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Analyse: Warum und wie YouTube in Russland allmählich der Garaus gemacht wird | Russland-Analysen | bpb.de

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Analyse: Warum und wie YouTube in Russland allmählich der Garaus gemacht wird Russland-Analysen Nr. 464

Philipp Dietrich

/ 9 Minuten zu lesen

YouTube ist das letzte große soziale Medium in Russland, das nicht vom Staat zensiert wird. Seit 2024 wird die Plattform jedoch gezielt gedrosselt. Droht eine vollständige Sperrung?

Menschen bei einer Protestkundgebung vor der US-Botschaft. Die Kampagne richtet sich gegen die Sperrung russischer Nutzer des Videoportals YouTube. (© picture-alliance, globallookpress.com | Petrov Sergey)

Zusammenfassung

YouTube ist das letzte große soziale Medium in Russland, das nicht vom Staat zensiert wird. Seit 2024 wird die Plattform jedoch gezielt gedrosselt. Gründe hierfür sind politische Spannungen mit dem Westen, die Sperrung pro-russischer Kanäle durch YouTube und eine staatliche Strategie zur Förderung der eigenen Videoplattform VK-Video. Eine vollständige Sperrung blieb bislang aus, da YouTube in Russland vor allem für Unterhaltung genutzt wird, Alternativen lange unzureichend entwickelt waren und eine vollständige Sperrung die Netzwerkstabilität des russischen Internets negativ beeinflussen könnte. Der Staat testet schrittweise, wie sich Einschränkungen auf die Internetinfrastruktur und das Nutzerverhalten auswirken, um möglicherweise eine endgültige Sperrung in die Wege zu leiten.

Herausgeber der Länderanalysen

Die Russland-Analysen werden von der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde e.V., dem Deutschen Polen-Institut, dem Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien, dem Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung und dem Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) gGmbH gemeinsam herausgegeben. Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb veröffentlicht die Analysen als Lizenzausgabe.

Instagram und Facebook sind gesperrt, YouTube nicht

YouTube ist das letzte große freie soziale Medium in Russland. Zuvor war schon eine Reihe beliebter ausländischer sozialer Medien wie Instagram und Facebook gesperrt worden. Deshalb drängt sich die Frage auf, warum YouTube nicht ebenfalls schon längst blockiert ist. Schätzungen zufolge hat YouTube, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des amerikanischen Konzerns Google, in Russland über 90 Millionen monatliche Einzelnutzer. Dies bedeutet, dass bei einer Bevölkerung von ca. 145 Millionen Russen über 60 Prozent die Plattform mindestens einmal im Monat aufrufen. YouTube gehört damit zu den meistgenutzten sozialen Medien im Land.

Um sich vor seiner Bevölkerung zu legitimieren, versucht das russische Regime die Fassade der Demokratie aufrechtzuerhalten. Nachdem über Facebook und Instagram zum Mord an russischen und belarusischen Soldaten und Beamten aufgerufen wurde, bot dies einen willkommenen Vorwand für eine Sperrung. Bei YouTube ist das etwas schwieriger, denn solche Vorkommnisse hatte es dort nicht gegeben. Eine Sperrung ohne plausiblen Grund hätte allzu leicht als Tyrannei ausgelegt werden können. Außerdem gehen Experten davon aus, dass YouTube vor allem von Familien, Müttern und Kindern genutzt wird. Es zu sperren würde große Teile der Gesellschaft verärgern. 95 Prozent der Nutzer in Russland besuchen YouTube zu Unterhaltungszwecken, lediglich 5 Prozent konsumieren politische Inhalte. Man könnte also argumentieren, dass YouTube aufgrund des eher geringen politischen Konsums für den Staat nicht relevant genug ist. Außerdem gelang es Russland immer wieder, über YouTube pro-russische Propaganda zu verbreiten. Daher wird unter Experten diskutiert, ob die Plattform dem staatlichen Narrativ nicht mehr nützt als schadet.

Weshalb YouTube (noch) nicht gesperrt ist: Drei technische Aspekte

Eine Sperrung von YouTube könnte sich negativ auf das russische Internet und dessen Netzwerkstabilität auswirken. Hierbei spielen vor allem drei Faktoren eine Rolle.

