Welche migrationspolitischen Vorhaben konnten SPD, Grüne und FDP während ihrer Regierungszeit durchsetzen? Was wurde aus dem zu Beginn angekündigten Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik?
Anfang Dezember 2024 zerbrach das als Ampelkoalition bekannte Dreierbündnis aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP an Streitigkeiten zum Umgang mit der Wirtschaftskrise in Deutschland. Angetreten war die Regierungskoalition im Dezember 2021 unter dem Motto „Mehr Fortschritt wagen“. Das sollte sich auch in der Migrationspolitik widerspiegeln: Die Koalitionspartner hatten sich vorgenommen, Deutschland zu einem ‚modernen Einwanderungsland‘ zu machen: Interner Link: Gleichberechtigte Teilhabe, Diskriminierung entgegenzuwirken und die Modernisierung von Rechtsnormen standen auf ihrer Agenda. Welche ihrer migrationspolitischen Vorhaben konnte die Koalition umsetzen?
Arbeitsmigration
Seit Anfang der 1970er Jahre liegt die jährliche Zahl der Geburten in Deutschland niedriger als die Zahl der Sterbefälle. Ohne den Zuzug aus dem Ausland wäre die Bevölkerung also geschrumpft. Angesichts einer alternden Bevölkerung und einer prognostizierten schrumpfenden Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter in den kommenden Jahrzehnten, diskutieren Wirtschaftsexpert:innen die Frage, Interner Link: auf wie viel Zuwanderung von Arbeitskräften Deutschland pro Jahr angewiesen ist. Vor diesem Hintergrund ist die Arbeitsmigrationspolitik bereits seit der Jahrtausendwende deutlich liberalisiert worden. In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Grüne und FDP darauf verständigt, bestehende Hürden weiter abzubauen. Hierfür wurde das 2020 in Kraft getretene Externer Link: Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2023 reformiert und entfristet. Interner Link: Fachkräfte mit Hochschulabschluss können seither leichter den Aufenthaltstitel Blaue Karte EU erhalten. So wurde etwa die dazu erforderliche Gehaltsschwelle abgesenkt. Mussten Ausländer:innen, um zuwandern zu dürfen, bis dahin in der Regel die Gleichwertigkeit ihres Bildungs- oder Berufsabschlusses mit einem in Deutschland erworbenen Abschluss nachweisen, ist dies seither nicht mehr in allen Fällen zwingend notwendig. In Externer Link: nicht-reglementierten Berufen – also Berufen, die rechtlich nicht geschützt sind – gilt: Die Einwanderung ist auch ohne berufliche Anerkennung möglich, sofern die Migrant:innen über Berufserfahrung in qualifizierter Beschäftigung verfügen. Insgesamt können Fachkräfte schneller als bislang eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (Niederlassungserlaubnis) in Deutschland erhalten.
Die Zuwanderungsmöglichkeiten für Personen ohne formale Qualifikation sind mit der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes ebenfalls ausgeweitet worden. Insbesondere wurde die 2015 ins Leben gerufene sogenannte Westbalkanregelung entfristet. Über diese Regelung Interner Link: dürfen Staatsangehörige aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien nach Deutschland zuwandern, wenn sie einen Arbeitsplatz nachweisen können. Sie dürfen jeder Beschäftigung nachgehen, sofern die Bundesagentur für Arbeit nach einer Externer Link: Vorrangprüfung ihre Zustimmung erteilt. Die Ampel-Regierung hat die Zahl der jährlichen Zulassungen über diese Reglung von 25.000 auf 50.000 erhöht. Die im Mai 2025 angetretene Bundesregierung aus Union und SPD hat in ihrem Externer Link: Koalitionsvertrag angekündigt, die Aufstockung dieses Kontingents rückgängig machen zu wollen.
Mit der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes ist zudem die sogenannte Chancenkarte eingeführt worden. Sie erweitert die Möglichkeiten, zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland zu kommen und sich dafür bis zu zwölf Monate im Land aufzuhalten. Um die Chancenkarte erteilt zu bekommen, müssen Bewerber:innen entweder einen gesetzlich anerkannten Fachkraftstatus haben oder im Rahmen eines Punktesystems bestimmte Voraussetzungen (u.a. Deutschkenntnisse und Berufserfahrung) erfüllen.
