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Von der Kapitulation zur doppelten Staatsgründung (1945–1949) | Gemeinsame deutsche Nachkriegsgeschichte 1945–1990 | bpb.de

Gemeinsame deutsche Nachkriegsgeschichte 1945–1990 Editorial Geteilt und doch verbunden Von der Kapitulation zur doppelten Staatsgründung (1945–1949) Kalter Krieg und Blockintegration (1949–1955) Zwischen Systemwettstreit und Mauerbau (1955–1961) Zwischen Reform und Revolte (1961–1969) Der flüchtige Zauber des Neuanfangs (1969–1975) Zwischen Annäherung und Abgrenzung – von Helsinki zum zweiten Kalten Krieg (1975–1989) Annus mirabilis – friedliche Revolution und deutsche Einheit (1989/90) Zwischen Euphorie und Ernüchterung – das vereinte Deutschland Anfang der 1990er-Jahre Glossar Literatur- und Onlineverzeichnis Impressum
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Von der Kapitulation zur doppelten Staatsgründung (1945–1949)

Dierk Hoffmann

/ 15 Minuten zu lesen

Unter der Herrschaft der vier Besatzungsmächte gilt es, das zerstörte Deutschland wiederaufzubauen und sich mit den Folgen des Krieges auseinanderzusetzen – das Resultat: ein geteiltes Deutschland.

Die Nachwirkungen des Zweiten Weltkrieges: Essensausgabe am 26. März 1946 in Hamburg. (© picture-alliance, Photo 12 / Ann Ronan / Picture Librar / -)

Besetztes Land

Nachdem die Wehrmachtsführung am 8./9. Mai 1945 zunächst im französischen Reims und anschließend in Berlin-Karlshorst bedingungslos kapituliert hatte, ging die Herrschaftsgewalt in Deutschland auf die USA, die UdSSR (Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, kürzer: Sowjetunion), Großbritannien und Frankreich über. Von ihnen hing die Zukunft des besetzten Deutschlands ab.

Die Besatzungsmächte begannen als erstes mit dem Aufbau einer Militärverwaltung. Während sich in Baden-Baden die französische Militärregierung etablierte, richteten die US-Amerikaner ihren Hauptsitz in Frankfurt am Main ein, und zwar im Verwaltungsgebäude des nach Kriegsende zerschlagenen Chemie- und Pharmakonzerns IG Farben. Dagegen verteilten die Briten ihr Hauptquartier auf mehrere Orte: Bad Oeynhausen, Lübbecke, Herford und Minden. Die Sowjetische Militäradminis­tration in Deutschland (SMAD) wies wiederum eine stark zentralistische Struktur auf. Unterhalb der Zentralinstanz in Berlin-Karlshorst gab es noch fünf Landesverwaltungen (SMA) sowie weitere Verwaltungseinheiten auf Kreisebene.

Der Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen entsprach die gemeinsame Verwaltung der früheren Reichshauptstadt, die in vier Sektoren aufgeteilt wurde. Während der Alliierte Kontrollrat für die gemeinsame Besatzungspolitik in allen Zonen zuständig war, lag die Regierungsgewalt in Berlin bei der Alliierten Stadtkommandantur. Berlin besaß somit einen Sonderstatus, der bis zum Abschluss des Viermächteabkommens 1971 Anlass für zahlreiche Krisen war.

(© mr-kartographie, Gotha 2024)

Gemeinsame Herausforderungen

Ernährungskrise

Im Nachkriegsdeutschland sahen sich die vier Besatzungsverwaltungen drei großen Herausforderungen gegenüber. Erstens machte sich überall die schlechte Ernährungslage der Bevölkerung bemerkbar, die die städtische Bevölkerung stärker als die Menschen auf dem Land traf. Bei der offiziellen Angabe der durchschnittlich zur Verfügung stehenden Kalorienmenge pro Tag befand sich die US-amerikanische Zone Mitte 1946 mit 1330 Kalorien an der Spitze, gefolgt von der russischen (1083), der britischen (1050) und der französischen Besatzungszone mit 900 Kalorien.

Die Versorgungslage wurde dadurch verschärft, dass durch Gebietsverluste (Ostpreußen, Pommern, Schlesien) rund 25 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche verloren gegangen waren. Auf verkleinerter Gesamtfläche musste nunmehr eine größer gewordene Bevölkerung versorgt werden. So lebten auf dem Gebiet der drei Westzonen 1946 etwas mehr als 45 Millionen Menschen, zwei Millionen mehr als 1939. Einen deutlichen Zuwachs verbuchte auch die SBZ (Sowjetische Besatzungszone), in der die Bevölkerung zwischen 1939 und 1946 um etwa 1,3 Millionen auf 18 Millionen stieg. Erschwerend kam der Rückgang der Ernteerträge hinzu.

Die Ernährungskrise wurde 1946/47 durch eine Kohlekrise noch verschärft, sodass bereits zeitgenössisch von einem Hungerwinter die Rede war. Kohle wurde nicht nur als wichtiger Rohstoff in der deutschen Industrie benötigt, sondern auch als Energieträger für die privaten Haushalte und als Befeuerungsmittel für das stark beschädigte Transportsystem. Die Versorgungskrise hatte Folgen: So verursachte das sinkende Warenangebot bei unveränderter Nachfrage und ohne funktionierende Währung eine Ausbreitung des Schwarzmarktes. Darüber hinaus stiegen die Fälle ansteckender Krankheiten, insbesondere Diphtherie, Tuberkulose und Typhus, rapide an. Schließlich erhöhte sich die Zahl der registrierten Diebstähle spürbar – der Hunger senkte die Hemmschwelle, Straftaten zu begehen.

