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Irreguläre Migration in Deutschland | Deutschland | bpb.de

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Irreguläre Migration in Deutschland

Vera Hanewinkel Jochen Oltmer

/ 4 Minuten zu lesen

Deutschland hat in Vergangenheit und Gegenwart umfangreiche Zuwanderungen erlebt, die die Bevölkerung des Landes geprägt haben. Nicht alle Zugewanderten verfügen jedoch über eine Aufenthaltserlaubnis.

Afrikanische Flüchtlinge, Aktivisten und Unterstützer demonstrieren im Juni 2015 in Berlin Kreuzberg gegen eine Verschärfung des Aslyrechts. (© picture alliance / Wolfram Steinberg)

Menschen, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland aufhalten, werden häufig als Papierlose oder undokumentierte bzw. irreguläre Migranten bezeichnet. Vor der Interner Link: EU-Osterweiterung 2004 sowie 2007 bildeten Menschen aus Ostmittel- und Südosteuropa die größte Gruppe derjenigen, die sich unerlaubt in Deutschland aufhielten. Seitdem hat ihre Bedeutung abgenommen, da Unionsbürger im aufenthaltsrechtlichen Sinne nicht illegal werden.

Nachdem die Zahl irregulärer Migranten im Zeitraum 2005-2009 rückläufig war, steigt sie seit 2010 wieder an. Auf der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik basierende Externer Link: Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahr 2014 zwischen 180.000 und 520.000 Personen unerlaubt, d.h. ohne Aufenthaltsgenehmigung, in Deutschland lebten. Die Zahl der von der Polizei gefassten Personen mit unerlaubtem Aufenthalt ist von 46.132 im Jahr 2009 auf 112.724 Personen 2014 angestiegen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass darunter viele Personen fallen, die zwar ohne Visum nach Deutschland eingereist sind, später aber einen Asylantrag stellten oder sich nur vorübergehend in Deutschland aufhielten, weil sie anschließend in andere Länder weiterreisten. So stammten beispielsweise 41 Prozent der 2014 wegen illegalen Grenzübertritts von der Bundespolizei registrierten Personen aus Syrien, Eritrea und Afghanistan und damit aus den drei Ländern, die 2014 zu den Hauptherkunftsländern von Asylsuchenden in Deutschland zählten.1 In der Regel sind Asylsuchende wegen mangelnder regulärer Einreisewege (z.B. über Interner Link: Resettlement-Programme oder humanitäre Visa) gezwungen, unerlaubt die Grenzen Deutschlands zu passieren. Sie werden daher zwar wegen unerlaubter Einreise angezeigt, die meisten Ermittlungsverfahren werden allerdings wegen Geringfügigkeit wieder eingestellt.2 Durch das Stellen eines Asylantrags erhalten Asylbegehrende die Erlaubnis, für die Dauer des Asylverfahrens in Deutschland zu bleiben.

Aufgrund der Interner Link: vorübergehenden Überforderung der Behörden angesichts der hohen Asylzuwanderung 2015 liegen bislang keine Schätzungen zur Zahl der sich unerlaubt in Deutschland aufhaltenden Ausländer für die Jahre 2015 und 2016 vor. Asylsuchende wurden häufig nicht oder aber mehrfach registriert. Viele von ihnen konnten nicht mehr zeitnah zur Einreise nach Deutschland einen Asylantrag stellen. So wurden 2015 zwar 890.000 neueinreisende Asylsuchende registriert, aber nur 476.649 formelle Asylanträge beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfasst. Es ist nicht eindeutig, welchen Status in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik diejenigen Schutzsuchenden erhielten, denen es nicht gelang, im Laufe des Jahres 2015 einen Asylantrag zu stellen. Daher bietet die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik keine geeignete Datengrundlage für eine einigermaßen valide Schätzung.

Mit der Zahl der abgeschlossenen Asylverfahren steigt auch die Zahl derjenigen, die keinen Interner Link: Schutzstatus erhalten und demnach ausreisepflichtig sind. Externer Link: Ende 2016 lebten 54.437 Menschen in Deutschland, die "unmittelbar ausreisepflichtig" waren. Weitere 153.047 Menschen hielten sich mit einer Interner Link: Duldung im Land auf. Teile beider Gruppen könnten sich für einen irregulären Aufenthalt entscheiden, indem sie untertauchen und sich so einer (potenziellen) Abschiebung entziehen. Auch bei vielen abgelehnten Asylbewerbern, die angeben, Interner Link: freiwillig in ihre Herkunftsländer zurückkehren zu wollen, ist nicht sichergestellt, dass sie Deutschland auch tatsächlich verlassen. Es ist also anzunehmen, dass die Zahl unerlaubt in Deutschland lebender Menschen weiter zunimmt. Auch die Verschärfungen des Asyl- und Ausweisungsrechts in den Jahren 2015 und 2016 beispielsweise gegenüber Asylbewerbern aus sogenannten Interner Link: sicheren Herkunftsstaaten könnten dazu beitragen. So ist anzunehmen, dass sich u.a. die Zahl irregulärer Migranten aus den Westbalkanstaaten erhöht, da Zugewanderte aus diesen Ländern aufgrund mangelnder Aussicht auf Erfolg keinen Asylantrag mehr stellen und sich stattdessen illegal in Deutschland aufhalten.

War das Thema des irregulären Aufenthalts über viele Jahre eher von untergeordneter Bedeutung in den Debatten über Migration, ist es im Zuge der Diskussionen um die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in ihre Herkunftsländer virulent geworden. Es wird dabei stark mit Fragen der inneren Sicherheit verknüpft, vor allem seit bekannt wurde, dass der Mann, der im Dezember 2016 aus islamistischen Motiven mit einem Lastwagen in einen Berliner Weihnachtsmarkt raste und dabei 12 Menschen tötete, ein abgelehnter tunesischer Asylbewerber war, der aufgrund fehlender Papiere aber nicht in sein Herkunftsland abgeschoben werden konnte.

Dieser Text ist Teil des Interner Link: Migrationsprofils Deutschland.

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Vera Hanewinkel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
E-Mail: E-Mail Link: vera.hanewinkel@uni-osnabrueck.de

Dr. phil. habil., geb. 1965, ist Apl. Professor für Neueste Geschichte und Mitglied des Vorstands des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
E-Mail: E-Mail Link: joltmer@uni-osnabrueck.de