Wer gilt als Fachkraft?
Mit dem Interner Link: Fachkräfteeinwanderungsgesetz von 2020 wurde im Ausländerrecht eine einheitliche Fachkräftedefinition geschaffen. Demnach gilt als „Fachkraft mit Berufsausbildung“, wer entweder eine Berufsausbildung in Deutschland abgeschlossen hat oder eine im Ausland erworbene Berufsausbildung nachweisen kann, Interner Link: die mit einer inländischen Ausbildung als gleichwertig gilt . Als „Fachkraft mit akademischer Ausbildung“ gelten ausländische Personen, die einen deutschen Hochschulabschluss besitzen oder einen mit einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss.
Ebenfalls wurde mit der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes die Einreise nach Deutschland erleichtert, um an Bildungsmaßnahmen teilzunehmen, die zur Anerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikationen führen sollen. Neu ist etwa die Anerkennungspartnerschaft: Personen, die bereits über eine Arbeitsplatzzusage verfügen, dürfen unter bestimmten Voraussetzungen nach Deutschland einreisen und mit Unterstützung ihres Arbeitgebers das Verfahren zur Anerkennung ihrer Bildungs- und Berufsqualifikationen parallel zur Beschäftigung durchlaufen.
All diese Maßnahmen dienten dem Vorhaben der Ampel-Koalition, die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen weiter zu erleichtern.
Während für die Zuwanderung von Fachkräften viele rechtliche Hürden abgebaut worden sind, bestehen weiterhin bürokratische und praktische Hindernisse wie lange Wartezeiten im Visumverfahren. Diese sind zum Teil auf Personalengpässe bei den zuständigen Behörden zurückzuführen. Insbesondere die für die Umsetzung der Zuwanderungsregelungen zentral verantwortlichen Interner Link: Ausländerbehörden gelten als überlastet. Die Ampel-Koalition hatte in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel formuliert, die Visavergabe zu beschleunigen und zu digitalisieren. Erste Schritte hat sie auf den Weg gebracht. Im September 2024 leitete das Bundesveraltungsamt Maßnahmen zur Digitalisierung von Visum-, Erstregistrierung- und Aufenthaltsverfahren ein.
Zugang zum Arbeitsmarkt
Bestehende Arbeitsverbote für ausländische Staatsangehörige, einschließlich Geflüchteter, wollte die Ampel-Koalition ursprünglich abschaffen. Dieses Vorhaben wurde eingeschränkt umgesetzt. So wurden Arbeitsverbote für Geduldete und Geflüchtete im Asylverfahren weiter abgebaut: Asylantragstellende und Geduldete dürfen nun spätestens nach sechs Monaten Aufenthalt arbeiten. Bisher war das bei Personen, die zum Wohnen in einer Aufnahmeeinrichtung verpflichtet waren, erst nach neun Monaten erlaubt. Für bestimmte Gruppen – wie Menschen aus sicheren Herkunftsländern oder Geduldete, die nicht an der Beseitigung von Abschiebehindernissen mitwirken – bleiben Arbeitsverbote weiterhin bestehen.
Die Möglichkeiten des sogenannten Spur- oder Zweckwechsels sind unter der Ampel-Koalition erweitert worden. Asylsuchende, die vor dem 29. März 2023 nach Deutschland eingereist sind, ein Jobangebot als Fachkraft haben oder arbeiten, oder die über einen anerkannten Berufsabschluss verfügen und ihren Asylantrag zurückziehen, können seit Anfang 2024 eine Aufenthaltserlaubnis zu Erwerbszwecken erhalten. Sofern sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen, haben anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte seit November 2023 zudem die Möglichkeit, ihr Aufenthaltsrecht mittels der Blauen Karte EU zu sichern und somit aus einem humanitären Aufenthalt in einen Aufenthalt zum Zwecke der Erwerbstätigkeit zu wechseln.
