Trotz enormer finanzieller Aufwändungen seitens der Besatzungsmacht waren keine wesentlichen Verbesserungen bei den Lebensbedingungen der Menschen in diesem Gebiet zu erreichen gewesen. Weitere wirtschaftliche Hilfe nach Europa zu transferieren schien nur in Verbindung mit politischen Auflagen sinnvoll, beispielsweise der Schaffung eines vereinten Europas. Auf ein solches und einen gemeinsamen Markt für die eigenen Exporte waren die USA mittel- bis langfristig angewiesen.
Wirtschaftliche Notwendigkeiten
Für die USA war der Abbau der Exportschranken nach Europa vordringlich wichtig. Daneben war der Aufbau eines aufnahmefähigen, multilateralen europäischen Marktes relevant. Die Handelsbeschränkungen ergaben sich aus dem "Dollarmangel" der europäischen Staaten. Die Europäer brauchten zwar dringend amerikanische Güter für den Wiederaufbau, konnten sie aber nicht bezahlen. Aufgrund der jahrelangen Belastungen der europäischen Volkswirtschaften im Krieg hatten diese keine Devisen mehr, um Rohstoffe und Investitionsgüter in ausreichendem Umfang aus den USA zu importieren. Den USA fehlte also ein Abnehmer für ihre Produkte, die Europa dringend brauchte, aber nicht bezahlen konnte.
Besonders drastisch stellte sich die Lage in Deutschland dar, dass neben den allgemeinen Kriegsfolgen auch darunter litt, dass es keine übergreifende funktionierende Verwaltung gab. Eine gemeinsame Administration Deutschlands mit der Sowjetunion unter für den Westen akzeptablen Bedingungen aber schien unvorstellbar.
Wirtschaftliche Impulse durch den Marshallplan
Zum Zeitpunkt der Rede standen die Bedingungen der Wirtschaftshilfe noch nicht fest. Weder der finanzielle Rahmen des Programms noch dessen konkrete Anwendungsbereiche wurden bekannt gegeben. Klar war nur, dass erhebliches Eigenengagement von den Europäern gefordert wurde. Dennoch trafen sich schon Mitte Juli 1947 in Paris 16 europäische Staaten mit dem Ziel, einen gemeinsamen Aufbauplan für Europa zu entwickeln. Allein diese Bereitschaft zur Teilnahme bewies, wie dringend die Europäer die amerikanische Unterstützung brauchten. Osteuropäische Staaten waren zwar eingeladen gewesen, nahmen aber unter dem Druck der Sowjetunion nicht teil.
Bei einer ersten Pariser Konferenz hatte der sowjetische Außenminister Molotow, der grundsätzlich großes Interesse an wirtschaftlicher Unterstützung aus den USA besaß, die Teilnahme seines Landes abgelehnt. Vor allem mochte er nicht den Nachweis erbringen, dass die Sowjetunion "hilfsbedürftig" im Sinne des Aufbauprogramms sei. Ebenso als Eingriff in nationale Belange betrachtete er die amerikanische Forderung, langfristig einen gemeinsamen europäischen Markt aufzubauen.
Auch Westdeutschland war nicht vertreten, es bildete aber dennoch ein zentrales Thema. Ohne den Aufbau der westdeutschen Industrieproduktion war der Wiederaufbau Europas nicht vorstellbar. Parallel dazu entwickelte eine Gruppe im State Department bis Ende August 1947 Grundzüge des European Recovery Program (ERP).