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Der demografische Wandel in Deutschland | Demografischer Wandel | bpb.de

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Informationen zur politischen Bildung Nr. 350/2022

Der demografische Wandel in Deutschland

Martin Bujard

/ 19 Minuten zu lesen

Aufgezeigt wird, wie sich der demografische Wandel von der Agrar- und frühindustriellen Gesellschaft über die frühe Bundesrepublik und die DDR bis ins heutige Deutschland entwickelt(e).

Die Bevölkerung in Deutschland wird älter, die Lebenserwartung und die Jahre mit Rentenbezug steigen. Im Schlosspark in Stuttgart sitzen im Mai 2021 ältere Menschen auf einer Mauer und genießen die Sonne. (© picture-alliance/dpa, Christoph Schmidt )

Der demografische Wandel im Lauf der Geschichte

Bevölkerung in der Agrar- und frühindustriellen Gesellschaft

Das Phänomen des demografischen Wandels gab es schon immer. Die deutsche Bevölkerung wuchs und wächst, wie auch die Weltbevölkerung, seit vielen Jahrhunderten mit einigen Schwankungen an. Nach der Völkerwanderung und der Besiedelung der germanischen Stämme war im frühen Mittelalter das Gebiet des heutigen Deutschlands vergleichsweise dünn besiedelt. Für das ostfränkische Reich im 9. Jahrhundert unter den späteren Karolingern schätzte der Bevölkerungswissenschaftler Gerhard Mackenroth die Bevölkerung auf 2,5 bis 3 Millionen. Für das Heilige Römische Reich unter Herrschaft der Salier, also im 11. und Anfang des 12. Jahrhunderts, werden bis zu 3,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner geschätzt. Die Bevölkerungsgröße ist im Laufe des Mittelalters in Wellen deutlich angewachsen, was dadurch begünstigt wurde, dass ausreichend Fläche für den Anbau von Nahrungsmitteln vorhanden war oder beispielsweise durch Waldrodung geschaffen wurde.

In der Agrargesellschaft und im frühindustriellen Zeitalter war nicht nur die Fruchtbarkeit hoch, sondern auch die Sterblichkeit, insbesondere die Kinder- und Säuglingssterblichkeit. Kinderzahlen von fünf oder mehr waren keine Seltenheit, jedoch erreichte oft nur etwa die Hälfte der Kinder das Erwachsenenalter. In der Agrargesellschaft waren die Ehe und eine feste Erwerbsstelle zwingende Voraussetzungen für die Familiengründung. Außereheliche Geburten wurden streng sanktioniert, und es existierten Ehebeschränkungen für Personen, die keine Arbeit hatten. Familiengründungen sollten so nur ermöglicht werden, wenn ein gesichertes Auskommen und dadurch auch die Ernährung der Kinder gesichert waren. Die Herrschenden konnten dadurch das Bevölkerungswachstum steuern. Wenn durch Eroberungen oder technischen Fortschritt die erwirtschafteten Nahrungsmittel anstiegen, wurde oft die Heirat von Ledigen erleichtert mit der Folge eines Bevölkerungswachstums. Die Altersstruktur entsprach einer Pyramide: viele Kinder im Unterbau und sehr wenige alte Menschen an der Spitze, denn nur ein kleinerer Teil der Bevölkerung erreichte ein Alter von 65 oder älter.

QuellentextRealerbteilungsrecht in Württemberg, Baden und der Pfalz

In Südwestdeutschland wurde im 18. Jahrhundert der Hof bzw. das Land durch das Realerbteilungsrecht nicht an den Erstgeborenen vererbt, sondern zwischen den männlichen Kindern aufgeteilt.

Dies führte einerseits zu kleineren Höfen und einer Zerstückelung von Land, sodass Familien sich teilweise nicht mehr ernähren konnten. Andererseits erhielten dadurch mehr Kinder eine soziale Stellung, die es ihnen erlaubte zu heiraten und Kinder zu bekommen. In diesen Gebieten gab es daher ein stärkeres Bevölkerungswachstum sowie eine Nahrungsmittelknappheit, was zu Massenauswanderungen führte.

Dieses Beispiel zeigt, wie unterschiedliche politische und gesellschaftliche Regeln Geburtenrate, Bevölkerungsgröße und Migration beeinflussen können.

Die Bevölkerung auf dem Gebiet des damaligen Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation hatte (nach Angaben des Historikers Rudolf Kötzschke) um das Jahr 1500 eine Bevölkerung von etwa 12 Millionen, um 1600 zählte es bereits etwa 15 Millionen Menschen – und dies auf einer Fläche, die weitaus größer war als die heutige Bundesrepublik. Infolge des 30-Jährigen Krieges – nicht nur aufgrund der Gefallenen, sondern aufgrund kriegsbedingter Hungersnöte und Seuchen – reduzierte sich die Zahl um über ein Drittel und lag erst Ende des 17. Jahrhunderts wieder bei 15 Millionen. Im 18. Jahrhundert hatten Säuglinge eine durchschnittliche Lebenserwartung von 32 Jahren (nach dem Sozialhistoriker Peter Marschalck), grob geschätzt erreichte nur die Hälfte von ihnen das heiratsfähige Alter. Im Jahr 1816 hatte Deutschland in den Grenzen des späteren Deutschen Reiches eine Bevölkerung von 23,5 Millionen Menschen, die in den folgenden fünf Jahrzehnten auf 38 Millionen wuchs, wobei Mitte des 19. Jahrhunderts mehr als eine Millionen Menschen nach Amerika auswanderten. Folgendes Beispiel verdeutlicht das Bevölkerungswachstum: Wenn die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau bei fünf lag und nur die Hälfte dieser Kinder das fruchtbare Alter erreichten, hatten 100 Frauen 500 Kinder geboren, von denen 250 das Erwachsenenalter erreichten und davon etwa 125 Frauen waren. In diesem Beispiel würde die Bevölkerung mit jeder Generation um ein Viertel wachsen.

Jedoch ereigneten sich in der Geschichte auch Phasen eines Bevölkerungsrückgangs, oft verursacht durch Kriege, Agrarkrisen oder Seuchen. So gab es während der Pestwellen im 14. Jahrhundert, während des 30-jährigen Krieges 1618 bis 1648 oder während der beiden Weltkriege erhebliche Bevölkerungsrückgänge.