Neben solchen rechtlichen Erleichterungen beim Zugang zu Arbeits- und Aufenthaltsrechten hat die ehemalige Bundesregierung auch verschiedene Förderprogramme aufgelegt, um die Arbeitsmarktintegration bestimmter Gruppen zu unterstützen. Hierzu zählen etwa:
das „Job-Turbo“-Programm, wodurch Geflüchtete im Anschluss an einen Integrationskurs schnell in Arbeit gebracht und parallel zur Beschäftigung weiterqualifiziert werden sollen,
spezielle Fördermaßnahmen für Frauen mit Fluchterfahrung, deren Beschäftigungsquoten derzeit weit hinter denen geflüchteter Männer zurückbleiben, was unter anderem auf ihre stärkere Verantwortung für die Betreuung von (Klein-)Kindern zurückzuführen ist.
Auch wenn sich die Effekte dieser Maßnahmen nur schwer messen lassen, zeigen der seit 2015 vorangetriebene Abbau von Hürden beim Arbeitsmarktzugang von Geflüchteten und die seitdem etablierten Förderstrukturen aber durchaus Wirkung. So schritt die Interner Link: Arbeitsmarktintegration von 2015/16 eingereisten Geflüchteten schneller voran als dies in der Vergangenheit bei Geflüchteten der Fall war. Das gilt auch für den Anstieg der Erwerbstätigenquoten von 2022 Interner Link: nach Deutschland geflüchteten ukrainischen Staatsangehörigen. Zu den Herausforderungen und Problemen mit Blick auf die Arbeitsmarktintegration zählen mangelnde Betreuungsangebote für Kinder, ein unzureichendes Angebot an passenden Sprachkursen und die oft Interner Link: langwierigen Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Auch sind viele Förderstrukturen nur vorübergehend verfügbar. Die Teilnahmemöglichkeiten für Schutzsuchende im laufenden Asylverfahren bleiben weiterhin begrenzt und stehen vor allem Personen offen, bei denen „ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten“ ist.
Flucht & Asyl
Asylverfahren
Seit vielen Jahren gibt es aus der Politik Forderungen, Asylverfahren müssten schneller abgeschlossen werden. Auch die Ampel-Koalition hatte sich vorgenommen, die Verfahren zu beschleunigen. Zumindest in rechtlicher Hinsicht hat sie dafür Weichen gestellt: Am 1. Januar 2023 trat das Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren in Kraft. Es sieht vor, die asylrechtliche Rechtsprechung stärker zu vereinheitlichen, um so die Verwaltungsgerichte zu entlasten und Klageverfahren in Asylangelegenheiten zu verkürzen. Prüfungen zum Widerruf oder zur Rücknahme von Asylbescheiden sollen zudem nur noch anlassbezogen – nicht mehr pauschal – erfolgen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat außerdem seit Dezember 2023 ein Verfahren zur beschleunigten Bearbeitung von Asylanträgen von Menschen aus Herkunftsländern mit Anerkennungsquoten von weniger als fünf Prozent eingeführt. Dadurch soll die Prüfung von Asylanträgen von Schutzsuchenden aus diesen Ländern innerhalb von drei Wochen abgeschlossen werden.
Mit dem Gesetz zur Beschleunigung der Asylverfahren ist auch eine behördenunabhängige Asylverfahrensberatung eingeführt worden. Sie soll nicht zuletzt dazu beitragen, die Qualität der Asylverfahren zu verbessern. Für die im Koalitionsvertrag angestrebte „flächendeckende, behördenunabhängige Asylverfahrensberatung“ wurde allerdings deutlich weniger Geld zur Verfügung gestellt, als ursprünglich im Externer Link: Gesetzentwurf dafür kalkuliert worden war. Im Zuge der Sparpolitik wurden die Mittel dann weiter gekürzt.
Mit Blick auf den ebenfalls von der Ampel-Koalition angestrebten Schutz von queeren Schutzsuchenden ist im Asylverfahren eine besondere Rechtsberatung eingeführt worden. Außerdem sieht eine Externer Link: neue Dienstanweisung an das für Asylentscheidungen zuständige BAMF eine geänderte Entscheidungspraxis vor. Demnach gilt zukünftig, dass bei einer Rückkehr ins Herkunftsland die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität offen gelebt werden können muss, ohne dass die Betroffenen Angst haben müssen, deswegen verfolgt zu werden. Geflüchtete dürfen also anders als bislang nicht mehr mit dem Hinweis abgeschoben werden, ein „diskretes Leben im Herkunftsland“ führen zu können.
