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Europäisches Parlament

Olaf Leiße

/ 5 Minuten zu lesen

720 Abgeordnete, 24 Sprachen, drei Standorte – Vielfalt pur im Europäischen Parlament. Doch wie funktioniert Gesetzgebung wirklich im einzigen EU‑Organ, das direkt vom Volk gewählt wird?

Blick in den Plenarsaal des Europäischen Parlaments in Straßburg während einer Rede von Ursula von der Leyen. (© picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth)

Das Europäische Parlament ist eine ganz besondere Institution. Es ist weltweit das größte multinational zusammengesetzte Parlament, Interner Link: rund 170 Parteien sind im Parlament vertreten, es gibt 24 Amtssprachen und drei Arbeitsorte. Als einziges Organ in der Europäischen Union vertritt es die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger direkt. Gegründet wurde es als Gemeinsame Versammlung im Rahmen der Interner Link: Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl 1952. Zehn Jahre später, 1962, beschlossen die Abgeordneten die Umbenennung in Europäisches Parlament. 1979 wurden die Abgeordneten erstmals direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt. Seitdem gewinnt das Parlament ständig an Einfluss und ist seit Inkrafttreten des Interner Link: Vertrags von Lissabon gleichberechtigt mit den im Rat versammelten Mitgliedstaaten an der Interner Link: Gesetzgebung in der Europäischen Union beteiligt.

Straßburg, Brüssel und Luxemburg: Parlament an drei Orten

Der Hauptsitz des Europäischen Parlaments ist in Straßburg. Dort gibt es ein repräsentatives Gebäude, das jedoch nur 12 Mal im Jahr für Plenarsitzungen benutzt wird. Auch in Brüssel, in räumlicher Nähe zu den übrigen Institutionen, verfügt das Parlament über ein Gebäude mit Plenarsaal, Abgeordnetenbüros und Räume für die Ausschüsse. In Brüssel tagen zudem die Fraktionen. Die Verwaltung hat ihren Sitz in Luxemburg. Die Parlamentssitzungen in Straßburg sind im EU-Vertrag festgelegt, doch der Umzug für jeweils nur eine Sitzungswoche ist logistisch anspruchsvoll und kostspielig. Alle wichtigen Unterlagen, wie Dokumente, Entwürfe, Stellungnahmen und Arbeitsmaterialien, müssen von Luxemburg oder Brüssel nach Straßburg transportiert werden. Das bedeutet, dass mehrere Tonnen Papier bewegt werden müssen und bis zu 5.000 Personen anreisen. Während der Plenarwoche von Montag bis Donnerstag herrscht viel Betrieb, doch an den restlichen Tagen bleibt das riesige Gebäude ungenutzt.

Der von Kritikern gerne spöttisch als „Wanderzirkus“ bezeichnete Pendelbetrieb zwischen den drei Städten gibt daher regelmäßig Anlass zur Diskussion.

Präsidentenwahl und Gremien

Das Europäische Parlament hat in der Wahlperiode 2024-2029 720 Sitze. Es wählt zu Beginn einer Legislaturperiode einen Präsidenten. Die Amtszeit beträgt im Regelfall die Hälfte der 5-jährigen Legislaturperiode. Meist verständigen sich insbesondere die beiden großen Fraktionen, Konservative und Sozialdemokraten, auf den Kandidaten einer Fraktion für die erste Hälfte, während die andere Fraktion in der zweiten Hälfte den Amtsinhaber stellt. 2024 ist es Roberta Metsola aus Malta gelungen, ihre zweite Amtszeit in der vorherigen Legislaturperiode zu verlängern und auch die erste Parlamentspräsidentin ab 2024 zu werden. Präsidenten aus Deutschland waren Egon Klepsch (CDU, 1992-1994), Klaus Hänsch (SPD, 1994-1997), Hans-Gert Pöttering (CDU, 2007-2009) und Martin Schulz (SPD, 2012-2017). Das Präsidium des Parlaments besteht weiterhin aus 14 Vizepräsidenten und 6 Quästoren, die für administrative und finanzielle Belange zuständig sind. In der sogenannten Konferenz der Präsidenten trifft sich der Parlamentspräsident mit den Fraktionsvorsitzenden, um die Durchführung der Sitzungen vorzubereiten und die Tagesordnung festzulegen. Sie entscheidet auch über die Sitzordnung im Plenarsaal und legt die Zuständigkeiten und die Zahl der Mitglieder in den parlamentarischen Ausschüssen und Delegationen fest. Die Konferenz der Präsidenten organisiert die Arbeit des Parlaments und ist dem Ältestenrat im Deutschen Bundestag ähnlich.

Gesetzgebung: Ausschüsse und Berichterstatter

Die wichtigsten Funktionen des Parlaments sind das Haushaltsrecht sowie die Gesetzgebung. Zusammen mit den im Rat versammelten Mitgliedstaaten setzt das Parlament Gesetze in Kraft. Die Vorlagen für neue Interner Link: Rechtsakte erhält es von der Kommission. Da das Plenum zu groß ist, um Gesetzesvorhaben zu diskutieren, hat das Parlament Ausschüsse eingesetzt. Jeder Abgeordnete ist Mitglied in mindestens einem Ausschuss. Die 20 ständigen Ausschüsse folgen den Zuständigkeiten der Kommission, so dass Entwürfe der Kommission sofort einem bestimmten Ausschuss zugewiesen werden können.

