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Rechtsextremismusprävention an einem Schreibtischtäter-Ort – die Villa ten Hompel in Münster Interview mit Peter Römer

Peter Römer

/ 11 Minuten zu lesen

Die Polizei sollte sich mit der Vergangenheit des eigenen Berufs auseinandersetzen, fordert Peter Römer von der Villa ten Hompel. Auch, um Rechtsextremismus – auch in den eigenen Reihen – vorzubeugen.

Die Villa ten Hompel arbeitet mit Polizeigruppen. Die Schulungen zeigen, wie Täterbiografien zum Nachdenken über Verantwortung heute anregen. (© bpb, bundesfoto / Laurin Schmid)

Redaktion InfoPool: Sie arbeiten in der Villa ten Hompel in Münster, die sich selbst als „Geschichtsort“ bezeichnet. Können Sie uns kurz skizzieren, was das bedeutet und welche Kategorien – mit welchen Konsequenzen – in der Gedenkstättenarbeit bearbeitet werden?

Peter Römer: Die Villa ten Hompel, ursprünglich ein Familienwohnhaus, war während des Nationalsozialismus eine Polizeizentrale und Dienstsitz des Befehlshabers der Ordnungspolizei im sogenannten Wehrkreis VI, etwa das Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens mit Befehlsgewalt über 200.000 Polizeibeamte. Heute wissen wir, dass sehr viele von diesen Polizeibeamten auch Mit- und Direkttäter am Holocaust gewesen sind.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ist das Haus in behördlicher Nutzung geblieben als sogenanntes „Dezernat für Wiedergutmachung“. Es gab eine kurze Phase, in der es Sitz des Entnazifizierungshauptausschusses und für die Vergangenheitsaufarbeitung oder die bürokratische Bewältigung genutzt worden ist. Wir haben hier also einen Täterort, einen Schreibtischtäter-Ort. Wir sind keine klassische, durch Überlebende erstrittene Gedenkstätte, sondern ein Ort, der sich mit Tätergeschichte und ihrer bürokratischen Bewältigung in der Bundesrepublik Deutschland auseinandersetzt. Der Begriff Geschichtsort passt ganz gut, weil wir nicht gedenken. Wir erinnern uns nicht mehr aktiv, sondern wir setzen uns mit Geschichte auseinander. In diesem Fall mit Tätergeschichte und allen Folgen.

Ist Bildungsarbeit an einem Geschichtsort zu Tätergeschichte anders als an einem Opferort?

Peter Römer: Ich glaube, dass wir immer Verfolgte und ihre Schicksale im Blick haben und ihre Schicksale mit den Handeln von Täter:innen und Taten kontextualisieren, die Täterwerdung deutlich machen. So ist etwa die Ausgrenzung von Minderheiten für eine Mehrheitsgesellschaft von Vorteil, wenn es sich um nicht-demokratische Staaten handelt. Und dies wird für staatliche Berufe wie Polizeigruppen noch deutlicher. Ich denke, dass wir sehr speziell im Blick haben, wie ein Mensch zu einem Täter wird. Das ist eine Frage, die man auch an anderen Orten stellen kann. Aber diese grundsätzliche, vermeintlich unschuldige Arbeit am Schreibtisch, die Arbeit in einem im Vor- und Nachkriegsdeutschland unverdächtigen Beruf wie bei der Polizei, ist nicht direkt mit NS-Ideologie verbunden. Es haben dieselben Menschen weiter in diesem Beruf gearbeitet. Das ist etwas, worauf man spezieller hinweisen kann. Hier vor Ort haben wir die Möglichkeit, anders zu arbeiten. Der Name „Villa“ weist bereits darauf hin, dass Menschen ganz anders in dieses Haus kommen. Durch den Begriff der Täterwerdung sind wir in der Lage, Fragen an uns selbst zu stellen. Ich glaube, dass alle Menschen das Potenzial haben, Täter:innen zu werden. Das Beispiel Polizei befähigt uns, Anschauungsmaterial aus der Geschichte für heute abzuleiten.

Sie schulen auch viele Polizeigruppen. Wie wichtig ist es, Bildungsarbeit für Sicherheitskräfte an genau diesem Ort zu machen? Wie wichtig ist dieser Täterort für die Bildungsarbeit?