Kriegszerstörungen und Demontagen

Zweitens gab es fast überall Kriegszerstörungen, allerdings waren die Regionen in unterschiedlichem Ausmaß betroffen. In zahlreichen Großstädten war durch den Bombenkrieg mehr als die Hälfte des Wohnraums vernichtet worden. Am Ende des Krieges waren Köln, München, Berlin, Dresden, Hamburg und Magdeburg kaum noch wiederzuerkennen. Die Infrastruktur, vor allem das Verkehrsnetz, war durch gezielte Bombardierungen sowie aufgrund von Zerstörungsmaßnahmen des untergehenden NS-Regimes (Hitlers „Nerobefehl“) nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen worden. In der britischen Zone waren im Mai 1945 von insgesamt 13.000 Straßenkilometern nur rund 1000 km befahrbar; alle Rheinbrücken waren bis auf eine zerstört.

Zu den Kriegszerstörungen kamen die Demontagen hinzu, die den wirtschaftlichen Substanzverlust erhöhten. Während sie in den drei Westzonen keine nennenswerte Rolle spielten, prägten sie in der SBZ von Anfang an die ökonomische Situation. Bereits kurz nach dem Einmarsch begannen Einheiten der Roten Armee mit dem Abbau von Industrieanlagen, die in der Sowjetunion wiederaufgebaut werden sollten. Moskau, das auf diese Weise nach Wiedergutmachung für den von Deutschland geführten Vernichtungskrieg strebte, ging zunächst unkoordiniert vor. Mit der Gründung der Sowjetischen Aktiengesellschaften (SAG) im Frühsommer 1946 fand ein Kurswechsel statt, da Moskau dazu überging, die ostdeutschen Ressourcen vor Ort zu nutzen. Auf Demontagen wurde nun weitgehend verzichtet; Reparationszahlungen erfolgten aus der laufenden Produktion vor Ort.

Insgesamt gab es in den Westzonen vergleichsweise ­größere Kriegszerstörungen, während der Osten Deutschlands sehr stark von sowjetischen Beuteaktionen, Demontagen und Reparationsleistungen für die östliche Besatzungsmacht betroffen war. Allein durch die Demontagen wurden circa 30 Prozent der industriellen Kapazitäten (Stand 1944) in der SBZ abgebaut. Die höchsten Verluste verzeichneten die Branchen, die während der NS-Kriegswirtschaft den größten Zuwachs erzielt hatten – das heißt Treibstoffwerke, Flugzeugindustrie, Metallurgie und Werkzeugmaschinenbau sowie Feinmechanik und Optik.

Durch die Demontagen wurden demnach rüstungsbedingte Überkapazitäten abgebaut. Doch auch andere Wirtschaftszweige wie die Textil- und Druckindustrie, deren Produktionsvolumen schon während des Zweiten Weltkrieges abgenommen hatte, wiesen spürbare Einschnitte auf. Die ostdeutsche Wirtschaft konnte die kurzfristigen Folgen der Demontagen relativ rasch überwinden, insbesondere durch einen Mehreinsatz von Arbeitskräften. Außerdem machten sich die positiven Effekte aus der anlaufenden Produktion von Reparationsgütern bemerkbar. Dagegen trugen die teilungsbedingte Unterbrechung von Produktions- und Lieferketten sowie die SED-Autarkiepolitik [Autarkie = die vollständige oder teilweise Selbstversorgung eines Haushalts, einer Region oder eines Staates mit Gütern und Dienstleistungen – Anm. d. Red.] zu den schlechten Startbedingungen der Wirtschaft in der SBZ/DDR bei.<

Flucht und Vertreibung

Die durch den Zweiten Weltkrieg verursachten Veränderungen der Bevölkerungsstruktur stellten die dritte große Herausforderung für die vier Siegermächte dar. Denn der nationalsozialistische Vernichtungskrieg in Osteuropa schlug ab Ende 1944 auf Deutschland zurück. Mit dem Vorrücken der Frontlinie gen Westen waren gewaltige Bevölkerungsverschiebungen verbunden, die die Alliierten in Potsdam absegneten. Ein Großteil der deutschen Bevölkerung floh gegen Ende des Krieges; gleichzeitig begann die „wilde“ Vertreibung und gewaltsame Aussiedlung der Deutschen aus Ostmitteleuropa. In den vier Besatzungszonen wurden Ende Oktober 1946 mindestens zehn Millionen Vertriebene gezählt.

Überall war ein enormer Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen: In der britischen Zone stieg die Zahl um 18 Prozent, in der US-Zone um 23 Prozent und in der SBZ um 16 Prozent. Dabei sagen diese Durchschnittswerte nichts über die regionale Verteilung aus. So trugen die agrarisch geprägten Länder Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern die Hauptlast. In manchen Regionen veränderte sich die Bevölkerungsstruktur grundlegend; konfessionelle Grenzen verschoben sich. Darüber hinaus veränderten sich die Zahlen im Laufe der Zeit aufgrund weiterer Zuwanderungen bzw. Binnenwanderungen erheblich.

