrenzt und oft schon Monate im Voraus ausgeschöpft sind. Für die Mitarbeitenden ist es zudem sehr hilfreich, Informationen zum Wissensstand und zum sozialen sowie politischen Hintergrund der Schüler:innen zu erhalten. Die offene Thematisierung rechtsextremer Einstellungen ist hierbei immer willkommen und braucht nicht angst- oder schambehaftet zu sein (siehe Abschnitt 4).

Wünschenswert ist eine tiefergehende, inhaltliche Vorbereitung. Diese sollte sich konkret auf den Ort beziehen und wenigstens ein paar knappe Fakten zur Geschichte des jeweiligen Lagers beinhalten. Für die Schüler:innen kann es beispielsweise beeindruckend sein, sich mit einer oder mehreren Einzelschicksalen auseinanderzusetzen und sich beim Gedenkstättenbesuch an das im Unterricht Gehörte oder Gelesene zu erinnern. Bei der Auswahl von Begleitfilmen ist Vorsicht geboten: Nicht wenige, bekannte (Hollywood-)Inszenierungen beinhalten zahlreiche Klischees und sind historisch ungenau oder sogar teilweise falsch. Empfehlenswert sind „Die Fälscher“, „Das Leben ist schön“, die Dokumentation „Das radikal Böse“ oder „The Zone of Interest“, letzterer eher für die Sekundarstufe II. (Eine Auswahl pädagogischer Begleitmaterialen zu den Filmen finden Sie am Ende des Textes.)

Je mehr Zeit für einen Gedenkstättenbesuch vorhanden ist, desto besser. Der Druck im regulären Schulalltag und die massive Unterfinanzierung erschweren die Umsetzung von Ein- oder Mehrtagesprojekten jedoch in erheblichem Maße. Diesbezüglich können thematische Kursfahrten oder Projektwochen eine Alternative darstellen. Gedenkstätten bieten verschiedene Formate an, die Interner Link: über eine einfache Führung hinausgehen, auf die Aktivierung und Selbstbeteiligung der Schüler:innen abzielen und trotzdem in einen straffen Zeitplan integriert werden können. Fragen zu Materialien für die Vorbereitung oder zum konkreten Ablauf können im Voraus an die Mitarbeitenden gerichtet werden. Auch ein Blick auf die Website der jeweiligen Gedenkstätte ist hilfreich. Nicht selten finden sich dort Literaturtipps, weiterführende Links oder von Pädagog:innen entwickelte Arbeitsblätter, die für die Vorbereitung sowie während des Aufenthalts genutzt werden können und zum kostenlosen Download bereitstehen.

Für jeden Lernprozess ist eine freiwillige Teilnahme förderlich. Wenn Schüler:innen im Vorfeld persönliche Neugier und eigene Fragen entwickelt haben, werden sie die Zeit in der Gedenkstätte für sich besser nutzen können. Ein großer Vorteil ist zudem, wenn in der Gruppe eine offene Gesprächsatmosphäre herrscht und bestimmte Reflexionsmethoden eingeübt wurden. Beispielsweise ist es hilfreich, wenn die Schüler:innen daran gewöhnt sind, ihre Position oder ihre Gefühle auf einer Skala einzuordnen und darüber zu sprechen. In jedem Fall ist es wichtig, die Jugendlichen zu ermutigen, ihre eigenen Interessen zu äußern. Während des Besuchs sollten außerdem genug Pausen und wenn möglich auch Raum für individuelle Zeit eingeplant werden.

Der Nachbereitung kommt eine ebenso wichtige Bedeutung zu. Die Schüler:innen sollten direkt in der Gedenkstätte die Möglichkeit bekommen, abschließende Fragen zu stellen und Feedback zu geben. Da es jedoch immer etwas Zeit braucht, Erlebtes zu verarbeiten, kann es aufschlussreich sein, mit einem gewissen Abstand auf die Zeit in der Gedenkstätte zurückzublicken. Besonders nachhaltig ist es, wenn Platz für kreative und individuelle Verarbeitungsformen – zum Beispiel kurze Videos, Podcasts oder kleine Ausstellungen – vorhanden ist. Hierbei werden nicht nur die eigenen Gedanken vertieft, sondern es wird zusätzlich wichtige Öffentlichkeit für das Thema erzeugt.

Hinweise für den Umgang mit rechtsextremen Einstellungen

Die Konfrontation mit rechten und rechtsextremen Widerständen gehört für Lehrkräfte und Gedenkstättenpädagog:innen zum Alltag. Sich dagegen zu positionieren ist immens wichtig, hat aber nicht selten Angriffe und Bedrohungen zur Folge. Das klare Benennen menschenfeindlicher Haltungen darf trotzdem kein Tabu sein. Die Einbindung von Kolleg:innen oder externen Beratungsstellen kann beispielsweise helfen, Handlungssicherheit zu gewinnen. Sich zu vernetzen und zu informieren, stärkt in jedem Fall das eigene Selbstbewusstsein. Nicht zuletzt braucht es eine klare Haltung der Schulleitung, um Lehrkräften den Rücken zu stärken.

