„Wir sitzen vor dem Museum Peršmanhof unter dem Dach auf Bierbänken und horchen gerade einem Vortrag über den ukrainischen Widerstand“, schreibt eine Teilnehmerin eines antifaschistischen Bildungscamps im Sommer 2025. „Plötzlich rollen die ersten vier Polizeiautos die Forststraße herauf.“ Polizeibeamte seien mit gezogener Waffe auf die Teilnehmer:innen zugekommen, es kam zu Verhaftungen, die Lage eskalierte: Ein Polizeihubschrauber umkreiste den Hof, ein Polizeihund wurde angefordert, später auch stärker bewaffnete Beamte eines Sondereinsatzkommandos. Am Ende sollen rund 30 Polizist:innen vor Ort gewesen sein. Viereinhalb Stunden dauerte der Einsatz.
Der Peršmanhof in Kärnten war während des Zweiten Weltkriegs ein Stützpunkt von Partisan:innen, die von hier aus ihren Widerstand gegen die Nazidiktatur organisierten. Ende April 1945 verübte die SS dort ein Massaker an elf Zivilist:innen. Seit 1983 ist der frühere Bauernhof ein Museum und Zentrum der Gedenk- und Erinnerungskultur der Kärntner Slowenen, zu denen die Opfer zählten. Im Sommer 2025 fand dort ein antifaschistisches Bildungscamp mit bis zu hundert Teilnehmer:innen statt, wie schon im Vorjahr organisiert vom Klub slovenskih študentk*študentov na Dunaju/Klub der slowenischen Studierenden in Wien (KSŠŠD). Laut den Veranstalter:innen wurden Workshops zur Erinnerungskultur, zur politischen Lage und zur sozialen und ökologischen Zukunft gegeben. Die Polizei begründete ihren Einsatz mit dem Vorwurf, die größtenteils jungen Aktivist:innen hätten gegen das Naturschutzgesetz verstoßen, indem sie Zelte auf der Wiese beim Peršmanhof aufgestellt hatten.
Wie genau es zu dieser überbordenden Polizeiaktion kam, die diplomatische Verstimmungen zwischen der Republik Österreich und Slowenien auslöste, untersucht nun eine eigens vom Innenministerium eingesetzte Untersuchungskommission. Fest steht aber bereits: Die Vorfälle am Peršmanhof zeigen schon jetzt, dass die Gedenk- und Erinnerungskultur in Österreich auch achtzig Jahre nach Zusammenbruch der Nazidiktatur durchaus fragil ist.
Nachwirkungen des Mythos vom ersten Opfer
Die österreichische Erinnerungskultur wurde nach 1945 über einen längeren Zeitraum vom Mythos verdrängt, dass Österreich im Jahr 1938 mit der als „Anschluss“ bezeichneten Annexion das vermeintlich erste Opfer der nationalsozialistischen Aggression gewesen sei. Die im Rahmen des nationalsozialistischen Terrorregimes von Österreicher:innen verübten Verbrechen wurden dagegen erst vergleichsweise spät und anfangs auch nur punktuell diskutiert. Erst mit dem Jahr 1986, dem Jahr, in dem sich der Bundespräsidentschaftskandidat Kurt Waldheim seiner Nazi-Vergangenheit stellen musste und mit einem „Jetzt erst recht!“ von 53,9 Prozent der wahlberechtigten Bürger:innen zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt wurde und speziell mit dem Gedenkjahr 1988,
Gleichzeitig spielt in Österreich der institutionalisierte Rechtsextremismus bereits seit Jahrzehnten eine zentrale Rolle in der Landes- und Bundespolitik. Hier konnten die als „Ehemalige“ bezeichneten Altnazis bereits kurz nach der Befreiung vom Nationalsozialismus eine eigene Partei gründen und bei Wahlen antreten.
Das Gedenken an die Opfer des Holocaust und die Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen lag hingegen vielfach in der Hand engagierter Bürger:innen. Bis heute werden in Österreich Orte der Erinnerung sehr stark von privaten Initiativen getragen, wie etwa auch der Peršmanhof in Kärnten.
