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Antidemokratische Positionen und menschenfeindliche Einstellungen als Herausforderung für die Schule Herausgeforderte Demokratie – Herausgeforderte Schule

Stefan Breuer

/ 12 Minuten zu lesen

Schülerinnen und Schüler sollen in der Schule die grundlegenden Werte unseres gesellschaftlichen und demokratischen Zusammenlebens erlernen. Was aber tun, wenn diese Grundlagen herausgefordert und Menschenrechte sowie demokratische Werte infrage gestellt werden?

Schule übernimmt eine wichtige Aufgabe beim Erlernen und Ausprobieren grundlegender demokratischer Kompetenzen. (© Adobe-Stock/Anastassiya)

Dass antidemokratische Positionen und Einstellungen (vgl. Dannemann 2023) ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellen, belegen einschlägige Studien bereits über viele Jahre (vgl. Heitmeyer 2011; Zick et al. 2023). Insofern sind sie ebenfalls schon lange Teil schulischer Realität. Im Zuge des Erstarkens extrem rechter Akteur:innen in Europa und weltweit lässt sich in den letzten Jahren jedoch eine neue Problemdynamik beobachten. Die in diesem Zusammenhang zunehmende Verschiebung von Diskursgrenzen, Enthemmungen bei der Verbreitung rassistischer oder anderer menschenfeindlicher Positionen sowie die Polarisierung von gesellschaftlichen Auseinandersetzungen stellen auch Schulen vor eine nicht leicht zu bewältigende Herausforderung. Der im Bildungs- und Erziehungsauftrag verankerte Einsatz für fundamentale Grund- und Menschenrechte gerät auch hier zunehmend unter Druck. Schulen sind also keine Orte, die sich vor aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen verstecken können. Konfrontation und Auseinandersetzung führen dort nicht selten zu starker Verunsicherung und Überforderung bei den betroffenen Personen selbst und ebenso auf der Ebene der Schule als Gesamtsystem.

Schule als Ort der Demokratie – Demokratische Schulkultur

Auch ohne besondere Herausforderungen ist das Fundament des pädagogischen Handelns in Schulen und Bildungseinrichtungen durch grund- und menschenrechtliche Werte vorgegeben. Noch stärker tritt dieser Grundstein in der Auseinandersetzung mit antidemokratischen Positionen und Einstellungen hervor. Dafür braucht es zwingend ein normatives Wertegerüst, das sich zur Anerkennung der universellen Menschenrechte als Aufgabe für das pädagogische Handeln bekennt. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, da Schüler:innen hier einen nicht unerheblichen Teil ihrer Jugend und damit eine sensible Phase ihrer politischen Sozialisation verbringen. In diesem Sinne soll Schule eine wichtige Aufgabe beim Erlernen und Ausprobieren grundlegender demokratischer Kompetenzen übernehmen. „Schule soll Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit bieten, ein politisches Bewusstsein und politische Mündigkeit zu entwickeln. Die Schülerinnen und Schüler sollen dabei politisch kritik- und urteilsfähig werden und sich auf ihre Rolle als mündige Bürgerinnen und Bürger vorbereiten“ (BMFSFJ 2020: 177).

Darüber hinaus soll Schule auch die Ausbildung einer demokratischen Haltung unterstützen und dazu befähigen, menschenfeindlichen Positionen und Ungleichwertigkeitsvorstellungen entgegenzutreten. Dies ist im schulgesetzlich manifestierten und formalisierten Erziehungs- und Bildungsauftrag von Schulen angelegt (vgl. u.a. Sächsischen Schulgesetz, § 1 Abs. 5). Dieser elementare demokratiebildende Auftrag lässt sich nur mit einer ausgeprägten demokratischen Schulkultur realisieren, in der Schüler:innen als politische Subjekte adressiert und ernst genommen werden.

Demokratiebildung in diesem Sinne ist damit Aufgabe der gesamten Schule. Die Umsetzung darf dabei nicht nur auf bestimmte Fächer oder Fachlehrkräfte (z. B. der politischen Bildung oder der sozialwissenschaftlichen Fächer) beschränkt bleiben oder ausgelagert werden. Sie liegt als Querschnittsaufgabe in einer gemeinsamen Verantwortung aller Schulangehörigen. Dies schließt auch explizit die Schulleitungen und andere Funktionsstellen innerhalb der Schule ein.