Zum 1. April 1947 verteilten sich die 10,1 Millionen Geflüchteten und Vertriebenen mit fast vier Millionen auf die SBZ, mit 3,2 Millionen auf die britische und mit 2,9 Millionen auf die US-amerikanische Zone. Dagegen wurden in der französischen Zone, die sich nach außen regelrecht abschottete, nur 50.000 Vertriebene gezählt. Ein Verteilungskampf um die begrenzten Ressourcen (Wohnraum, Nahrungsmittel, Arbeit) kennzeichnete die gesamtdeutsche „Zusammenbruchgesellschaft“ (so der Historiker Christoph Kleßmann).

Die zugezogenen Vertriebenen waren in ihrer neuen Heimat oftmals nicht willkommen und stießen auf Ressentiments in der alteingesessenen Bevölkerung, so wie im badischen Städtchen Lahr. Bei einem Fastnachtsumzug Ende der 1940er-Jahre hielten zwei Teilnehmer ein Plakat mit einer eindeutigen Botschaft hoch: „Badens schrecklichster Schreck – der neue Flüchtlingstreck!!“ Auch die deutsche Verwaltung zeigte kein Mitleid: Der sächsische SED-Innenminister und nachmalige Chef der Deutschen Volkspolizei Kurt Fischer (1900–1950) sprach im Kontext der Fluchtbewegung von „Heuschreckenschwärmen“, die durch das Land streiften und „die unreifen Früchte von den Feldern ­herunternahmen“.

NS-Eliten vor Gericht

Nürnberger Kriegsverbrecherprozess und alliierte Nachfolgeprozesse

Auf der Potsdamer Konferenz (17. Juli bis 2. August 1945) konnte zwar eine Einigung über allgemeine Ziele der Entnazifizierung und Entmilitarisierung Deutschlands erzielt werden. Doch bei der konkreten Umsetzung zeigten sich rasch die unterschiedlichen Interessen der einzelnen Siegermächte. Zunächst musste sich die noch greifbare Führungsriege des NS-Regimes im Nürnberger Hauptkriegsverbrecher-Prozess der Verantwortung stellen. Der Prozess, der weltweit große Aufmerksamkeit fand, endete nach 218 Verhandlungstagen mit dem Urteilsspruch am 1. Oktober 1946: Das Gericht verhängte zwölf Todesurteile und gegen sieben weitere Angeklagte langjährige Haftstrafen. Aufsehenerregend waren auch die zwölf Nachfolge-Prozesse in der US-Zone, bei denen deutsches Leitungspersonal aus Politik, Diplo­matie, Militär, Wirtschaft und Medizin auf der Anklagebank saß.

QuellentextDie Nürnberger Prozesse und Erinnerungskultur in Deutschland

„Zwei Bilder Deutschlands liefern den dramatischen Beweis, dass die Alliierten den Krieg gewonnen haben. Zum einen das Panorama der in Asche gelegten deutschen Städte, zum anderen das Tableau der mit Nazi-Gefangenen besetzten Anklagebänke im flutlichterhellten Saal des Kriegsverbrechergerichts von Nürnberg.“ Als die amerikanische Journalistin Janet Flanner dies im Dezember 1945 niederschrieb, war die Verhandlung gegen Ex-Reichsmarschall Göring und 20 anwesende Mitangeklagte schon seit fast einem Monat im Gange. Auch unter den Deutschen erkannten damals viele die besondere historische Bedeutung des Nürnberger Hauptkriegsverbrechertribunals. Hier wurden nicht nur rechtliche Grenzen gegen staatliche Willkürherrschaft und ungehemmten militärischen Expansionsdrang gezogen, sondern gleichzeitig sollten die geschichtlichen Ursachen für den nationalsozialistischen Vernichtungs- und Rassenkrieg juristisch aufgedeckt werden. Insofern war Nürnberg auch der exemplarische Versuch, Geschichte mit den Mitteln des Rechts zu „bewältigen“.

Obwohl die rechtlichen und politischen Zielsetzungen der Nürnberger Prozessserie von Anfang an stark umstritten waren, haben einige der Grundideen, die 1945 von den Alli­ierten erstmals umgesetzt, jedoch schon Jahrzehnte zuvor formuliert worden waren, bis heute Bestand. Dazu gehört beispielsweise, dass künftig nationale Gesetze oder das Innehaben eines staatlichen Amtes keinen absoluten Schutz vor völkerstrafrechtlicher Verfolgung mehr bieten. Nicht festgesetzt hat sich jedoch der in Nürnberg verfolgte Gedanke, die Vorbereitung und Durchführung kriegerischer Aggressionen mit völkerrechtlichen Sanktionen zu bedrohen. Zwar hat sich die Völkergemeinschaft in den letzten sechzig Jahren auf das unverbindlichere Gewaltverbot der UN-Charta und eine Definition staatlicher Aggressionen einigen können, der strafrechtlichen Kodifizierung von Angriffskriegen stehen aber nach wie vor große politische Bedenken entgegen.

