Barbara Börner ist stellvertretende Direktorin der Canopus Foundation, Externer Link: http://canopusfund.org).
Florian Erber ist Mitbegründer des Social Venture Fund Externer Link: www.socialventurefund.com).
Akquisos: Welche Möglichkeiten sehen Sie, bei denen Fundraising von den aktuellen Entwicklungen im Bereich des Social Entrepreneurship lernen kann und so Organisationen ein Einnahmefeld aufbauen können?
Barbara Börner (BB): Für mich ist Social Entrepreneurship in erster Linie eine Arbeitsweise, deren Innovation in der strategischen Integration wirtschaftlicher und sozialer Ansätze liegt, um möglichst breite gesellschaftliche Auswirkungen („Social impact“) zu erzielen. Die finanzielle Nachhaltigkeit ist m.E. hier nicht das vorrangige Kriterium.
Gleichzeitig schadet es keiner Organisation, sich aller Möglichkeiten zu bedienen, die es gibt, um ihre Anliegen auch professionell umzusetzen. Hier sehe ich bei verschiedenen Managementaufgaben (bspw. beim Reporting und Monitoring) Möglichkeiten im gemeinnützigen Sektor, um dann letztlich auch besseres Fundraising zu erreichen, aber v.a. auch die eingesetzen Mittel effizienter zu nutzen.
Florian Erber (FE): Meine Sicht ist natürlich von der Perspektive eines Investors geprägt: Social Entrepreneurship zeichnet sich demnach dadurch aus, durch ein Projekt gesellschaftlichen Wandel und gesellschaftliche Problemlösungen zu erreichen, die perspektivisch skalierbar sind. Es ist mir wichtig zu sagen, dass es hier wirklich um Skalierbarkeit im großen Stil geht. Der Social Entrepreneur baut also etwas auf, das auf eigenen Beinen stehen und wachsen kann. Ich denke, das ist nicht möglich durch eine einmalige Spende, denn dann ist unklar, woher die notwendigen Mittel im folgenden Jahr kommen. Und natürlich haben wir auf langfristiger Ebene auch das Interesse einer Rückzahlung unserer Investitionen. Meist reden wir hier von weichen Kriterien. Natürlich gibt es Projekte, die in einer Grauzone liegen, die humanitäre Hilfe beispielsweise. Da ist klar, die sind auf Spenden angewiesen und da sollten wir auch nicht so tun, als ob das ausschließlich über den Markt finanziert werden kann. Gleichzeitig denke ich – wie Barbara Börner vorher gesagt hat – dass auch hier eine weitere Professionalisierung möglich ist.
Akquisos: Wenn ein Projekt eine Spende – sagen wir über drei Jahre à 10.000,- Euro erhält. Würden Sie als Investor diese Spende als Einnahme akzeptieren (und in den Businessplan einbauen) oder zusätzlich auf wirtschaftliche Tragfähigkeit bestehen?
FE: Diese Frage stellen wir uns ständig, denn auch für uns ist das ausfinanzierte Projekt an vielen Stellen die „reine Lehre“. Ich denke, es braucht hier eine große Klarheit über die Entwicklungsphase, in der sich das in Frage kommende Projekt befindet. Im Aufbau kann man solche Einmalspenden einbringen, um Schwung in die Sache zu bringen. Das ist machbar, solange das Grundmodell mittelfristig ohne diese ad hoc Spenden auskommen kann. Als Teil eines Finanzierungsmixes kann das für den Sozialunternehmer entlastend sein solange er sich nicht davon abhängig macht, denn solche Spenden können unverhofft wegfallen. Für uns als Investor/-innen ist die Spende Konkurrenz, denn wenn wir ein interessantes Projekt finden und eine Million anbieten und ein Spender dies auch bietet, dann ist die Spende deutlich komfortabler für das Projekt. Es muss sie nicht zurück zahlen und der Arbeitsaufwand für Reporting und Aufsicht ist oft geringer. Was bei der Spende fehlt, ist der Druck der Rückzahlung und damit des nachhaltigen und wirtschaftlichen Arbeitens. Dieser Druck ist wichtig, denn er zwingt Sozialunternehmen sich wirtschaftlich zu strukturieren und zu agieren. Daher sehen wir im Investment zwar den kurzfristig schwierigeren, langfristig jedoch wirksameren Ansatz.
BB: Ich sehe das ein wenig anders, denn auch die öffentlichen Förderungen sind nicht frei von äußeren Erwartungen. Es könnte unter Umständen sogar teures Geld sein, wenn es ein aufwändiges Reporting einfordert. So können nach meiner Erfahrung zum Beispiel bei EU-Projekten fast 30% der Arbeitszeit für die Projektverwaltung (Antragsakquise und -abrechnung usw.) nötig sein. Dazu kommt, dass jeder Geldgeber andere formale Ansprüche stellt und so letztlich viel Geld in die Projekte und deren Verwaltung fließt, wenig allerdings in den Aufbau und die Stärkung der Organisation selbst. Im Gegensatz dazu steht in der Venture Philantropy das Unternehmen und seine Entwicklung im Fokus. Das Unternehmen kann freier entscheiden wie Investitionen eingesetzt werden. Diese muss es zwar zurückzahlen, aber die Organisationen haben viel größere Autonomie bei der eigenen Entwicklung und Professionalisierung.