Am Ansatz der als Interner Link: AnKER-Zentren (kurz für: Zentrum für Ankunft, Entscheidung, Rückführung) bekannten großen Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende haben SPD, Grüne und FDP wie im Koalitionsvertrag bereits angekündigt nicht festgehalten. In ihrer Regierungszeit wurden keine weiteren dieser Zentren eingerichtet. Im Rahmen der von der Ampel-Koalition zugestimmten Reform des Interner Link: Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) aber werden an den EU-Grenzen große Lager entstehen, in denen Grenzverfahren stattfinden werden. Unter anderem Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass in diesen Lagern haftähnliche Bedingungen herrschen würden.
Humanitäre Visa hat die Ampel-Koalition entgegen eines entsprechenden Vorhabens nicht eingeführt, wohl aber ein Bundesprogramm zur Aufnahme gefährdeter Afghan:innen aufgelegt. In der Praxis Externer Link: verblieb die Zahl der tatsächlich darüber aufgenommenen Menschen weit hinter den ursprünglich getroffenen Zusagen zurück. Das Verfahren zur Aufnahme von afghanischen Ortskräften ist nicht, wie ursprünglich von den Koalitionären geplant, grundlegend reformiert worden, es blieb bei einige kleineren Anpassungen. Die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD will alle humanitären Aufnahmeprogramme beenden, darunter auch die Aufnahmen aus Afghanistan. Den Kontext für dieses Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag der schwarz-roten Regierungskoalition bildet eine Debatte um überlastete Aufnahmestrukturen und die Frage, wie die Zahl derjenigen, die in Deutschland Schutz suchen, reduziert werden könne. Zudem stehen Abschiebungen insbesondere von Straftäter:innen und Gefährder:innen wieder im Fokus, insbesondere nachdem ein aus Afghanistan stammender junger Mann im Mai 2024 auf einer Kundgebung in Mannheim mit einem Messer sechs Menschen schwer verletzte – darunter einen Polizeibeamten, der später seinen Verletzungen erlag. Im August 2024 wurden erstmals seit der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 wieder Menschen aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben.
Familiennachzug
Geflüchtete, die in Deutschland subsidiären Schutz erhalten, dürfen im Gegensatz zu Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen nur in eingeschränktem Maße Familienangehörige nachholen. Zu diesem Zweck werden monatlich insgesamt maximal 1.000 Visa ausgestellt. Die Ampel-Regierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, diese Einschränkungen aufheben zu wollen. Im Kontext von zunehmenden politischen Debatten über Maßnahmen zur Reduzierung der Asylmigration nach Deutschland erklärte sie im November 2023 jedoch, keine Änderungen beim Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten vornehmen zu wollen. Die im Mai 2025 angetretene Regierungskoalition aus Union und SPD will den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten vorübergehend aussetzen; Ausnahmen soll es nur in Härtefällen geben.
Die Rechte beim Familiennachzug haben sich für subsidiär Schutzberechtigte unter der Ampel-Regierung nicht verbessert, die Aufenthaltsperspektive hingegen schon. Sie erhalten nun (wieder) eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre (statt für ein Jahr), die jeweils um drei Jahre verlängert werden kann. Diese Regelung wurde mit dem Rückführungsverbesserungsgesetz, welches in wesentlichen Teilen am 27. Februar 2024 in Kraft trat, eingeführt. Sie dient vor allem der Entlastung der Interner Link: Ausländerbehörden, die für die Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen zuständig sind.
Das Koalitionsvorhaben, einen Rechtsanspruch zum Nachzug minderjähriger Geschwister zu bereits in Deutschland lebenden minderjährigen Schutzberechtigten einzuführen, hat die Ampel-Koalition nicht umgesetzt. Minderjährige Flüchtlinge dürfen weiterhin nur ihre Eltern nach Deutschland holen.