Über die Frage, wie sich die Nürnberger Prozesse gegen 24 Repräsentanten der NS-Führung und 185 Vertreter der deutschen Eliten auf die Deutschen in Ost und West ausgewirkt haben, wird in der Zeitgeschichtsforschung seit Jahrzehnten mit Eifer und Ausdauer gerungen. Kaum umstritten ist hingegen, dass auf deutscher Seite lange Zeit Abwehr und ein auf mangelnder Informiertheit beruhendes Desinteresse überwogen. Zu den vielen Widersprüchlichkeiten des deutschen Nürnberg-Diskurses zählt daher, dass viele Deutsche zwar nach Kriegsende behaupteten, durch die Prozesse erstmals von den Gräueltaten an den Juden und anderen Minderheiten erfahren zu haben, andererseits jedoch mit derselben Vehemenz versichert wurde, die Gerichtsverhandlung habe nichts zu Tage gefördert, was nicht schon vorher bekannt gewesen sei. Kaum weniger paradox ist, dass sich deutsche Meinungsführer in Politik, Wissenschaft und Medien zwar an den durchaus vorhandenen juristischen Schwachstellen des Prozesses festbissen, sie jedoch zu allen Rechtsverletzungen der vorausgehenden zwölf Jahre ungerührt geschwiegen hatten. Offenkundig erfüllte die legalistische Kritik an Nürnberg für den einen oder anderen auch eine gewisse Schutzfunktion: So konnte man sich gegen allzu schmerzhafte Erkenntnisse und Fakten abschirmen. […]

Annette Weinke, Die Nürnberger Prozesse, Verlag C.H. Beck München 2015, S. 7–9

Entnazifizierung

Ende der 1940er-Jahre war jedoch die Gemeinsamkeit der alliierten Entnazifizierungspolitik weitgehend aufgebraucht. Fortan ging jede Besatzungsmacht eigene Wege, wobei die Unterschiede zwischen den drei Westzonen auf der einen und der SBZ auf der anderen Seite rasch deutlich wurden. Die US-Amerikaner nahmen von ihrem anfänglichen moralischen Rigorismus Abstand und legten stattdessen immer mehr Wert auf eine „Re-Education“ bzw. „Re-Orientation“ der Deutschen. Die Sowjets gingen dazu über, die Entnazifizierung in der eigenen Zone mit der politischen und sozioökonomischen Neuordnung zu verbinden. Dabei war die vollständige Entfernung ehemaliger NSDAP-Mitglieder aus allen wichtigen Stellungen des öffentlichen Lebens ein selbst gestecktes Ziel, das jedoch bald unterlaufen wurde.

Auch in der SBZ musste auf Fachleute, die etwa für die Funktion staatlicher Verwaltungen unentbehrlich waren, Rücksicht genommen werden. Die durch die Entnazifizierung entstandene Personallücke wurde außerdem noch durch die Abschaffung des Berufsbeamtentums weiter vergrößert. Bis August 1947 verloren circa 520.000 Personen ihren Arbeitsplatz; 12.807 Angehörige der SS, Gestapo sowie der politischen Führung der NSDAP wurden verurteilt.

Die sowjetische Besatzungsmacht nutzte den Personal- und Elitenwechsel, um in den Schaltstellen der Verwaltung sowie in Polizei, Justiz und Schule immer mehr Kommunisten einzusetzen. Unter direkter Anleitung des sowjetischen Geheimdienstes wurden Internierungslager eingerichtet, unter anderem in den ehemaligen Konzentrationslagern Buchenwald und Sachsenhausen. Die sogenannten Speziallager dienten neben der Inhaftierung von Nationalsozialisten dazu, Gegner (vor allem Sozialdemokraten und Mitglieder der bürgerlichen Parteien) und vermeintliche Oppositionelle der kommunistischen Herrschaft mundtot zu machen. In den insgesamt zehn Speziallagern in der SBZ waren zwischen 1945 und 1950 etwa 150.000 Deutsche inhaftiert, von denen ungefähr 70.000 ums Leben kamen. Internierungslager gab es auch in den Westzonen, allerdings nicht so lange und nicht mit der hohen Todesrate.

Aufbau von Verwaltung und Parteien

Der Aufbau der deutschen Verwaltung sowie der Parteien erfolgte in einem unterschiedlichen Tempo, wobei die SBZ eine Vorreiterrolle einnahm. Bereits vor Kriegsende hatte die Kremlführung Kommunisten, die nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 nach Moskau emigriert waren, nach Deutschland fliegen lassen. Die Sowjetunion wollte schnell Tatsachen schaffen und die westlichen Besatzungsmächte unter Druck setzen. So setzte der sowjetische Stadtkommandant ­Nikolai E. Bersarin (1904–1945) am 14. Mai 1945 einen Magistrat in Berlin ein, wobei deutsche Kommunisten vor allem die Innenverwaltung übernahmen. Nach diesem Muster verfuhr die sowjetische Militärverwaltung auch in anderen ostdeutschen Städten.

Am 10. Juni 1945 – einen Tag nach der Bildung der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) – kam der Befehl Nr. 2 heraus, der in der SBZ grünes Licht für die Bildung von Parteien und Gewerkschaften gab. Als erstes konstituierte sich die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands), gefolgt von der SPD und den beiden bürgerlichen Parteien CDU und LDP (Liberal-Demokratische Partei Deutschlands, ab Oktober 1951 LDPD), die sich auf Geheiß von Moskau zur „Einheitsfront der antifaschistisch-demokratischen Parteien“ zusammenschließen mussten, mit der die KPD ihre „führende Rolle“ schrittweise durchzusetzen versuchte. Im Verlauf der zweiten Jahreshälfte 1945 kam es zwar auch in den Westzonen zu Parteigründungen. Während in der SBZ die Tätigkeit der Parteien auf zonaler Ebene gestattet wurde, konnten die Parteien im Westen zunächst nur auf lokaler und regionaler Ebene tätig werden, weil die Westmächte die Demokratie von unten nach oben aufbauen wollten.

