Auf die Fragen von Akquisos antworteten Elena Rovira und Martin Habigue und Mercé Tura.
Elena Rovira, 'Fundaciò de Desenvolupament Comunitari' (FDC). Die Stiftung für die Entwicklung des Gemeinwesens in Barcelona fördert Wissen und Innovation für sozialen Wandel. Weitere Informationen unter Externer Link: www.fdc.cat (in Katalanisch).
Martin Habiague, 'Fundació Ciutadania Multicultural/Mescladís'. Die Stiftung Multikulturelle Bürgerschaft fördert den interkulturellen Austausch und unterstützt die Integration von Frauen und jungen Immigranten in Arbeitsmarkt und Gesellschaft. Weitere Informationen unter Externer Link: www.mescladis.org (in Spanisch).
Mercè Tura, 'Obra Social Sant Joan de Déu'. Die Krankenhaus-Stiftung aus Barcelona unterstützt die Gesundheitsversorgung für gesellschaftlich benachteiligte Menschen. Weitere Informationen unter Externer Link: www.hsjdbcn.org/portal/es/web/obra_social (in Spanisch).
Akquisos: Lassen Sie uns mit einer grundlegenden Frage zum Einstieg beginnen: Was ist Ihre Erfahrung; gibt es in Spanien eine ausgeprägte Charity-Kultur? Ist Spenden verbreitet?
„Spanien hat nicht wirklich eine Charity-Kultur, wenn wir von der Katholischen Kirche und anderen religiösen Einrichtungen einmal absehen“, sagt Martin Habiague. Elena Rovira differenziert, „es gibt eine Charity-Kultur, doch das heißt nicht immer 'Geld geben'. Zum Beispiel hier in Katalonien gibt es eine ausgeprägte Kultur des ehrenamtlichen Engagement und der gegenseitigen Hilfe. Charity im Sinne von Spenden ist eher an bestimmte Ereignisse geknüpft, wie ein TV-Spenden-Marathon zugunsten von Kranken“. „Die Charity-Kultur in Spanien wächst“, ergänzt Mercè Tura, „obwohl das Wachstum angesichts der Krise moderat ausfällt. Es gibt eine Kultur des Gebens. Angesichts der derzeitigen Lage, der Armut und sozialen Ungleichheit, hat die Zahl der Spender zugenommen, jedoch unterstützen sie eben lokale Hilfsaktionen, weniger Projekte für die Dritte Welt.“
Akquisos: Welche Organisation erhalten die meisten Spenden?
„Meiner Ansicht nach gibt es zwei große Gruppen“, sagt Elena Rovira, einerseits gäbe es „die Organisationen, die mit der Katholischen Kirche verbunden sind, wie die Cáritas. Sie erhalten Spenden und setzen sich gegen Exklusion ein. Die anderen Organisationen sind diejenigen, die – bisher – in der internationale Zusammenarbeit tätig sind. Allerdings könnten sie sich angesichts der Krise der lokalen Armut zuwenden. Bisher erhalten diese Organisationen z.B. Spenden zur Unterstützung von Kindern in Entwicklungsländern (Vicente Ferrer Foundation) oder für andere internationale Wohltätigkeitsprojekte (Intermón-Oxfam, Ärzte ohne Grenzen).
Behindertenorganisationen sind auch sehr aktiv: ONCE etwa, die Nationale Blindenorganisation, ist mit dem Verkauf von Lotterietickets eine der kapitalstärksten NGOs und unterstützt durch ihre Strukturen Blinde weit mehr als der Staat. Martin Habiague unterscheidet ebenfalls zwischen katholischen und internationalen Hilfsorganisationen „die viel direkt durch Aktivitäten auf der Straße einnehmen“, als dritte große Empfängergruppe sieht er aber noch „die Organisationen mit Nähe zu den Regierungsparteien“.
Akquisos: ...und wer sind die größten Geber?
„Es gibt es große Spender“, so Mercè Tura, „da sind einige der vermögendsten Menschen im Land, wie Amancio Ortega, dem Eigentümer von Inditex, oder die Koplowitz-Schwestern (Anm. der Red.: Die Milliardärinnen Esther und Alicia Koplowitz gehören zu Spaniens erfolgreichsten Investoren, die Ältere gründete 1995 die „Fundación Esther Koplowitz“). Viele Firmen haben eine Stiftung gegründet, durch die Vermögen und philanthropische Tätigkeit verwaltet werden“. Martin Habiague weist auf kürzliche Änderungen hin, die zwei der größten Geber betreffen: „Bisher wurde der Dritte Sektor vor allem durch Zuschüsse der Regierung und Sozialprogramme der Sparkassen finanziert. Doch jetzt in der Krise wurden die Zuschüsse der Regierung drastisch gekürzt und die Sozialprogramme der Sparkassen sind praktisch verschwunden, seit sich die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert haben. Bisher waren Sparkassen Non-Profit-Organisationen, die den Großteil ihrer Einnahmen Sozialprogrammen zuführen mussten, doch nun sind die meisten ganz normale Privatbanken.“
Akquisos: Können Sie Beispiele für kürzliche erfolgreiche Spenden-Aktionen nennen?