Asylbewerberleistungen
Das anfangs geplante Vorhaben, das Asylbewerberleistungsgesetz weiterzuentwickeln und etwa minderjährige Kinder von Leistungsbeschränkungen auszunehmen, wurde nicht weiterverfolgt. Stattdessen hat das Regierungsbündnis aus SPD, Grünen und FDP den Zeitraum des eingeschränkten Leistungsbezugs verlängert: Asylberwerber:innen erhalten seither nach 36 Monaten – statt wie bislang nach 18 Monaten – Leistungen analog zur Sozialhilfe. Für eine längere Dauer bleibt damit auch ihr Externer Link: Zugang zur Gesundheitsversorgung eingeschränkt, obwohl sich die Ampel-Koalition vorgenommen hatte, diesen zu verbessern und unbürokratischer zu gestalten. So gilt weiterhin, dass solange Asylantragstellende Asylbewerberleistungen beziehen, die Gesundheitsversorgung auf Behandlungen bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen beschränkt bleibt. Ausnahmen gelten zum Beispiel für Schwangere und Menschen mit Behinderung. Erst nach 36 Monaten erhalten Asylbewerber:innen ähnliche Gesundheitsleistungen wie gesetzlich Krankenversicherte.
Anders als von der Ampel-Koalition zu Beginn ihrer Regierungszeit angekündigt ist auch die psychosoziale Hilfe für Geflüchtete nach wie vor unzureichend finanziert und ausgestattet. Die Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer, die deutschlandweit psychologische Unterstützung für Geflüchtete anbieten, werden größtenteils durch zeitlich befristete öffentliche Fördermittel finanziert. 2022 konnten sie lediglich Externer Link: 3,1 Prozent des potenziellen Versorgungsbedarfs abdecken. Dabei zeigen Studien: Rund 30 Prozent der geflüchteten Menschen leiden an psychischen Erkrankungen, etwa Depressionen oder posttraumatischen Belastungsstörungen.
Bleiberecht für Geduldete
Wie versprochen hat die Ampel-Koalition für Geduldete die Möglichkeiten verbessert, ein Aufenthaltsrecht zu erhalten. Geduldete, die sich Externer Link: „nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert“ haben, können nun nach sechs (statt acht) Jahren Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Leben minderjährige Kinder in ihren Haushalt, ist dies schon nach vier (statt wie bislang sechs) Jahren Aufenthalt möglich. Junge Geduldete, die seit mindestens drei Jahren in Deutschland leben und hier eine Schule besuchen oder Ausbildung absolviert haben, können bis zu ihrem 27. Geburtstag eine Aufenthaltserlaubnis beantragen.
Erleichtert wurde auch der Zugang zur sogenannten Externer Link: Beschäftigungsduldung. Die ursprünglich nur bis zum 31.12.2023 geltende Regelung wurde entfristet. Demnach sind Geduldete, die vor dem Stichtag 31.12.2022 nach Deutschland eingereist sind und eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Umfang von mindestens 20 Stunden vorweisen können, vor Abschiebung geschützt. Nach Ablauf der Beschäftigungsduldung können sie eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. Eingeführt wurde neben der bereits existierenden Ausbildungsduldung auch eine Externer Link: Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung für ausreisepflichtige Ausländer:innen. Diese schützt Ausreisepflichtige, die einer staatlich anerkannten qualifizierten Berufsausbildung nachgehen, vor einer Abschiebung und ermöglicht es ihnen im Anschluss unter bestimmten Voraussetzungen zum Arbeiten in Deutschland zu bleiben.
Neu eingeführt wurde Ende 2022 auch das sogenannten Chancen-Aufenthaltsrecht. Es ermöglicht Geduldeten, die zum 31. Oktober 2022 mindestens fünf Jahre in Deutschland gelebt hatten, und ihren Angehörigen, eine Aufenthaltserlaubnis „auf Probe“ zu erhalten. Sie haben dann 18 Monate Zeit, die Bedingungen für eine längerfristige Aufenthaltserlaubnis zu erfüllen. Bis Ende Dezember 2024 haben 9.700 Personen auf diesem Wege einen Aufenthaltstitel erhalten.
Nicht abgeschafft, obwohl im Koalitionsvertrag angekündigt, hat die Ampel-Koalition die auch als „Duldung light“ bezeichnete Externer Link: Duldung für Personen mit ungeklärter Identität. Mit dieser Duldung gehen eingeschränkte staatliche Leistungen und Rechte einher, Personen mit diesem Duldungsstatus dürfen beispielsweise nicht arbeiten. Grundsätzlich bedeutet eine Duldung, dass die betroffenen Personen weiterhin ausreisepflichtig sind, sie haben kein Aufenthaltsrecht. Ihre Abschiebung ist allerdings aus rechtlichen Gründen (z.B. wegen schwerer Krankheit, Mutterschutz oder unzumutbarer Trennung von Familienangehörigen) oder wegen praktischer Abschiebehindernisse (z.B. fehlenden Pass- oder Reisedokumenten) vorübergehend ausgesetzt.