QuellentextDie Pest erschüttert Europa

[…] 1347 hatte seit fast 600 Jahren niemand in Europa die Pest gesehen. Deshalb war auch keiner darauf vorbereitet, als sie wieder auftauchte – ihr Auftreten wurde zuerst 1331 aus China gemeldet. Mit den auf der Seidenstraße reisenden Kaufleuten erreichte sie die Krim im Herbst 1347, wo Erkrankte die Genueser Schiffe nach Konstantinopel bestiegen. Von dort aus verbreitete sich die Seuche nach Sizilien, Griechenland, Ägypten und Nordafrika, Syrien und ins Heilige Land. Ende 1347 war sie im wirtschaftlichen Herzen der Christenheit angekommen – in den Handelsstädten Venedig, Pisa und Genua –, und das in ihrer gefährlichsten Form, als Lungenpest. In den betroffenen Städten stapelten sich schnell die Leichen. Todesraten von über 40 Prozent waren normal. […] Ab 1349 waren Teile Deutschland betroffen; zuerst die Hafenstädte an Nord- und Ostsee. In Lübeck starben 1351 innerhalb eines Jahres etwa 35 Prozent der Einwohner. […] Was zählte, waren vor allen die langfristigen Folgen des Schwarzen Todes – in weltlicher wie in spiritueller Hinsicht. Die Menschen der starren mittelalterlichen Gesellschaft hatten geglaubt, dass Gott ihnen ihre Position darin zugewiesen hatte. Jetzt aber führte der massive Bevölkerungsrückgang zu breiten Rissen in dieser unflexiblen Gesellschaftsstruktur. Vor allem waren Arbeitskräfte plötzlich überaus knapp. Landarbeiter, deren Familien gestorben waren, mussten das Leben in Leibeigenschaft nicht mehr hinnehmen: Sie hatten nichts zu verlieren, konnten einfach in die nächste Stadt gehen und ihre Arbeitskraft verkaufen. Ein Pflüger, dessen Kinder hungerten, musste sich nicht länger damit zufriedengeben, ein paar Streifen Land für seinen Gutsherren zu bewirtschaften, wenn ein Landbesitzer in der Nachbarschaft Arbeit zu gutem Lohn bot. Wenn sein Herr seine Dienste behalten wollte, musste er ihm mehr bezahlen oder ihn mit mehr Land ausstatten.

Nichts trennt das Spätmittelalter so deutlich von der Zeit vorher wie der Schwarze Tod. […] [D]ie Pest erschütterte die Vorstellungswelt der Menschen, was ihren Platz auf Erden betraf. Manche mussten mit einer fast vollständigen Auslöschung ihrer Gemeinden zurechtkommen und fragten verständlicherweise, warum Gott so brutal mit ihnen umgesprungen war – vor allem, wenn das Nachbardorf weit weniger Opfer zu beklagen hatte. […] Was, wenn Gott beschloss, die Menschen völlig zu vernichten? Nach 1348 erschien die Auslöschung der menschlichen Rasse als reale Möglichkeit.

Einigen Überlebenden allerdings eröffnete der Schwarze Tod auch ein ganz neues Spektrum von Chancen. […] [Die] Bauern, die ihre Arbeitskraft jetzt teurer verkaufen konnten, [gehörten] zu den Nutznießern. In England wie auch in Frankreich wurden Gesetze erlassen, um zu verhindern, dass der freie Markt die Löhne diktierte, doch diese Maßnahmen zeigten wenig Wirkung. Die Bauern merkten, dass ihre Arbeitskraft für ihre Herren von Wert war; sie konnten darauf bestehen, anständiger behandelt zu werden als bisher. Wenn nicht, konnten sie den Aufstand wagen. Die Bauernschaft hatte bisher wenig Lust auf Rebellion erahnen lassen, doch im Gefolge der Pest legte sie sich ein neues Selbstwertgefühl zu. Das führte zu verschiedenen Aufständen wie der Jacquerie in Paris (1358), den Ciompi in Florenz (1378) und der Peasants‘ Revolt in England (1381). Tatsächlich ist festzuhalten, dass ein Massensterben in der Geschichte immer die Bedeutung der arbeitenden Bevölkerung steigert, in ihren eigenen Augen wie auch in den Augen derer, die sie regieren.

Soziale Aspekte […] änderten sich tiefgreifend. […] Vor allem nach der vierten Pestepedemie von 1374/1375 sanken die Pachtzahlungen der Bauern an ihre Herren, da es weniger Bauern und mehr als genug Land gab. Manche Herren hatten sich viel Geld geliehen und waren jetzt hoch verschuldet. Sie sahen sich gezwungen, ganze Gutshöfe an geschäftstüchtige Städter zu verpachten oder zu verkaufen. […] Die feudalen Verpflichtungen, die die Arbeiter an das Land gebunden hatten, wurden durch Zahlungen ersetzt. Der Kapitalismus, der schon in den Städten triumphiert hatte, begann den Feudalismus auch auf dem Lande zu verdrängen. […]

Ian Mortimer, Zeiten der Erkenntnis. Wie uns die großen historischen Veränderungen bis heute prägen. Aus dem Englischen von Karin Schuler, Piper Verlag, München/ Berlin 2017, S. 110–117

Der Demografische Übergang

Durch Verbesserung der hygienischen Verhältnisse und Erfolge in der Medizin ging die Sterblichkeit generell und vor allem die Säuglings- und Kindersterblichkeit Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Diese Entwicklung initiierte den "Demografischen Übergang", ein von den US-amerikanischen Demografen Warren Thompson Ende der 1920er-Jahre und Frank Notestein Mitte der 1940er-Jahre geprägtes Modell, das die Phasen des Rückgangs der hohen Sterblichkeit und des etwas später erfolgenden Rückgangs der Geburtenrate sowie das damit verbundene Bevölkerungswachstum beschreibt. Der Demografische Übergang fand in Europa und Nordamerika zwischen 1850 und 1940 statt und kennzeichnet alle Industrie- und Schwellenländer im Laufe ihrer Entwicklung. In Deutschland begann er etwa 1850, die Hauptphase lag zwischen 1870 und 1920. Nach dem Rückgang der Säuglings- und Kindersterblichkeit reduzierte sich die hohe Geburtenrate – im Ersten Geburtenrückgang Anfang des 20. Jahrhunderts – und es etablierte sich zunächst in den bürgerlichen Schichten zunehmend ein Zwei-Kind-Ideal, wobei die Eltern davon ausgingen, dass ihr Nachwuchs mit großer Wahrscheinlichkeit überleben und das Erwachsenenalter erreichen würde.

In den ersten Jahren nach Gründung des Deutschen Reiches 1871 bis 1881 lag die Lebenserwartung bei der Geburt bei 37 Jahren, sie stieg bis 1924 auf 57 Jahre, was vor allem auf den wissenschaftlichen Fortschritt bei der Bekämpfung der damals verbreiteten tödlichen Krankheiten wie Diphtherie, Tetanus, Tuberkulose und Cholera und dem Wissen über Hygiene zurückzuführen ist. Insbesondere die Sterblichkeit im Kinder- und Säuglingsalter ging in dieser Zeit zurück. Nach den Sterblichkeitsverhältnissen der 1870er-Jahre erlebten von 1.000 geborenen Babys nur 560 ihren 30. Geburtstag. Anfang der 1920er-Jahre waren es bereits 811 – die Sterblichkeit reduzierte sich von 44 auf 19 Prozent. Die Säuglingssterblichkeit ging von 23,5 Prozent in den 1870er-Jahren auf 10,5 Prozent Anfang der 1920er-Jahre zurück, vor allem in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.