Herausforderung für die Schule – Warum ist angemessenes Reagieren so schwierig?

Im Angesicht zunehmender gesellschaftlicher Herausforderungen unter anderem seitens extrem rechter Akteur:innen steht die Frage im Raum, wie diesen im Kontext Schule angemessen begegnet werden kann. Das Erstarken extrem rechter Akteur:innen wird auf allen Ebenen des politischen Systems sichtbar, durch Parlamentseinzüge auf europäischer, nationaler oder kommunaler Ebene ebenso wie durch vielfältige Aktivitäten im außerparlamentarischen Bereich. Damit haben sich auch eine neue Dynamik und neue Räume ergeben, in denen rassistische, sexistische oder andere Ungleichwertigkeitsvorstellungen sowie geschichtsrevisionistische Konzepte geäußert werden und sich damit die „Grenzen des Sagbaren“ verschieben. Auch wenn eine demokratische Schulkultur einen wichtigen Anker bietet, fällt es Lehrpersonal und Pädagog:innen dennoch oft schwer, in der Auseinandersetzung mit antidemokratischen Positionen und menschenfeindlichen Einstellungen geeignete Reaktionen und Handlungsstrategien zu finden und anzuwenden. Nicht selten wird in stark herausfordernden Situationen mit Zurückhaltung, Vermeidungsstrategien, Nicht-Thematisierung oder aber impulsiven Ad-hoc-Strategien reagiert. Dies führt oft zu nicht zufriedenstellenden Ergebnissen und kann im schlechtesten Fall Probleme sogar verstärken.

Es ist vor diesem Hintergrund unverzichtbar, nicht nur das individuelle Verhalten beteiligter Pädagog:innen zu betrachten, sondern auch weitere Perspektiven einzubeziehen. Die bisherige Forschung zum Themenbereich konnte zeigen, dass auch individuelle Handlungsansätze und -strategien nicht rein zufällig gewählt werden, sondern bestimmten systemischen Bedingungen folgen (vgl. Behrens 2014). Schule wird auf unterschiedlichen Ebenen mit antidemokratischen Einstellungen und Verhalten konfrontiert. Handlungsauffordernde Situationen bleiben hier nicht auf das Unterrichtsgeschehen oder einen Klassenverband beschränkt. Sie können im gesamten schulischen Alltag relevant werden, beispielsweise in abwertenden Äußerungen in Pausen, als extrem rechte Schmierereien an und in der Schule, als rassistisches Unterrichtsmaterial, durch Eltern oder gar durch Kolleg:innen im Lehrer:innenzimmer. Antidemokratisches Gedankengut wird also nicht nur durch Schüler:innen in die Schule eingebracht. Vielfach spielen weitere Ermöglichungsstrukturen eine Rolle. Deshalb hilft es, handlungsauffordernde Situationen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Zur besseren Orientierung kann dazu ein Perspektivraster (vgl. Behrens et al. 2021: 65) genutzt werden, das verschiedene Ebenen für die Auseinandersetzung mit antidemokratischen Positionen und Einstellungen beschreibt:

Pädagogische Ebene

Auf dieser Ebene liegen Herausforderungen, die sich aus pädagogisch-erzieherischen Zugängen ergeben. Bei Einnahme dieser Perspektive fällt der Blick klassischerweise zunächst oft auf den Unterrichtskontext, in dem unter anderem auf Äußerungen oder Verhalten seitens der Schüler:innen reagiert werden muss. Sie umfasst darüber hinaus aber alle zwischenmenschlichen Interaktionen mit dem Fokus auf Lern- und Entwicklungsaspekten. Fragen dieser Perspektive richten sich also auf den pädagogischen Umgang, auf die Kommunikation und auf soziale Interventionen, die in der Situation angemessen erscheinen.

