Das Internet ist selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft. Viele Prozesse im Alltag erledigen wir über das Netz. Wir bedienen Laptops, Tablets und Smartphones und machen Bestellungen, Bankgeschäfte, Terminabsprachen ganz gewohnheitsmäßig online. Auf einige Angebote hätten wir ohne Internet schon gar keinen Zugriff mehr, zum Beispiel die Enzyklopädie Brockhaus.
Mit dem Internet der Dinge (oder Internet of Things, kurz IoT) werden physische Gegenstände in dieses Netz integriert und ansteuerbar gemacht. Unintelligente Dinge – wie Lichtschalter, Hundehalsbänder oder Drucker – werden mit Chips und Sensoren ausgestattet und können so über Funk direkt miteinander kommunizieren. Sie sind in der Lage, ihre unmittelbare Umgebung wahrzunehmen, diese Informationen zu verarbeiten, mit anderen Dingen in Kontakt zu treten oder Aktionen auszulösen. Die Schnittstelle Mensch wird obsolet. Perspektivisch verschwindet der Computer langsam, die Gegenstände werden nach und nach Teil des Internets.
Die schleichende Revolution
Diese "Smartifizierung" unseres Alltags vollzieht sich leise und eher im Verborgenen, wird unser Leben in ihrer Tragweite jedoch nachhaltig verändern – im Positiven wie im Negativen. Die vielen kleinen vernetzten Dinge beginnen, unser tägliches Dasein unbemerkt zu steuern. Sie sollen die Welt für uns effizienter, sicherer und bequemer machen. Sie machen es aber gleichzeitig technologieabhängiger, unsicherer und kompetenzaufwändiger. Wie dieses Internet der Dinge konkret aussieht und wie seine Einsatzbereiche sein können, illustrieren einige Beispiele aus dem urbanen und dem häuslichen Umfeld: In Smart Cities kommunizieren Mülltonnen der Stadtreinigung, dass sie geleert werden müssen. Elektro-Autos weisen ihrem Fahrer den Weg zum nächsten freien Parkplatz. Intelligente Ampeln reagieren auf das Verkehrsaufkommen und schalten sich so, dass möglichst wenig Stau entsteht. In Smart Homes bestellen Kühlschränke ihren Inhalt selbst nach, selbsttätige Staubsauger bewegen sich über ihre tägliche Route und die Heizung regelt sich je nach Wetter. Viele weitere Beispiele lassen sich auch für Bereiche wie Industrie, Landwirtschaft, Medizin, Fitness oder Unterhaltung aufzählen.
Miteinander betrachtet zeichnet sich das Internet der Dinge durch drei neue Qualitäten aus:
Es ist allgegenwärtig, da es uns in allen Lebenskontexten begegnet.
Es ist unsichtbar, da sich die eingebauten Chips und Sensoren unserer visuellen Wahrnehmung entziehen.
Und es ist autonom, da die Gegenstände oft ohne Zutun des Menschen interagieren.
Vielfach wird schon vom Internet of Everything gesprochen. Seine Entwicklung jedenfalls ist rasant: 1999 wurde der Begriff IoT erstmals von Kevin Ashton vom Massachusetts Institut of Technology eingebracht, der einen internationalen Standard für die sogenannte Radio-Frequency Identification (RFID) erarbeitet hat, einer auf Radiowellen basierenden Technologie für Sender-Empfänger-Systeme, mit der Gegenstände und Menschen automatisch und ohne direkte Berührung identifiziert und verortet werden können. Nur zwei Jahrzehnte später, bis zum Jahr 2020, könnten bereits zwischen 30 und 50 Milliarden Geräte weltweit miteinander vernetzt sein – hier gehen die Schätzungen von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft auseinander. Gigantische Datenmengen wären dann täglich zu verarbeiten, die mit Hilfe von Big Data Analytics gehandhabt werden müssten.
Intelligente Lernumgebungen
Auch den Bildungsbereich wird das Internet der Dinge laut Einschätzung verschiedener Akteure aus Bildung, Wirtschaft und internationaler Presse gravierend verändern. Anwendungsszenarien sind bislang allerdings nur in Ansätzen erkennbar. Aktuell liegt der Schwerpunkt auf der Gestaltung intelligenter Lernsysteme, die das Lernen für die Schülerinnen und Schüler einfacher, individueller und effektiver machen sollen. Diese Smart Learning Environments (SLEs) sind physikalische Räume, die mit digitalen Geräten und Sensoren ausgestattet sind und eine nahtlose Verbindung von virtuellen und realen Umgebungen ermöglichen. Solche Lernsettings passen Inhalte und Vermittlungsmethoden ganz individuell an die Lernbedürfnisse der einzelnen Lernenden an. Sie berücksichtigen die jeweiligen Interessen und Vorlieben, zum Beispiel verschiedene Formate wie Text oder Video, sie bieten Raum für Austausch mit Anderen und für Experimente, sie geben personalisiertes Feedback und Hilfestellungen und sie können über verschiedene Kanäle und Geräte mit dem Nutzer interagieren.
Besonders auch für Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen birgt das Internet der Dinge Chancen. Mittels intelligenter Lernumgebung können sie genau auf ihre Arbeitsschwerpunkte abgestimmte Lerninhalte, Formate und Vermittlungsmethoden abrufen und in ihrem eigenen Tempo lernen. Denkbar sind auch Geräte, die diese Nutzerinnen und Nutzer individuell erkennen und sich auf sie einstellen, beispielsweise mit einer größeren Schriftart. IoT kann also unterschiedliche Dispositionen von Lernenden innerhalb einer Klasse ausgleichen.