1871 lag die zusammengefasste Geburtenziffer bei 4,7 Kindern pro Frau, in den 1900er-Jahren waren es nur noch 4,3. In dieser Phase war die Geburtenrate also noch sehr hoch, während die Sterblichkeit bereits erheblich nachgelassen hatte. Der Bevölkerungsanstieg von dieser zur nächsten Generation lag im Zeitraum 1890 bis 1910 bei 43 Prozent. Danach sank die Geburtenrate beträchtlich und betrug in den 1920er-Jahren durchschnittlich 2,4 Kinder pro Frau, von 1930 bis 1933 lag sie bereits knapp unter zwei.

Bevölkerungsgröße Deutschlands: bis 1945 ehemaliges Reichsgebiet, ab 1945 frühere Bundesrepublik und ehemalige DDR zusammen, ab 1990 Deutschland Datenquellen: Statistisches Bundesamt, für die Jahre 1955–1960 sowie 1991–2010 rückgerechnete Werte; bei den älteren Daten 1816–1870 gibt es teilweise leichte Abweichungen in der Literatur (vgl. Marschalck, 1984)

Während des Demografischen Übergangs wuchs die Bevölkerung Deutschlands deutlich. Im Jahr 1850 lebten 35,3 Millionen Personen im späteren Reichsgebiet, im Jahr 1915 waren es 67,9 Millionen. In dieser Zeit verdoppelte sich also die Bevölkerung Deutschlands knapp. Besonders stark war der Anstieg um die Jahrhundertwende an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. In den Phasen der beiden Weltkriege ging die Bevölkerung aufgrund der kriegsbedingten Toten jeweils deutlich zurück. Bei diesen Zahlen ist zu bedenken, dass sich die Fläche durch historisch bedingte Gebietsverluste erheblich verändert hat: Bei der Reichgründung 1871 lebten 41,0 Millionen im Deutschen Reich, davon mit 19,5 Millionen weniger als die Hälfte auf dem Gebiet der früheren Bundesrepublik.

Migration gab es schon immer

Wanderungsbewegungen innerhalb von Staaten oder zwischen Staaten und Kontinenten lassen sich für alle Epochen feststellen. Beispiele dafür sind die Zuwanderung durch Hunnen oder Slaven im Mittelalter oder die Ansiedlung von verfolgten Religionsgruppen wie Hugenotten, Calvinisten oder anderen Protestanten in der Neuzeit. Zuwanderung wurde teilweise staatlich gesteuert, wie beispielsweise durch die Preußische Besiedlung östlicher Gebiete im 18. Jahrhundert, die die wirtschaftliche Macht des Staates ausbauen sollte. Aus verschiedenen Gründen wie Armut, religiöser Verfolgung oder aber Berichten bereits Ausgewanderter, emigrierten viele Europäerinnen und Europäer nach Amerika, insbesondere im 19. Jahrhundert.

Kriege und Dürren waren in der Geschichte oft Grund für Migration und Flucht. Viele Deutsche sind während und nach den Weltkriegen geflüchtet und wurden von den Bevölkerungen anderer Länder aufgenommen. Umgekehrt bietet Deutschland Geflüchteten Schutz durch das Asylrecht, so fanden Geflüchtete der Kriege im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er-Jahren, in Syrien 2015 oder der Ukraine 2022 Schutz in der Bundesrepublik.

Demografischer Wandel in West- und Ostdeutschland

Datenquelle: Statistisches Bundesamt, eigene Darstellung

Geburtenentwicklung in Deutschland: der Zweite Geburtenrückgang

In den 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre lag die Geburtenrate im früheren Bundesgebiet und in der ehemaligen DDR zwischen 2,0 und 2,5 Kindern pro Frau. Ende der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre gab es einen Babyboom, der jedoch mit einem Höchstwert von 2,5 Kindern pro Frau im Vergleich zu den USA (3,8) oder Frankreich (2,9) eher gering ausfiel. In der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre setzte der Zweite Geburtenrückgang ein, infolge dessen die Geburtenrate in der früheren Bundesrepublik 1975 unter 1,5 und bis 1985 auf unter 1,3 sank (zu den Ursachen siehe Kapitel "Interner Link: Die Ursachen der Geburtenentwicklung"). Zwischen 1975 und 2015 lag sie in der früheren Bundesrepublik bzw. im wiedervereinigten Deutschland unterhalb von 1,5, am niedrigsten 1994 mit 1,24. Weltweit hatte bisher kein anderes Land über vier Jahrzehnte hinweg eine solch niedrige Geburtenrate.

In der ehemaligen DDR war der Geburtenrückgang bis Mitte der 1970er-Jahre ähnlich. Vor allem der rapide Rückgang von 2,5 Kindern pro Frau im Jahr 1965 auf 1,5 in 1974 war ein paralleles Phänomen in beiden deutschen Staaten, das auch als "Pillenknick" bezeichnet wird. Neben der Einführung der Pille waren zudem die Emanzipation der Frau und der Wertewandel Gründe für den Geburtenrückgang. Ende der 1970er-Jahre und in den 1980er-Jahren stieg die Geburtenrate in der ehemaligen DDR allerdings deutlich an. Anfang der 1980er-Jahre lag sie bei 1,8–1,9 im Vergleich zu 1,3–1,4 im früheren Bundesgebiet. Ein zentraler Grund für diesen Wiederanstieg der Geburtenrate waren umfassende staatliche Leistungen für Familien, die neben klassischen familienpolitischen Instrumenten wie Kitas und Finanzleistungen auch teilweise einen besseren Zugang zu Wohnraum für Familien und Vorteile auf dem Arbeitsmarkt wie Teilzeitarbeit beinhalteten.

Im wiedervereinigten Deutschland fiel die Geburtenrate im ostdeutschen Bundesgebiet infolge der wirtschaftlichen und politischen Transformation und des Umbruchs in den Biografien auf 0,8 Kinder pro Frau zwischen 1993 und 1994 – dies war ein weltweites Rekordtief. Gründe dafür waren unter anderem aufgrund des Umbruchs aufgeschobene Kinderpläne. Während Frauen in der DDR in den 1980er-Jahren durchschnittlich mit 22 Jahren ihr erstes Kind bekamen, stieg das Erstgeburtsalter nach der Wende erheblich an und lag in den ostdeutschen Bundesländern im Jahr 2019 bereits bei 29,3 Jahren. Bis 2006 näherte sich die Geburtenrate der ostdeutschen Länder wieder an das Niveau der westdeutschen mit einer Geburtenrate von 1,3 an.

Während die zusammengefasste Geburtenziffer im Zweiten Geburtenrückgang in Deutschland einen Tiefstwert von 1,24 im Jahr 1994 hatte, lag der Tiefstwert für die Kohortenfertilität bei 1,49 für Frauen des Jahrgangs 1968. Die Kohortenfertilität verlief viel stetiger: Frauen des Jahrgangs 1933 hatten mit durchschnittlich 2,23 die meisten Kinder im 20. Jahrhundert, seitdem ist der Wert kontinuierlich zurückgegangen bis zum Tiefstwert 1968. Seitdem steigt der Wert, und Frauen, die Ende der 1970er-Jahre geboren wurden, bekommen im Durchschnitt etwa 1,6 Kinder.

