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Gang der europäischen Gesetzgebung

Olaf Leiße

/ 4 Minuten zu lesen

Wie aus Vorschlägen EU-Rechtsakte werden: Im Gesetzgebungsprozess zwischen Kommission, Parlament und Rat werden Interessen gebündelt, Kompromisse gefunden und Regeln für alle beschlossen.

Abstimmung im Europäischen Parlament: Die Debatte über einen Rechtsakt ist im Plenum in der Regel kurz, die Entscheidung wurde zuvor im Ausschuss getroffen. Nach der Debatte erfolgt die Abstimmung, und das Ergebnis wird dem Rat übermittelt. (© picture alliance / Hans Lucas | POOL UNION EUROPEENNE / AGENCE HANS LUCAS)

Vorweg: Gesetze gibt es auf europäischer Ebene nicht. Der Begriff ist reserviert für Rechtsnormen innerhalb eines Staates und ist auf Druck einiger Mitgliedstaaten nicht in den Vertrag von Lissabon aufgenommen worden. Die Interner Link: Rechtsakte der Europäischen Union sind vielmehr unterteilt nach Verordnungen, die in jedem Mitgliedstaat allgemein und unmittelbar gelten und Richtlinien, die hinsichtlich ihres Ziels verbindlich sind, jedoch jedem Mitgliedstaat Form und Mittel überlassen, um dieses zu erreichen (Art. 288 AEUV). Der Unterschied zwischen Verordnungen und Richtlinien ist in der Praxis jedoch nicht mehr bedeutsam. Darüber hinaus gibt es noch Beschlüsse, die sich an bestimmte Adressaten richten und für diese unmittelbar verbindlich sind sowie unverbindliche Empfehlungen und Stellungnahmen. Da die Rechtsakte der EU den nationalstaatlichen Gesetzen ähnlich sind und dieser Begriff allgemein geläufig ist, wird im Folgenden der Einfachheit halber von Gesetzen gesprochen.

Gesetzesinitiative der Kommission

Wie kommen Gesetze in der Europäischen Union zustande? Die Interner Link: Kommission besitzt das Initiativmonopol, daher beginnt der Gang der Gesetzgebung bei dieser Institution. Allerdings ist die Kommission nicht immer der Ideengeber. Anstöße und auch konkrete Vorschläge für neue Gesetze kommen häufig von Interessengruppen, die in Brüssel oder in den Mitgliedstaaten tätig sind. Sie dringen auf eine (Neu-)regelung in einem bestimmten Politikfeld. Die Wirtschaft und zivilgesellschaftliche Akteure haben sich im Umfeld der Europäischen Union organisiert, um ihre Interessen durchzusetzen und entsprechenden Druck auf die Kommission aufzubauen. Die Europäische Union hat ein Externer Link: Transparenzregister aufgebaut, in das Organisationen eintragen können. Akteure, die sich in das Register eintragen, bekommen offiziell Zugang zur Kommission und zum Europäischen Parlament. Rund 15.000 Organisationen sind dort gelistet, die meisten stammen aus der Wirtschaft, gefolgt von Nichtregierungsorganisationen, Beratungsunternehmen und Anwaltskanzleien, Denkfabriken und Forschungseinrichtungen, Kirchen und Religionsgemeinschaften.

Auch das Interner Link: Europäische Parlament kann mit der Mehrheit seiner Mitglieder die Kommission auffordern, einen geeigneten Gesetzgebungsvorschlag zu unterbreiten, allerdings ist sie daran nicht gebunden (Art. 225 AEUV). Dieses Recht besitzen auch die im Interner Link: Rat vertretenen Mitgliedstaaten (Art. 241 AEUV). Darüber hinaus sind bei vielen Gesetzen regelmäßige Überprüfungen vorgesehen, so dass viele neue Gesetze Vorgängergesetze reformieren und erneuern.

Wenn ein Anliegen die Wahrnehmungsschwelle der Kommission überschritten hat, wird es einem Kommissar und dann einer Generaldirektion zugeordnet, die schließlich das zuständige Referat mit der Ausarbeitung betraut. In engem Zusammenspiel mit einer oder mehreren Sachverständigengruppen nimmt der sogenannte Referentenentwurf Gestalt an. Der fertige Entwurf wird schließlich durch den zuständigen Kommissar dem Kollegium aller Kommissare vorgestellt. Wenn der Entwurf mehrheitlich angenommen wurde, ist aus der ursprünglichen Anregung ein verbindlicher Vorschlag für einen Rechtsakt geworden.

