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#9 Welche Folgen hätte ein Währungskrieg? | Zahlen, bitte! | bpb.de

Zahlen, bitte! #9 Welche Folgen hätte ein Währungskrieg? #8 Macht Rüstung arm? #7 Wozu sind Zölle da? #6 Q&A – Wachstum, Sozialstaat, Bürokratie – Antworten auf eure Fragen #5 Was bleibt von Deutschlands Industrie übrig? #4 Wieviel Staatsschulden können wir uns leisten? #3 Warum sind die USA immer noch so dominant? #2 Wie viel Zuwanderung braucht Deutschland? #1 Warum wächst Deutschlands Wirtschaft nicht mehr? Redaktion und Impressum Über Zahlen, bitte!

#9 Welche Folgen hätte ein Währungskrieg?

Henrik Müller

/ 9 Minuten zu lesen

👋 Hey! Hier kommt die neue und neunte Ausgabe von “Zahlen, bitte!”. Henrik Müller erklärt, was letzten Monat in der Wirtschaftspolitik wichtig war. Um die Industrie zurück in die USA zu holen, braucht US-Präsident Trump auch einen schwächeren Dollar – denn der würde amerikanische Produkte auf dem Weltmarkt günstiger machen. Doch der Welthandel fußt auf dem US-Dollar. Und wenn der schwankt, hat das unabsehbare Folgen für die Weltwirtschaft.

(© picture-alliance, Zoonar | Cigdem Simsek)

Zahlen, bitte! ist der wirtschaftspolitische Newsletter der bpb. Einmal im Monat erklären wir das wichtigste Wirtschaftsthema. Interner Link: Hier kannst du dich anmelden.

🤔 Was ist los?

Seitdem die neue US-Regierung unter Donald Trump im Amt ist, stellt sie die weltweiten Finanz- und Wirtschaftsbeziehungen auf eine harte Probe. Dabei beklagt die US-Führung sich nicht nur über Handelsbarrieren anderer Länder, sondern auch über deren Wechselkurse. Der US-Dollar sei zu stark, das mache US-Produkte vergleichsweise teuer und schade Amerikas Wettbewerbsfähigkeit. Entsprechend müssten andere Länder ihre Währungen gegenüber dem Dollar aufwerten. So hat es der oberste Wirtschaftsberater des Weißen Hauses, Stephen Miran, in einem „Externer Link: User’s Guide“ zur Neustrukturierung des Welthandelssystems formuliert.

Das Papier kam kurz vor Trumps Amtsantritt heraus. Es liest sich wie eine Blaupause für das Regierungshandeln. Dort findet sich auch die Idee eines „Mar-a-Lago Accord“: In Trumps privatem Resort in Florida sollen sich demnach Vertreter aller wichtigen Handelspartner der USA einfinden und einen währungspolitischen Deal mit Trump schließen. In diesem Währungsabkommen sollen sie sich verpflichten, ihre Währungen gegenüber dem Dollar zu stärken. Miran verspricht sich davon Vorteile für US-Branchen, die im internationalen Wettbewerb stehen.

Der Interner Link: Wechselkurs als politisches Instrument steht damit wieder auf der Tagesordnung. Das war lange nicht der Fall. China stand zwar immer mal wieder wegen angeblicher Währungsmanipulationen in der Kritik: So erhob Trump bereits 2019 in seiner ersten Amtszeit den Vorwurf, China versuche, sich durch einen zu niedrig bewerteten Yuan Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Aber zwischen den westlichen Ländern waren Wechselkurse seit Jahrzehnten kein großes Streitthema mehr.

Weil der Wert einer Währung immer auch die Stärke und Bedeutung eines Wirtschaftsraums widerspiegelt, könnte die Debatte enorm emotional werden. Es geht um nationales Ansehen, um Vertrauen in die Institutionen, um die Stabilität der Preise und der Finanzmärkte, aber auch um die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft.

⚠️ Wo ist das Problem?

Der Wechselkurs ist der Preis einer Währung, ausgedrückt in einer anderen Währung. Ob eine Währung über- oder unterbewertet ist, lässt sich kaum eindeutig beurteilen. Verschiedene Faktoren bestimmen die Wechselkurse. Und diese senden manchmal widersprüchliche Signale.