FE: Das kann ich nur bestätigen, denn wir schauen genau bei unseren Klienten ob gewisse Projektgelder nicht vom eigentlichen Kerngeschäft ablenken. Organisationen können vielleicht Projektgelder akquirieren, aber sie bringen unter Umständen die Organisation als Institution nicht voran. Interessant ist, dass im Wirtschaftssektor viele Fördergelder in der Unternehmensgründung und –entwicklung bestehen. So etwas gibt es im Sozialbereich nicht und bei Projektgeldern wird meines Erachtens zu wenig überlegt, ob das Vorhaben wirklich mit dem Kerngeschäft kongruent ist und die Institution weiter bringt.
BB: Genau, denn – aus verständlichen Gründen – liegt die Gefahr nahe, nur noch Anträge zu schreiben, anstatt sich institutionell zu entwickeln. In der Venture Philantropy gibt es ausserdem nicht nur start up Förderung, sondern Unterstützung in den verschiedenen Phasen. Es gibt natürlich viele soziale Unternehmen, die nicht ohne Förderung leben können, aber es geht auch hier darum zu gewährleisten, dass das Unternehmen so strukturiert ist, dass es professionell arbeitet und seine Nachhaltigkeit gewährleistet ist.
Akquisos: Gibt es Felder in denen die bisher entwickelten Instrumente des Social Entrepreneurship nicht greifen, sondern sich auf den klassischen Sozialstaat verlassen werden muss?
BB: Für mich greifen sie überall, weil ich es nicht an der wirtschaftlichen Eigenständigkeit festmache, wie schon gesagt. Sondern an der Fähigkeit, die eigene Organisation langfristig strategisch zu entwickeln. Bei Social Entrepreneurship geht es um eine effiziente und nachhaltige Arbeitsweise, also spezifische Instrumente und Kompetenzen, die professionelles Arbeiten ermöglichen und die kann ich überall einsetzen. Ein gut geführter Caritas-Verband macht das auch, die haben zum Beispiel professionelle Controller. Für mich widerspricht sich das nicht, sondern kann sich vielmehr ergänzen und hat etwas mit einer Haltung und Arbeitsweise zu tun. Gleichzeitig finde ich es wichtig, den Staat nicht aus seiner Verantwortung zu entlassen. Transferleistungen werden wahrscheinlich immer bestehen bleiben.
FE: Ich denke auch, dass in allen Bereichen Methoden angewandt werden können, die wir heute den Social Entrepreneurs zuschreiben. Es gibt zum Beispiel viele Fördermittelempfänger (Vereine und auch staatliche Institutionen), die über die Zeit verkrustete Strukturen aufgebaut haben. Dort kann ein Social Entrepreneur innovativ eingreifen und Prozesse optimieren und effizienter machen. In anderen Ländern werden hier Modelle im Bereich des Public-Private Parnerships entwickelt, die durchaus auch für uns interessant sein können.
Akquisos: Kommen wir zum Bereich der politischen Bildung: Aus unserer Perspektive ist Fundraising hier sehr schwer durchzuführen – vergleichen wir einfach die Prägnanz bei den Botschaften „Hunger in der Welt“ gegenüber „Akzeptierende Jugendarbeit mit Rechtsradikalen“. Wie können Träger in diesem schwierigen Bereich effektives Fundraising betreiben? Wo sehen Sie Potenzial für Social Entrepreneurs dieses Feld anzugehen?