Im Rahmen der im Koalitionsvertrag angekündigten „Rückkehroffensive“ hat die Ampel-Koalition mit dem Externer Link: Rückführungsverbesserungsgesetz Maßnahmen eingeführt, um Abschiebungen zu erleichtern. Dazu zählt die Ausweitung des Ausreisegewahrsams von zehn auf 28 Tage. Zudem darf die Polizei in Sammelunterkünften nun auch andere Räume als das Zimmer der abzuschiebenden Person durchsuchen. Abschiebungen müssen nicht mehr angekündigt werden. Ausnahmen gelten hier für Familien mit Kindern unter zwölf Jahren. Das im Januar 2024 beschlossene Gesetz legt allerdings fest, dass Minderjährige nicht in Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam genommen werden sollen. Darauf hatten sich die Regierungsparteien ebenfalls in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt.
Darüber hinaus haben sie wie geplant einen Externer Link: Sonderbevollmächtigten eingesetzt, der seit Februar 2023 für die Aushandlung von Migrationsabkommen zuständig war. Solche Abkommen verfolgen verschiedene Ziele wie etwa die Fachkräftesicherung, sollen aber auch zum Ausbau von Migrationskontrollen und dem Abbau von Rückführungshindernissen beitragen. Bis Dezember 2024 hatte die Bundesregierung verbindliche Interner Link: Migrationsabkommen mit Indien, Georgien, Kenia und Usbekistan sowie rechtlich nicht bindende Vereinbarungen mit Marokko und Kolumbien geschlossen. Weitere Sondierungsgespräche bzw. Verhandlungen liefen unter anderem mit Moldau, Kirgisistan, Ghana und den Philippinen.
Bund und Länder haben sich auf einen Externer Link: Handlungsleitfaden für die Rückkehrberatung verständigt, der bundesweit einheitliche Informations- und Qualitätsstandards für die Rückkehrberatung etablieren soll. Nicht umgesetzt hat die Ampel-Koalition ihr Vorhaben, die zuständige oberste Bundesbehörde zu befähigen, für einzelne Herkunftsländer einen befristeten nationalen Abschiebungsstopp erlassen zu können. Wie bislang muss ein solcher Abschiebungsstopp von der Innenministerkonferenz der Länder beschlossen und in der Folge vom Bundesinnenministerium erteilt werden.
Ende 2023 hielten sich rund 242.600 Ausreisepflichtige in Deutschland auf, von denen 193.970 über eine Duldung verfügten. Unmittelbar ausreisepflichtig waren somit gut 48.670 Personen. 2024 wurden Externer Link: knapp 20.100 Menschen aus Deutschland abgeschoben (2023: 16.400, Interner Link: 2022: 12.950), insbesondere in europäische Staaten wie Georgien, Nordmazedonien, die Türkei, Albanien und Serbien. Zudem reisten rund 10.200 ausreisepflichtige Personen über das Externer Link: Bund-Länder-Programm REAG/GARP freiwillig aus Deutschland aus (2023 : 10.800, 2022: 7.900). Insgesamt haben den Angaben der Bundespolizei zufolge 2024 rund 33.400 ausreisepflichtige Personen unter Vorlage einer Grenzübertrittsbescheinigung freiwillig das Land verlassen (Externer Link: 2023: 29.950, Externer Link: 2022: 26.600).
Gemeinsame Europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik
Auf europäischer Ebene hat sich die Ampel-Koalition, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, für eine Interner Link: Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) eingesetzt. Diese ist nach jahrelangen Verhandlungen im Frühjahr 2024 beschlossen worden. Die von der Ampel-Regierung anvisierten besseren Standards für Schutzsuchende wurden in einem gesamteuropäischen Verhandlungsrahmen nicht erreicht. Zwar wurde mit der Reform ein von Deutschland schon lange geforderter verbindlicher Solidaritätsmechanismus eingeführt, der alle EU-Mitgliedstaaten zur Beteiligung verpflichtet: Sie müssen sich entweder an der Umverteilung von Asylsuchenden innerhalb der EU beteiligen, finanzielle Beiträge leisten oder sich anderweitig – zum Beispiel bei Rückführungen – einbringen. Ob sich diese verbindliche Beteiligung in der Praxis durchsetzen lässt, bleibt jedoch abzuwarten. Erste EU-Staaten wie etwa Polen kündigten bereits an, aus der gemeinsamen Asylpolitik ausscheren zu wollen.
