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"Professionelles Fundraising gibt Erinnerungskultur eine Zukunft" Interview mit Karin Penno-Burmeister

/ 5 Minuten zu lesen

Karin Penno-Burmeister ist Fundraising-Managerin (FA) und pädagogisch-theologische Mitarbeiterin des Kirchenkreises Nordfriesland. Von 1995 bis 2012 leitete sie die KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund. Sie war Mitglied des Gründungsvorstandes der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten und gehört dem Sprecherrat der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein (LAGSH) an. Sie gehört zur Arbeitsgruppe der Nordkirche, die derzeit auf landeskirchlicher Ebene eine eigene Ethik-Charta für das spezifisch kirchliche Fundraising entwirft.

Akquisos: Sie beschäftigen sich seit einigen Jahren intensiv mit dem Thema Fundraising für Gedenkstätten. Zunächst als Leiterin der KZ-Gedenkstätte Ladelund, und jetzt sind Sie Projektleiterin bei "ProGedenkstätten", einem Projekt zur Professionalisierung der Gedenkstätten in Schleswig-Holstein.

Karin Penno-Burmeister: Ja, und das ist in weiten Teilen auch ein Fundraising-Projekt. Es geht um den Aufbau struktureller und kulturwirtschaftlicher Grundlagen, die die Entwicklung der Gedenkstätten in Schleswig-Holstein verbessern. Es handelt sich dabei ja um vergleichsweise kleine Gedenkstätten, die größtenteils ehrenamtlich betrieben werden und die lange Zeit nur sehr notdürftig öffentlich finanziert wurden.

Akquisos: Wie wollen Sie Ihre Ziele konkret erreichen?

K.P.-B.: Zunächst einmal ist es sehr wichtig, ein öffentliches und politisches Bewusstsein und Interesse für die Arbeit von Gedenkstätten zu wecken. Das bedeutet, dass die Akteurinnen und Akteure der Gedenkstättenarbeit viel Netzwerk-Arbeit betreiben müssen, ständig mit Politikern und Gremien-Vertretern im Gespräch sind. Wir brauchen aber auch eine breite Basis auf der Bevölkerungsebene. Aktuell läuft eine 6-wöchige Presse-Serie in allen 20 Tageszeitungen des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages sh:z. Die Konzeption der Serie habe ich gemeinsam mit dem zuständigen Redakteur im Rahmen einer Medienpartnerschaft erarbeitet. Es werden Themen aus Nationalsozialismus, Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit behandelt, über die bisher noch nicht viel publiziert wurde. Unter den Artikeln erscheinen stets Informationen über unser Projekt und der Hinweis, dass wir Unterstützung für die Erinnerungskultur benötigen. „Zukunft braucht Erinnerung“ ist unser Motto. Neben den Spenden erwarten wir bei dieser Kampagne vor allem, dass es eine wachsende Aufmerksamkeit in der Bevölkerung geben wird.

Akquisos: Treten Sie auch an Unternehmen heran?

K.P.-B.: Ja, aber zunächst findet eine intensive Vorrecherche statt. Ich will nicht wahllos Firmen ansprechen, sondern solche auswählen, die eine Verbindung zum Thema Gedenken an den Nationalsozialismus haben. Ich recherchiere beispielsweise, welche Rolle Firmen im Nationalsozialismus gespielt haben und wie sie sich später dazu verhalten haben. Es geht mir aber nicht darum, das schlechte Gewissen der Firmen auszunutzen, das wäre wenig konstruktiv und zudem nach Fundraising-Grundsätzen ethisch fragwürdig. Es geht mir vielmehr um das heutige Interesse der Unternehmer an den Themen und Orten der Erinnerungskultur.

Es kann auch Firmen geben, für die das Engagement für die Erinnerungskultur eine Chance darstellt. Es gibt zum Beispiel ein paar Unternehmen, die von der Konkurrenz in eine rechte Ecke gedrängt werden, obwohl das nicht der Wahrheit entspricht, sozusagen im Rahmen eines unlauteren Wettbewerbs. Sie können der Öffentlichkeit mit ihrem Engagement für die Gedenkstätten zeigen, dass sie sich für eine kritische Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit einsetzen. Möglicherweise gibt es auch Firmen, die Probleme mit rechtsextrem gesinnten Mitarbeitern haben, sich dessen bewusst sind und sich davon distanzieren bzw. auch für ihre Belegschaft ein Zeichen setzen möchten.