QuellentextSo werden Geburten gemessen

Will man die Zahl der Geburten pro Frau quantifizieren, gibt es zwei Möglichkeiten, die unterschiedliche Vor- und Nachteile haben: Die zusammengefasste Geburtenziffer eines Jahres (Periodenfertilität, oft vereinfacht "Geburtenrate" genannt) gibt an, wie viele Kinder von Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren innerhalb eines Jahres geboren wurden, beispielsweise im Jahr 2005 1,34. Dieser Indikator hat den Vorteil, für jedes Jahr aktuell vorzuliegen, und den Nachteil, durch Veränderungen des Durchschnittalters bei der Geburt beeinflusst zu werden.

Die kohortenspezifische Geburtenrate zeigt hingegen an, wie viele Kinder Frauen eines bestimmten Geburtsjahrgangs im Laufe ihres Lebens durchschnittlich bekommen haben, beispielsweise 1,50 für den Frauenjahrgang 1970. Dieser Indikator ist gut zu interpretieren, da er das Geburtenverhalten realer Frauenjahrgänge beschreibt. Die Kohortenfertilität liegt aber erst für Frauen im Alter von 50 Jahren vor, die ihre fruchtbare Phase in der Regel abgeschlossen haben.

Die zusammengefasste Geburtenziffer ist geringer als die endgültige Kinderzahl von Frauen eines Jahrgangs (Kohortenfertilität) in Phasen, in denen das durchschnittliche Alter bei der Geburt steigt. Um den Geburtenrückgang zu verstehen, ist die Kombination beider Indikatoren sinnvoll.

Leichter Anstieg der Geburtenrate in den 2010er-Jahren

Zwischen 2006 und 2015 stieg die zusammengefasste Geburtenziffer von 1,3 auf 1,5 an. Seit 2015 liegt sie zwischen 1,5 und 1,6. Ein Anstieg um 0,2 mag als gering erscheinen, es entspricht jedoch einer Größenordnung von 100.000 Geburten mehr pro Jahr als vor dem Anstieg. Trotzdem ist die Geburtenrate von 1,5 deutlich unter dem Bestandserhaltungsniveau von knapp 2,1 Kindern pro Frau, das zum Erhalt der Größe der Elterngeneration notwendig wäre. Das Bestandserhaltungsniveau bedeutet, dass 100 Frauen eines Jahrgangs im Laufe ihres Lebens 100 Mädchen zur Welt bringen, die das gebärfähige Alter erreichen werden. Da in den wirtschaftlich entwickelten Ländern die Sterblichkeit im jungen Alter gering ist und pro 100 Mädchen etwa 105 Jungen geboren werden, beträgt das Bestandserhaltungsniveau 210 Kinder auf 100 Frauen, also 2,1 Kinder pro Frau. Der Anstieg der deutschen Geburtenrate ist aus europäischer Perspektive auch insofern interessant, als Deutschland zuvor mehrere Jahrzehnte eines der Schlusslichter bei der Geburtenrate darstellte, seit 2015 aber im europäischen Mittelfeld liegt.

Eine Ursache für diesen Anstieg der Geburtenrate ist der Paradigmenwechsel der Familienpolitik, der unter anderem den Ausbau von Kleinkindbetreuung und Ganztagsschulangeboten, Änderungen des Unterhaltsrechts und die Einführung eines einkommensabhängigen Elterngeldes umfasst. Dieser Paradigmenwechsel reflektiert auch veränderte Sichtweisen von (potenziellen) Eltern und den zunehmenden Wünschen einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Der Paradigmenwechsel begann bereits 2003 mit dem Ausbau der Ganztagsschulen und seit 2004 mit dem Ausbau der Kleinkinderbetreuung, wobei es vor allem in Westdeutschland zuvor kaum Betreuungsplätze für unter 3-jährige Kinder gab. Durch den im Jahr 2008 beschlossenen Rechtsanspruch auf eine Kitabetreuung für Kinder ab dem ersten Geburtstag ab dem Jahr 2013 wurde der Kita-Ausbau beschleunigt. Während in Westdeutschland im Jahr 2007 nur 9,8 Prozent der unter 3-jährigen Kinder in Kitas, Krippen oder von Tagesmüttern betreut wurden, waren es 2019 bereits 30,3 Prozent – in einem Jahrzehnt haben sich die Betreuungsangebote also etwa verdreifacht. In den ostdeutschen Bundesländern war der Anteil der betreuten Kinder zuvor bereits hoch gewesen. Ab 2007 wurde in Deutschland das einkommensabhängige Elterngeld eingeführt, das für berufstätige Frauen weitaus großzügiger ist, die Bezugsdauer im Vergleich zum vorigen Modell von drei auf ein Jahr verkürzt und zudem Anreize für Väter schafft, ebenfalls Elternzeit zu nehmen. Die Kombination aus Kitaausbau und Elterngeld reduzierte die Berufsunterbrechung für Mütter nach der Geburt und verbesserte die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Insbesondere Akademikerinnen haben davon profitiert, bei ihnen ist die Geburtenrate etwas gestiegen. Die Kinderlosigkeit bei Akademikerinnen lag bei knapp 30 Prozent für die Ende der 1960er-Jahre geborenen Frauenjahrgänge und ist bei den 10 Jahre jüngeren Frauen auf 26 Prozent gesunken.

Eine weitere Ursache für den Anstieg der Geburtenrate zwischen 2011 und 2016 liegt auch an der Zunahme der ausländischen Bevölkerung insgesamt und deren Geburtenzahlen. Je nach Ursprungsland unterscheiden sich die Geburtenraten stark voneinander, im Durchschnitt lagen sie seit 1990 zwischen 1,6 und 2,2 Kindern pro Frau. Seit 2015 ist der Anteil von Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland sowie ihre durchschnittliche Geburtenrate gestiegen, da viele aus Ländern wie Syrien, Irak, Kosovo oder Afghanistan emigriert sind und in diesen Ländern prinzipiell höhere Geburtenraten verbreitet sind. Insgesamt kommt allerdings der größte Anteil der nach Deutschland emigrierten Frauen mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit aus europäischen Ländern wie Polen, in denen die Geburtenrate ähnlich niedrig ist wie in Deutschland.

Die niedrigste Geburtenrate für Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit lag 1994 bei 1,15 Kindern pro Frau. Von 2006 bis 2016 stieg sie von 1,28 auf 1,46. Dies fällt zeitlich mit den familienpolitischen Reformen zusammen, wobei man mit einer kausalen Interpretation vorsichtig sein muss. Allerdings konnte beispielsweise für das Elterngeld ein signifikant positiver Effekt auf die Geburten von Akademikerinnen im Alter von über 35 Jahren nachgewiesen werden.

QuellentextFührt die Coronavirus-Pandemie zu einem Babyboom?

Angesichts der Coronavirus-Pandemie wurde in vielen Medien die Frage diskutiert, ob sie zu einem Babyboom oder einem Einbruch der Geburten führt. Während es in den USA und einigen europäischen Ländern, vor allem Italien, Frankreich und Spanien, einen kurzfristigen Geburteneinbruch Ende 2020 gab, also etwa 9 Monate nach dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle, ist dieser in Deutschland ausgeblieben.