SED-Gründung und erste Wahlen

Die Gründung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) im April 1946 war ein tiefer Einschnitt in der politischen Entwicklung der SBZ, der nur aufgrund massiven Drucks der SMAD zustande kam. Die Zwangsvereinigung der beiden Arbeiterparteien KPD und SPD spaltete die gesamtdeutsche Parteienlandschaft und stieß auf den erbitterten Widerstand der westdeutschen Sozialdemokratie und der Westmächte. Nur in West-Berlin konnte die SPD aufgrund des Sonderstatus der Stadt eine Urabstimmung durchführen: 82 Prozent der SPD-Mitglieder, die an der Wahl teilnahmen, sprachen sich gegen eine sofortige Fusion beider Parteien aus. Gleichzeitig befürworteten 62 Prozent eine weitere Zusammenarbeit ihrer Partei mit der KPD.

Ein halbes Jahr später erlebte die SED bei den Wahlen zur Berliner Stadtverordnetenversammlung, die parallel zu den Landtagswahlen in der SBZ stattfanden, eine herbe Niederlage: Hier gaben nur 19,8 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihre Stimme der Einheitspartei. Die SPD, die in ganz Berlin aufgrund des Sonderstatus weiterbestand, wurde dagegen mit 48,7 Prozent stärkste politische Kraft. Die CDU erzielte mit 22,2 Prozent ein besseres Ergebnis als die SED. Die harten Auseinandersetzungen zwischen der westdeutschen Sozialdemokratie unter der Führung Kurt Schumachers (1895–1952) auf der einen und der Ost-SPD unter Otto Grotewohl (1894–1964) sowie der KPD unter Wilhelm Pieck (1876–1960) und Walter Ulbricht (1893–1973) auf der anderen Seite verschärften das politische Klima zwischen Ost und West nachhaltig, noch bevor der Kalte Krieg richtig begonnen hatte.

Wirtschaftliche Richtungsentscheidungen in der SBZ

Das auf der Potsdamer Konferenz formulierte Ziel der Alliierten, Deutschland als wirtschaftliche Einheit zu betrachten, rückte rasch in weite Ferne. Auch hier preschten die Machthaber in Ost-Berlin vor. So rief das Zentralkomitee (ZK) der KPD im Gründungsaufruf vom 11. Juni 1945 zu einer „Liquidierung des Großgrundbesitzes“ auf und sorgte dafür, dass Anfang September in den Ländern und Provinzen der SBZ entsprechende Bodenreformverordnungen entlassen wurden, wobei die sowjetische Besatzungsmacht als treibende Kraft fungierte.

Bodenreform

Unter der Losung „Junkerland in Bauernhand“ wurden rund 7.000 Eigentümer mit einem Besitz von über 100 Hektar entschädigungslos enteignet. Dieses Land wurde lokalen Bodenfonds zugeordnet, aus denen dann die Neuverteilung erfolgte. So erhielten circa 500.000 Personen 2,1 Millionen Hektar Land, darunter Landarbeiter, Kleinbauern und Vertriebene. Rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche der SBZ wechselte auf diese Weise den Eigentümer. Die neuen Höfe waren aber so klein be­messen, dass sie wirtschaftlich nicht rentabel waren. Verbunden mit der Agrarkrise ergab sich 1952 eine erste Kollektivierungswelle, bei der die kleinen Höfe zusammengefasst wurden.

Die Bodenreform fand anfangs noch die grundsätzliche Zustimmung der bürgerlichen Parteien, wobei sich die ostdeutsche CDU-Führung unter Andreas Hermes (1878–1964) und Walther Schreiber (1884–1958) jedoch gegen eine entschädigungslose Enteignung wandte und daraufhin von der SMAD abgesetzt wurde. Auch in den Westzonen gab es zunächst Unterstützer für eine Bodenreform, die allerdings im eskalierenden Ost-West-Konflikt am Widerstand der US-amerikanischen Besatzungsmacht (wie in Hessen) sowie der sich formierenden deutschen Interessenverbände scheiterte.

Verstaatlichung der Schwerindustrie

Einen Monat später folgte der nächste Paukenschlag: Die SMAD verfügte mit ihren Befehlen Nr. 124 und 126 vom Oktober 1945 die Beschlagnahme des gesamten Vermögens des deutschen Staates, der NSDAP und ihrer Funktionsträger sowie der Wehrmacht. Damit konnten ab Juni 1946 viele Betriebe der Schwerindustrie in sowjetische Aktiengesellschaften überführt werden. Bereits im Juli waren die Banken und Sparkassen verstaatlicht worden.

Zur nachträglichen Legitimierung der sogenannten Industrie­reform organisierte die KPD einen sorgfältig vorbereiteten Volksentscheid in Sachsen, wo sich 4.800 der etwa 7.000 beschlagnahmten Betriebe befanden. Dieser fand nach einer gewaltigen Propagandakampagne am 30. Juni 1946 statt. Unter der Losung „Enteignung der Kriegsverbrecher“ stimmten bei einer Beteiligung von 94 Prozent rund 78 Prozent der Stimmberechtigten für die Enteignung. In den anderen ostdeutschen Ländern erfolgten die Enteignungen ohne vorherige Abstimmungen. Bis zum Frühjahr 1948 konnten etwa 10.000 Unternehmen entschädigungslos verstaatlicht werden. Zu diesem Zeitpunkt betrug deren Anteil an der Industrieproduktion bereits 40 Prozent. Mit dem Wandel der Eigentumsordnung wurde ein wichtiger Grundstein für den Aufbau der Planwirtschaft gelegt.