Darüber hinaus gibt es natürlich Unternehmenssparten, die ein Marketinginteresse am Thema Erinnerungskultur haben, weil es eine gemeinsame Schnittmenge der Interessen gibt. Ich denke da beispielsweise an Gärtnereien, die im Herbst sehr stark vom Gedenken und von Feierlichkeiten der Erinnerungskultur profitieren.

Akquisos: Uns interessiert im Zusammenhang mit dem Thema Ethik auch die Frage nach dem Umgang mit Bildern in der Mittelakquise. Welche Bilder verwenden Sie beispielsweise in Ihren Exposés, mit denen Sie um Spenden werben?

K.P.-B.: Also, ich verwende möglichst prinzipiell keine Bilder, die das Leiden und Sterben und den Schrecken zeigen. Es verbietet sich aus Respekt vor der Würde der Opfer, Leichenberge oder ausgehungerte Gefangene zu zeigen. Die Bilder, die ich zum Beispiel für Exposés in Spendenbriefen verwende, sind eher heute aufgenommene Bilder, die Menschen in Begegnungen mit historischen Orten zeigen. Man kann zum Teil auch künstlerische Darstellungen und Zeichnungen von ehemaligen Häftlingen verwenden. Wir haben zum Beispiel 12 sehr eindrucksvolle Lithografien des Künstlers Richard Grune, der seine Erlebnisse im KZ nach seiner Befreiung im Jahr 1945 auf künstlerische Weise verarbeitet hat. Man sieht dort zwar auch Leiden, aber nicht voyeuristisch, sondern verfremdet in einer künstlerischen Darstellung.

Fundraising für Gedenkstätten und Erinnerungskultur muss anders aussehen als z.B. Spendenaufrufe eines Tierschutz-Vereins, die mit Bildern von hungernden Tieren mit großen Augen Mitleid erregen wollen. Fundraising für die Erinnerungskultur appelliert mehr an den Verstand. Wir wollen ein Bewusstsein für die heutige politische und gesellschaftliche Verantwortung wecken.

Für einen Kollekten-Aufruf zugunsten der Gedenkstättenarbeit habe ich z.B. einmal ein Memory-Spiel abgebildet. Die Überschrift war: "Wir wollen, dass sich die Bilder nicht wiederholen". Die Motive waren etwa eine brennende Synagoge in der Reichspogromnacht 1938, ein fahrender Panzer, aber auch strammstehende, sehr kurzhaarige Männer, die nicht erkennen ließen, ob es sich um eine historische oder eine aktuelle Aufnahme handelte. Leidensbilder von Opfern habe ich auch hier vermieden. Ich wollte nicht Betroffenheit erzeugen, sondern zum Nachdenken anregen und damit überzeugen, dass die Gedenkstättenarbeit unterstützt werden muss.

Akquisos: In Gedenkstätten findet ja sehr viel Bildungsarbeit statt. Wie beurteilen Sie denn die Möglichkeiten, speziell für Bildungsarbeit erfolgreiches Fundraising zu betreiben?

K.P.-B.: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Bildungsfundraising extrem schwer ist. Bildung ist eines der wichtigsten Arbeitsfelder der Gedenkstätten. Die meisten Leute verbinden mit Gedenkstätten aber vor allem Schlagworte wie "Zurückblicken, Schrecken, Vergangenheit", und nicht Bildung. Bildungsarbeit in Gedenkstätten kann man eigentlich nur bewerben im Zusammenhang mit dem Thema "Verantwortung für die Zukunft". Da geht es um ethische und sozialpolitische Aspekte. Das gilt ja für weite Teile der historisch-politischen Bildung. Wir wollen junge Menschen sensibilisieren für Missstände in der Gesellschaft und mit ihnen zusammen auf Frieden, Toleranz und Verständigung hinwirken.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg!

Weitere Informationen zum Projekt ProGedenkstätten: Externer Link: http://progedenkstaetten-sh.de

Akquisos-Dossier zur Förderung von Gedenkstättenfahrten:
Interner Link: www.bpb.de/partner/akquisos/151146/foerderung-fuer-gedenkstaettenfahrten

Gedenkstätten in Schleswig-Holstein (© Gedenkstätten in Schleswig-Holstein)

Fussnoten