Peter Römer: Ich glaube, dass es zunächst einmal die Distanz von heutigen Polizeimitarbeiter:innen gegenüber Geschichte verringert. Diese ehemalige Polizeidienststätte ist ein Ort staatlicher Verantwortung. Ob dieser Staat der NS-Staat ist oder die Bundesrepublik oder die Weimarer Republik, spielt für den Beruf des Polizeibeamten und der Polizeibeamtin schon eine entscheidende Rolle – die uns auch in die Zukunft verweist, weil wir in diesen Tagen erleben, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist. In jedem Staat der Welt ist es die Rolle der Polizei, die geltenden Gesetze zu verteidigen. Das haben sich auch Polizeibeamte in der Weimarer Republik gedacht, die dann zehn, fünfzehn Jahre später zu Tätern im Holocaust wurden und dabei mitunter nicht mal besonders gesetzesbrüchig gegenüber den NS-Gesetzen waren. Dieses Bewusstsein ist etwas, was in der polizeilichen Aus- und Fortbildung an einem externen Ort gelehrt werden sollte. Es ist relativ logisch, dass Aus- und Fortbildung bei der Polizei und auch bei anderen Sicherheitsbehörden auf Handlungssicherheit ausgelegt sind und darauf, dass man in einem Team gut zusammenarbeiten kann. Wenn diese Formate an außerpolizeilichen Lernorten stattfinden, wie zum Beispiel an einer Gedenkstätte, können sich Menschen stärker als Individuum verstehen. Wir wünschen uns, dass die Auseinandersetzung mit ihren beruflichen Vorgänger:innen bei Menschen, die nach einem Seminartag nach Hause fahren, dazu führt, dass sie sich Fragen zu ihrem Beruf heute stellen. Diese Fragen entstehen eher nicht in der polizeilichen Aus- und Fortbildung, weil die Polizist:innen in der Gruppe bleiben, die sie jeden Tag sehen.

Wir versuchen von der großen Geschichte in individuelle Beispiele hineinzugehen, also in Beispiel-Biografien von einst demokratisch gesinnten Polizeibeamten, die dann über die Zeit am Ende Menschen erschießen. In der Forschung ist nachgewiesen, dass es Handlungsalternativen gab und sich die Beamten nicht in einem Befehlsnotstand befunden haben, als sie Menschen exekutierten. Trotzdem ist immer noch die weit verbreitete Grundannahme, dass die Polizisten nicht anders handeln konnten. Diese falsche Annahme können wir aufdecken.

Zudem kann die Geschichte des eigenen Berufsstandes sehr stark irritierend sein. In einem hierarchischen Beruf wie bei der Polizei geht man erst mal davon aus, dass man eigentlich nur zu tun hat, was „die Lage verlangt“ und es keine Handlungsalternativen gäbe. Dann erfährt man, dass es humane Autonomie gibt, einen Wertekompass und Ähnliches, und man wünscht sich, dass Polizeibeamte in der NS-Zeit das auch genutzt hätten. Hatten einzelne auch, aber vergleichsweise nur sehr wenige. Da entstehen Fragen zu Grenzbereichen, die im Polizeiberuf auch vorkommen, nämlich, dass die humane Autonomie anschlägt und man trotzdem anders handelt aufgrund von Hierarchien, aufgrund der Lage in einer Situation. Darüber nachzudenken, nützt Polizeibeamt:innen mit der eigenen beruflichen Erfahrung.

Inwiefern kann eine intensivere Auseinandersetzung mit der Rolle der Polizei im Nationalsozialismus dazu beitragen, das heutige Selbstverständnis von Sicherheitsbehörden als demokratischen Akteuren zu stärken?