Gründe dafür können das geringere Ausmaß der ersten Welle in Deutschland sein und sozialpolitische Maßnahmen wie Kurzarbeit, die die Sorgen um den Arbeitsplatz bei vielen abgemildert haben. Im Februar und März 2021 ist in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern wie Finnland oder Österreich, die Geburtenzahl temporär angestiegen. Dies war etwa 9 Monate nach der Lockerung der Kontaktbeschränkungen im Frühsommer 2020, möglicherweise hat sich ein gewisser Cocooning-Effekt eingestellt, wonach sich Menschen aus der Öffentlichkeit in das häusliche Privatleben zurückzuziehen und die Bedeutung von Familie bei einigen Paaren gestiegen ist. Insbesondere Paare, die schon ein oder zwei Kinder hatten, haben sich häufiger für ein Geschwisterkind entschieden. Inwieweit sich die Pandemie auf die weitere Entwicklung der Geburtenrate auswirkt, bleibt abzuwarten.

Vier Mechanismen sind relevant: Ökonomische Belastungen inklusive Sorgen um den Arbeitsplatz haben oft einen negativen Einfluss auf die Geburtenrate. Ähnliches lässt sich für gesundheitliche Sorgen annehmen, wonach Kinderwünsche eher aufgeschoben (und damit ggf. auch aufgehoben) werden. Der dritte Mechanismus ist der Cocooning-Effekt, der kurzfristig, aber auch langfristig die Einstellung zu Familie ändern und positive Effekte auf die Geburtenrate haben kann. Ein vierter Einfluss könnte mit dem Partnermarkt zusammenhängen, da es für Singles in der Pandemie schwerer ist, einen Partner zu treffen – und letztlich ist Partnerschaft die verbreitete Voraussetzung für die Entscheidung, Kinder zu bekommen.

Zunahme der Lebenserwartung in Deutschland seit den 1950er-Jahren

Die Entwicklung der Lebenserwartung verläuft viel gleichmäßiger als die der Geburtenraten oder der Wanderungssalden – zumindest wenn Ereignisse wie Kriege oder Pest in früheren Jahrhunderten, die die Sterblichkeit erhöht haben, ausgeklammert werden. Die Lebenserwartung bei der Geburt stieg im früheren Bundesgebiet und der ehemaligen DDR ab den 1950er-Jahren kontinuierlich an, wobei der Anstieg in den 1970er- und 1980er-Jahren in der DDR deutlich niedriger war als im damaligen Gebiet der Bundesrepublik. Nach der Wiedervereinigung nahm die Lebenserwartung in den östlichen Bundesländern erheblich zu und erreichte bei den Frauen bereits Anfang der 2000er-Jahre das Westniveau.

Datenquelle: Statistisches Bundesamt, eigene Darstellung. Werte ab Sterbetafel 1999/2001 sind ohne Berlin-West (Westdeutschland) beziehungsweise Berlin-Ost (Ostdeutschland)

Frauen haben insgesamt eine höhere Lebenserwartung als Männer. Die vom Demografen Marc Luy durchgeführte Klosterstudie untersuchte Ordensgemeinschaften, in denen der Lebensstil von Männern und Frauen ähnlich ist. Ziel war es, dadurch Rückschlüsse auf das Verhältnis von lebensstilbezogenen sowie biologischen und anderen externen Ursachen für die geringere Lebenserwartung von Männern gegenüber Frauen zu erhalten. Die Lebenserwartung von Mönchen war deutlich höher als in der übrigen männlichen Bevölkerung, während sie sich bei Nonnen kaum von anderen Frauen unterschied. Die Studie zeigt, dass die höhere Lebenserwartung der Frauen neben biologischen Ursachen auch am ungesünderen Lebensstil von Männern liegt. Mehr Männer rauchen, sie nutzen seltener ärztliche Vorsorgeuntersuchungen und haben teilweise ungesündere Arbeitsbedingungen. Die Lebenserwartung einer Frau in Deutschland lag Ende der 1950er-Jahre bei 71 bis 72 Jahren, bei Männern lag sie bei 66 bis 67 Jahren. Für 2017 bis 2019 geborene Mädchen liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei 83,4 Jahren und bei Jungen bei 78,6 Jahren, sofern die aktuelle altersspezifische Mortalität auch über den gesamten weiteren Lebensverlauf konstant bleibt. Da sich diese verbessert, können heute geborene Kinder auf eine noch höhere Lebenserwartung hoffen.

QuellentextWas beeinflusst die Lebenserwartung?

Männer, die viel trinken, rauchen und schnelle Autos fahren, haben vielleicht mehr Spaß – sterben dafür aber früher, wie deutsche Forscher jetzt herausfanden. Mönche nämlich haben eine deutlich höhere Lebenserwartung als der Rest der Männerwelt.

Die Debatte darüber, ob für die Lebenserwartung eher biologische Gründe oder Verhaltensweisen ausschlaggebend sind, treibt die Wissenschaftler bereits seit vielen Jahren um. […] Der deutsche Wissenschaftler Marc Luy [damals beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden, heute am Vienna Institute of Demography der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien] hat dazu [2003] […] eine Studie vorgestellt[.] […]

Luy untersuchte die Sterblichkeitsdaten von mehr als 11.000 Nonnen und Mönchen in bayerischen Klöstern im Zeitraum von 1890 bis 1995. "Ziel der Untersuchung war es, herauszufinden, ob sich die Lebenserwartung von Nonnen und Mönchen deutlich anders entwickelt hat als die der Männer und Frauen in der Gesamtbevölkerung."

Warum ausgerechnet eine Studie in Klöstern? "Dort leben die Mönche und Nonnen weitestgehend unter identischen Verhältnissen. Sie halten sich in der gleichen Umgebung auf, haben ähnliche Tagesabläufe, ernähren sich gleich", erläutert der Wissenschaftler. Die so genannten Verhaltens- und Umgebungsfaktoren könnten also bezüglich der Lebenserwartung im Kloster keine nennenswerte Rolle spielen, vor allem "männliche Domänen", die sich nachteilig auf die Lebenserwartung auswirken: Unfälle im Straßenverkehr, gesundheitsgefährdende Berufe, hoher Alkohol- und Nikotinkonsum. […]

In seiner Klosterstudie kam der Wiesbadener Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass die durchschnittliche Lebenserwartung der Nonnen in Klöstern "nur um ein bis maximal zwei Jahre über der der Mönche liegt". Die Lebenserwartung der Mönche liege deutlich höher als die der männlichen Gesamtbevölkerung, während Nonnen im Wesentlichen genauso alt werden wie Frauen außerhalb von Klöstern. "Von den etwa sechs Jahren Unterschied sind nach dem Ergebnis der Untersuchung bis zu fünf Jahre auf unterschiedliche Lebensweisen und nicht auf biologische Faktoren zurückzuführen", bilanziert Luy.