Vor der Fahrt sollte die Kommunikation mit Eltern und Schüler:innen offen, transparent und nicht beiläufig stattfinden. Rechtsextremen Einstellungen wird indirekt bereits begegnet, wenn der pädagogische Wert des Besuchs ausgeführt und die Regeln währenddessen klar vermittelt werden. Ein besonderer Widerspruch zeigt sich hierbei in der Frage der Freiwilligkeit. Wie eben erwähnt, wirken Bildungsangebote stärker, wenn sie selbst gewählt sind. Im Falle rechtsextremer Einstellungen kann diese Freiheit jedoch ausgenutzt werden. Hier gilt es abzuwägen, da die Schule keine Rückzugsräume für menschenfeindliche Überzeugungen schaffen darf. Zugleich muss aber verhindert werden, dass eine erzwungene Teilnahme zu Eskalationen führt. Bei berechtigten Sicherheitsbedenken können und sollten die betreffenden Schüler:innen ausgeschlossen werden. Hierbei muss jedoch darauf geachtet werden, dass die Nicht-Teilnahme nicht als Vorteil oder als Belohnung empfunden wird, denn das Gegenteil trifft zu: Bildung ist ein Recht und ein hohes Gut. Wer sich entzieht, beschneidet und beschränkt sich selbst. Diese Perspektive sollte eingenommen und deutlich gemacht werden.

Seit einigen Jahren wird vermehrt das Thema KZ-Gedenkstättenfahrten mit migrantisch beziehungsweise postmigrantisch geprägten Gruppen oder Schulklassen diskutiert. In diesem Zusammenhang ist es einerseits notwendig, Antisemitismus, Faschismus und antidemokratische Einstellungen nicht als exklusiv deutsches Problem zu betrachten, sondern Geschichte und Kultur europäischer und außereuropäischer Länder miteinzubeziehen. Auch hier gilt, dass ein Gedenkstättenbesuch verfestigte Glaubenssätze nicht einfach auflösen kann. Um mit israelbezogenem Antisemitismus umzugehen, benötigt es beispielsweise einer umfassenden Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nahostkonflikts. Andererseits ist es genauso wichtig, Antisemitismus oder Sexismus nicht automatisch auf bestimmte Communities zu projizieren. Eigene Vorurteile müssen hinterfragt werden, denn es besteht die Gefahr, rassistische, islamfeindliche Stereotype zu bedienen oder die deutschen Anteile und die deutsche Verantwortung zu relativieren.

Eine andere Problematik soll an dieser Stelle nicht vergessen werden: Wenn eine KZ- Gedenkstättenfahrt mit sogenannten Willkommensklassen geplant wird, sollten die Organisator:innen bedenken, dass Schüler:innen mit Kriegs- oder Fluchterfahrungen retraumatisiert werden könnten. Ein vertrauensvolles, vorbereitendes Gespräch und die Sensibilisierung der Gedenkstättenpädagog:innen kann diesbezüglich Abhilfe schaffen.

Während des Aufenthalts ist in jedem Fall ein geschützter (Lern-)Raum sicherzustellen. Das involviert zunächst den Hinweis darauf, dass eine Gedenkstätte nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung, sondern auch ein Ort der Erinnerung und Totenehrung ist, an dem sich mitunter Angehörige und Betroffene aufhalten. Rechtsextreme Provokationen, etwa durch bestimmte Kleidung oder gezielte Störungen, müssen konsequent adressiert und gegebenenfalls sanktioniert werden. Disziplinarische Maßnahmen sind an der Stelle nicht autoritär oder gar diktatorisch, sondern Ausdruck einer starken, demokratischen Haltung.

Sofern organisatorisch möglich, sollten strukturelle Maßnahmen bedacht werden. Bei jahrgangsweiten Exkursionen wäre zum Beispiel denkbar, bestehende Cliquen oder Klassenverbände gezielt aufzulösen, um auf diese Weise problematische Gruppendynamiken zu durchbrechen. Schließlich ist auch die Auswahl der pädagogischen Formate entscheidend. Freiarbeit oder unbeaufsichtigte Phasen sind bei auffälligen Schüler:innen nicht zu verantworten. Die Gefahr gezielter Provokationen oder strafbarer Handlungen ist zu groß, wie die zuletzt bekannt gewordenen Vorfälle in Auschwitz-Birkenau zeigen (MDR Sachsen 2025). Stattdessen braucht es klar geführte und eng begleitete Angebote, um zu verhindern, dass eine Gedenkstättenfahrt dazu führt, dass Rechte darin eine Mutprobe entdecken, sich danach in ihren Kreisen brüsten und am Ende noch Applaus oder neue Follower:innen generieren.