Peter Römer: Polizeiarbeit funktioniert auch undemokratisch. Das mag auf den ersten Blick erschrecken, aber es ist eigentlich völlig selbstverständlich. Eine Polizei gibt es in jedem gesellschaftlichen System und damit auch in Diktaturen. Es gibt einige Gesetzeslagen, die in der NS-Zeit durch die Notstandsgesetze ausgehebelt worden sind, und viele Polizeibeamten haben sich erleichtert gefühlt, dass man sich eben nicht mehr an demokratische Regeln zu halten hatte. Ohne das parallelisieren zu wollen, erkennen viele Polizeibeamt:innen bei uns vor Ort, dass sie sich emotional manchmal weniger Kompliziertheit wünschen: Weil ihr Auftrag zwar durchaus Gesetzesverteidigung ist, sie aber eben auch Konfliktsituationen und Ähnliches in den Griff bekommen müssen und dabei Beschränkungen durch andere Gewalten im Staat vorherrschen. Das ist Demokratie. Genau dieses Bewusstsein für Demokratie ist im Alltagseinsatz etwas, was oft verloren geht, weil man sich beispielsweise wünscht, härter durchzugreifen oder selbst zu strafen. Durch die Beschäftigung mit der Vergangenheit kommen Menschen aus ihrem Beruf, ihrer Lebenssituation heraus und merken, „Okay, manchmal ist es auch gefährlich, wie ich da denke“, und setzen sich damit auseinander. Ich glaube, es ist extrem wertvoll, dass Denkanstöße für die Gegenwart aus der Beschäftigung mit Vergangenheit entstehen. Wir wollen auch mit dieser Stunde-Null-Erzählung brechen, die sich, bezogen auf die Polizeibehörde, überhaupt nicht halten lässt. Wenn wir uns die personellen Kontinuitäten, aber auch Kontinuitäten in der Ausbildung in den 1950er, 1960er Jahren angucken und die Wissensbestände, die weitergetragen werden, ist die Polizei bis heute eine Behörde, die sehr stark aus sich heraus lernt und vor allem Erfahrungswissen weitergibt. Seit den 1990er Jahren hat sie sich etwas für wissenschaftliche Einflüsse geöffnet, durchaus auch für Besuche an Gedenkstätten. Aber das ist ein Prozess, der lange braucht und der nicht gemeinhin anerkannt wird. Das merken wir auch, weil man sich bei uns reinwäscht: Wenn es einen Polizeiskandal in einer Chatgruppe oder Ähnlichem gegeben hat, bekomme ich Anrufe und man will möglichst schnell Seminare buchen. Diese Konjunktur lässt wieder nach, wenn es in der eigenen Behörde vielleicht zwei, drei Jahre keine Chatgruppe gegeben hat. Ich glaube, von der Gedenkstätte als Feuerwehr müssen wir weg. Wir müssen die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des eigenen Berufs zum zentralen Baustein für Sicherheitsbehörden machen.

Wie können Sicherheitskräfte dazu ermutigt werden, sich aktiv mit historischen und gegenwärtigen Formen von Antisemitismus und Rassismus auseinanderzusetzen?

Peter Römer: Das ist leider noch sehr stark personenabhängig und steckt nur teilweise in Curricula. Außerdem ist das Ländersache. Da sind die Innenministerien stark gefragt, historisch-politische Bildung voranzutreiben. Für Polizeibeamt:innen, die eigentlich nur ihren Beruf erlernen oder einfach gut machen möchten, ist eine historisch-politische Bildung für den Alltag erst mal nicht relevant. Man kann ohne Probleme im Polizeiauto durch eine Stadt fahren, ohne geschichtliche Kenntnisse erworben zu haben. Entscheider:innen in den Behörden, in den Ministerien, müssen verstehen, dass Gedenkstätten ein ganz zentraler Baustein für ein ethisches Bewusstsein sein können. ‚Dafür muss man sie als Orte verstehen, die sich nicht nur mit „diesen bösen zwölf Jahren“ beschäftigen, sondern die durch die Auseinandersetzung mit Geschichte die Reflexion über den eigenen Beruf anstoßen können.

Vor welchen Herausforderungen steht eine antisemitismus- und rassismuskritische politische Bildung und Gedenkstättenarbeit für die Sicherheitsbehörden?

