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Lernen jederzeit und überall: die Schul-Cloud

Annie Berend

/ 7 Minuten zu lesen

Die öffentlich finanzierte Schul-Cloud soll Lehrenden und Lernenden Zugang zu digitalen Lerninhalten bieten, das Erstellen und Speichern von Materialen ermöglichen und kollaboratives Arbeiten unterstützen. Ein Überblick über die Idee und Funktionsweise des Konzeptes mit Facheinblicken von HPI-Direktor Professor Christoph Meinel.

Mit der Schul-Cloud soll Lernen jederzeit und überall möglich werden. ( rawpixel.com / bearbeitet / Externer Link: Lizenz CC0 / Externer Link: pexels )

Fächerübergreifendes Arbeiten in professionell gewarteten IT-Systemen – mit dem Externer Link: Projekt Schul-Cloud soll diese Idee erprobt und im besten Falle einmal bundesweite Wirklichkeit werden. Als Teil der Externer Link: Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft wird das Projekt vom Bundesministerium für Forschung und Bildung mit rund 1,5 Mio. Euro gefördert. Ziel ist eine Beschleunigung der Modernisierung und Digitalisierung von Schulen sowie die Erschließung neuer Bildungschancen.

Wie funktioniert die Schul-Cloud?

In Kooperation mit Externer Link: MINT-EC, einem Netzwerk von Gymnasien mit naturwissenschaftlich-mathematischem Profil in Deutschland, konzipiert das Externer Link: Hasso-Plattner-Institut (HPI) die Cloud-Infrastruktur. Bildungsmaterial, das bisher nur einzelnen Lehrkräften zugänglich ist oder lokal bei den Schulen auf eigenen Servern "gehortet" wird, soll nun über eine Cloud schul- und sogar bundeslandübergreifend verbreitet und geteilt werden können. Dabei werden bereits bestehende Dienste und Angebote verknüpft und über das Projekt bereitgestellt. Laut eigenen Angaben ist das HPI etwa mit den Bildungsservern der Länder im Gespräch über entsprechende Schnittstellen.

Die Speicherung der Materialien und Daten findet bei der Schul-Cloud zentral statt, sodass auch die Wartung und anfallende Aktualisierungen nicht von den Schulen getragen werden müssen. Externe IT-Expertinnen und -Experten sorgen für eine professionelle Administration und Datensicherheit. Bereits beim Aufbau der Schul-Cloud werden Regelungen der ab Mai 2018 geltenden EU-Datenschutz-Grundverordnung berücksichtigt. Benutzerdaten stehen externen Diensten dabei nicht direkt zur Verfügung.

Der Zugang zu den Inhalten erfolgt bei der Cloud über ein beliebiges Gerät mit Internetzugang, Lernende können also mit ihrem eigenen Gerät oder den bereits vorhandenen Schulrechnern auf die Cloud zugreifen (weitere Informationen zu der Frage, welche Voraussetzungen von Schulseite nötig sein werden, finden Sie auf dem Externer Link: Schul-Cloud-Blog). Soweit die Theorie, denn in der Praxis ist die nötige Breitband-Internetverbindung noch keine Realität. Laut HPI soll die Schul-Cloud dazu beitragen, das Ausstattungsproblem von Schulen auf die politische Agenda zu holen und die digitale Schulentwicklung so weiter voranzutreiben. Wie genau ist jedoch nicht definiert. Alle Dienste der Schul-Cloud sind über standardisierte Schnittstellen zu erreichen.

Funktionsweise und Entwicklungsstand der Schul-Cloud: Prof. Dr. Christoph Meinel im Interview

Wie genau funktioniert die Schul-Cloud?

Die Schul-Cloud will als offene und vernetzende Infrastruktur die breite Nutzung von digitalen Bildungsangeboten im Schulunterricht ermöglichen. Dabei steht eine einfache und geräteübergreifende Nutzung im Mittelpunkt. Bestehende Angebote und Dienste sollen verknüpft und über die Schul-Cloud bereitgestellt werden. Für den Mathematikunterricht werden über die Schul-Cloud unter anderem interaktive Aufgaben des Tools GeoGebra bereitgestellt. Durch den einheitlichen Zugang werden organisatorische Brüche vermieden und eine Vielfalt medialer Lernmaterialien leicht nutzbar. Für Geographiestunden stehen aktuelle, freie Materialien und für das Fach Physik Versuchsanleitungen und vertiefendes Material für die Vor- und Nachbereitung des Schulunterrichts zur Verfügung. Durch die Einbindung ausgewählter Videokanäle wie der gemeinützigen Khan Academy und ein webbasiertes Whiteboard sind die Weichen für Flipped Classroom-Settings sowie die kollaborative Erarbeitung von Themenboards, zum Beispiel im Deutschunterricht, gestellt. Durch die Verlagerung von IT-Diensten in die Cloud kann eine bessere Wartung und höhere Sicherheit erreicht werden. Der Zugriff auf die Dienste der Schul-Cloud kann dann lernortübergreifend über einfache sowie webfähige Geräte – vom Smartphone bis zum Laptop – erfolgen.