Viele EU-Mitgliedstaaten wollen darauf hinwirken, dass zukünftig Interner Link: Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU ausgelagert werden können. SPD, Grüne und FDP hatten vereinbart, dies prüfen zu wollen und Externer Link: haben das während ihrer Legislaturperiode auch getan. Einen Externer Link: abschließenden Bericht hat das Bundesinnenministerium erst im Mai 2025, also nach der vorgezogenen Bundestagswahl, vorgelegt. Er weist auf die rechtlichen und praktischen Probleme hin, die mit der Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten verbunden sind und betont, dass kein nationaler Alleingang, sondern eine gesamteuropäische Lösung angestrebt werden sollte. Dies geschieht auch mit Verweis auf die Erfahrungen europäischer Staaten, die bereits versucht haben, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern, damit aber bislang nicht erfolgreich waren.
SPD, Grüne und FDP hatten sich darauf verständigt, auf EU-Ebene darauf hinwirken zu wollen, dass die Interner Link: Grenzschutzagentur Frontex parlamentarisch kontrolliert wird und sich auch aktiv an der Seenotrettung beteiligt. Beides ist bis heute nicht der Fall. Die im Koalitionsvertrag angestrebte „staatlich koordinierte und europäisch getragene“ Seenotrettung gibt es nicht. Auch ein funktionierendes System zur Verteilung von aus Seenot geretteten Schutzsuchenden innerhalb der EU existiert bislang nicht.
SPD, Grüne und FDP hatten sich vorgenommen, die gesellschaftliche Teilhabe von Eingewanderten und ihre Nachkommen zu verbessern. Das angestrebte Partizipationsgesetz haben sie jedoch nicht auf den Weg gebracht. Die ebenfalls geplante Externer Link: Diversitätsstrategie für die Bundesverwaltung liegt seit Januar 2025 vor.
SPD, Grüne und FDP haben ihr Vorhaben umgesetzt, das Interner Link: Staatsangehörigkeitsrecht zu reformieren. Die neuen Regelungen traten im Juni 2024 in Kraft. Seither können sich Eingewanderte einbürgern lassen, wenn sie sich fünf Jahre rechtmäßig in Deutschland aufgehalten haben (zuvor waren es acht Jahre) und weitere Bedingungen erfüllen. Zu diesen zählen Deutschkenntnisse, Straffreiheit und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts. Bei „besonders guter Integration“ ist eine Einbürgerung bereits nach drei Jahren (statt wie bislang nach sechs Jahren) Aufenthalt möglich — die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD will dies laut Externer Link: Koalitionsvertrag allerdings rückgängig machen. Auch wurde die Möglichkeit doppelter Staatsangehörigkeit beschlossen: Ausländische Staatsangehörige, die sich einbürgern lassen wollen, müssen ihre bisherige Staatsangehörigkeit nicht mehr aufgeben. Damit wurde der bis dahin geltende Grundsatz, Mehrstaatigkeit zu vermeiden, aufgegeben. In diesem Zusammenhang ist auch die sogenannte Optionspflicht entfallen: In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern müssen sich nicht mehr bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres entscheiden, ob sie die deutsche oder die Staatsangehörigkeit der Eltern weiterführen möchten. Kinder, die in Deutschland zur Welt kommen und mindestens ein Elternteil haben, das seit fünf Jahren rechtmäßig hier lebt und über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht verfügt, erhalten die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt. Für ehemalige Gastarbeiter:innen wurde der Zugang zur Staatsangehörigkeit erleichtert. Sie müssen keinen Einbürgerungstest mehr ablegen und nur noch mündliche Deutschkenntnisse nachweisen. Schließlich wurden mit der Reform auch konkrete Ausschlussgründe für die Einbürgerung definiert. Dazu zählen etwa antisemitische, rassistische oder anderweitig menschenverachtende Handlungen.