Erstens geht es dabei um das mobile Betriebssystem Android, das in Russland mit weit über 80 Prozent mit Abstand Marktführer ist. Über all die Jahre hat Russland es nicht geschafft, ein eigenes mobiles Betriebssystem auf den Markt zu bringen, das von großen Teilen der Bevölkerung genutzt wird. Android wird von Google vertrieben und seine Dienste laufen auf den Servern von Google. Dazu gehört Androids App-Marktplatz Google Play, aber auch betriebssystemrelevante Sicherheitsdienste, und natürlich Googles Cloud-Dienste. Sollte sich Russland dazu entschließen, YouTube komplett zu sperren, könnte Google dazu übergehen, seine Dienste in Russland gar nicht mehr anzubieten. Android-Geräte könnten nicht mehr aktualisiert werden, was sie wiederum anfällig für Cyberangriffe machen würde. Zudem wären die Geräte teils nur eingeschränkt nutzbar. Welche Auswirkungen dies auf die russische Gesellschaft und Wirtschaft hätte, ist nur schwer abzusehen.

Zweitens gibt es bisher keine echte Alternative zur Google-Plattform. Zwar hat Russland eigene soziale Medien und vergleichbare Plattformen wie RuTube oder VK-Video, die ebenfalls Videodienste anbieten. Lange Zeit konnten sie jedoch weder bei der Infrastrukturkapazität, d. h. der Zahl der unterstützten Nutzer, noch bei den Algorithmen zur Empfehlung von Inhalten mit der Konkurrenz mithalten.

Drittens ist davon auszugehen, dass eine Sperrung von YouTube zu einem raschen Anstieg der Nutzung von VPN-Diensten führen würde. Virtual Private Network Dienste (VPN) erlauben es, Webseiten aufzurufen, die in Russland gesperrt sind, da sie den Datenverkehr verschlüsseln und über das Ausland leiten. Würden VPN in großem Umfang eingesetzt, könnten sie dem russischen Internet erheblichen Schaden zufügen. Das hängt mit der Netzwerkinfrastruktur zusammen: Videostreamingportale wie YouTube gehören zu den datenhungrigsten Webseiten im Internet. Schätzungen zufolge macht YouTube in Russland zwischen 20 und 40 Prozent des gesamten Internetdatenverkehrs aus. Um diese Daten effizient im Land zu verteilen und möglichst wenig Datenverkehr zu erzeugen, werden die Videos auf Servern in der Nähe der Nutzer zwischengespeichert. Wenn beispielsweise ein Nutzer aus Nowosibirsk ein in Russland populäres Video anschauen will, muss er es nicht von einem Google-Rechenzentrum in Nachbarländern wie Finnland oder Polen beziehen, sondern erhält es von einem Server in Nowosibirsk, auf dem es zwischengespeichert wird. Dies verhindert übermäßigen Datenverkehr auf dem Basisnetz. Diese Server werden zwar von Google konfiguriert und auch die Software stammt von dem Internetgiganten, aber Strom und Internetverbindung werden von russischen Internetanbietern bereitgestellt. Es handelt sich dabei also nicht um Datenzentren, die von Google selbst betrieben werden. Google nennt diese Server "Google Global Cache" (GGC). Sowohl für die Telekommunikationsunternehmen als auch für Google ist dies vorteilhaft. Server, die näher beim Kunden stehen, sorgen für einen schnelleren Dienst und für zufriedenere Konsumenten. Das ist wiederum gut für Google. Den Telekommunikationsunternehmen spart dies Datenverkehr und vor allem teure Auslandsbandbreite. Diese ist teurer, weil die internationale Datenübertragung unter anderem höhere Infrastruktur-, Transit- und Regulierungskosten verursacht. Würde Russland YouTube komplett sperren und die Nutzer auf VPN-Dienste ausweichen, würde der Datenverkehr im Basisnetz massiv ansteigen und die Telekommunikationsunternehmen müssten mehr für internationale Bandbreite bezahlen. Dies kann im Extremfall zu einem Zusammenbruch des Netzes führen.

2024: YouTube wird gedrosselt

Im Juli 2024 begann der russische Staat, die Geschwindigkeit von YouTube zu drosseln, die Drosselung wurde dabei allmählich verschärft. YouTube ist im März 2025 teilweise noch ohne VPN-Dienst nutzbar, ein VPN ist aber häufig notwendig, um eine akzeptable Abspielgeschwindigkeit der Videos zu gewährleisten. Warum ist der russische Staat nun doch dazu übergegangen, den Dienst schrittweise zu drosseln? Könnte gar eine komplette Sperrung YouTubes folgen?