Wie ist der technische Entwicklungsstand der Schul-Cloud?

Unsere ersten konzeptionellen Überlegungen zur Schul-Cloud starteten im September 2016, die prototypische Entwicklung begann im Februar 2017. Kern des Projekts ist eine agile Erprobung von Cloud-Strukturen und -Diensten in Schulen. Da die Schul-Cloud als serviceorientierte Architektur konzipiert ist, können verschiedene Module gleichzeitig entwickelt werden. Am intensivsten wurde bisher an den Teilsystemen Authentifizierung, Lerninhalte, Termine, Benachrichtigungen sowie Dateiablage und -austausch gearbeitet. Eine erste Version für die Web-Oberfläche wurde bereits fertiggestellt. Einen Einblick in die Funktionen und Nutzungsmöglichkeiten der Schul-Cloud vermittelt ein Demozugang: https://schul-cloud.org/. Über diesen können sich alle Interessierten als Schüler/in oder Lehrkraft ganz einfach einloggen und über das Angebot informieren.

Vor- und Nachteile der Schul-Cloud

Mit der Schul-Cloud soll der Unterricht dem Lebensalltag der Schülerinnen und Schüler angepasst werden. Die bereits vorhandenen digitalen Kompetenzen der Lernenden sind bei der Etablierung der Cloud von Vorteil. Ziel der Verknüpfung von Unterricht und digitalem Material ist die Verbesserung und die abwechslungsreichere Gestaltung des Unterrichts, sowie die Kinder und Jugendlichen noch stärker auf ein Leben und Arbeiten in der digitalen Welt vorzubereiten. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit des kollaborativen Lernens, da sich Lerngruppen auch schulübergreifend und überregional zusammenschließen können.

Lehrkräfte können über die Schul-Cloud einfach verschiedenste Unterrichtsmaterialien beziehen, diese im eigenen Unterricht nutzen und mit Lernenden und Eltern teilen. Dabei möchte die Schul-Cloud ausdrücklich keine Konkurrenz, sondern ein ergänzendes Angebot darstellen, etwa zu bereits vorhandenen Länderinitiativen. Außerdem kann selbstkonzipiertes Material in der Schul-Cloud bereitgestellt und von anderen Nutzenden bewertet und kommentiert werden. Dabei können auch Schülerinnen und Schüler eigenes Material, etwa zur Nachhilfe, veröffentlichen und somit selber die Rolle des Lehrenden einnehmen.

Die Entwicklerinnen und Entwickler vom HPI hoffen, dass die Schul-Cloud den Markt der (digitalen) Unterrichtsmaterialien beleben wird und auch Verlage dazu angeregt werden, Material in der Schul-Cloud zur Verfügung zu stellen: Dabei soll laut Informationen des HPI ein breites Spektrum an digitalen Inhalten zugänglich gemacht werden – von Schulbuchverlagen, alternativen Anbietern interaktiver Inhalte und offener Lehr- und Lernmaterialien (OER). In der Pilotphase seien alle Inhalte kostenfrei verfügbar, so Vertreter des HPI, langfristig sei es jedoch denkbar, über die Schul-Cloud auch kostenpflichtige Inhalte zu beziehen. Kritische Stimmen befürchten eine mangelnde Qualitätsprüfung der geteilten Inhalte, die auf der Schul-Cloud vor allem durch die Kommentar- und Feedbackfunktion erfolgen soll. Daneben ist die Frage der technischen Ausstattung von Schulen außerhalb des Exzellenz-Netzwerkes, der Datenschutz sowie die Tatsache, dass die Schul-Cloud in Zukunft eine weitere Plattform kommerzieller Bildungsakteure darstellen könnte, nicht unumstritten.

Herausforderungen der Implementierung und Schulnetzwers: Prof. Dr. Christoph Meinel im Interview

Wo liegen die größten Herausforderungen der Implementierung?