Kein Gedenken mit Rechtsextremisten in Mauthausen
Ein zentraler Ort des Gedenkens an die Verbrechen des Nationalsozialismus ist die KZ-Gedenkstätte Mauthausen, heute „Mauthausen Memorial“, in Oberösterreich. Hier wurden zwischen dem 8. August 1938 und der Befreiung am 5. Mai 1945 insgesamt 190.000 Menschen gefangen gehalten und davon mindestens 90.000 ermordet. Damit war das KZ Mauthausen eines der letzten nationalsozialistischen Konzentrationslager, die befreit wurden. Es ist den Überlebenden der Nazidiktatur zu verdanken, dass dieser Ort bis heute ein Ort der Erinnerung ist.
Jedes Jahr an einem Sonntag im Mai ist die
„Die Überlebenden des KZ Mauthausen haben hier vom ersten Tag an eine klare Trennlinie gesetzt“, sagt Mernyi. Zur jährlichen Befreiungsfeier erscheinen stets der Bundespräsident der Republik Österreich, Mitglieder der Bundesregierung, Staatsgäste aus dem Ausland, „aber für Rechtsextreme gibt es bei dieser Veranstaltung keinen Platz“.
Nach der Befreiung 1945 fiel Mauthausen erst in die Zuständigkeit der sowjetischen Besatzungsbehörden, ehe der Lagerkomplex 1947 der Republik Österreich übergeben wurde – mit der Verpflichtung, das Lager als Denkmal zur Erinnerung an die Opfer zu erhalten. Trotz dieser Verpflichtung wurden die meisten Baracken abgerissen und es wurde sogar der vollständige Abbau des Lagers erwogen, berichtete Wolfgang Neugebauer, der damalige Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands, 1995 in einem Artikel in den Salzburger Nachrichten (Neugebauer 1995). Erst 1949 wurde auf Initiative der ehemaligen Häftlinge in Mauthausen in Anwesenheit von Leopold Figl, dem ersten Bundeskanzler des freien Österreich nach 1945, eine Gedenkstätte eröffnet. Der konservative Politiker Figl war selbst Mauthausen-Häftling gewesen und hatte drei Konzentrationslager überlebt. 1970 eröffnete der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky das Museum von Mauthausen. Der Sozialdemokrat Kreisky war selbst vor den Nationalsozialisten ins schwedische Exil geflohen und 1950 nach Österreich zurückgekehrt. Ab diesem Zeitpunkt stieg auch die Beteiligung von hochrangigen österreichischen Politiker:innen an den Befreiungsfeiern.
Zwischen Mauthausen Komitee und FPÖ herrscht Misstrauen
Bis heute ist Mauthausen mit seinen rund 270.000 Besucher:innen (Mauthausen Memorial 2024) der zentrale Ort der Erinnerung in Österreich. Als die FPÖ unter ihrem damaligen Parteichef Jörg Haider im Jahr 2000 gemeinsam mit der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) eine Regierung bildete, änderte dies nichts an der Position des Mauthausen Komitees, Rechtsextreme von der jährlichen Befreiungsfeier auszuschließen: Auch als Regierungspartei wurde die FPÖ nicht zu den Befreiungsfeiern eingeladen. „Und das wurde von den anderen Parteien stets akzeptiert“, sagt der MKÖ-Vorsitzende Mernyi.
Als die FPÖ von 2017 bis 2019 wieder Teil der österreichischen Bundesregierung war, herrschte erneut Funkstille: Obwohl das Mauthausen Memorial als Bundesanstalt des öffentlichen Rechts aus den Mitteln des Innenministeriums finanziert wird und daher regelmäßig mit den Innenminister:innen konferierte, riss der Gesprächsfaden 2017 wieder ab. Denn mit Herbert Kickl war das Innenministerium erstmals in der Hand der FPÖ. Kickl habe während seiner Amtszeit kein einziges Mal das Gespräch gesucht, „und wir auch nicht mit ihm“, berichtet Mernyi, aber er habe die finanziellen Mittel der Gedenkstätte nicht gekürzt.