Peter Römer: Teilweise werden diese Themen diskutiert und gegeneinander ausgespielt. Ich erlebe es, dass die Polizei versucht, relativ stark auf Antisemitismusprävention zu setzen, also beispielsweise zu Gedenktagen größere öffentliche Veranstaltungen zu machen. Allerdings spricht sie sehr wenig über Rassismus, und das halte ich auch deswegen für ein Problem, weil es ein verkürztes Antisemitismusverständnis beinhaltet, das Antisemitismus ausschließlich auf 1933 bis 1945 bezieht. Außerdem wird Antisemitismus letztlich nur als eine Unterart von Rassismus verstanden oder umgekehrt. Beide Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit haben ihre eigenen Logiken, und somit ist es eine Herausforderung und auch kontraproduktiv, dass sie einfach synonym verwendet werden, auch von den Entscheidungsebenen. Zudem gibt es nach wie vor gewisse Abwehrmechanismen in Richtung: „Das ist alles sehr lange her, und das hat mit mir heute nichts zu tun“ - was sich bei genauerer berufsgruppenspezifischer Bildungsarbeit historisch und politisch nicht halten lässt. Die Menschen, die in die Gedenkstätten geschickt werden, empfinden das dann als Strafe. Das ist natürlich ein Mechanismus, der so nicht immer wieder als Reaktion erfolgen darf. Ich habe schon mit Gruppen gearbeitet, bei denen ich hinterher das Gefühl hatte, dass wir nicht zu den Leuten durchdringen konnten, dass sich nichts an der anfänglichen Abwehr geändert hat. Für uns ist es eine ganz zentrale Herausforderung, Menschen ernst zu nehmen und Raum für Perspektivwechsel zu schaffen. Als Gedenkstättenmitarbeitende müssen wir für gesellschaftliche Realitäten und für die berufsgruppenspezifischen Erfahrungen, die diese Menschen machen, offen bleiben. Das braucht Zeit, Vertrauen und geschützte Räume.

Wir müssen auch bedenken, dass gesellschaftliche Konjunkturen und politische Stimmungen auch Konjunkturen in der Gedenkstättenarbeit mit sich bringen. Die Arbeit in den 2010er Jahren war noch relativ stark von Zeitzeug:innen geprägt. Das ist leider vorbei. Im Verlauf der Zeit ist die Beschäftigung mit NS-Verbrechen in Polizeiuniform eher gestiegen. Es gibt nicht mehr diese Abwehrhaltung, die auf den personellen Kontinuitäten beruhte, weil ein Täter zum Beispiel als Polizeiausbilder eines anderen Teammitglieds bekannt war. Und trotzdem wurde uns Mitte 2014 gesagt: „Dieses Thema ist Vergangenheit, das ist jetzt eh vorbei, die letzten sterben ja gerade, und wir müssen eher auf Islamismus als Fortbildungsthema setzen. Entsprechend buchen wir keine Seminare mehr.“ Ein paar Jahre später, nach rechtsextremen Skandalen und Rassismusvorwürfen innerhalb der Polizei, war das wieder komplett anders. Verschiedene Gedenkstätten berichten, dass seit etwa vier, fünf Jahren verstärkt Polizei in Gedenkstätten kommt und wir nicht mehr einer von wenigen Orten sind, der sich auf diese Berufsgruppe speziell einstellt. Auf der anderen Seite kann es auch nicht nur darum gehen, dass wir ein Standardprogramm machen, bei dem man den Ort, die Gedenkstätte, vorstellt und dann ganz am Ende ein bisschen was über den Beruf rauskitzelt. Stattdessen müssen wir Polizei von vornherein als Akteurin denken und als Individuen mit ganz speziellen Lebenserfahrungen und speziellen Erfahrungen im Beruf. Deshalb müssen andere Konzepte für Gedenkstätten geschaffen werden als die Standardführung.

Gibt es von Seiten anderer Gedenkstätten – sowohl von Täter- als auch von Opferorten – entsprechende Bildungsprogramme?

Peter Römer: Es gibt eine Art informelles Netzwerk, zu dem KZ-Gedenkstätten wie Bergen-Belsen, Neuengamme, Flossenbürg gehören, aber auch Täterorte, Schreibtischtäter-Orte wie das Haus der Wannseekonferenz oder wir als Villa ten, Hompel. Buchenwald und Mittelbau-Dora sind starke Akteur:innen, die mitunter Erfahrungen mit der Zielgruppe Polizei austauschen und merken, dass die Herausforderungen ganz ähnlich sind. Deshalb versuchen wir, uns ein, zweimal im Jahr zu treffen und zu gucken, wie kommt man mit der Polizeitruppe gut in ein Seminar? Welche (historischen) Quellen funktionieren gut? Welche Möglichkeiten haben wir, Gegenwartsbezüge herzustellen und Menschen ins Reden zu bringen? Wir merken, dass es gemeinsame Herausforderungen gibt, die dann je nach Ort, je nach Spezifikum des Ortes immer ein bisschen abwandelbar sind. Dieser kollegiale Austausch hilft extrem weiter.