Rechtliche Ebene

Auf dieser Ebene stehen rechtliche Rahmenbedingungen und juristische Bestimmungen im Fokus, die als Maßstab für Handlungen herangezogen werden. Das können beispielsweise juristische Konsequenzen im Fall strafrechtsrelevanter Tatbestände (z. B. das Zeigen verfassungsfeindlicher Symbole oder Gesten) oder auch andere Rechtsgrundsätze wie Hausordnungen, dienstrechtliche Bestimmungen und so weiter sein. Die Anwendung möglicher Sanktionen unterliegt dabei immer einem Abwägungsprozess. Zugespitzt wirft die Perspektive also zunächst ein Schlaglicht auf die rechtlich normierten Aspekte der Situation und auf die Frage, wie rechtssicher agiert werden kann, was juristisch geboten ist, aber auch welche Spielräume es gibt.

Politische Ebene

Auf der politischen Ebene sind Fragen der pädagogischen Vorbildfunktion und demokratischen Haltung zentral. Diese Perspektive fragt nach der normativen Signal- und Multiplikationswirkung von Handlungen in Bezug auf wertebasierte und demokratische Haltungen. Auf dieser Ebene geht es also auch um den gesellschaftlich zugedachten Sinn der demokratiebildenden Funktion von Schule und damit um Fragen nach den Konsequenzen und Aussichten, die Handlungen für ein wertebasiertes Zusammenleben haben.

Systemische Ebene

In dieser Perspektive wird die Zusammenwirkung und Verflechtung unterschiedlicher Akteur:innen und Institutionen fokussiert. Dabei werden hierarchische Gegebenheiten von Schulen und Fragen nach dem Zusammenspiel von Schulen und anderen systemischen Ebenen und Institutionen (z. B. Behörden, Ministerium, Eltern) in den Blick genommen. Dies ist wichtig, weil im Themenfeld nicht selten auch Systemgrenzen überschritten werden müssen, um Herausforderungen bearbeiten zu können. So ist beispielsweise zu prüfen, wo eine Einbindung von weiteren Behörden oder auch Unterstützungsstrukturen (wie der außerschulischen politischen Bildung) zwingend ist oder hilfreich erscheint.

Mit einer solchen Ebenenbetrachtung lassen sich Herausforderungen nicht sofort lösen, sie werden aber einer Bearbeitung zugänglich gemacht. Wie oben beschrieben, kann die Form der Herausforderung sehr unterschiedlich sein. Zu einem professionellen Umgang gehört deshalb auch, die immer wiederkehrenden Fallstricke schulischer Auseinandersetzung zumindest ansatzweise zu kennen. Im Folgenden sollen deshalb drei typische Problemzusammenhänge vorgestellt werden, die dies verdeutlichen.

Fallstrick I: „Sich nicht unter Druck setzen lassen“ – Angriffe auf Schulen und politische Bildung

Schulen, die ihrem demokratiebildenden Auftrag gerecht werden, geraten momentan immer wieder unter Druck. Dies gilt insbesondere für Schulen, die sich proaktiv gegen rassistische, sexistische oder andere demokratiefeindliche Argumentationsmuster wenden. Zentrales Argument seitens extrem rechter Akteur:innen ist hier eine geforderte sogenannte „politische Neutralität“ der Schule. Dahinter verbirgt sich die Strategie, menschenfeindliche und undemokratische Positionen und Einstellungen als gleichberechtigte Inhalte in Schulen zu verankern. Unter dem Vorwand der Wahrung politischer Chancengleichheit und von (Meinungs-)Pluralismus soll das Postulat der Neutralität rechtspopulistische und menschenfeindliche Politiken und Praxen einer kritischen Analyse entziehen. Diese Forderung wurde und wird durch praktische Maßnahmen befördert, die insbesondere politisch aktive Schulen und Lehrkräfte adressieren (u. a. die sogenannten Meldeportale der Alternative für Deutschland (AfD) ). So gibt es auch immer wieder Fälle von Dienstaufsichtsbeschwerden, um Lehrkräfte oder Schulen unter Druck zu setzen (vgl. Behrens et al. 2021).