Zum einen geht es um den Handel mit Gütern und Dienstleistungen, zum anderen um internationale Kapitalströme. Prinzipiell ist es so: Wenn ein Land mehr exportiert als es importiert, wertet seine Währung auf. Am Beispiel der USA: Die Währung eines Landes, das einen Exportüberschuss gegenüber Amerika hat, sollte auf den Devisenmärkten teurer werden (Interner Link: Devisen sind ausländische Währungen, mit denen man international bezahlen kann). Denn: Exportierende Firmen nehmen US-Dollar ein und tauschen sie in nationale Währung um, etwa um ihre Mitarbeiter zu bezahlen. Somit steigt die Nachfrage nach heimischer Währung, während Exporteure Dollars auf den Devisenmarkt werfen – durch das größere Angebot würde der Dollar relativ billiger, also abwerten. Das wiederum könnte US-Firmen helfen, die Handelsbilanz auszugleichen, also weniger zu importieren und mehr zu exportieren. Denn ein günstigerer Dollar würde US-Produkte vergleichsweise günstig machen.

Hier setzt die Kritik von Trump und seinen Leuten an den derzeitigen Verhältnissen an. Der Fakt, dass die USA seit mehr als 30 Jahren durchgängig ein Interner Link: Außenhandelsdefizit haben, genügt ihnen als Beweis dafür, dass der Dollar dauerhaft überbewertet ist.

Aber, wie gesagt, auch internationale Kapitalströme beeinflussen die Wechselkurse – und die sprechen bislang für einen starken Dollar. Aufgrund ihrer Größe, ihrer hochentwickelten Finanzmärkte, ihrer – bisherigen – Offenheit im Handel und rechtsstaatlichen Verlässlichkeit sind die USA ein beliebtes Ziel für internationale Anleger. Viele Zentralbanken auf der Welt halten US-Dollars, um ihre eigene Währung zu stützen. Viele Anleger halten US-Staatsanleihen als sichere Wertanlagen. Und nicht zuletzt wird der Welthandel zu großen Teilen in US-Dollar abgewickelt, selbst wenn die USA gar nicht daran beteiligt sind. Auch deshalb ist der Dollar immer noch die Weltwährung Nummer 1.

Für die USA hat dies fundamentale Vorteile: Sie können zu günstigen Konditionen Kapital ins Land locken, das für Investitionen bereitsteht. Amerikas großer Tech-Sektor mit seinen gigantischen Forschungs- und Entwicklungsbudgets und seiner Innovationskraft wäre ohne den Kapitalzustrom von außen kaum finanzierbar. Hohe Börsenbewertungen nutzen auch US-amerikanischen Privatbürgern, gerade bei der Altersvorsorge. Ausländische Anleger sorgen für günstige Kreditkonditionen und kaufen Staatsanleihen („Treasuries“) im großen Stil. Die hohe Staatsverschuldung der USA wurde bislang nicht zum Problem – solange alle Welt den Dollar braucht, kann die US-Regierung relativ einfach neue Schulden aufnehmen. Auch deshalb können sich die USA bislang den Luxus niedriger Steuern leisten; kaum irgendwo sonst in den westlichen Ländern verlangt der Staat so geringe Abgaben wie in den Vereinigten Staaten.

Doch Trump und Miran halten den Status als Weltwährungsland für eine Bürde. So machen Ideen die Runde, die wirken, als sollten ausländische Anleger geradezu abgeschreckt werden. Berichte über Gedankenspiele, wonach Sondersteuern für Ausländer auf Anleiheerträge oder ein Zwangsumtausch in extrem langlaufende, niedrigverzinste Schuldenpapiere erwogen werden, sorgten bereits für Unruhe. Das bedeutet: die USA könnten andere Staaten, die US-Staatsanleihen (also Staatsschulden) halten, dazu bringen wollen, ihre Kredite in solche mit einer Laufzeit bis zu 100 Jahren umzutauschen, was einem Externer Link: gigantischen Schuldenschnitt – und für die Gläubiger einem drastischen Wertverlust – gleichkäme. Solche Schritte ließen sich als vorsätzliche Staatspleite interpretieren. Denn sie würden auf eine Umschuldung hinauslaufen, die zum Ziel hätte, den USA die Zinslast zu erleichtern – wie bei einem unsolide wirtschaftenden Schwellenland. Die Folgen für die weltweite Finanzstabilität wären unabsehbar.

📰 Ist das neu?

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs waren die Wechselkurse westlicher Währungen zunächst fest an den US-Dollar gebunden, der wiederum durch Gold gedeckt war. Das bedeutete, dass man seine Dollars gegen einen fixierten Gegenwert in Gold umtauschen konnte. Die Geldmenge war entsprechend an die Goldreserven gebunden. Die nationalen Kapitalmärkte waren weitgehend gegeneinander abgeschottet und strikt reguliert. Wechselkurse wurden politisch vereinbart. Ein US-Dollar beispielsweise kostete in den 1950er Jahren 4,20 D-Mark. Im Zuge des deutschen „Wirtschaftswunders“ kam es mehrfach zu abgestimmten Aufwertungen der D-Mark (Grafik 1).

