"Microsoft liebt Raupkopierer"
Die einen wollen sie abschaffen, die anderen programmieren selber welche: Fernanda Weiden erklärt, was Freie Software für Entwicklungsländer bedeutet und warum Software-Riesen wie IBM und Microsoft so unterschiedlich mit ihr umgehen.
Die Regierungen von Entwicklungsländern fördern Open-Source-Software – warum?
Ich werde mehr über Lateinamerika sprechen, weil ich von daher stamme. Es gibt dort zwei größere Initiativen, eine in Brasilien, die andere in Venezuela. Die brasilianische Regierung hat sich entschieden, freie Software als Weg zu nutzen, um mit der Abhängigkeit von Anbietern proprietärer Software zu brechen. Sie haben sich die Frage gestellt: Ich als Regierung habe Daten, Dateien, die mir praktisch nicht gehören. Warum sollte ich all diese Daten in einem Format speichern, das ich in der Zukunft nicht lesen können werde, wenn ich nicht weiter Lizenzgebühren zahle? Wie kann ich vor Ort eine Technologie-Industrie aufbauen? Und vor allem: Wie kann ich meiner Bevölkerung Zugang zu Technologie verschaffen?Wenn ich über freie Software rede, betone ich immer, dass es dabei um Freiheit geht, dass Freiheit das Wichtigste daran ist. Aber es gibt natürlich noch andere Dinge, die damit einhergehen. Entwicklungsländer wie Brasilien oder Venezuela haben nicht das Geld, ihrer Bevölkerung auf die Weise Zugang zu Technologie zu verschaffen, die der Markt bislang verlangt . Das ist einfach nicht möglich.
Zudem haben Regierungen angefangen zu erkennen: Selbst wenn ein Unternehmen in ihr Land kommt und ihnen Software kostenlos gibt – was wird in der Zukunft passieren? Unternehmen geben einem immer heute etwas kostenlos, damit man morgen dafür bezahlt. Microsoft liebt Software-Piraterie. Sie sind die grössten Fans von Raubkopien, denn je mehr ihre Produkte kopiert werden, um so mehr gewöhnen sich die Leute an sie und werden sie auch in Zukunft benutzen wollen. Microsoft wird nicht zu ihnen nach Hause gehen, nachsehen, ob sie Raubkopien verwenden und sie eine Strafe zahlen lassen, aber Microsoft wird zu ihrem Unternehmen gehen – und die Software, die sie kennen und daheim verwenden, ist die Software, die sie auch in ihrem Arbeitsumfeld benutzen wollen.
Diese Kette der Abhängigkeit zu durchbrechen, war der erste Grund, warum die brasilianische Regierung entschied, freie Software zu verwenden. Der zweite war, dass der Grossteil freier Software mit offenen Standards umgesetzt wird; wenn die Regierung also in Zukunft eine andere Technologie oder freie Software verwenden möchte, kann sie das auch tatsächlich tun. Je nachdem, welche Software-Lösung sie von einem Unternehmen kaufen, das proprietäre Software herstellt, haben sie keine solche Wahlmöglichkeit: Sie können sich ihren Lieferanten nicht aussuchen, sie können sich nicht aussuchen, wer für sie den Support macht. Sie sind immer abhängig. Das ganze Geschäftsmodell beruht darauf, sie abhängig zu halten.