Zur Untermauerung dieser Strategie wird oft der Interner Link: Beutelsbacher Konsens angeführt. Fälschlicherweise wird dieser oft als eine Art „Neutralitätsgebot“ missverstanden und es wird behauptet, dass damit eine Positionierung zu politischen Inhalten seitens der Lehrkraft untersagt sei. Die Instrumentalisierung des Beutelsbacher Konsenses kann jedoch nicht über dessen Gebundenheit an grundlegende freiheitlich-demokratische Prinzipien und Werte unserer Demokratie hinwegtäuschen. Auch im Sinne des schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrags fordert der Beutelsbacher Konsens keine Neutralität – und es kann in Fragen menschenverachtender und undemokratischer Äußerungen und Verhalten auch keine Neutralität geben. Übertragen auf die schulische Praxis bedeutet dies, dass rassistische, sexistische oder andere undemokratische Praxen und Positionen klar als solche benannt werden können. Das gilt beispielsweise dann, wenn öffentlich die Würde von Menschen aberkannt bzw. infrage gestellt wird, oder bei der Relativierung des Nationalsozialismus durch Politiker:innen. Prominente Beispiele hierfür sind Aussagen, die fordern, flüchtende Menschen an den Grenzen zu erschießen oder im Meer ertrinken zu lassen.

Ein Blick auf die rechtlichen Bestimmungen verschafft hier zusätzliche Klarheit. Michael Wrase, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Hildesheim, stellt heraus, dass das Einbringen eigener Standpunkte durch Lehrkräfte in Schule und Unterricht legitim ist und durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Grundgesetz (GG) gedeckt wird. Dieses Recht auf freie Meinungsäußerung findet erst seine Grenze, wenn bestimmte Parteien oder Positionen einseitig beworben oder pauschal diskreditiert werden und damit erheblich gegen die Chancengleichheit verstoßen wird. Lehrkräfte unterliegen hier nach § 33 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) einem Mäßigungsgebot – dies gilt auch für angestellte Lehrkräfte. Dies schränkt aber ausdrücklich nicht ein, demokratische Positionen zu beziehen. Dazu schreibt Michael Wrase: „Das Gebot der (partei-)politischen Zurückhaltung und Chancengleichheit bedeutet [...] nicht, dass alle im demokratischen Parteienspektrum vertretenen Auffassungen bis zur Grenze der Verfassungsfeindlichkeit im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG gleichermaßen als legitim darzustellen sind. Das gilt insbesondere in der Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Parteien wie der AfD.“ (Wrase 2020: 13) Diese Ausführungen zeigen, dass sich schulische Akteur:innen in ihrem demokratiebildenden Wirken nicht unter Druck setzen lassen sollten. Sie können hier auf professionelle Grundsätze politischer Bildung zurückgreifen und aktiv an einer wertebasierten Schulkultur arbeiten.

Fallstrick II: „Bei uns gibt’s da eigentlich kein Problem“ – Wahrnehmung und Zuständigkeit

Ein weiterer Fallstrick in der Auseinandersetzung mit antidemokratischem Verhalten und menschenfeindlichen Einstellungen ist die Schwierigkeit, diese überhaupt als handlungsauffordernd wahrzunehmen. Gerade subtilere Formen von Ungleichwertigkeitsvorstellungen lassen sich nicht immer auf den ersten Blick identifizieren. Daran anschließend fällt es Lehrkräften oft schwer, eine Zuständigkeit für entsprechende Situationen zu entwickeln.