Getrennte Währungsreformen

Im Sommer 1948 steuerte der Kalte Krieg in Deutschland auf seinen ersten großen Höhepunkt zu: die Berlin-Blockade. Zuvor hatten sich die Siegermächte im Alliierten Kontrollrat vergeblich um eine gemeinsame Währungsreform für alle vier Besatzungszonen bemüht. Es musste etwas geschehen, um die durch die NS-Kriegsführung zurückgestaute Inflation in den Griff zu bekommen. Anfangs schien sich ein Kompromiss abzuzeichnen, denn die vier Alliierten konnten über den Geldnotendruck und andere technische Details eine Einigung erzielen. Die Verständigung gelang letztlich aber nicht, weil die Sowjets eine deutsche Zentralbank und eine zentrale Finanzverwaltung für ganz Deutschland forderten, was die USA vor dem Hintergrund der sich herausbildenden unterschiedlichen Wirtschaftssysteme (Markt- versus Planwirtschaft) ablehnten.

Währungsreform im Westen

Am 20. Juni 1948 war es dann im Westen so weit: Das Gesetz zur Neuordnung des deutschen Geldwesens führte die Deutsche Mark (D-Mark) ein. Große Bedeutung hatte das „Umstellungs­gesetz“, mit dem das Guthaben aller Sparerinnen und Sparer sowie Schuldnerinnen und Schuldner im Verhältnis 10:1 abgewertet wurde. Dagegen wurden Löhne und Gehälter, Renten und Pensionen sowie Mieten, aber auch Aktien im Verhältnis 1:1 umgestellt. Der ökonomisch notwendig gewordene Währungsschnitt brachte soziale Härten und Ungerechtigkeiten mit sich, da er diejenigen begünstigte, die Sachwerte besaßen.

Nach der Inflation von 1923, die für Privatsparer und Kleinaktionäre zum fast vollständigen Verlust ihres Geldvermögens geführt hatte, und der Weltwirtschaftskrise von 1929, die eine Massenarbeitslosigkeit nach sich gezogen hatte, standen viele Deutsche 1948 wieder vor dem Nichts. Deshalb verband sich die Diskussion um eine Währungsreform frühzeitig mit der Forderung nach einem Lastenausgleich, der vor allem Vertriebene und Bombenkriegsgeschädigte entschädigen sollte und für den sich vor allem SPD und Gewerkschaften stark machten. Ein erstes Ergebnis war das Soforthilfegesetz vom 8. August 1949, mit dem auch die größte Not der Vertriebenen gelindert werden sollte. Das geplante Lastenausgleichsgesetz kam erst 1952 zustande.

QuellentextLastenausgleich 1952 – auch eine Möglichkeit für heute?

Interview mit den Wirtschaftshistorikern Nikolaus Wolf und Thilo Albers

Die größte Umverteilungsaktion von Reichtum, die je in einer freien Marktwirtschaft stattgefunden hat, begann am 1. September 1952 mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zum Lastenausgleich nach dem Zweiten Weltkrieg. Der westdeutsche Staat zog 50 Prozent aller Vermögen, Hypotheken- und Kreditgewinne ein und zahlte das enteignete Geld an Millionen mittellose Deutsche aus. […]

Die Hälfte aller Vermögen enteignet – wie kam es zu einem derart dramatischen Staatseingriff ins private Eigentum?

Nikolaus Wolf: Nach dem Zweiten Weltkrieg war die soziale Lage dramatisch. Infrastruktur und Wohnraum waren weitreichend zerstört. In den westlichen Zonen gab es bis um 1950 einen Zustrom von acht Millionen Vertriebenen und Flüchtlingen auf dann 51 Millionen Einwohner. In dieser Lage entstand breiter Konsens, dass durch die Vertreibung die Kriegsfolgen ungerecht verteilt waren. Große Proteste waren zu befürchten. Die Alliierten, vor allem Briten und Amerikaner, sowie die deutsche Selbstverwaltung erkannten den Handlungsbedarf.

Wie lief der Lastenausgleich von 1952 praktisch ab?

Thilo Albers: Man hat für 1948 das Vermögen festgestellt, davon waren 50 Prozent an den Staat abzugeben. Ein Freibetrag entsprach etwa dem Jahresbruttoeinkommen eines Industriearbeiters. Die dem vermögenden Bürger durch den Lastenausgleich vom Staat auferlegte Schuld konnte über 30 Jahre hinweg gestaffelt abgelöst werden. Bei der Ratenzahlung kam zur Tilgungskomponente die Zinszahlung – wie heutzutage im Falle eines Hauskaufs: Sie zahlen mit jeder Rate einen Teil der Schuld ab plus die Kreditzinsen auf den geliehenen Betrag. So entstand der Charakter einer Vermögenssteuer statt einer Vermögensabgabe. […]

Wie verteilte der Staat die Einnahmen?

T. A.: Es gab Eingliederungshilfen und Leistungen, um infolge des Kriegs verlorenes Vermögen zu entschädigen. Unter Erstere fielen Soforthilfen etwa für Hausrat, Hilfen bei der Wohnungssuche und der Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Unter den Vermögensausgleich ab Ende der 1950er-Jahre fielen Konten, für die Vertriebene ihre Verluste angeben mussten. Die Entschädigung belief sich dann allerdings nur auf einen geringen Teil des ehemaligen Vermögens. Und: Je mehr Vermögen man gehabt hatte, desto niedriger der Prozentsatz für die Erstattung. […]

Welche politischen Ziele hatte die Maßnahme? Wer lehnte sie ab?