Was macht das Internet of Things mit unseren Daten?
Damit SLEs funktionieren, müssen sie kontinuierlich mit Wissen über ihre Nutzerinnen und Nutzer gefüttert werden. Dazu gehören Qualifikationen, Lernziele und -schwächen, bevorzugte Lernmethoden, persönliche Interessen, der Aufenthaltsort und viele mehr. Die SLEs müssen sich in einem konstanten Austausch mit dem oder der Lernenden befinden, beispielsweise um die Problembereiche zu identifizieren oder das Erreichen der Lernziele zu überprüfen. Das bedeutet die fortwährende Erhebung, Verarbeitung und Speicherung personenbezogener Daten. In Deutschland herrschen hierfür strenge Auflagen. Der IoT-Bereich sprengt die bisherige Gesetzgebung jedoch: Ist alles miteinander vernetzt und arbeitet autonom und unsichtbar, fehlt die Möglichkeit der individuellen Zustimmung über die Verarbeitung der persönlichen Daten. Auch ist unklar, was mit ihnen genau passiert und zu welchem Zweck sie erhoben werden. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird so teilweise ausgehebelt. Hier muss juristisch nachgebessert werden, wobei sich die Frage stellt, inwieweit eine lückenlose Gesetzgebung und seine einwandfreie Anwendung beim Internet der Dinge überhaupt praktikabel ist.
Ein weiterer Knackpunkt ist die Datensicherheit. Je mehr Daten die Nutzerinnen und Nutzer (unwissentlich) preisgeben, umso verwundbarer sind sie, wenn diese gehackt und missbraucht werden. Es geht um Überwachung, Fremdsteuerung und individuelle Angreifbarkeit. Persönliche Lehr- und Lernprozesse könnten eingesehen und sensible Daten missbraucht werden. Gleichzeitig werden wir immer abhängiger von Technologie und damit auch immer anfälliger, sollte sie einmal versagen. Fällt die intelligente Lernumgebung oder fallen Komponenten davon aus, ist der geplante Fortgang des Unterrichts nicht möglich. Nicht zuletzt stellt sich auch die Frage, inwieweit das soziale Miteinander im Klassenraum angesichts zunehmender technisierter Kommunikation und ortsunabhängigem Lernen ins Hintertreffen geraten wird.
Lehrende in der IoT-Welt
Lehrende könnten vom Internet of Things profitieren, indem der Verwaltungsaufwand ihrer Arbeit geringer wird. Lernergebnisse müssen nicht mehr "zu Fuß" abgeholt werden, sondern werden direkt ins System eingespielt. Lehrpläne können individuell gestaltet werden. Tägliche Laufwege und aufwändige Kommunikationsabläufe werden eingespart, diese gewonnene Zeit kann wiederum nutzbringend in die Bildung gesteckt werden.
Wenn Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht mehr gebraucht werden, weil intelligente Gegenstände diese Tätigkeiten übernehmen, könnten Arbeitsplätze verloren gehen. Gleichzeitig entstehen neue Berufsbilder, bestehende Professionen wandeln sich stark und mit ihnen die jeweiligen Qualifikationsanforderungen. Technologische Kompetenzen treten in den Vordergrund, andere werden künftig durch die Maschine übernommen. Diese Tendenz wird auch vor dem Lehrerberuf nicht Halt machen und eine Verunsicherung angesichts der Zukunft mit sich bringen. Lehrende laufen Gefahr, mit ihren Kompetenzen bezüglich neuer, sich rasant entwickelnder Technologien nicht Schritt halten zu können. Hier sind rechtzeitige und angemessene Fortbildungen und Anpassungen in der Lehrerausbildung gefragt, aber auch Lehrende, die sich den Neuerungen nicht verschließen. Es wird erwartet, dass die Anforderungen an gut ausgebildete Fachkräfte in der IoT-Welt immens steigen und diejenigen, die intellektuell nicht mitkommen, auf dem Arbeitsmarkt abgehängt werden. Auch der Bildungsbereich muss hier wach sein und weniger technikaffine Lehreranwärter durch passende Kompetenzvermittlung "abholen".
Unsere Gesellschaft könnte vom Internet der Dinge profitieren. Es bringt Schnelligkeit, Effizienz, Bequemlichkeit, Effektivität, Sicherheit, Spaß und Unterhaltung. Dabei dürften aber Datensicherheit, individuelle Datenhoheit und die Souveränität über Unterricht und Lehrerkompetenzen über den technologischen Bereich hinaus nicht auf der Strecke bleiben.
Hackathon zum Internet der Dinge
Der
Quellen und weiterführende Links
Die Netzdebatte der bpb
Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste
Externer Link: Aktueller Begriff Internet der Dinge
Deutschlandfunk
Externer Link: Internet der Dinge. Gefahren und Chancen der digitalisierten Welt
Blog Web 2.0 - Medienkompetenz - politische Bildung der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg
Externer Link: Internet der Dinge von Moritz Plenefisch
Blog die wissenskreateurin** von Sirkka Freigang
Externer Link: Was ist das Internet der Dinge?
Externer Link: Das Internet der Dinge erfordert neue pädagogische Lernkonzepte
Externer Link: IoT in Education by Designing Smart Learning Environments
Externer Link: Smart Learning Environments und datenschutzrechtliche Aspekte
Educause
Externer Link: The Internet of Things Is Here
Externer Link: The Internet of Things for Educators and Learners