Ich glaube, dass es inzwischen viele Orte gibt, die wissen: Wenn eine Polizeigruppe kommt, machen wir ein Programm speziell für Polizeibeamt:innen. Und dazu gehören genau die Orte, die ich gerade genannt habe. Denn sonst gibt es zwar an viel mehr Orten Polizeibesuche, aber das Programm ist dann nicht immer ein spezielles berufsgruppenspezifisches Programm.

Zukünftig wird hoffentlich ein EU-kommissionsgeförderte Programm namens „The Police and the holocaust“ , das wir mit Partner:innen deutschland- und österreichweit in Polizeibehörden ausgeschrieben haben, wichtig bleiben. Menschen können von einem Planungsort des Holocausts, nämlich der Villa ten Hompel, einer Marschroute von einzelnen Polizeibataillonen hin zu den Direkt-Tatorten in Polen im Austausch mit anderen Nationen folgen. Über einen langen Zeitraum sehen sich Beteiligten mehrmals wieder, weil es nicht direkt von Münster aus nach beispielsweise Interner Link: Majdanek geht, sondern wir nach und nach Deportationsorte und schließlich die Ankunftsorte aufsuchen und uns mit dem beschäftigen, was dort passiert ist. Wir haben sehr motivierte Polizeibeamt:innen, die sich über ein Jahr hinweg immer wieder sehen und ganz anders aus diesen Seminaren rausgehen, als es in einem Tagesseminar der Fall sein kann. Wir stellen fest: Wir brauchen diese etablierten Gedenkstätten mit ihren Ausstellungen. Wenn ich aber mit den Beteiligten in einen Wald in Polen gehe, wo es eigentlich nichts zu sehen gibt, wir aber wissen, dass dort vor 80 Jahren mal Polizeibeamte aus Hamburg, Köln oder sonst wo Menschen erschossen haben, macht das noch mal ganz andere Fragen auf und schafft nachhaltigere Verbindungen zu den Gedenkstätten selbst. Als Gedenkstätten sind wir es nicht gewohnt, dass Menschen wiederkommen und wir persönliche Beziehungen aufbauen. Ich glaube, das ist ein Potenzial, was wir ausschöpfen können. Das muss nicht immer mit so einer EU-geförderten Reise sein. Man könnte natürlich auch in Richtung Polizeibeamt:innen gehen, die sich wieder melden und sagen: „Ich habe an diesem Tag etwas gelernt über mich“, das kommt durchaus vor, auch in Tagesseminaren. Für die könnte man natürlich auch sammeln und dann curriculare Programme aufbauen und sie zum Beispiel in eine andere Gedenkstätte schicken, die weiß, die waren schon in der Villa ten Hompel, und jetzt erzählen wir einen anderen Baustein von Geschichte. So können wir versuchen, Polizei-Multiplikator:innen zu bilden. Das passiert manchmal innerhalb eines Programms, aber ich glaube, dieses Potenzial könnten wir als Gedenkstätten noch stärker ausweiten. Das würde heißen, dass wir uns Mühe geben, Polizeibeamt:innen als Zielgruppe nicht nur im Tagesprogramm ernst zu nehmen, sondern eben auch langfristiger.

Das Interview wurde am 24. Februar 2025 geführt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Da während der NS-Zeit ausschließlich männliche uniformierte Polizisten Dienst taten, wird im vorliegenden Text an den entsprechenden Stellen nur die männliche Form verwendet. Immer dann, wenn nicht nur männliche Personen gemeint sind, wird im Text geschlechtsneutral formuliert.

Lizenz

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Weitere Inhalte

Peter Römer ist stellvertretender Leiter und pädagogisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster und ist dort für die Konzeption und Durchführung historisch-politischer Bildungsangebote, insbesondere für Berufsgruppen wie Polizei, Justiz und Feuerwehr zuständig. Seine Schwerpunkte liegen in der Auseinandersetzung mit der Rolle der Polizei im Nationalsozialismus, der Antisemitismusprävention sowie der Demokratie- und Menschenrechtsbildung.