Gemeinsam gegen die "Achsenmächte"
Nur ein vereinigtes, ökonomisch gesundes Europa sei immun gegen jede Art von Totalitarismus – so die Überlegung der Amerikaner. Aber auch wirtschaftspolitische Absichten spielten eine Rolle bei der Entwicklung des Marshallplans.
Eine neue Politik für Europa
Insbesondere der harte Winter 1946/47 bewog Amerikaner und Briten dazu, ihre Besatzungspolitik grundsätzlich zu überdenken. In ganz Europa hungerten die Menschen, aber die Lage in Deutschland war durch die Zerstörungen und die große Anzahl von Flüchtlingen und Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten besonders drastisch. Die angestrebte Umerziehung war unter diesen Umständen kaum durchführbar. Auch für die Besatzungsmächte war die Situation schwierig: So erwiesen sich für Großbritannien die Besatzungskosten als extreme Belastung für den eigenen Haushalt. Die sehr hohen Ausgaben in Europa (Hilfsprogramme und Unterstützung der ehemaligen Verbündeten) waren auch in den USA zunehmend umstritten. Nicht wenige Stimmen in den USA forderten, sich auf traditionell isolationistische Positionen – also auf den ursprünglichen Kernbereich amerikanischer Machtpolitik – zurückzuziehen. Bestätigt wurde diese Haltung durch den Sieg der Republikaner bei den Kongresswahlen. Der demokratische Präsident Truman vertrat demgegenüber die Politik einer weltpolitischen Verantwortung Amerikas, wie sie in der "Truman-Doktrin" zum Ausdruck kam. Dabei war man sich einig, dass weitere unkoordinierte Hilfsleistungen an die Europäer beendet werden sollten. Die Kosten für Programme wie GARIOA (Government Aid and Relief in Occupied Areas) waren sehr hoch, ohne indes die gewünschten Erfolge zu zeigen.Amerikanische Interessen
Der deutsche Wiederaufbau lag zunehmend auch im Interesse der USA und der Staaten Nachkriegseuropas. Sowohl für den (west-)europäischen als auch für den amerikanischen Markt war Deutschland als zentrale Wirtschaftsmacht unverzichtbarer Abnehmer von Rohstoffen und Lieferant von Fertigprodukten.Hinzu kam für die USA die Schlüsselrolle Deutschlands im beginnenden "Kalten Krieg". An den Grenzen zwischen den 1947 zur "Bizone" vereinigten amerikanischen und britischen Besatzungszonen zur sowjetischen Besatzungszone stießen die beiden Machtblöcke und ihre unterschiedlichen Interessen aufeinander. Ein wirtschaftlich und politisch instabiles (West-)Deutschland konnte unabsehbare Folgen haben – nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Westeuropa.