Die Umsetzung des Pilotprojekts stellt im Rahmen der historisch gewachsenen Schulstrukturen und dem föderalen Bildungssystem der Bundesrepublik Deutschland eine gesellschaftliche Herausforderung dar, die unter Berücksichtigung aller Akteure und Aspekte diskutiert und in abgestimmten Schritten angegangen werden muss. Die Komplexität dieses bundesweiten Projekts ist nicht zu unterschätzen, zugleich ist das Potenzial des innovativen Ansatzes enorm. Technisch brauchen die Schulen eine Breitbandanbindung, die innerhalb der Schule über eine entsprechende WLAN-Abdeckung an jedem Ort und mit unterschiedlichen Endgeräten aus nutzbar ist. Die Schul-Cloud trägt dazu bei, diesbezügliche Aufrüstungsbedarfe vieler Schulen auf der politischen Agenda zu platzieren und entscheidende Schritte voranzutreiben. Zudem gibt es an einigen Schulen bereits unterschiedliche Lernmanagementsysteme wie Moodle, die in die Schul-Cloud eingebunden werden sollen. Diese sind jedoch oftmals unzureichend dokumentiert oder technisch veraltet. Der Zugang zu hochwertigen digitalen Inhalten erfordert zudem technische Standards und Schnittstellen, die häufig neu entwickelt und etabliert werden müssen. Der Datenschutz stellt eine weitere zentrale Herausforderung für den Einsatz digitaler Medien in der Schule dar. Dabei folgt die Schul-Cloud dem Prinzip "Privacy by Design": Personenbezogene Daten werden ausschließlich im Kernservice verwendet, sodass andere Dienste keinen Zugriff auf die verwendeten Primärschlüssel haben. Der Aufruf von Tools und Lerninhalten über standardisierte Schnittstellen, beispielsweise über LTI, Learning Tools Interoperability, erfolgt pseudonomysiert. Diese technischen Standards können alle Interessierten nutzen, um ihre Lerninhalte und Tools über die Schul-Cloud anzubieten.

Wie wird die konkrete Zusammenarbeit mit den Schulen aussehen – auch für nicht MINT-EC-Schulen?

Die Konzeptionierung der Schul-Cloud muss unmittelbar an die Bedarfe der Nutzerinnen und Nutzer anknüpfen und ihre Anforderungen möglichst früh in die Entwicklung einbeziehen. Das HPI führt die Schul-Cloud-Entwicklung in einem engen Dialog mit den beteiligten Pilotschulen aus dem nationalen Excellence-Schulnetzwerk MINT-EC. Für die frühe Pilotierung der Schul-Cloud ist der Kooperationspartner MINT-EC aufgrund seiner bundesweiten Struktur sowie Technikaffinität und dem Exzellenzfokus, im Rahmen dessen das Bundesministerium für Bildung und Forschung einzelne Schulen fördern darf, besonders geeignet. Neben den MINT-EC-Schulen wurde auch die Perspektive von anderen Schulformen einbezogen, die weniger von Fördergeldern, -strukturen und Netzwerken profitieren. Langfristig ist die Schul-Cloud nicht notwendigerweise auf MINT-EC-Schulen begrenzt. In der ersten Entwicklungsphase sind das 27 Schulen, die über ganz Deutschland verteilt sind. In der zweiten Phase kann die Schul-Cloud dann allen knapp 300 MINT-EC Schulen zur Verfügung gestellt werden. Die Kooperation ist dabei so organisiert, dass seit dem ersten HPI-Forum "Schul-Cloud" am 3. April 2017 die beteiligten MINT-EC-Schulen in drei Bereichen zusammen an den Themen der technischen, didaktischen und organisatorischen Rahmenbedingungen für die Verwendung der Schul-Cloud arbeiten. Der Input aus den Schulen wird bei der weiteren Entwicklung vorrangig behandelt und dann über entsprechend ausgerichtete Schul-Cloud-Updates allen Nutzerinnen und Nutzer zur Verfügung gestellt.

Ausblick

Anfang Februar 2017 startete die Erprobungsphase der Schul-Cloud. An vorerst knapp 20 Schulen des MINT-EC-Netzwerkes in ganz Deutschland soll die IT-Infrastruktur bis April 2018 getestet und in den Schulalltag integriert werden. In der Ausbauphase von Januar bis Dezember 2018 steht die Cloud bis zu 250 MINT-EC-Schulen zur Verfügung, wobei die Cloud langfristig auch für Schulen außerhalb des Netzwerkes geöffnet werden soll.

Über unseren Interviewpartner:

Prof. Dr. Christoph Meinel ist wissenschaftlicher Direktor und Geschäftsführer des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) und Leiter des Fachgebietes Internet-Technologien und -Systeme. In dieser Position ist er mitverantwortlich für die Entwicklung der Schul-Cloud.

Externer Link: Mehr Informationen im Fact-Sheet zur Schul-Cloud

Annie Berend studiert im Bachelor Kulturwissenschaft sowie Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Bremen mit einem kurzen Aufenthalt an der Université d’Avignon et des Pays de Vaucluse. Im Rahmen und auch außerhalb ihres Studiums interessiert sie sich für Digitale Bildung und Projekte der Medienkompetenzvermittlung. Die Redaktion der Werkstatt der bpb unterstützt sie seit Januar 2017.