FE: Finanzierbar ist dieses Feld nicht, denn es sind Bereiche die kein Einkommensmodell haben. Daher wäre es ein Etikettenschwindel diese Organisationen als Social Enterprises zu betrachten. Trotzdem denke ich, dass auch hier innovative Ansätze andere Einnahmemöglichkeiten generieren können. Als Investoren haben wir mit „Deutschland rundet auf“ einen Weg gefunden Finanzierungsideen „über Bande“ aufzubauen. Hier wird von einem Social Business das Potenzial von Mikrospenden genutzt – finanziert von den teilnehmenden Einzelhändlern. Diese Mikrospenden können Themen, die von Spenden leben müssen, finanzieren. Als „Empfänger“ werden gezielt Organisationen bzw. Themen ausgewählt, die selber keine Einnahmen generieren. (Externer Link: www.deutschland-rundet-auf.de; ein Artikel hierüber erschien u.a. in der Süddeutschen Zeitung: Externer Link: http://goo.gl/iDkEu)
BB: Es ist schwierig da eine einfache Lösung zu finden. Bei Ashoka gibt es einen Fellow, Judy Korn, deren Organisation mit Neonazis in Gefängnissen arbeitet (Judy Korn ist Mitgründerin des Vereins „Violence Prevention Network“ (VPN), der u.a. mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen im Strafvollzug zusammenarbeitet, www.violence-prevention-network.de, d.R.). Sie hat sehr niedrige Rückfallquoten im Vergleich zu anderen Programmen, kämpft aber trotzdem um Finanzierung. Ich finde, hier sollte der Staat nicht nur projektbezogen fördern (das VPN erhält u.a. Fördermittel der bpb, d.R.), sondern sich auch institutionell in Verantwortung nehmen lassen. Gleichzeitig sehe ich dann aber die Gefahr, dass mit einer öffentlichen Trägerschaft Zuständigkeitsdebatten drohen und so wegen Strukturdiskussionen der momentane Erfolg in Gefahr gerät. Hier sehe ich die Aufgabe von Netzwerken wie Ashoka, den Zugang zu anderen Geldgebern herzustellen. Trotzdem wird die langfristige finanzielle Planbarkeit wahrscheinlich schwierig bleiben. Es gibt einfach Bereiche da machen wir uns was vor, wenn wir glauben das Social Investments eine einfache Lösung bieten können. Faktisch bleibt klassisches Fundraising und eben auch die öffentliche Finanzierung hier der einzige Weg.
FE: Ein interessanter Punkt dazu ist das Phänomen der Social Impact Bonds, mit denen aktuell in Großbritannien erste Erfahrungen gesammelt werden. Die Grundmechanik ist interessant für Bereiche ohne klares Einkommensmodell. Über die Messung von Rückfallquoten von Haftinsassen wird ein ökonomischer Wert sozialpädagogischer Dienstleistungen im Gefängnis kalkuliert. Die öffentliche Hand refinanziert mit einem Anteil des durch das Programm eingesparten Geldes den oder die Investoren, die zuvor in das Programm investiert haben. Social Impact Bonds sind somit in den Untersuchungen ähnlich dem „Social Return On Investment“, über den auch in Deutschland geforscht wird. Allerdings wird in England bereits ein Finanzierungsmodell über diese Kennzahlen eingeführt.
Akquisos: Inwiefern werden Social Entrepreneurship und Venture Philanthropy die Förderlandschaft beeinflussen und wie können gemeinnützige Organisationen auf diese Entwicklungen reagieren? FE: Ich habe den Eindruck, dass sich über eine neue Generation die Einstellung zu Social Entrepreneurship verändert. Das Thema wird zunehmend ernst genommen; deutlich wird, dass es sich hier um ein langfristiges Thema handelt. Der Markt für integrative Arbeit wird in 10 Jahren sehr hoch sein.
BB: Ich nehme auch in den gesetzlichen Rahmenbedingungen für Social Entrepreneurship wesentliche Lücken wahr. Grundsätzlich gilt für mich: Wir sollten wegkommen von der Fokussierung auf die Verhinderung von „Missbrauch“ hin zum Ermöglichen von Innovation. In der Schweiz sind die Rahmenbedingungen beispielsweise für Investitionen im sozialen Bereich deutlich einfacher. In Deutschland haben Stiftungen jedoch nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, ihren Kapitalstock in soziale Investitionen anzulegen, weil das zu risikoreich wäre. Gerade hier könnten wir so viele Sozialunternehmer direkt unterstützen – ich finde diese Einschränkung von Handlungsmöglichkeiten schwer verständlich.
FE: Ich denke, in 10 Jahren ist Social Entrepreneurship mit einem signifikanten Marktanteil etabliert und anerkannt, Probleme im dritten Sektor sinnvoll und effektiv anzugehen.
BB: Das sehe ich auch so, ergänzend möchte ich dazu sagen, dass es wichtig ist, dass die Landschaft gleich bunt und farbig bleibt. Es wird immer Bereiche geben, die Spenden brauchen. Ich sehe es als Ziel, grundsätzlich mehr Kapital für die entsprechenden Arbeitsfelder zu generieren, auch mit innovativen Programmen, wie sie sich derzeit entwickeln. Ich sehe nicht, dass es soviel Wettbewerb geben wird, denn die Welt braucht noch eine ganze Menge an Entwicklung.
Akquisos: Herzlichen Dank für das Gespräch.
„Es geht bei Social Entrepreneurship um die Stärkung der ganzen Organisation" Im Interview: Barbara Börner und Florian Erber über die Idee von Social Entrepreneurship
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Im Interview sprechen Barbara Börner, stellvertretende Direktorin der Canopus Foundation, und Florian Erber, Mitbegründer des Social Venture Fund, über die Potenziale von Social Entrepreneurship für die Entwicklung der eigenen Organisation, aber auch über Risiken und Grenzen des Ansatzes - gerade auch im Bereich der politischen Bildung