Probleme in der Wahrnehmung des Phänomens

Wahrnehmungsprobleme ergeben sich häufig vor allem aus konzeptionellen Defiziten hinsichtlich des Phänomens an sich. So lässt sich fehlende Sensibilität durch verkürzte Begriffskonzepte, nicht selten auch aus der sogenannten Interner Link: Extremismus-Theorie, beobachten. Dort wird etwa Rechtsextremismus primär als Problem der Strafverfolgung behandelt. Damit rückt das Phänomen aber schnell aus der gefühlten Zuständigkeit von Pädagog:innen. In pädagogischen Kontexten ist es unabdingbar, einen sozialwissenschaftlich weiten Begriff von „Rechtsextremismus“ anzulegen, um das gesamte Spektrum von Ungleichwertigkeitsvorstellungen anvisieren zu können.
Weiterhin können auch biografische Aspekte dafür entscheidend sein, mit welcher Brille wir auf das Phänomen schauen. Viele bundesdeutsche Lehrkräfte mussten keine eigenen Erfahrungen mit Rassismus oder anderen Ungleichwertigkeitsvorstellungen machen. Diskriminierende Situationen und Erfahrungen von Betroffenheit lassen sich so schwerer nachvollziehen.
Ausschlaggebend kann aber auch ein fehlender Bezug zur Lebenswelt von Schüler:innen sein. Ohne vertrauensvolle Beziehung, ohne Kenntnisse zum Freizeitverhalten und zu Interaktionsnetzwerken der Schüler:innen fällt es schwer, eine Einordnung vorzunehmen. Gerade in diesem Bereich sind extrem rechte Akteur:innen äußerst aktiv, für die Jugendliche in der Phase ihrer politischen Identitätsfindung eine besonders wichtige Zielgruppe darstellen. In dieser Phase, so das Kalkül, lassen sich Jugendliche einfacher für menschenfeindliche Ideologien gewinnen.

Das Erscheinungsbild und die Anwerbewege der extremen Rechten haben sich stark ausdifferenziert und vielfältige Ausdrucksformen und Angebote entwickelt, um sich an diverse jugendliche Subkulturen anzunähern (z. B. Hip-Hop, Metal, elektronische Musik, Kampfsport usw.). Über die Schaffung einer sogenannten „Erlebniswelt Rechtsextremismus“ (vgl. Glaser/Pfeiffer 2017) sollen die menschenfeindliche Ideologie transportiert und junge Menschen für die extrem rechte Szene gewonnen werden. Ein weiteres wichtiges Feld für Agitations- und Anwerbeversuche sind seit geraumer Zeit auch die zahlreichen Möglichkeiten von Web 2.0 und Social Media. Für die Verbreitung von Inhalten sowie zur Kommunikation bieten Messenger-Dienste (z. B. Telegram, WhatsApp usw.) wichtige Plattformen. Die darin enthaltene Gruppenchat-Funktion hat sowohl ein hohes Verbreitungs- als auch Vernetzungspotenzial, das durch extrem rechte Akteur:innen genutzt wird. Die einfachen und kostengünstigen Möglichkeiten zum Erstellen und Verteilen von digitalen Inhalten machen es möglich, kurzfristig und schnell eine große Anzahl an Menschen zu erreichen.

Probleme der Zuständigkeit

Insbesondere in den Überschneidungsfeldern zu außerunterrichtlichen Kontexten entstehen Irritationen bei Fragen der Zuständigkeit. Die oben dargestellten Zusammenhänge der „Erlebniswelt Rechtsextremismus“ adressieren Schule nur mittelbar. In der Praxis führt dies nicht selten zu der Verunsicherung, ob eine Bearbeitung notwendig und wer dafür zuständig ist. Faktoren, die hier eine Nichtthematisierung befördern sind unter anderem zeitliche Ressourcen oder die bewusste Verantwortungsdelegation, um die eigene Person zu entlasten. In Bezug auf die Auseinandersetzung mit antidemokratischen Tendenzen sollten sich Pädagog:innen nicht vereinzeln lassen oder alles allein regeln wollen, denn dies ist auf individueller Ebene nicht stemm- und lösbar. Es ist Aufgabe der ganzen Schule, diesem Thema zu begegnen. Deshalb ist es wichtig, an Schulen verlässliche Bearbeitungsstrukturen zu schaffen, die im Ernstfall entsprechende Sicherheit bieten, um reagieren und Zuständigkeiten zuordnen zu können. Hilfreich kann es sein, dies auch in entsprechenden Schuldokumenten zu verankern.