Sowohl die staatliche Gedenkstätte Mauthausen Memorial als auch das zivilgesellschaftliche Mauthausen Komitee sind in Österreich und international anerkannt und etabliert. Das sei auch der FPÖ klar. Sie wisse, dass es ihr politisch schaden würde, wenn sie versuchen würde, das Mauthausen Komitee anzugreifen, meint Mernyi. Die Bekanntheit und öffentliche Anerkennung des Komitees scheinen hier einen entsprechenden Schutz zu bieten.
Ähnlich verhielt es sich bei der Neugestaltung der österreichischen Länderausstellung in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz, die vom österreichischen Parlament freigegeben werden musste: Inhaltlich mischte sich die FPÖ in keiner Weise ein. „Die damals von der FPÖ nominierte Nationalratsabgeordnete wollte nur wissen, ob die Neugestaltung zusätzliche Kosten verursacht“, erinnert sich Hannes Sulzenbacher, Historiker und damaliger Leiter des kuratorisch-wissenschaftlichen Teams für die Neugestaltung der österreichischen Ausstellung im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau.
Zumindest Nationalratspräsident Walter Rosenkranz von der FPÖ versuchte kurz nach seiner Wahl im Herbst 2024, anderslautende Zeichen zu setzen. Als offizieller Vertreter der Republik Österreich wollte er im Rahmen der Gedenkfeiern rund um den Jahrestag der Novemberpogrome von 1938 einen Kranz am Holocaustdenkmal in der Wiener Innenstadt ablegen. Er wurde aber von jüdischen Demonstrant:innen daran gehindert, die das Denkmal mit einer Menschenkette vor dem Politiker schützten. Sie hatten unter anderem mit dem Slogan „Wer Nazis ehrt, dessen Wort ist nichts wert!“ gegen Rosenkranz protestiert.
Allerdings richtete erst im Juni 2025 der FPÖ-Generalsekretär und Nationalratsabgeordnete Michael Schnedlitz eine parlamentarische Anfrage mit dem Betreff „Wie viel Steuergeldmillionen verschlingt das NGO-Business in Österreich?“ an das Bundeskanzleramt, das Vizekanzleramt und sämtliche Ministerien. Er fragte darin an, ob und welche Zahlungen es unter anderem an das Mauthausen Komitee gab, ob die vertrags- und rechtskonforme Mittelverwendung eingehalten werde sowie ob „ein Mitarbeiter Ihres Kabinetts oder Ihrer Partei Mitglied, Mitarbeiter oder Aktivist” von NGOs wie dem Mauthausen Komitee sei (vgl. Parlament Österreich 2025: 98). Zwar haben Nationalratsabgeordnete im Rahmen ihres Interpellationsrechtes das parlamentarische Recht, Anfragen an die Regierung zu stellen. In diesem Fall bleibt aber der Eindruck, mit derartigen Anfragen solle der politische Druck auf NGOs, wie das Mauthausen Komitee, erhöht werden.
31 rechtsextreme Angriffe auf österreichische Gedenkstätten im Jahr 2024
Auch Jahre später noch zeugen helle Flecken auf den Stelen des niederländischen Denkmals in der Gedenkstätte Mauthausen von den Hakenkreuzschmierereien, die dort 2020 entdeckt und entfernt wurden. (© Hendrik Gunz)
Auch Jahre später noch zeugen helle Flecken auf den Stelen des niederländischen Denkmals in der Gedenkstätte Mauthausen von den Hakenkreuzschmierereien, die dort 2020 entdeckt und entfernt wurden. (© Hendrik Gunz)
Ein zahlenmäßig erfasstes Problem sind in Österreich Schändungen von Gedenkorten durch Unbekannte. Allein im Jahr 2024 wurden 32 Angriffe auf Gedenkstätten in Österreich dokumentiert, 31 davon hatten laut Verfassungsschutz einen rechtsextremen Hintergrund. Zwischen 2012 und 2020 wurden mindestens 177 Angriffe auf Gedenkstätten in Österreich dokumentiert, darunter 29 in der Gedenkstätte Mauthausen (Kern 2025). Im Mai 2022 wurde bekannt, dass das Denkmal der Bundesrepublik Deutschland in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen geschändet worden war. „
Allerdings konnten bei den Sachbeschädigungen an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen in den allermeisten Fällen die Täter:innen nicht ermittelt werden. In Mauthausen wurde nun mit Jahresbeginn 2025 eine Videoüberwachung im Eingangsbereich der Gedenkstätte umgesetzt.