Gesetzgebungsverfahren im Parlament

Die Gesetzgebungsphase beginnt, wenn die Kommission ihren Vorschlag im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens an den Rat und das Parlament übermittelt. Im Parlament wird das Dokument an den zuständigen Ausschuss weitergeleitet. Der Vorsitzende des Ausschusses wählt auf Basis der internen Meinungsbildung einen Berichterstatter, der die schriftliche Stellungnahme des Parlaments zu dem Gesetzesvorschlag erstellen soll. Der Ausschuss beschäftigt sich in der Regel mehrmals mit dem Thema, lädt gegebenenfalls Experten ein und beeinflusst so die Erstellung des Berichts. Schließlich wird der Bericht vom Berichterstatter dem Ausschuss zur Abstimmung vorgelegt und kann anschließend im Plenum behandelt werden.

Nachdem der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments seinen Bericht abgeschlossen hat, muss dieser im Plenum in der ersten Lesung besprochen und darüber abgestimmt werden. Die Konferenz der Präsidenten, bestehend aus dem Parlamentspräsidenten und den Fraktionsvorsitzenden, setzt das Thema auf die Tagesordnung. Die Fraktionen haben sich zuvor intern geeinigt, sodass eine Abstimmungsempfehlung für die eigenen Abgeordneten vorliegt. Die Plenardebatte ist in der Regel kurz und richtet sich hauptsächlich an die Öffentlichkeit, da die Entscheidung bereits getroffen wurde. Nach der allgemeinen Debatte erfolgt die Abstimmung, und das Ergebnis wird dem Rat übermittelt.

Entscheidung im Rat der Europäischen Union

Im Rat wird das Ergebnis zur Kenntnis genommen. Das Dokument wird von der alle sechs Monate rotierenden Ratspräsidentschaft an eine Arbeitsgruppe oder einen Ausschuss weitergeleitet. Sobald die zuständige Arbeitsgruppe eine Einigung erzielt hat, wird das Thema auf die Tagesordnung des Rates der Ständigen Vertreter, also der Botschafter der Mitgliedstaaten, gesetzt. Wird eine Einigung erreicht, wird das Thema als „A-Punkt“ auf die Tagesordnung gesetzt und nur kurz besprochen und bestätigt. Falls keine Einigung erzielt wird, wird das Thema als „B-Punkt“ an den Rat weitergeleitet, wo weitere Verhandlungen zwischen den Ministern stattfinden. Für die Abstimmungen im Rat gilt das Prinzip der doppelten Mehrheit. Für die Zustimmung ist eine Mehrheit von 55 Prozent der Mitgliedstaaten erforderlich, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Ist diese Zustimmung erteilt, gilt der Rechtsakt als angenommen und das Verfahren ist abgeschlossen.

Sollte der Rechtsakt nicht angenommen werden, gibt es auch die Möglichkeit, weitere Änderungen vorzunehmen. Dann müssen beide Seiten noch einmal abstimmen. Im seltenen Fall anhaltender Uneinigkeit kann auch ein Vermittlungsausschuss einberufen werden. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch zunehmend das sogenannte Trilog-Verfahren durchgesetzt. Hier verhandeln Vertreter von Parlament und Rat unter Vermittlung der Kommission in nicht-öffentlichen Sitzungen miteinander, um möglichst komplikationslos zu einer Einigung zu gelangen.

Für die Durchführung der Gesetze ist die Kommission zusammen mit den nationalen Verwaltungen verantwortlich. Die Kommission kontrolliert die fristgemäße und vollständige Umsetzung der Gesetze in den Mitgliedstaaten. Notfalls kann sie dabei auch den Europäischen Gerichtshof einschalten.

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Apl. Prof. Dr. Olaf Leiße ist Leiter des Arbeitsbereichs Europäische Studien am Institut für Politikwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist außerplanmäßiger Professor für Europäische Studien und Autor zahlreicher Bücher über die Europäische Union.