Diesen biologischen Faktoren sind die Wissenschaftler ebenfalls auf der Spur. Der Nürnberger Biomediziner Thorolf Brosche verweist auf Studien, nach denen ein spezieller Faktor für die geringere Lebenserwartung der Männer buchstäblich hausgemacht ist: "Das Geschlechtshormon Testosteron hat im fortgeschrittenen Alter einen so genannten immunsupressiven Effekt. Es wirkt sich also mit Erreichen eines bestimmten Alters nachteilig auf die Infektionsanfälligkeit des Mannes aus." Dieser Effekt sei sowohl beim Menschen als auch bei jenen Affenarten beobachtet worden, die dem Menschen entwicklungsgeschichtlich am nächsten stehen – den Primaten. […]

Allerdings gebe es in der Gesamtbevölkerung [2003] einen leichten Umkehrtrend. "Die Schere der Lebenserwartung schließt sich wieder ein wenig, vermutlich weil Frauen inzwischen sehr viel öfter rauchen als früher und sich auch deutlich mehr Stress zumuten", sagt Luy.

"Lebe langsam, stirb alt. Studie unter Mönchen", aus: SPIEGEL.de, mit Peter Leveringhaus, ddp, 23.09.2003

Zwar steigt die Lebenserwartung seit 10 Jahren nicht mehr so stark an wie in den Jahren zuvor, dennoch wird sie wahrscheinlich auch künftig kontinuierlich ansteigen. So nimmt das Statistische Bundesamt in seinen Vorausberechnungen an, dass die Lebenserwartung bei Mädchen bis 2060 auf 88 bis 90 Jahre ansteigt. Dies wird nicht nur positiv gewertet, da die Sorge besteht, die verlängerte Lebenszeit könne eine längere Lebenszeit als kranke, eingeschränkte und greise Person bedeuten. Dagegen spricht die These einer "Kompression der Morbidität" im Lebensverlauf, wonach zunehmend viele Menschen relativ gesund alt werden. Der Anstieg der Lebenserwartung beruhe auf Verbesserungen der Lebensbedingungen, der medizinischen Möglichkeiten und einer verbesserten Prävention. Die Expansionsthese wiederum postuliert, dass sich – beispielsweise bei Krebsbehandlungen – auch die von Krankheiten geprägte Lebenszeit verlängert. Beides trifft zu und ist individuell sehr unterschiedlich. So zeigen sich erhebliche soziale Ungleichheiten, denn Menschen mit hohem Bildungsstand und hohem Einkommen leben länger und oft gesünder als sozial Benachteiligte. Wenn sich die "kranke" Lebensphase im Durchschnitt vor dem Tod durch eine längere Lebenserwartung weder verlängert noch verkürzt, bedeutet ein Anstieg der Lebenserwartung ein Anstieg der gesunden Jahre. Ein heute 70-Jähriger ist im Durchschnitt deutlich fitter, als es sein Vater oder Großvater im gleichen Alter waren.

Zu- und Abwanderung in Deutschland seit 1950

Auswanderung und Einwanderung sind kontinuierliche Phänomene in der Bunderepublik. Je höher der Zuzug, desto höher ist meistens auch der Fortzug, da Migration nicht selten ein Prozess mit mehreren Umzügen über Landesgrenzen hinweg ist. Der Wanderungssaldo misst die Differenz zwischen Zuwanderung und Abwanderung. Im Jahr 2018 gab es beispielsweise 1,585 Millionen Zuzüge nach und 1,185 Millionen Fortzüge aus Deutschland, die Nettozuwanderung lag demnach bei 400.000. Hinter einem Wanderungssaldo verbirgt sich also eine weitaus höhere Zahl an Zu- und Abwanderungen – an Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in ein anderes Land verlegen. Im Durchschnitt lag die Nettozuwanderung zwischen 1990 und 2020 bei etwa 300.000 Personen pro Jahr.

Die Wanderungsbewegungen der vergangenen Jahrzehnte zeigen mehrere Zuwanderungswellen: In den 1960er- und 1970er-Jahren kamen viele aus anderen Ländern angeworbene Arbeiterinnen und Arbeiter nach Deutschland ("Gastarbeiter"), Anfang der 1990er-Jahre emigrierten viele Aussiedlerinnen und Aussiedler in die Bundesrepublik sowie Kriegsflüchtende, die Asyl beantragten. Die Jugoslawienkriege in den 1990er-Jahren und der Syrienkrieg seit den 2010er-Jahren – sowie zuletzt der Krieg in der Ukraine – haben zu großen Fluchtbewegungen nach Deutschland geführt. Zudem gibt es, vor allem in den 2010er-Jahren und seit dem Maastrichter Vertrag, der Ende 1993 in Kraft trat, eine zunehmende EU-Binnenwanderung. Die zukünftige Höhe der Zuwanderung lässt sich nur schwer abschätzen, da die Ursachen vielseitig sind und oft mit internationalen Ereignissen und Lebensbedingungen, aber auch mit Einwanderungsregeln zusammenhängen.

Zu- und Abwanderung über die Außengrenzen Deutschlands (1950-2020); Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Darstellung: BiB. Externer Link: https://www.bib.bund.de/DE/Fakten/Fakt/M01-Zuzuege-Fortzuege-Deutschland-ab-1950.html?nn=1215418

Wie wirken sich Wanderungen auf die Bevölkerungsstruktur aus? Im Jahr 2019 lebten 83,2 Millionen Menschen in Deutschland, davon 21,2 Millionen der Gesamtbevölkerung – das sind etwa 25 Prozent – mit einem Migrationshintergrund. Davon sind 11,1 Millionen Deutsche nach Geburtsrecht mit Migrationshintergrund und 10,1 Millionen Nicht-Deutsche. Über die Hälfte von ihnen ist eingebürgert oder deutsch nach Geburtsortprinzip, das heißt in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern. Die Altersstruktur der Personen mit Migrationshintergrund unterscheidet sich erheblich von der der einheimischen Bevölkerung, da sie deutlich jünger sind. Die in Deutschland verbreitete Definition von Migrationshintergrund – wonach man selbst oder ein Elternteil bei der Geburt keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzt – ist in anderen Ländern weniger gebräuchlich. Beispielsweise wird in Frankreich oder den USA primär zwischen der eigenen und einer ausländischen Staatsbürgerschaft differenziert, in den USA auch nach Ethnien wie Weiße, People of Color und Hispanics.

Datenquellen: Statistisches Bundesamt, Ausländerzentralregister. Berechnungen BiB.

Den größten Anteil an den Herkunftsländern der nicht-deutschen Bevölkerung hat die Türkei mit knapp 13 Prozent, gefolgt von Polen, Syrien, Rumänien und Italien mit je 6 bis 8 Prozent. Der weitaus größte Teil der ausländischen Bevölkerung stammt aus europäischen Ländern.