Kampf gegen Denkmäler
Weniger Zurückhaltung zeigt die FPÖ bei neuen Gedenkprojekten. Hier gab es in der Vergangenheit immer wieder Versuche von FPÖ-Politiker:innen, die Errichtung zu verhindern. Exemplarisch ist das Verhalten der FPÖ in der Diskussion um ein „Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz“, das im Oktober 2014 an einem zentralen Platz in Wien eröffnet wurde. Dieses Denkmal, das an von Nationalsozialisten verfolgte Deserteure und „Wehrkraftzersetzer“ erinnert, hat seinen Platz direkt neben dem Heldenplatz und zwischen dem Sitz der Regierung und der Hofburg, dem Sitz des Bundespräsidenten. Durchgesetzt wurde dieses Denkmal federführend vom Deserteur und NS-Widerstandskämpfer Richard Wadani und dem „Personenkomitee Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“. Wadani war aus der deutschen Wehrmacht desertiert und kämpfte in der britischen Armee für die Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus. Nach 1945 setzte er sich jahrzehntelang für die Anerkennung von Deserteuren aus der Wehrmacht als Widerstandskämpfer ein. Erst 2009 wurden Wehrmachtsdeserteure in Österreich offiziell rehabilitiert. Die FPÖ sprach sich von Anfang an gegen dieses Denkmal aus, kritisierte, dass mit diesem Denkmal „die Generation von Weltkriegsteilnehmern nachträglich ins Eck gestellt“ werde (FPÖ Wien 2012). Aber nicht nur die FPÖ protestierte, auch der Kameradschaftsbund, eine Vereinigung aktiver und ehemaliger Soldaten, sowie Kriegsveteranen-Vertreter sprachen sich gegen ein solches Denkmal aus.
In der Vergangenheit wurde dieses Denkmal, das vom Künstler bewusst als begehbares Denkmal gestaltet wurde, mehrfach von Rechtsextremen zweckentfremdet. Bei einer Demonstration gegen einen vorgeblichen „Asylwahn“ im Jahr 2015 stellten rechtsextreme Redner:innen ihr Rednerpult auf dem Sockel des Denkmals auf (Fiedler 2015), 2017 gab es einen ähnlichen Vorfall (Parlament Österreich 2018).
Allerdings sperrt sich die FPÖ nicht immer und nicht grundsätzlich bei allen Projekten. Was die Errichtung eines Erinnerungsortes für die von den Nationalsozialisten verfolgten Sinti:zze und Rom:nja betrifft – in Österreich fehlt bis heute eine zentrale Gedenkstätte für diese Opfergruppe –, sprach sich Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) erst im April 2025 für die Errichtung eines solchen Denkmals aus. Dies sei „ein längst überfälliger Schritt“, erklärte Rosenkranz bei einer Veranstaltung zum internationalen Rom:nja-Gedenktag im österreichischen Parlament und forderte einen würdevollen Gedenkort „in Abstimmung mit der Volksgruppe“.