Anfang der 1970er Jahre zerbrach dieser Gold-Dollar-Standard (auch: „Interner Link: Bretton-Woods-System“). Wechselkurse bilden sich seitdem ohne direkten staatlichen Einfluss an den Devisenmärkten („floating“). In der Folge verlor die US-Währung in den 70er Jahren stark an Wert. Das änderte sich mit dem Amtsantritt des konservativen Präsidenten Ronald Reagan: Die Kombination aus Steuersenkungen, steigenden Militärausgaben und hohen Notenbankzinsen sorgte für eine rapide Aufwertung des Dollars, was damals tatsächlich der US-Exportwirtschaft schadete. 1985 bat Reagans Finanzminister James Baker seine Kollegen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Japan, Währungsreserven auf den Markt zu werfen, um den Dollar zu schwächen („Plaza-Accord“). Nach dem New Yorker Deal halbierte sich der Außenwert des Dollars binnen zwei Jahren. Schließlich bemühten sich die Partner der USA darum, den Kursverfall zu stoppen, was 1987 erneut eine internationale Absprache erforderte, diesmal getroffen bei einem Treffen in Paris („Louvre-Abkommen“).

Seit den späten 80er Jahren sind die Wechselkurse der großen westlichen Währungen relativ stabil. Das gilt insbesondere für den Zeitraum seit der Finanzkrise von 2008. Da Wechselkurse die Wirtschaft besonders dann unter Stress setzen, wenn sie sich stark verändern, also eine Währung rapide auf- oder abwertet, ist dies eine positive Entwicklung. Ein Befund, der in krassem Gegensatz zum Urteil der US-Regierung steht, wonach sich Washington mit einer außenwirtschaftlichen Notlage konfrontiert sieht.

Grafik 2 zeigt die „effektiven“ Wechselkurse der Währungen wichtiger Volkswirtschaften. Die Kurven zeigen den durchschnittlichen Wert einer Währung gegenüber den jeweiligen Handelspartnern an und berücksichtigen dabei auch das Handelsvolumen. Dabei zeigt sich, dass die Schwankungen des Außenwerts des US-Dollars in den vergangenen drei Jahrzehnten moderat sind. Als noch stabiler erwies sich der Euro, hier repräsentiert durch Deutschland, die größte Volkswirtschaft der Eurozone. Kleinere Währungen wie das britische Pfund und der japanische Yen schwankten stärker. China, dessen Führung eine aktive Wechselkurspolitik betreibt und seine Kapitalmärkte gegenüber dem Rest der Welt abgeschottet hat, lässt den Yuan im Schnitt seit zwei Jahrzehnten aufwerten – allerdings zu langsam, gemessen am Entwicklungstempo der Wirtschaft in diesem Zeitraum.

🤑 Wer will was?

Außer Team Trump in Washington möchten eigentlich alle Staaten und internationalen Institutionen, dass es in den internationalen Währungsbeziehungen weitergeht wie bisher. Da aber die USA zum Störfaktor geworden sind, erhofft sich China eine stärkere internationale Rolle für den Yuan, auch um sich unabhängiger vom US-Dollar und von möglichen Finanzsanktionen (wie etwa der Abkopplung von internationalen Zahlungssystemen im Falle Russlands nach dessen Überfall auf die Ukraine 2022) durch die USA zu machen. Viele in Europa sähen gern eine größere Verbreitung des Euro. Aber beide Großwährungen tun sich als Wettbewerber schwer: China fehlt es an institutioneller Glaubwürdigkeit und Rechtsstaatlichkeit, außerdem ist der Yuan nicht frei umtauschbar. Das behindert die internationale Nutzung. Der Euro hat zwar all das. Um zu einer ernstzunehmenden Dollar-Konkurrenz aufzusteigen, fehlt der Eurozone allerdings ein gemeinsamer Staatshaushalt, gemeinsame Möglichkeiten zur Verschuldung (Euro-Bonds) und ein einheitlicher Kapitalmarkt.

⏩ Was passiert als nächstes?