Fallstrick III: „Nicht ignorieren oder überreagieren“ – Angemessene Auseinandersetzung in Bildungssituationen gestalten

Der letzte Fallstrick befasst sich mit der direkten Konfrontation mit antidemokratischen Positionen und Einstellungen. Aus den vorangegangenen Punkten wurde ersichtlich, dass Ignorieren und Nicht-Handeln die schlechtesten Optionen darstellen. Demgegenüber ist aber auch ein „Überreagieren“ zu vermeiden. Letztlich drohen in solchen Fällen Auseinandersetzungen, die ritualisierte Formen annehmen und mitunter einen problematischen öffentlichen Schaucharakter entwickeln können. Einen Königsweg gibt es also nicht. Die Heterogenität sozialer Situationen macht dies schlicht unmöglich. Dennoch kann aus dem bisher Beschriebenen eine Richtschnur entwickelt werden, die Handlungssicherheit befördert und als Ausgangspunkt für den Einsatz von Handlungsstrategien bzw. deren Reflexion dienen kann. Mit folgendem Dreischritt soll ein solches Hilfsinstrument beschrieben werden:

Haltung zeigen

In konfrontativen Situationen gilt es zunächst eine demokratische Position einzunehmen und antidemokratische Äußerungen zurückzuweisen. Dies kann gegebenenfalls mit einer kurzen Einordnung einhergehen. Ein diskriminierungssensibles Sprechen und eine rassismuskritische Grundhaltung sind dafür unabdingbar, um Normalisierungen von Rassismus, Sexismus oder anderen Ungleichwertigkeitsformen entgegenzuwirken.

Betroffene schützen

Häufig werden bei der Intervention von antidemokratischen Positionen und Einstellungen vor allem Täter:innen adressiert. Dabei wird jedoch oft vergessen, dass menschenverachtende Äußerungen und entsprechendes Verhalten auch anwesende Personen im Raum betreffen können. Hier ist eine besondere Sensibilität nötig, um entsprechende Personen oder Personengruppen zu schützen. Situationsabhängig kann es hier unter anderem hilfreich sein, Betroffene direkt anzusprechen, ihnen ein allgemeines Unterstützungsangebot zu offerieren oder das pädagogische Setting zu unterbrechen. Doch nicht immer ist sofort ersichtlich und direkt zu erfassen, ob es in der Situation Betroffene von Diskriminierung gibt. Daher ist es wichtig, konfrontative Situationen auch im Nachgang hinsichtlich möglicher Betroffenheiten zu reflektieren und gegebenenfalls nachträgliche Gesprächsangebote zu machen.

Auseinandersetzung führen

Für das Führen der Auseinandersetzung bieten sich unterschiedliche Vorgehensweisen an, die kontextabhängig variieren können. Dazu gehören dekonstruierende Vorgehensweisen, die unter anderem das Dechiffrieren problematischer Aussagen oder den Einbezug verlässlicher Quellen und Medien beinhalten. Darüber hinaus ist es wichtig, den eigenen Argumentationsrahmen zu verteidigen und sich nicht auf rechtspopulistische menschenfeindliche Framings einzulassen. Im Hinterkopf bleiben sollte, dass die Bearbeitung der Auseinandersetzung nicht dem klassischen Unterrichtsrhythmus folgen muss. Unterricht und schulische Lebenswelt bilden einen integrierten Raum, in dem Vorkommnisse zu bearbeiten sind, bei Bedarf auch mithilfe außerschulischer politischer Bildungsangebote. Weiterhin gilt zu berücksichtigen, dass pädagogische Kontexte gerade vom Deutungsaustausch leben und Bildung als Prozess zu begreifen ist. Insofern ist immer wieder auszuloten, welche Diskussion in Unterrichtsgesprächen möglich ist, um beispielsweise Vorurteile und Stereotype aufzugreifen, und wo Grenzen der Diskussion gezogen werden müssen. In Bezug auf antidemokratische Einstellungen sollten Indifferenz und Normalisierung vermieden werden.

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Stefan Breuer M.A. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Dresden und der KU Eichstätt-Ingolstadt. Zum Themenbereich Rechtsextremismus und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit koordinierte er langjährig das sächsische Modellprojekt „Starke Lehrer – Starke Schüler“ und begleitet heute evaluierend weitere Projektstandorte. Seine Themenschwerpunkte umfassen Demokratiebildung, Digitale Spiele und politische Bildung.