Eigene „Gedenkkultur“
Häufiger als direkte Angriffe auf Gedenkorte ist die Schaffung alternativer Orte des Gedenkens durch FPÖ und rechtsextreme Bewegungen in Österreich zu beobachten. Als die Republik Österreich 2020 den 75. Jahrestag zum Ende des Zweiten Weltkriegs beging, legte die damalige FPÖ-Spitze parallel zum öffentlichen Gedenken einen Kranz am von der FPÖ auf einem Privatgrund errichteten „Trümmerfrauendenkmal“ nieder. Seit 1986 forderte die FPÖ ein solches Denkmal, das an österreichische Frauen erinnern soll, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges das vom Krieg zerstörte Land aufgebaut hatten – so zumindest der Mythos. 2018 enthüllte schließlich der damalige Vizekanzler und FPÖ-Chef, Heinz-Christian Strache, ein solches „Trümmerfrauendenkmal“ auf einem privaten Grundstück im Stadtzentrum von Wien. Der Grünstreifen sowie auch die etwa 60.000 Euro Errichtungskosten wurden von einem privaten Investor gespendet (vgl. Kronsteiner 2018). Der Mythos „Trümmerfrauen“ ist längst von der Wissenschaft widerlegt worden (vgl. Österreichische Akademie der Wissenschaften 2025). Es waren demnach oft ehemalige Nationalsozialistinnen, die zum Wiederaufbau zwangsverpflichtet worden waren. Strache hingegen sagte damals laut ORF, die betroffenen Frauen seien Opfer von Kriegen gewesen und in der Regel nicht an den Taten des NS-Regimes beteiligt gewesen – mit Ausnahme der einen oder anderen NSDAP-Mitgliedschaft. „Die Masse aber waren Opfer“, wurde Strache zitiert (ORF 2018).
Ein weiteres Denkmal als Pilgerort für Rechtsextreme schuf die FPÖ indirekt selbst. Im Juni 2003 wurde das Ehrengrab des NS-Fliegermajors Walter Nowotny auf dem Wiener Zentralfriedhof vom Gemeinderat offiziell aberkannt. Nowotny war ab 1938 Mitglied der NSDAP und flog im Zweiten Weltkrieg mehr als 400 Einsätze, bis er im November 1944 von US-Militärfliegern abgeschossen wurde. Sein Begräbnis wurde vom NS-Regime für Propaganda verwendet. Nowotny wurde in einem Ehrengrab der Stadt Wien begraben und behielt diesen Ehrenstatus bis eben ins Jahr 2003. Dann wurde das Grab in ein einfaches Soldatengrab umgewidmet, doch weder der Standort wurde geändert, noch die Aufschrift auf dem Grabstein: „Ewig ist der Toten Tatenruhm“. Als Reaktion auf die formale Aberkennung formierte sich aus dem Umfeld der FPÖ der „Verein zur Pflege des Ehrengrabs Walter Nowotny“, deren Obmann seit November 2024 Dieter Dorner, Landtagsabgeordneter der FPÖ Niederösterreich, ist.
Seit der Aberkennung des Ehrengrabstatus diente die Grabstelle mehrfach als Aufmarschort für die rechtsextreme Szene in Österreich: Bis zu 300 Teilnehmer:innen sind für dieses „Heldengedenken“ am Nowotny-Grab dokumentiert (Bundesministerium für Inneres 2019).
Neue Formen der Erinnerungskultur
Sowohl die Geschichte des Mauthausen Memorial als auch der Peršmanhof in Kärnten belegen die hohe Bedeutung zivilgesellschaftlicher Akteur:innen in der Gedenk- und Erinnerungsarbeit. Es waren nach 1945 nicht die politischen Repräsentanten, sondern Holocaust-Überlebende, die den Grundstein dafür legten, dass in Österreich Orte der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus entstanden – und so entstanden nicht nur Orte der Erinnerung, sondern auch der Aufklärung über Österreichs Verantwortung für das NS-Unrechtsregime und die Verbrechen des Holocausts.