Martin Habiague: „Derzeit ist Online-Fundraising klar im Kommen, einige Initiativen sind sehr erfolgreich gewesen.“ Elena Rovira ergänzt, „die Plattform Verkami war revolutionär. Das zeigte sich, als sie zu Mikro-Spenden zur Veröffentlichung eines Buches über die 15M-Bewegung aufriefen (Anm. d. Red.: Der Name „15M-Bewegung“ bezieht sich auf die seit 2011 andauernden Proteste, getragen von hunderten digitalen Plattformen und kleinen NGOs, die grundlegende Veränderungen in Politik und Gesellschaft fordern und mit einem Aufruf am 15. Mai 2011 starteten). Die Zielgruppe der Spender hat sich komplett verändert: All die Menschen, die sich an den Protesten beteiligt haben, Leute ohne Geld oder das typische Spenderprofil haben angefangen zu spenden. Ein Riesenerfolg – nach 15 Tagen war das Buch finanziert. Weitere Plattformen sind 'Mi grano de arena' ('Mein Sandkorn') für kleine Charities, 'Goteo.org' für Aktionen mit einem politisch-sozialen Hintergrund und 'Timing' eine Initiative, über die man mit einem Euro pro Monat Projekte von NGOs unterstützt. Allerdings muss man sagen, dass bei diesen Plattformen der Initiator der einzelnen Spenden-Aktion schon bekannt sein muss, um genug Geld zu erhalten.“
Mercè Tura sagt, „Die TrailWalker-Aktionen von Oxfam waren erfolgreich, auch die Sammlungen der lokalen Food Bank-Kampagne sowie kreative Kampagnen kleinerer Organisationen.“ Sie nennt das Beispiel 'Experiment Comparte' der 'Acción Contra el Hambre' (Aktion gegen Hunger); „mehr als 400.000 Menschen bei Facebook und das Video war Twitter-Trend in der ersten Woche nach Erscheinen“. (Anm. d. Red.: das 'Experiment' zeigt den Akt des Teilens als natürlichen, menschlichen Impuls Externer Link: www.youtube.com/watch?v=zoREXT8qT7g)
Akquisos: Wie ist die Situation für Organisationen der politischen Bildung und der Zivilgesellschaft? Erhalten sie Spenden?
„Die meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen haben Mitglieder oder Partner, die einen regelmäßigen Beitrag leisten und sammeln auch Spenden für konkrete Aktionen“, sagt Elena Rovira. „Die Bildungs- und Sozialeinrichtungen erhielten bislang ein Teil Ihrer Einnahmen von der öffentlichen Hand und einen Teil aus Mitgliedsbeiträgen oder den Verkauf von Dienstleistungen oder Produkten“, fasst Mercè Tura die wesentlichen Einnahmequellen zusammen. Martin Habiague ergänzt, „Spenden von Einzelpersonen sind nicht sehr häufig“.
Akquisos: Wie sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für Spenden? Welche Steuervorteile gibt es?
„Derzeit sind persönliche Spenden zu 24% steuerlich absetzbar und zu 35% steuerlich abzugsfähig für Unternehmen“, erläutert Mercè Tura. „Wir hoffen, dass das Abgeordnetenhaus im nächsten Jahr ein neues Gesetz genehmigt, das einen 60% Steuerabzug für persönliche Spenden und 70% Steuerabzug für private Unternehmen vorsieht, außerdem 100% Absetzbarkeit von Spenden bis 150 € sowie andere Anreize für große Geber, die Projekte mehr als 2 Jahre fördern.“
Akquisos: Vielen Dank für Ihre Antworten!
Mehr über Fundraising in Spanien auf der Seite des Spanischen Fundraising-Verbands aefr unter Externer Link: http://aefundraising.org/ (in Spanisch)
Spanien: "Die Zielgruppe der Spender hat sich komplett verändert" Elena Rovira, Martin Habigue, Mercé Tura
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Unserer Fundraising-Europareise führt uns dieses Mal nach Spanien. Der Spenden- und Fördermarkt ist hier nicht zuletzt durch die Wirtschafts- und Finanzkrise in Bewegung geraten, die das Land seit 2011 beherrscht.