Die Ausschüsse setzen sich je nach ihrer Bedeutung aus einer unterschiedlichen Anzahl von Abgeordneten zusammen. Die Zusammensetzung der Ausschüsse orientiert sich so weit wie möglich an der Stärke der Fraktionen im Parlament, sodass größere Fraktionen mehr Mitglieder in den Ausschüssen stellen. Jeder Ausschuss wählt einen Vorsitzenden, der für die Vorbereitung und Leitung der Sitzungen verantwortlich ist und ein eigenes Sekretariat erhält. Die wichtigste Rolle spielt jedoch der Berichterstatter. Der Berichterstatter ist dafür verantwortlich, den jeweiligen Kommissionsvorschlag eingehend zu prüfen und einen Entwurf für die Stellungnahme des gesamten Ausschusses zu erstellen. Die Ausschussmitglieder können dann ihre Meinung äußern, zustimmen oder Änderungen vorschlagen. Die finale Version dient dann als Grundlage für die Abstimmung im Plenum des Parlaments.

Die ständigen parlamentarischen Ausschüsse sind das Fundament der täglichen Arbeit des Parlaments. Sie tagen in der Regel in der Woche nach den Plenarsitzungen in Brüssel. Die Sitzungen sind öffentlich, ebenso wie die dazugehörigen Dokumente. Zusätzlich existieren Sonderausschüsse, um aktuelle Themen zu behandeln, und Untersuchungsausschüsse, die mögliche Verstöße gegen das Recht der Europäischen Union untersuchen.

Kontrolle der Kommission

Ein weiteres parlamentarisches Recht ist die Kontrolle der Arbeit der Interner Link: Kommision. Das geschieht z. B. über mündliche und schriftliche Anfragen, die von der Kommission beantwortet werden müssen (Art. 230 AEUV). Mitglieder der Kommission können auch an Ausschusssitzungen teilnehmen, so dass eine möglichst enge Zusammenarbeit von Parlament und Kommission gewährleistet ist. Im Falle von wahrgenommenen Verstößen der Kommission durch das Parlament gibt es die Möglichkeit des Misstrauensantrags (Art. 234 AEUV und Art. 17 Abs. 8 EUV). Das Europäische Parlament kann der Kommission mit der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und mit der Mehrheit seiner Mitglieder das Misstrauen aussprechen. In diesem Fall muss die Kommission geschlossen ihr Amt niederlegen. Dieses Instrument ist ein besonders scharfes Schwert, das allerdings bislang noch nicht erfolgreich eingesetzt worden ist.

Parlamentarische Außenpolitik und Menschenrechtsarbeit

Das Europäische Parlament unterhält weltweit Kontakte. Durch die Delegationen pflegt das Europäische Parlament Kontakte zu den Parlamenten und Versammlungen anderer Staaten oder Organisationen. Jeder Abgeordnete ist Mitglied in mindestens einer Delegation. Die Delegationen verfolgen das Ziel, sich mit anderen Parlamenten zu vernetzen, die Arbeit des Europäischen Parlaments in der Welt sichtbar zu machen und die Werte der Union zu fördern. Die parlamentarische Außenpolitik ergänzt die Außenpolitik von Rat und Kommission, ersetzt sie jedoch nicht, sondern bringt eine besondere parlamentarische Dimension in die internationalen Beziehungen der Europäischen Union ein.

Seit 1988 verleiht das Europäische Parlament alljährlich im Dezember in Straßburg den Interner Link: Sacharow-Preis für geistige Freiheit. Mit diesem Preis werden Menschen und Organisationen ausgezeichnet, die sich in besonderer Weise für die Menschenrechte eingesetzt haben. So macht das Parlament Verstöße gegen die Menschenrechte öffentlich und unterstützt die Preisträger und ihr Anliegen. Mit dem Sacharow-Preis reagiert das Europäische Parlament auf aktuelle Ereignisse, würdigt die Preisträger und bringt Menschenrechtsverletzungen in das öffentliche Bewusstsein Europas. Obwohl die Missstände damit selten behoben werden, sind die Ausgezeichneten Vorbilder und Hoffnungsträger für viele Menschen in ihren Ländern, die an Recht und Gerechtigkeit glauben. Gleichzeitig senden sie eine klare Botschaft an autoritäre Regime, dass ihr Verhalten nicht unbeachtet bleibt, sondern von Europa und der Welt wahrgenommen wird.

LinklisteLinks zu offiziellen Seiten der Europäischen Union

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Externer Link: Europäisches Parlament – Informationen zu Abgeordneten, Debatten und Gesetzgebungsprozessen
Externer Link: Rat der Europäischen Union – Beschlüsse und Arbeit des Ministerrats
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Externer Link: Europäischer Bürgerbeauftragter (Ombudsman) – Beschwerden über Fehlverhalten von EU-Behörden

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Apl. Prof. Dr. Olaf Leiße ist Leiter des Arbeitsbereichs Europäische Studien am Institut für Politikwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist außerplanmäßiger Professor für Europäische Studien und Autor zahlreicher Bücher über die Europäische Union.