Gründe für die Drosselung

Kurz nach Beginn der russischen Vollinvasion der Ukraine hat YouTube der russischen Propaganda den Kampf angesagt und immer mehr Kanäle gesperrt. YouTube sperrte dabei Kanäle von privaten Bloggern und staatlichen Nachrichtenagenturen, aber auch von Künstlern, die russischen Imperialismus und Rassismus propagierten. Schon vor 2022 hatte Google einige Kanäle gesperrt, doch die neuen Sperrungen sind um einiges umfangreicher. Der russische Staat protestierte und verhängte seinerseits hohe Strafen gegen YouTube bzw. die russische Muttergesellschaft Google. Russland forderte, die Kanäle wieder freizuschalten und Inhalte zu entfernen, die in Russland als "illegal" gelten. Google Russland ließ sich darauf nicht ein. Daraufhin wurde im April 2022 das Bankkonto von Google Russland beschlagnahmt, woraufhin das Unternehmen in Russland Bankrott anmeldete. Die Dienste von Google sind im Land weiterhin verfügbar, bringen dem Unternehmen aber keine Einnahmen.

Ende 2023 wurden oppositionelle Kanäle in Russland über 170 Millionen Mal innerhalb eines Monats aufgerufen. Diese waren dem Staat ein Dorn im Auge, da der Kreml YouTube nur noch eingeschränkt für eigene Propagandazwecke nutzen konnte. Das Regime passte nun seine Strategie an: Google wurde zum Staatsfeind, der Russlands Interessen verletzt. Seit Mitte 2022 häufen sich die Vorwürfe und Bußgelder. Im Juli 2024 behauptete das staatliche Unternehmen Rostelecom, dass aufgrund der westlichen Sanktionen die GGC-Server nicht mehr erneuert würden und daher nach und nach ausfielen. Das sei der eigentliche Grund für die Verlangsamung des Datenverkehrs. Russland verknüpfte dabei zwei Narrative, um das staatliche Durchgreifen gegen YouTube rhetorisch zu untermauern. Zum einen sei YouTube Staatsfeind, da es russische Inhalte blockiere und "illegales" Material verbreite. Zum anderen seien die westlichen Sanktionen für die Verlangsamung verantwortlich. Eine Reduzierung der Geschwindigkeit von YouTube sei also keine Zensur, sondern es gehe nur darum, die Interessen des Landes zu verteidigen.

Gründe für die Drosselung: Technische Aspekte

Um die Bevölkerung nicht zu sehr zu verärgern, war es für die russische Regierung von Anfang an unumgänglich, eine Alternative zu YouTube parat zu haben, sobald YouTube blockiert wird. Das russische Unternehmen VK Company, zu dem auch das soziale Netzwerk VKontakte gehört, ging im November 2022 über ein kompliziertes Unternehmensgeflecht an Anteilseignern mehrheitlich in den Besitz des russischen Staates über. Seitdem verfügt die Gruppe über beträchtliche finanzielle Mittel. Ziel ist es vermutlich, das Unternehmen zum dominierenden Internetdienstleister in Russland zu machen. Besonders in VK-Video fließt viel Geld. VK bot reichweitenstarken YouTube-Bloggern lukrative Verträge, damit sie ihre Inhalte auf der Plattform exklusiv oder mit einem Embargo für konkurrierende Plattformen anbieten. Des Weiteren wurden sowohl die Algorithmen von VK-Video als auch die Serverinfrastruktur verbessert, die jetzt mehr Nutzer auf der Plattform mit Inhalten versorgen kann. Diese Strategie hat offenbar Erfolg. Anfang 2025 kursierten Zahlen, die belegen sollen, dass VK-Video nun erstmals mehr Nutzer als YouTube hat. Diese Zahlen sind unabhängig schwer zu belegen, aber es ist ein Anstieg der Nutzerzahlen zu verzeichnen, wozu vermutlich auch die Drosselung von YouTube beigetragen hat. Aus Sicht des russischen Staates ist die Entwicklung von VK-Video als Internetdienstleister nun hinreichend fortgeschritten. Deswegen gilt es jetzt, Nutzer dazu zu bewegen, zu dieser Plattform zu wechseln. Extrem lange Ladezeiten beim Hauptkonkurrenten YouTube sind hier natürlich förderlich.

