Zwei Ereignisse verliehen der europäischen Einigung den nötigen Schub: die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs und der Beginn des Kalten Kriegs durch den Aufstieg der Interner Link: Sowjetunion. Der Zweite Weltkrieg zerstörte Europa wie kein Krieg zuvor und machte deutlich, wozu ein entfesselter und zu allem bereiter Staat fähig sein kann. Der Krieg endete erst in der völligen Niederwerfung und Zerstörung Deutschlands. Daher machten sich Politiker insbesondere in Westeuropa Gedanken, wie der Nationalstaat so eingehegt werden kann, dass ein Krieg zukünftig unmöglich und schließlich sogar undenkbar ist. Wie kann Europa, das schon so viele Kriege erlebt hat, für alle Zeiten befriedet werden? Wie muss die Zusammenarbeit der Staaten geregelt werden, damit ein „ewiger Frieden“ möglich ist? Und auch, wie kann Europa wirtschaftlich wieder gesunden?
Der Europarat als erster Schritt in der europäischen Integration
Um diese grundlegenden Fragen zu besprechen, trafen sich die Staats- und Regierungschefs westeuropäischer Länder, Parlamentsabgeordnete und Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Gruppen vom 7. bis 9. Mai 1948 in der niederländischen Stadt Den Haag zum sogenannten Interner Link: Haager Kongress. Drei Jahre nach Kriegsende war dies die erste große Zusammenkunft in Europa, um über die Zukunft des Kontinents zu diskutieren. Deutschland gab es nicht mehr, die Bundesrepublik wurde erst im Folgejahr gegründet. Von deutscher Seite nahm unter anderem der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer teil.
Von Anfang an wurde sehr kontrovers diskutiert. Unstrittig war, dass eine neue Organisation für Europa gegründet werden soll, die substantielle Rechte erhalten sollte. Die Debatte drehte sich recht schnell um einen zentralen Punkt, der auch heute noch aktuell ist: Welche Rechte soll die neue Organisation bekommen? In welchem Maße darf sie in die Mitgliedstaaten hineinregieren? Für welche Politikbereiche soll die neue Organisation zuständig sein? Und wieviel Staatlichkeit sollen die Länder behalten? Die Kontroverse über diese Fragen spaltete den Kongress. Die Gruppe der Föderalisten sprach sich für eine starke Gemeinschaft mit substantiellen Rechten aus, während die Gruppe der Unionisten um den ehemaligen britischen Premierminister Winston Churchill eher für starke Staaten unter dem Gemeinschaftsdach plädierte, deren Souveränität weitgehend unangetastet bleiben sollte. Durchgesetzt hat sich die zweite Gruppe. Als Ergebnis wurde im Folgejahr, 1949, der Interner Link: Europarat gegründet.
Die Befürworter einer weitergehenden Integration waren mit diesem Ergebnis unzufrieden, doch sollte eine andere weltpolitische Entwicklung ihre Vorstellungen befördern. Der Aufstieg der Sowjetunion zu einem weltpolitischen Akteur und zur Supermacht hatte gravierende Folgen für Europa. In den Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs besetzte die Sowjetunion zahlreiche Länder im Osten Europas oder förderte einen kommunistischen Umsturz. Der Interner Link: Eiserne Vorhang nahm mit der Abschottung des sowjetischen Machtbereichs konkrete Gestalt an. Die Auseinandersetzung mit den Vereinigten Staaten entwickelte sich zu einem Systemkonflikt, der weltumspannend war. Insbesondere in Interner Link: Korea nahmen die Spannungen zu, Interner Link: in China wurde eine kommunistische Volksrepublik gegründet. In dieser Situation versuchten die Vereinigten Staaten, in Westeuropa eine stabile Front gegen die Sowjetunion zu bilden. Dafür brauchten die USA aber ein stabiles, politisch aktives, wirtschaftlich prosperierendes und eventuell sogar wieder militärisch handlungsfähiges Westdeutschland.
Bereits im September 1946 forderte Interner Link: Winston Churchill in seiner berühmten Rede an der Universität Zürich, dass sich Deutschland und Frankreich versöhnen müssen, um zukünftig gemeinsam den Kontinent zu gestalten. Eine solche Idee war, ein Jahr nach Kriegsende und in Anbetracht der jahrzehntealten und von der Propaganda hinreichend ausgeschlachteten „Erbfeindschaft“ zwischen beiden Ländern, völlig undenkbar. Doch nur wenige Jahre später, zu Beginn der 1950er Jahre, konnte sich diese Idee durchsetzen. Denn die französische Deutschlandpolitik, die bislang auf die politische und wirtschaftliche Niederhaltung Deutschlands und die Besetzung von Teilen des Landes ausgerichtet war, kam angesichts der veränderten weltpolitischen Lage und der amerikanischen Deutschlandpolitik an ihr Ende. In dieser Situation wurde die Idee der Interner Link: europäischen Integration in den politischen Schaltzentren salonfähig.