Bei Einbürgerungen kommt es allerdings häufig zu langen Wartezeiten, weil sich in den Einbürgerungsbehörden die offenen Anträge stauen. In Städten wie Augsburg, Essen, Hamburg oder Münster lag die durchschnittliche Bearbeitungszeit 2023 bei rund einem Jahr.
Ausblick
SPD, Grüne und FDP hatten die Regierungsgeschäfte mit dem Versprechen eines „Neuanfangs“ in der Migrationspolitik angetreten. Sie wollten die Weichen für einen anderen Umgang mit Vielfalt und Migration legen, die Potenziale von Einwanderung stärker in den Vordergrund rücken und in der Flüchtlings- und Asylpolitik einen stärkeren Fokus auf Menschen- und Flüchtlingsrechte legen.
Nicht alle Vorhaben wurden umgesetzt. Erleichterungen beim Aufenthaltsrecht für Geduldete, bei der Fachkräfteeinwanderung und beim Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit weisen in die Richtung des ursprünglich angestrebten Paradigmenwechsels. Interner Link: Jedoch spitzte sich die Migrationsdebatte ab dem Sommer 2023 immer weiter zu, u.a. aufgrund der Interner Link: umfangreichen Flucht vor Russlands Krieg gegen die Ukraine, steigenden Asylantragszahlen von Menschen aus außereuropäischen Staaten und Klagen von vielen Bundesländern und Kommunen, mit der Flüchtlingsaufnahme überlastet zu sein sowie zunehmender Debatten über den Interner Link: Zusammenhang von Migration und Sicherheit. Externer Link: Umfragen wie der ARD-Deutschlandtrend ergaben, dass ein wachsender Teil der Wahlberechtigten der Ansicht war, Deutschland solle weniger Flüchtlinge aufnehmen. Ab Herbst 2023 dominierte in den migrationspolitischen Debatten die Frage, wie die Zahl der Asylsuchenden reduziert und mehr Ausreisepflichtige in die Herkunftsländer zurückgeführt werden könnten. Das setzte die Regierung unter Handlungsdruck. In der Folge führte die Bundesregierung restriktivere Maßnahmen ein, wie etwa Interner Link: Kontrollen an allen deutschen Grenzen, den Sozialleistungsausschluss für Schutzsuchende, für deren Asylverfahren ein anderer EU-Staat zuständig ist (sogenannte Dublin-Fälle), oder die Einstufung zweier weiterer Länder als sichere Herkunftsländer (Georgien und Republik Moldau). Infolge mehrerer, im Jahr 2024 aufeinanderfolgender tödlicher Anschläge von Menschen, die als Schutzsuchende nach Deutschland gekommen waren, wurde Migration in den politischen Debatten vorrangig mit Fragen von Kriminalität und innerer Sicherheit verbunden. Migration war dann auch zentrales Wahlkampfthema zur vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar 2025 und war Befragungen zufolge für viele Wähler:innen eines der wahlentscheidenden Themen. Der Ampel-Regierung wurde etwa von der Union vorgeworfen, nicht konsequent genug gegen irreguläre Migration vorzugehen. Auch weitere Parteien änderten erkennbar ihren Kurs mit Vorschlägen, wie die Zahl der in Deutschland ankommenden Schutzsuchenden reduziert werden könne. Aus der Bundestagwahl ging die Union als stärkste Kraft hervor. Sie nahm daraufhin Koalitionsverhandlungen mit der SPD auf, die drittstärkste Kraft geworden war. Am 6. Mai 2025 trat die neue Regierungskoalition die Amtsgeschäfte an. Im Externer Link: Koalitionsvertrag betonen Union und SPD, „Migration ordnen und steuern und die irreguläre Migration wirksam zurückdrängen“ zu wollen. Sie einigten sich unter anderem darauf, humanitäre Aufnahmeprogramme wie das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan zu beenden, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre auszusetzen, die Liste der sicheren Herkunftsländer zu erweitern und „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylsuchenden“ vorzunehmen. Gleichzeitig wollen die Koalitionäre „mehr in Integration investieren“ und etwa „bessere Startchancen für Bleibeberechtigte schaffen“. Qualifizierte Einwanderung soll weiterhin gefördert werden.
Vera Hanewinkel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück und Mitglied des Institutsvorstands.