Einordnung und Ausblick

Die russische Desinformations- und Propagandastrategie besteht unter anderem darin, Informationen zu verbreiten, die zumindest einen gewissen Wahrheitsgehalt haben, jedoch bewusst zu einer falschen Schlussfolgerung führen. Es stimmt, dass Server eine begrenzte Lebensdauer haben und nach einer gewissen Zeit ersetzt werden müssen. Diverse Berichte bestätigen, dass Google Schwierigkeiten hat, das GGC-Servernetz ausreichend zu warten und neue Server ins Land zu bringen. Westliche Sanktionen mögen ihren Teil dazu beigetragen haben. Doch die abrupte Drosselung lässt sich nicht auf wartungsbedürftige Server zurückführen. Dahinter steckt eindeutig ein gezielter Eingriff des russischen Kontrollapparates. Von mir durchgeführte Tests zeigen, dass die GGC-Server weiterhin erreichbar sind und auf Anfragen reagieren. Trotzdem laden YouTube Videos gar nicht oder nur sehr langsam. Dies kann zwei Gründe haben: Entweder wurden einige GGC-Server abgeschaltet, oder Überwachungssysteme wie Deep Packet Inspection (Tiefe Datenpaketprüfung, kurz DPI), eingesetzt von Russlands Medienaufsichtsbehörde, stören den Datentransfer. Ein schwächelndes Servernetz hätte zu einer sehr langsamen, stetigen Abnahme geführt, nicht aber zu einem plötzlichen Ausfall. Russische IT-Spezialisten haben entsprechende Tests durchgeführt und halten den Einsatz von DPI-Geräten für wahrscheinlich.

Die Drosselung von YouTube hat dazu geführt, dass immer mehr Menschen in Russland VPN nutzen. Das Ausmaß der Drosselung unterscheidet sich je nach Region und Netzbetreiber zum Teil erheblich. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass einige Netzbetreiber die vorgeschriebenen DPI-Geräte nicht einsetzen, um ihr Netz zu entlasten. Außerdem wollen sie möglicherweise Kosten für die teure internationale Bandbreite einsparen oder ihre Kunden nicht weiter verärgern, von denen einige ihre Verträge gekündigt haben, weil sie die langen Ladezeiten von YouTube auf eine schlechte Leistung des Netzbetreibers zurückführen. Es gibt Hinweise, dass der russische Staat die Drosselung einer kompletten Abschaltung vorzieht, um die Auswirkungen einer schrittweisen Abschaltung auf die Netzinfrastruktur zu testen. Je mehr Nutzer auf VK-Video umsteigen, desto weniger destabilisieren VPN-Nutzer das Netz. Der russische Staat spielt also vermutlich auf Zeit. Sobald der Marktanteil von YouTube gering genug ist, kann die Plattform komplett gesperrt werden.

Die Frage, welche Auswirkungen eine Sperrung auf das mobile Betriebssystem Android hätte, ist schwer zu beantworten. Sollte sich Google tatsächlich ganz aus dem Markt zurückziehen und in Russland keine Sicherheitsupdates mehr anbieten, könnten die Folgen verheerend sein. Allerdings dürfte Google wenig Interesse daran haben, den russischen Markt ganz aufzugeben. Cyberangriffe, die durch Sicherheitslücken in Android ermöglicht werden, hätten negative Auswirkungen auf das Unternehmen. Zudem würde sich Google mit einem kompletten Marktausstieg wahrscheinlich die Möglichkeit nehmen, nach Beendigung des Angriffskrieges und Aufhebung der Sanktionen wieder in das Russlandgeschäft einzusteigen.

Ohne umfangreiche Hilfe von außen, etwa durch die Bereitstellung kostenloser VPN-Dienste und anderer Zensurumgehungsmechanismen, wird YouTube in Russland wohl bald nicht mehr erreichbar sein. Viele Russen nutzen bereits VPN-Dienste. Für diejenigen, die nur über geringe IT-Kenntnisse verfügen, stellen sie jedoch nach wie vor eine Hürde dar. Außerdem ist es für Russen schwierig, ausländische VPN-Anbieter zu bezahlen. Mit ausreichenden Ressourcen und politischem Willen könnte es dem russischen Staat erheblich erschwert werden, YouTube zu blockieren.

Weitere Inhalte

Philipp Dietrich ist Associate Fellow am Zentrum für Ordnung und Governance in Osteuropa, Russland und Zentralasien der DGAP. Zuvor war er dort Projektmitarbeiter für das Projekt "Risks of the Sovereign Internet for Russia and Beyond". Seine Hauptforschungsinteressen sind die russische Außenpolitik und die russische Cybersphäre. Dietrich hat sein Studium an der Universität Oxford mit einem Master of Philosophy in Area Studies abgeschlossen. Er hat einen Bachelor-Abschluss von Sciences Po Paris und hat während des Studiums Auslandserfahrung in Russland gesammelt.