Bis heute sei die Abgrenzung zu rechtsextremen Parteien und Gruppierungen für das Gedenken wesentlich, sagt Mauthausen Komitee-Vorsitzender Mernyi: „Es ist wichtig, klar zu zeigen, dass bei Gedenkveranstaltungen für Rechtsextreme kein Platz ist.“ An allen anderen Tagen des Jahres seien Repräsentant:innen der FPÖ aber herzlich willkommen, die Gedenkstätte zu besuchen und sich mit diesem dunklen Kapitel aus Österreichs Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Fehlende Trennlinie
Die klare Abgrenzung, die von den Überlebenden des KZ Mauthausen von Anfang an gesetzt wurde, gab es von den politischen Verantwortlichen des Landes über Jahrzehnte nicht. Lange wurden rechtsextreme, revisionistische Aufmärsche toleriert und sogar unterstützt – und das nicht nur von der FPÖ. Auf dem Ulrichsberg, einem Berg in Privatbesitz in Kärnten, versammelten sich seit 1958 Veteranen der deutschen Wehrmacht und der Waffen-SS jeweils im Oktober, um der Toten der Weltkriege zu gedenken. Erst 2009 beendete der damalige Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) die logistische Unterstützung des Veteranentreffens durch das österreichische Bundesheer, nachdem bekannt geworden war, dass ein hochrangiger Vertreter der Veranstalter im Internet mit Nazi-Devotionalien gehandelt haben soll. Neben hochrangigen Politiker:innen von FPÖ, ÖVP und SPÖ zählten in der Vergangenheit auch zahlreiche rechtsextreme Aktivist:innen zu den Teilnehmer:innen an dieser Veranstaltung und hielten zum Teil Reden.
Über Jahrzehnte hinweg konnten Gedenkveranstaltungen an die Mitglieder der Waffen-SS und die jährliche Gedenkfeier an das „Massaker von Bleiburg“ in Kärnten, bei der das kroatische NS-Kollaborationsregime verherrlicht wird, ungestört abgehalten werden. Zu ihrem Höhepunkt 2015 nahmen sogar bis zu 30.000 Menschen an dieser traditionellen Ehrung des Ustaša-Regimes
Fazit
Zusammenfassend lässt sich klar erkennen, dass das Gedenken in Österreich von Anbeginn bis heute wesentlich von der österreichischen Zivilgesellschaft getragen wurde und wird, beginnend mit den Überlebenden des KZ Mauthausen, die sich bereits ab 1946 zu jährlichen Befreiungsfeiern am Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers versammelten und die auch den Grundstein für die Errichtung der KZ-Gedenkstätte Mauthausen legten. Im Mai 1946 legten Überlebende des KZ Mauthausen den sogenannten „Mauthausen Schwur” ab: Heute, wo zahlreiche der KZ-Überlebenden bereits verstorben sind, sind stets neben den Angehörigen der früheren KZ-Gefangenen auch hochrangige Vertreter:innen der Republik Österreich bei der jährlichen Gedenkveranstaltung präsent.
Betont werden sollte aber, dass die FPÖ bis heute von derartigen Gedenkveranstaltungen ausgeschlossen ist. Dies nicht nur, weil die Gründerväter (Mütter gab es keine) der FPÖ zum Teil hochrangige NS-Täter waren, sondern auch, weil sich die FPÖ nicht klar vom Rechtsextremismus abgrenzt beziehungsweise Rechtsextremist:innen und deren Gedankengut in die Partei integriert. Die Organisator:innen der Befreiungsfeiern sehen sich in dieser Entscheidung klar an das Vermächtnis der KZ-Überlebenden gebunden.
Die FPÖ hat in der Vergangenheit auch nicht versucht, gegen diesen Beschluss öffentlich oder juristisch vorzugehen. Politiker:innen der FPÖ kampagnisierten zwar gegen neue Erinnerungsprojekte, etwa das Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz, allerdings nie gegen Veranstaltungen wie die Befreiungsfeiern. Stattdessen schuf man sich eigene Orte, wie etwas das „Trümmerfrauendenkmal“.
Auffallend bleibt aber, dass es auch achtzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Österreich vielfach zu Angriffen auf Gedenkstätten kommt, seien es die zahlreichen Beschmierungen und sonstigen Beschädigungen an der KZ-Erinnerungsstätte Mauthausen oder auch die polizeiliche Repression auf den Peršmanhof.