Aktuelle Bevölkerungsstruktur und Demografische Trägheit

Wichtig ist, bei all diesen demografischen Entwicklungen das Phänomen der "Demografischen Trägheit" mitzudenken. Es besagt, dass in der gegenwärtig gegebenen Altersstruktur gewisse Alterungs- und Schrumpfungsprozesse bereits angelegt sind. Bei den Bevölkerungsdiagrammen wachsen die Geburtsjahrgänge jedes Jahr "ein Jahr nach oben"; dadurch ist die Zahl der Älteren, die in den nächsten Jahren in das Rentenalter kommen, bereits heute bekannt. So werden die besonders starken Jahrgänge der in 2020 ca. 50–61 Jahre alten Babyboomer in den nächsten beiden Jahrzehnten das Rentenalter erreichen. Auch kann heute schon abgeschätzt werden, dass diese Jahrgänge zwischen 2039 und 2050 das Alter von 80 erreichen und somit die Zahl der Hochbetagten, also der über 80-Jährigen, steigen wird. Diese Entwicklungen sind für das Rentensystem, das Gesundheitssystem und die Pflege hochgradig relevant und mit immensen Kosten und Herausforderungen an das Pflegepersonal für die Versorgung dieser Menschen verbunden.

Im Jahr 2020 gab es beispielsweise 773.000 Geburten, während 986.000 Personen starben. Das Geburtendefizit betrug demnach (rundungsbedingt) 212.000. Ohne Zuwanderung wäre die Bevölkerung also um 212.000 zurückgegangen. Da 2020 jedoch 220.000 Personen mehr nach Deutschland zuzogen als fortzogen, wurde dies ausgeglichen, die Bevölkerung stieg leicht um 8000. Gleichzeitig alterte sie in 2020, da die Jahrgänge der 50- bis 70-Jährigen mit durchschnittlich über einer Million Personen pro Jahrgang deutlich größer waren als die Zahl der Geborenen. Ein Teil des Geburtendefizits und die Alterung des Jahres 2020 sind bereits in der Altersstruktur angelegt und aufgrund der Demografischen Trägheit bereits im Vorfeld vorhersehbar gewesen.

An der Altersstruktur ist zudem bereits die Zahl der potenziellen Eltern zu erkennen: Nur die etwa 15- bis 45-jährigen Frauen können Kinder bekommen, insofern ist die Zahl der potenziellen Mütter der nächsten 15 Jahre bereits heute bekannt. Der Geburtenrückgang verstärkt sich also in der zweiten Generation: Weil in den 1980er-Jahren wenige Kinder geboren wurden, gab es eine Generation später, etwa zwischen 2000 und 2020, auch weniger potenzielle Mütter.

Die bisherige Entwicklung der Altersstruktur und der Bevölkerungsgröße, aber auch die zukünftige, lassen sich mit Hilfe der drei Stellschrauben Geburten, Lebenserwartung und Wanderungssaldo abbilden.

Vorausberechnungen bis 2060: Was lässt sich prognostizieren und was nicht?

Bevölkerungsvorausberechnungen haben für Wirtschaft und Politik eine enorme Bedeutung. Mit ihrer Hilfe kann Jahrzehnte voraus eingeschätzt werden, welche Auswirkungen die beobachteten demografischen Verhältnisse und Trends auf die künftige Bevölkerungsentwicklung haben würden – insofern keine gravierenden Verhaltensänderungen eintreten, beispielsweise infolge politischer Gegensteuerung oder Krisen. Die Bevölkerungsvorausberechnungen sind aufgrund der Demografischen Trägheit relativ aussagekräftig. Da die Zukunft aber bekanntlich nicht vorhersehbar ist, sind die zugrundeliegenden Annahmen zur künftigen Entwicklung der demografischen Faktoren (Geburten, Lebenserwartung und Wanderung) mit Unsicherheiten behaftet. Deshalb wird die künftige Entwicklung in der Regel anhand von mehreren Szenarien dargestellt. So fertigt das Statistische Bundesamt im regelmäßigen Abstand von mehreren Jahren Bevölkerungsvorausberechnungen für Deutschland und die Länder an. Diese enthalten mehrere Varianten, die sich aus den Kombinationen der Annahmen zur zukünftigen Entwicklung der Geburten, der Lebenserwartung und der Wanderungen ergeben.

Diese Bevölkerungsvorausberechnungen sind von Projektionen auf Basis von probabilistischen Berechnungen zu unterscheiden, die manche Institute anfertigen. Die probabilistischen Bevölkerungsprojektionen beruhen auf einer vorausschauenden Ermittlung der Konfidenzintervalle, in denen sich die künftige Bevölkerungsentwicklung mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit bewegen würde. Beispielsweise liegt die probabilistische Prognose des Instituts der Deutschen Wirtschaft für die Bevölkerung in Deutschland für 2035 im Mittelwert bei 83,1 Millionen und die Berechnungen der Qualifikations- und Berufsprojektionen (QuBe) des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) für 2035 bei 83,9 und für 2040 bei 83,7 Millionen Personen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Wert erreicht wird bzw. in dem jeweiligen Prognosekorridor liegt, ist jedoch eine rein statistische Wahrscheinlichkeit, die nur eintrifft, wenn die Annahmen auch stimmen. Es ist also wichtig, sich nicht auf einen einzelnen Prognosewert oder eine mittlere Variante zu verlassen, sondern die getroffenen Annahmen zu hinterfragen und die Bandbreite möglicher zukünftiger Entwicklungen zu betrachten.

Die Bevölkerungsvorausberechnungen werden für konkrete Planungen in Politik und Teilen der Wirtschaft herangezogen. Dabei wird oft eine mittlere Variante bzw. ein Spektrum aus verschiedenen Varianten als Basis für weiterführende Betrachtungen ausgewählt. Im Unterschied zu probabilistischen Projektionen sind hier die jeweils getroffenen Annahmen auch für Fachfremde transparent. So kann die Variante zum Maßstab genommen werden, deren Annahmen am plausibelsten scheinen, oder das aufgezeigte Spektrum mehrerer möglicher Entwicklungen betrachtet werden.

Die 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes des Jahres 2019 berechnet Bevölkerungsgröße und Altersstruktur bis 2060 in 21 Varianten und neun Modellrechnungen.

Für jede "Stellschraube" (Geburtenraten, Lebenserwartung, Wanderungssaldo) wurden je drei Entwicklungsszenarien angenommen. Die Annahmen für die Geburtenrate betragen 1,4, 1,55 und 1,7 Kinder pro Frau, im Jahr 2019 lag dieser Wert bei 1,54, also etwa auf dem mittleren Wert. Die Annahmen für die Lebenserwartung beinhalten einen Anstieg der Lebenserwartung für in 2018 geborene Mädchen von 83,3 Jahren auf 86,4, 88,1 und 89,6 Jahre für in 2060 geborene Mädchen. Die Annahmen für Jungen sind dabei jeweils knapp vier Jahre geringer. Die Annahmen für den Wanderungssaldo (also die Nettozuwanderung) belaufen sich auf 147.000, 221.000 und 311.000 Personen pro Jahr (nach einer gewissen Übergangsphase). Diese Werte entsprechen teilweise den Durchschnittswerten seit der Gründung der früheren Bundesrepublik und teilweise seit der Deutschen Einheit.