N. W.: Zu den unmittelbaren Ausgleichen der Kriegslasten kam recht früh eine soziale Perspektive hinzu: Man wollte einen sozialen Lastenausgleich, den Leuten helfen, in der neuen Heimat anzukommen. Die Menschen sollten sich inte­grieren, statt sich an die Wiedererlangung des Verlorenen, der alten Höfe, der Heimat zu klammern. Letzteres forderten Vertriebenenvertreter. Davon abgekommen zu sein, machte aus dem Gesetz ein Erfolgsmodell.

Der Lastenausgleich nahm dem Widerstand der Vertriebenen den Wind aus den Segeln, weil dadurch der Rückkehrwille abnahm. Die Endgültigkeit der Vertreibung unterschied die Situation von den aktuellen Corona- oder Energiepreisschocks – das sind letztlich vorübergehende Phänomene.

Welche Rolle spielte der nicht-souveräne Status des Landes, in dem die Alliierten das letzte Wort hatten?

T. A.: Eine große. Unter sowjetischer Besatzung kam es zu Enteignungen von Privatvermögen – auch eine Art Ausgleich. Im Westen spielten die Amerikaner eine Doppelrolle: Die US-Beamten, die in Deutschland am Design der Währungsreform gearbeitet hatten, sahen die Notwendigkeit eines Lastenausgleichs. Zugleich fürchtete man in Washington, also auf höherer Ebene, einen Sozialismusverdacht – 50 Prozent Vermögensabgabe klingt ja nach Kollektivierung. Und man wollte nicht für ein Scheitern verantwortlich sein.

In der derzeitigen Krisenhäufung steht der Gedanke nach einer faireren Lastenverteilung wieder im Raum, das Abschöpfen von Übergewinnen etwa wird erwogen. Wäre ein solch massiver Eingriff wie 1952 denkbar?

T. A.: Das ist schwer vorstellbar. Schauen wir auf die Corona-Pandemie: Ein Teil der Gesellschaft brachte unverschuldet stärkere Opfer als andere. Leute, die im Büro arbeiteten, litten weniger als jene, die im Krankenhaus, in der Pflege, an der Supermarktkasse arbeiteten. Darüber bestand Konsens. Vom Charakter her, nicht in der Dimension, waren die Bedingungen für das Anliegen eines Lastenausgleichs gegeben. Aber es versandete.

N. W.: Nach dem Krieg war klar, dass es um dauerhafte Belastung ging. Also war strukturelle, dauerhafte Hilfe nötig. Im Fall von Corona herrschte dauerhafte Unsicherheit: Was ist gerade los? Wie sind die Zahlen, wie die Regeln? Wenn alles im Fluss ist, wird eine umfassende strukturelle Antwort erschwert. Jetzt addieren sich allerdings mehrere Schocks – die unteren Einkommensschichten geraten in eine sehr schwierige Lage. […]

Maritta Adam-Tkalec, „Muss ein neuer Lastenausgleich sein? Wie die BRD 1952 die Reichen enteignete“, in: Berliner Zeitung vom 25. September 2022

Währungsreform im Osten

In der SBZ ließ die Antwort nicht lange auf sich warten: Drei Tage nach der westdeutschen Währungsreform erfolgte auch hier ein entsprechender Schritt, der jedoch nicht dieselbe ökonomische und politische Bedeutung entfaltete. Die Abwertungsquote betrug zwar auch 10:1, wobei die Sparguthaben gestaffelt abgewertet wurden. Anders als im Westen, wo die Währungsreform mit einer vom späteren Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard (1897–1977) gegen vielfältige Widerstände durchgesetzten Freigabe der Preise verknüpft wurde, blieb in der SBZ die Zwangsbewirtschaftung bestehen. Die SED-Führung entschied bis 1989 nicht nur über die Volkswirtschaftspläne, sondern auch über die Preise für alle Industrie- und Konsumwaren – bis hin zu den Bockwurstpreisen anlässlich einer Großveranstaltung. Ost-Berlin legte die Preise nach politischen Gesichtspunkten fest und subventionierte insbesondere die Güter des täglichen Bedarfs.

Während sich in den westlichen Besatzungszonen die Schaufenster der Geschäfte mit Waren füllten, prägten im Osten Deutschlands die Kontingentierung und Hortung von Gütern weiterhin den wirtschaftlichen Alltag. Im Westen erfolgte der zunächst noch etwas holprige Start in die soziale Marktwirtschaft; in der SBZ löste die kommunistische Planwirtschaft die kriegsbedingte Zwangsbewirtschaftung ab. Damit standen sich im Nachkriegsdeutschland zwei konträre wirtschaftliche Ordnungssysteme gegenüber.

Berlin-Blockade und Luftbrücke

Außerdem reagierte die Sowjetunion auf die Währungsreform in Westdeutschland mit der Abriegelung der Zugangswege nach West-Berlin. Damit versuchte Moskau nicht nur, den politischen Einfluss auf ganz Berlin auszudehnen, sondern auch die sich abzeichnende Weststaatsgründung zu verhindern. Bereits Anfang 1948 hatte es erste Behinderungen gegeben. Schikanen betrafen sowohl den Schienenverkehr als auch die Binnenschifffahrt. In der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 1948 wurde die Elektrizitätsversorgung vom Osten aus eingestellt. Daraufhin gingen in West-Berlin die Lichter aus; Betriebe und Unternehmen erhielten keinen Strom mehr. Der Eisenbahnverkehr nach Berlin kam zum Erliegen; die Wasserwege wurden abgeriegelt. Als einziger Zugang blieben drei Luftkorridore, über die die Westsektoren versorgt wurden.