Abschließend bleibt zu sagen, dass Lehrkräfte dringend mehr und besser auf den Umgang mit Rechtsextremismus, Antisemitismus, Islamismus, Rassismus, Misogynie, Homo- und Transfeindlichkeit vorbereitet sein müssen. In der gedenkstättenpädagogischen Praxis lässt sich immer wieder beobachten, wie unsicher Lehrer:innen in dieser Hinsicht häufig sind. Fortbildungen zu demokratischer Schulentwicklung, Extremismusprävention, Diskriminierung und digitaler Medienkompetenz sollten fester Bestandteil schulischer Qualifikation werden. Noch besser wäre eine deutschlandweite, feste Verankerung in allen pädagogischen Lehrplänen, Ausbildungen und Studiengängen.

Vorschlag für ein gedenkstättenpädagogisches Konzept zum Thema Rechtsextremismus

Ein Konzept zu diesem Thema sollte flexibel genug sein, um an die konkrete Situation der Klasse angepasst zu werden. Hierfür sind folgende Bausteine denkbar:

  1. Vorbereitung:

    • Einführung in aktuelle rechtsextreme Ideologien und Erscheinungsformen (zum Beispiel durch Fallbeispiele oder Kurzfilme)

    • Reflexion über Demokratieverständnis und persönliche Werte

  2. Während des Besuchs:

    • Rundgang mit Schwerpunkt auf Herkunft der Opfer und diverse Opfergruppen

    • Gruppenarbeit a) Ausbildung, Ideologie und Arbeitsalltag von Täter:innen

    • Gruppenarbeit b) Perspektive von Häftlingen auf die SS

    • Gruppenarbeit c) Biografien von Täter:innen nach 1945 und Kontinuitäten rechter Ideologien bis heute

  3. Nachbereitung:

    • Analyse rechtsextremer Strategien in sozialen Medien – Recherche zu Revisionismus/ Relativierung/ Leugnung im Netz

    • Entwicklung von eigenen Projekten gegen Rassismus oder Antisemitismus in der Schule

    • Einladung zivilgesellschaftlicher Akteur:innen oder Initiativen zur Diskussion

Die einzelnen Bausteine können im Ganzen oder nur teilweise durchgeführt werden. Je nachdem, wie viel Zeit zur Verfügung steht, können Vor- und Nachbereitung beispielsweise in ein bis zwei Unterrichtsstunden oder aber auch an einem gesamten Projekttag erfolgen.

Auswahl pädagogischer Begleitmaterialien zu den genannten Filmen

Filmbildungsportal der Bundeszentrale für politische Bildung (2024): The Zone of Interest. Filmbesprechung inkl. Arbeitsblatt. Online unter: Externer Link: www.kinofenster.de/51172 (abgerufen am 04.08.2025).

Filmbildungsportal der Bundeszentrale für politische Bildung (2024): Das Leben ist schön. Filmbesprechung. Online unter: Externer Link: www.kinofenster.de/16563 (abgerufen am 04.08.2025).

Hasel, Eva (2024): The Zone of Interest. Filmheft mit Materialien für die schulische und außerschulische Bildung. Online unter: Externer Link: https://www.visionkino.de/fileadmin/user_upload/Unterrichtsmaterial/filmhefte/Viki-Filmheft-Nr37-THE_ZONE_OF_INTEREST.pdf" (abgerufen am 03.07.2025).

Stauer, Ute (2001): Das Leben ist schön. Filmheft. Online unter: Externer Link: https://www.erinnern.at/bundeslaender/kaernten/unterrichtsmaterial/copy_of_filme/501_Das%20Leben%20ist%20schon%20-%20Filmheft.pdf (abgerufen am 02.07.2025).

Wahl, Niko/Markt Sebastian (o.D.): Die Fälscher. Filmheft - Materialien für den Unterricht. Online unter: Externer Link: https://schulkino.vodclub.online/wp-content/uploads/2023/08/Die-Faelscher_Unterrichtsmaterial.pdf (abgerufen am 03.07.2025).

Ziemann, Luc-Carolin (o.D:): Das radikal Böse. Unterrichtsmaterial. Online unter: Externer Link: https://www.erinnern.at/media/0deb4e54d5968866f0bac667085eca0f/Schulenmaterial_dasradikalboese.pdf (abgerufen am 03.07.2025).

Weitere Inhalte

Friederike Krebs ist als freiberufliche Referentin in verschiedenen Gedenkstätten in Berlin und Brandenburg tätig. Zusätzlich arbeitet sie als Fachkraft und Beraterin im Bereich Diversity, Antidiskriminierung und Veranstaltungsmanagement.