Donald Trumps unvorhersehbare Zollpolitik (siehe auch Interner Link: Zahlen, bitte! #7) droht, auch auf die Wechselkursarena überzugreifen. Darin stecken erhebliche Risiken. Insbesondere sind diese drei Entwicklungen zu erwarten:

Erstens, die Phase relativer Stabilität dürfte zu Ende sein. Dauerhafte Schwankungen der Wechselkurse und währungspolitische Unsicherheit dürften schädlicher sein als eine einmalige Neubewertung der Währungsbeziehungen. Das behindert den grenzüberschreitenden Handel, Investitionen und Wohlstandszuwächse.

Zweitens, angesichts der offenen Kapitalmärkte sind die Einflussmöglichkeiten der Regierungen auf die Wechselkurse begrenzt. Notenbanken verfügen nicht über unendliche Dollar-Reserven, mit denen sie den Außenwert ihrer Währungen in die Höhe treiben könnten. Größere Bedeutung haben die wichtigsten Notenbanken, etwa die US-Federal Reserve (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB). Indem sie Zinsen senken oder anheben, können sie internationale Kapitalströme beeinflussen. Wenn die Trump-Regierung die Fed zu Zinssenkungen drängt, um den US-Dollar abwerten zu lassen, riskiert sie höhere Inflationsraten im Inland. Sollten die Notenbanken ihre Unabhängigkeit verlieren, weil Regierungen die Wechselkurse manipulieren wollen, bräche eine weitere stabilisierende Stütze der Weltwirtschaft weg. Trumps Drohungen gegenüber der Fed haben bereits wiederholt zu panikartigen Reaktionen an der Börse geführt.

Drittens ist möglich, dass es als Folge der bevorstehenden Konflikte zu einer großen Finanzkrise kommt. Die USA haben gegenüber dem Rest der Welt gigantische Verbindlichkeiten aufgebaut; Amerikas „Nettovermögensposition“ beträgt minus (!) 26 Billionen US-Dollar. Soviel mehr Geld haben Ausländer in den USA in Wertpapiere und Unternehmen investiert, als US-Amerikaner dies anderswo getan haben. Führt die Verunsicherung über den weiteren Kurs der USA zu einer massenhaften Kapitalflucht, könnte dies zu einem Externer Link: desaströsen Crash führen.

Bislang erweist sich das internationale Währungssystem als vergleichsweise stabil, jedenfalls gemessen an der Intensität und Unberechenbarkeit des täglichen Washingtoner Politikdramas. Die enorme Ungewissheit zeigt sich im massiv gestiegenen Goldpreis sowie im Kurs der Alternativwährung Bitcoin. Der Dollar ist zuletzt gefallen, allerdings in Größenordnungen, die durchaus im historischen Normalmaß sind. Und auch die Zinsen auf US-Staatsanleihen mögen zwar gestiegen sein, sind aber weit jenseits von Panikniveaus.

Klar ist, dass die Risiken für das weltweite Finanz- und Wirtschaftssystem enorm sind. Ob sie Wirklichkeit werden, ist gegenwärtig noch ungewiss.

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🧐 Wer weiß mehr?

  • Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ): Data Portal. Externer Link: https://data.bis.org/topics/EER/data Ständig aktualisierte Website mit aktuellen Daten zu effektiven Wechselkursen für eine Vielzahl von Ländern.

  • Eichengreen, Barry (2017). How Global Currencies Work: Past, Present, and Future. Princeton University Press. Standardwerk des Wirtschaftshistorikers von der kalifornischen Uni Berkeley über das Entstehen globaler Währungen.

  • Douglas Irwin, Maurice Obstfeld (Hrsg. 2024). Floating Exchange Rates at Fifty. Peterson Institute for International Economics.

  • Henrik Müller (2004). Wirtschaftsirrtümer. Richtigstellungen von Arbeitszeitverkürzung bis Zinspolitik. Eichborn, Frankfurt am Main. Längst verjährtes Buch von mir. Irrtum 14 lautet: „Eine starke Währung schadet der Wirtschaft.“ War nicht alles falsch, was drinstand.

Henrik Müller ist Professor an der TU Dortmund, wo er Externer Link: Studiengänge für wirtschaftspolitischen Journalismus leitet. Der promovierte Volkswirt arbeitete lange als Wirtschaftsjournalist, zuletzt als stellvertretender Chefredakteur der Zeitschrift manager magazin. Für den SPIEGEL schreibt er seit 2013 eine wöchentliche Kolumne („Externer Link: Müllers Memo“). Müller ist Autor diverser Bücher (zuletzt erschien Externer Link: Challenging Economic Journalism. Covering Business and the Economy in an Age of Uncertainty, Palgrave Macmillan 2023).