In den folgenden Monaten avancierte das eingeschlossene West-Berlin weltweit zu einem Symbol der Freiheit. Die Luftbrücke entwickelte sich schnell zu einer wichtigen Waffe im Propagandakrieg gegen die Sowjetunion. Die drei Westmächte ließen keinen Zweifel daran, dass sie in Berlin bleiben würden. Die Blockade stärkte den antikommunistischen Konsens in der westlichen Welt und zerstreute bei den Westmächten letzte Zweifel an der bevorstehenden Gründung der Bundesrepublik. Der Weg in die Zweistaatlichkeit zeichnete sich immer deutlicher ab.

Gemeinsamer Alltag

Trotz der sich abzeichnenden staatlichen Teilung wies der Alltag für die Menschen in den vier Besatzungszonen lange Zeit große Gemeinsamkeiten auf, was etwa die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs oder mit Wohnraum betraf. Die Bevölkerung reagierte auf die Mangelsituation und versuchte zu improvisieren: Hamsterfahrten und der Tausch auf dem Schwarzmarkt waren ein über die Zonengrenzen hinaus weit verbreitetes Phänomen. Während mit der Währungsreform in den Westzonen 1948 das Ende der Rationierung und Entbehrung eingeläutet wurde, blieb die Welt der Lebensmittelkarten in der SBZ noch bestehen, bevor sie ein Jahrzehnt später auch hier ihr Ende fand. Im kollektiven Gedächtnis Westdeutschlands hat sich die Einführung der D-Mark als neuer Währung tief eingebrannt. Sie gehört zum Gründungsmythos der Bundesrepublik.

Doppelte Staatsgründung 1949

Obwohl die DDR-Staatsgründung am 7. Oktober 1949 gut fünf Monate nach der Verabschiedung des Bonner Grundgesetzes erfolgte, waren im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands wichtige Vorentscheidungen (Bodenreform, Verstaatlichung der Industrie, Zwangsvereinigung von SPD und KPD) bereits in den ersten beiden Nachkriegsjahren gefallen. Während die ostdeutsche Wirtschaft in Richtung Planwirtschaft umgebaut wurde, zementierte die SED ihre Herrschaft mit sowjetischer Unterstützung. Mit der doppelten Staatsgründung 1949 war auch die Teilung Deutschlands zunächst besiegelt.

Bilder mit Symbolcharakter

Am 21. September 1949 machte der frisch gewählte Bund­es­kanzler Konrad Adenauer (1876–1967) seinen Antrittsbesuch bei der Hohen Kommission auf dem Petersberg, hoch oberhalb der Bundeshauptstadt Bonn [Die Alliierte Hohe Kommission/AHK bestand aus den jeweils höchsten Vertretern/Hohen Vertretern der drei westlichen alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkrieges – Anm. d. Red.]. Dort sollte der westdeutschen Regierung das Besatzungsstatut übergeben werden, welches das Verhältnis zwischen Besatzern und Besetzten neu regelte.

Die Regie der westlichen Siegermächte sah vor, dass ­Adenauer vor dem Teppich stehen bleiben sollte, auf dem die drei Hohen Kommissare standen, um dadurch den Rangunterschied zwischen beiden Seiten deutlich werden zu lassen. Doch der westdeutsche Regierungschef betrat ebenfalls den Teppich, als der französische Hohe Kommissar André François-Poncet auf Adenauer zuging, um ihn zu begrüßen. Die Zeremonie, mit der die nach wie vor bestehende Abhängigkeit der Bonner Republik von den USA, Großbritannien und Frankreich demonstriert werden sollte, entwickelte eine ungeahnte Eigendynamik. Das Foto, das um die Welt ging, zeigte auch das neu gewonnene Selbstbewusstsein des jungen westdeutschen Staates.

Szenenwechsel: Am 11. Oktober empfing die Spitze der Sowjetischen Kontrollkommission (SKK) die DDR-Regierung unter Leitung des designierten Ministerpräsidenten Otto Grotewohl in Berlin-Karlshorst, um die Umwandlung der sowjetischen Besatzungsverwaltung offiziell bekannt zu geben. Obwohl sich die beiden Bilder ähneln, zeigt eine eingehende Betrachtung der Vorgeschichte die unterschiedlichen Handlungsspielräume der deutschen Akteure.

So war eine SED-Delegation Mitte September nach Moskau geflogen, um mit Stalin die Einzelheiten für die Bildung einer provisorischen DDR-Regierung abzustimmen. Die sowjetische Führung legte sogar Zeitplan und Inhalt der Gespräche fest – auch die inhaltlichen Schwerpunkte für die erste Regierungserklärung Grotewohls. Von diesem Geheimtreffen im Kreml existieren keine offiziellen Fotos. Die Regierungsbildung in Bonn erfolgte am 20. September 1949 hingegen nach regulären Wahlen zum Bundestag ohne Einflussnahme der Westmächte.

Prof. Dr. Dierk Hoffmann (geb. 1963) ist stellvertretender Leiter der Berliner Abteilung des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin (IfZ) und apl. Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Potsdam. Seit 2017 leitet er das Projekt zur Geschichte der Treuhandanstalt am IfZ. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte der Sozialpolitik im 19. und 20. Jahrhundert, die Geschichte der SBZ/DDR, die deutsch-deutsche Nachkriegsgeschichte, die Transformationsgeschichte sowie die Biografieforschung.