Vom Schuman-Plan zur Montanunion
Der französische Außenminister Interner Link: Robert Schuman, den sehr viel mit Deutschland verband, initiierte die Ausarbeitung eines Plans zur zukünftigen deutsch-französischen Zusammenarbeit. Hauptverantwortlich für die Entwicklung dieses Konzepts war Interner Link: Jean Monnet, der Leiter der französischen Planungsbehörde. Der Plan ging jedoch als „Schuman-Plan“ in die Geschichte ein. Im Kern sah er die Fusion der Kohle- und Stahlindustrie beider Länder vor, die von einer Verwaltungsbehörde unter der Aufsicht einer gemeinsamen Organisation geleitet werden sollte. Kohle und Stahl galten damals als Garanten für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg der Länder und sie waren grundlegende Mittel zur Kriegsführung. Für Frankreich war dieser Plan ideal, um weiterhin Einfluss auf die deutsche Montanindustrie zu behalten, der nach dem Ende der Ruhrbehörde verloren gegangen wäre. Für den deutschen Bundeskanzler bot die Initiative eine hervorragende Möglichkeit, Westdeutschland international wieder sichtbar zu machen und die Westbindung voranzutreiben. Die USA unterstützten das Vorhaben, da es vor allem die wirtschaftliche Stärkung Westeuropas fördern sollte. Auch Großbritannien zeigte sich dem Plan gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen.
Am 9. Mai 1950, fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und einen Monat vor Beginn des Koreakriegs, stellte der französische Außenminister Robert Schuman den Plan in Paris der politischen Öffentlichkeit vor. Nur ein Jahr später, am 18. April 1951, wurde die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), kurz Montanunion, durch den Vertrag von Paris gegründet und trat am 23. Juli 1952 in Kraft. Die Gründungsstaaten waren die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg. Diese Organisation ist der Ausgangspunkt für die weitere europäische Integration. In ihren Grundzügen besteht sie bis heute, auch wenn sie im Jahr 2002, nach 50 Jahren ihres Bestehens, aufgelöst und in die Europäische Union überführt worden ist.
Die damals geschaffenen Institutionen existieren ebenfalls bis heute weiter. Grundidee ist, dass die Politikbereiche, die der Gemeinschaft übertragen worden sind, durch eine gemeinsame Behörde wahrgenommen werden. Damals war dies die Hohe Behörde, heute ist es die Interner Link: Europäische Kommission. Sie sollte nach den Vorstellungen von Monnet und Schuman möglichst unabhängig von den Staaten agieren, um eine politische Beeinflussung zu verhindern. Die Politik der Behörde wird kontrolliert durch die im Interner Link: Rat vertretenen Mitgliedstaaten, die die Arbeit der Gemeinschaft überwachen und sie in den Dienst ihrer Interessen stellen. In der Gemeinsamen Versammlung trafen sich die Abgeordneten der Parlamente der Mitgliedstaaten. Ihnen stand zunächst nur ein Anhörungsrecht zu. Doch im Laufe der Zeit erwuchs daraus das Europäische Parlament, das in fast allen Bereichen gleichberechtigt mit den im Rat vertretenen Mitgliedstaaten entscheidet. Und schließlich wurde ein Gerichtshof eingesetzt, der für Konflikte zwischen den Mitgliedstaaten zuständig war.
Mit der Interner Link: EGKS wurde eine weltweit einmalige Organisation geschaffen. Sie ist ein Kompromiss zwischen föderalistisch orientierten Vertretern, die langfristig einen europäischen Bundesstaat mit starken zentralen Institutionen schaffen wollten, und eher unionistisch orientierten Vertretern, die eine starke Stellung der Mitgliedstaaten befürworteten und sich einen losen Staatenbund wünschten. In ihren Institutionen vereint die EGKS in ihrer Entscheidungsfindung die Vertreter der Mitgliedstaaten im Rat und die Abgeordneten der Gemeinsamen Versammlung. Man kann hier auch von einer Kooperation von Staatenkammer und Bürgerkammer sprechen. Darüber hinaus gibt es eine Behörde, die weder eine Regierung und damit den Mitgliedstaaten übergeordnet ist, noch ein untergeordnetes ausführendes Sekretariat ist. Vielmehr arbeitet sie gemeinsam mit den übrigen Institutionen die Politik der Gemeinschaft aus und überwacht die Umsetzung in den Mitgliedstaaten. Der Gerichtshof schließlich entscheidet auf der Grundlage europäischen Rechts und trägt damit zur Befriedung in Europa bei. Nun ist es nicht mehr notwendig, Entscheidungen auf dem Schlachtfeld zu erzwingen. Eine Klage genügt.
Römische Verträge: Grundlage für eine dynamische europäische Integration
Dieses Konzept erwies sich als Erfolgsmodell und die Staaten wünschten sich eine Ausweitung der Zusammenarbeit. Nach längeren Verhandlungen wurden am 25. März 1957 der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) sowie zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) von den bisherigen EGKS-Mitgliedstaaten unterzeichnet. Sie wurden nach dem Ort des Vertragsschlusses als Römische Verträge bezeichnet. Insbesondere die EWG sollte zur wichtigsten Organisation werden und die europäische Integration maßgeblich vorantreiben. Sie weist gegenüber anderen internationalen Organisationen zwei Besonderheiten auf. In der Präambel findet sich der viel zitierte Satz, dass die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten in dem festen Willen handeln, „die Grundlage für einen immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker zu schaffen“. Die damalige EWG und heutige EU sollte nicht nur die europäischen Staaten integrieren, sondern auch die europäischen Bürgerinnen und Bürger. Die europäische Integration sollte nicht nur eine Angelegenheit der Staaten sein, sondern es sollte auch eine Bürgerunion geschaffen werden.
Und schließlich sind EWG und EU, anders als viele andere internationale Organisationen, nicht zur Wahrnehmung eines einzigen Politikbereichs geschaffen worden, sondern sie kann prinzipiell alle Politikbereiche, sofern die Mitgliedstaaten dies wünschen, bearbeiten. Und so sind im Laufe der Zeit die Zuständigkeiten der EWG und später der Europäischen Union immer weiter ausgedehnt worden.