Im Folgenden wird die Variante 2 verwendet und als "mittlere" Variante bzw. "Basisvariante" bezeichnet, sie beruht auf den Annahmen einer moderaten Entwicklung der Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und Wanderung. Diese Variante beinhaltet eine Fertilität von 1,55 Kinder je Frau, einen Anstieg der Lebenserwartung bei Geburt für Jungen auf 84,4 Jahre und für Mädchen auf 88,1 Jahre bis 2060 sowie einen durchschnittlichen Wanderungssaldo von 221.000 Personen pro Jahr.

Datenquelle: Statistisches Bundesamt 2019, 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, eigene Darstellung

Die Grafik zeigt, welchen Einfluss die einzelnen Stellschrauben der Annahmen auf die Bevölkerungszahl haben. Nach der Basisvariante steigt die Bevölkerung von 83,2 Millionen in 2020 bis 2024 auf 83,7 Millionen und ist danach rückläufig. Im Jahr 2051 wird sie erstmals unter 80 Millionen liegen und bis 2060 auf 78,2 Millionen sinken (schwarze Linie). Liegt der jährliche Wanderungssaldo bei 311.000 statt 221.000, wird die Bevölkerung 2060 bei 83,0 Millionen liegen (pinke Linie). Der Hebel dieser unterschiedlichen Annahme der Zuwanderung führt zu 4,8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern mehr in 2060. Steigt die Geburtenrate dauerhaft auf 1,7, wird die Bevölkerungszahl 2060 bei 81,1 Millionen liegen (blaue Linie). Der Hebel einer um 0,15 höheren Geburtenrate macht einen Unterschied von 2,9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern mehr in 2060. Die dritte Stellschraube ist schwächer: Wird die Lebenserwartung bei Mädchen bis 2060 auf 89,6 statt auf 88,1 Jahre steigen, wird die Bevölkerung 2060 bei 79,7 Millionen liegen (gelbe Linie); der Hebel von eineinhalb Jahren mehr Lebenserwartung führt zu 1,5 Millionen Personen mehr in 2060.

Werden die niedrigsten Varianten der Annahmen kombiniert, würde die Einwohnerzahl im Jahr 2060 71,0 Millionen betragen und die höchst mögliche Kombination würde zu einem Bevölkerungsmaximum von 87,5 Millionen Personen führen. Das ist eine breite Spanne, wobei keine der Annahmen aus heutiger Sicht unrealistisch erscheint. Es ist nicht sicher, ob es bis 2060 überhaupt eine Schrumpfung geben wird.

Datenquelle: Statistisches Bundesamt 2019, 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, eigene Darstellung

Die einzelnen Annahmen beeinflussen auch den Altenquotienten (siehe Kapitel "Interner Link: Warum der demografische Wandel uns alle betrifft"). Der Altenquotient 67 gibt an, wie viele Personen, die 67 Jahre oder älter sind, auf 100 Personen im (erwerbsfähigen) Alter von 20 bis 66 Jahren kommen. Nach der Basisvariante würde der Altenquotient von 31,5 in 2020 auf 39,2 im Jahr 2030 und 46,7 in 2038 steigen, bis 2050 etwa auf diesem Niveau bleiben und sich danach bis 2060 noch leicht auf 50,2 erhöhen (schwarze Linie). Wenn die Lebenserwartung bei Mädchen bis 2060 auf 89,6 statt auf 88,1 Jahre steigen würde, betrüge der Altenquotient 53,3, der Hebel beträgt 3,1 Punkte (bzw. Senioren pro 100 Personen im Erwerbsalter). Bei einer Geburtenrate von 1,7 würde der Altenquotient 2060 bei 49,0 liegen, ein Punkt niedriger als bei der Basisvariante. Dieser geringe Hebel bei der Geburtenrate liegt daran, dass Kinder nicht erwerbstätig sind. In die Berechnung des Altenquotienten fließen erst erwachsene Erwerbstätige ab 20 Jahren ein. Langfristig sind die Effekte der Geburtenrate auf den Altenquotienten jedoch stärker. Bei einer jährlichen Nettozuwanderung von 311.000 statt 221.000 würde der Altenquotient in 2060 bei 47,0 liegen, das sind 3,2 Punkte unter der Basisvariante. Dies verdeutlicht, dass der Altenquotient bis 2060 relativ gut prognostizierbar ist, die unterschiedlichen Annahmen verändern das Ergebnis weniger als bei der Bevölkerungsgröße. Bis 2035 betragen die Abweichung von der Basisvariante nur etwa einen Punkt.

Bevölkerungsvorausberechnungen ermöglichen für einen Zeitraum von vier Jahrzehnten eine recht gute Abschätzung der demografischen Entwicklung. Der deutliche Anstieg des Altenquotienten in den nächsten zwei Jahrzehnten lässt sich demnach ziemlich sicher prognostizieren, ebenso die potenziellen Konsequenzen für die Sozialsysteme. Die Prognose eines Bevölkerungsrückgangs bis 2060 kann heute jedoch noch nicht festgestellt werden. Das große Potenzial dieser Vorausberechnungen liegt nicht nur in der Abschätzung zu Alterung und Schrumpfung, sondern auch darin, dass es den Einfluss von Migration und Geburtenentwicklung auf den demografischen Wandel im Zeitverlauf berechnet. Dies ermöglicht eine solide wissenschaftliche Grundlage, um politisch den demografischen Wandel selbst sowie deren sozialpolitische Auswirkungen zu gestalten.

PD Dr. Martin Bujard ist stellvertretender Institutsdirektor am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden.

Nach beruflichen Erfahrungen in der Privatwirtschaft und der Politik zog es ihn in die Schnittstelle von Wissenschaft und Politikberatung. Von 2009–2011 war er im Projekt "Zukunft mit Kindern" an der Humboldt Universität zu Berlin tätig. Seit 2011 wirkt er am BiB in Wiesbaden, seit 2015 als Forschungsdirektor des Bereichs "Familie und Fertilität", seit 2020 als stellvertretender Institutsdirektor. Der habilitierte Sozialwissenschaftler hatte Lehraufträge an den Universitäten Berlin, Mainz und Bamberg inne. Er ist Mitgründer des Familiendemografischen Panels FReDA und forscht zu Geburtenentwicklung, Public Health mit Schwerpunkt Familien und Kinder sowie Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Martin Bujard berät die Bundesregierung u. a. als Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für Familienfragen des Bundesfamilienministeriums, bei der Demografiestrategie der Bundesregierung und in der Coronavirus-Pandemie bezüglich der Auswirkungen auf Jugendliche und Familien. Er ist Mitglied in wissenschaftlichen Gremien wie beispielsweise im Consortium Board des EU-weiten Generation and Gender Programme und der Arbeitsgruppe "Fortpflanzungsmedizingesetz" der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Ehrenamtlich setzt er sich als Präsident des evangelischen Familienverbandes eaf für Familien ein.

Danksagung: Der Autor dankt Samira Beringer, Felix Berth, Holger Bonin, Christian Fiedler, Mathias Huebener, Bernhard Köppen, Sandra Krapf, Elke Loichinger, Olga Pötzsch, Kerstin Ruckdeschel, Harun Sulak und Frank Swiaczny für viele wertvolle Kommentare zum Manuskript.