FAQs - Häufig gestellte Fragen
Wer durfte am 23. Juni 2016 für oder gegen den Brexit abstimmen? Ist das Ergebnis bindend? Was denken Menschen in anderen EU-Staaten über den Brexit? Fragen und Antworten zum Referendum über die Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU.
Das Referendum
Was bedeutet "Brexit"?
Wie lautet die Referendumsfrage?
- Remain a member of the European Union
- Leave the European Union
- Ein Mitglied der Europäischen Union bleiben
- Die Europäische Union verlassen)
Should the United Kingdom remain a member of the European Union?
- Yes
- No
- Ja
- Nein)
Wer darf beim Referendum abstimmen?
- britische oder irische Staatsangehörige sind, die im Vereinigten Königreich leben,
- als Bürger/innen der Commonwealth-Staaten im Vereinigten Königreich leben,
- Abgeordnete des Oberhauses und Bürgerinnen und Bürger des Commonwealth in Gibraltar sind
- als britische sowie irische Staatsangehörige im Ausland leben, sich aber in den vergangenen 15 Jahren für eine Wahl im Vereinigten Königreich registriert haben.
Ist das Ergebnis des Referendums bindend?
Die Austrittsvereinbarung müsste vor dem Inkrafttreten auch noch vom Parlament ratifiziert werden. Theoretisch könnten also das britische Unter- und/oder Oberhaus dagegen stimmen. Politisch könnte man das Referendum allerdings als bindend verstehen; bisher wurden laut Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik die Ergebnisse aller Referenden von den britischen Regierungen befolgt, weshalb das EU-Referendum "praktisch als verbindlich" eingestuft werden könne.[2]
Was halten die Menschen in anderen EU-Staaten von einem möglichen Brexit?
Das Meinungsforschungsinstitut ICM befragte Ende November 2015 jeweils 1.000 Menschen in neun Ländern Europas (Deutschland, Frankreich, Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, Italien, Spanien, Portugal): Im Durchschnitt waren 53 Prozent für den Verbleib, 20 Prozent für den Brexit; nur in Norwegen, das als einziges der befragten Länder kein Mitglied der EU ist, war eine leichte Mehrheit von 34 Prozent für und 27 Prozent gegen Großbritanniens Ausstieg aus der EU.
Eine großangelegte Befragung von Lord Ashcroft Polls, dem Meinungsumfrageinstitut des früheren stellvertretenden Vorsitzenden der Conservative Party Michael Ashcroft, kommt zu einem noch größeren Zuspruch für den Verbleib Großbritanniens von Seiten der Menschen in 27 Mitgliedstaaten (außer Großbritannien): In einer Befragung von knapp 29.000 Menschen waren im Januar und Februar dieses Jahres 60 Prozent der Befragten für den Verbleib und 10 Prozent für den Austritt.
Eine repräsentative Befragung der Bertelsmann Stiftung, die im April durchgeführt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der EU-27-Bürgerinnen und Bürger (54 Prozent von 9.500) für, 21 Prozent gegen den Verbleib Großbritanniens in der EU sind.
Das Meinungsforschungsinstitut TNS befragte im Mai 2016 jeweils ca. 1000 Menschen in den EU-Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Irland, Polen, Tschechien, Dänemark, Finnland und Luxemburg – mit dem Ergebnis: 62 bis 70 Prozent der Befragten waren in den Ländern für den Verbleib, 6 bis 34 Prozent dagegen.
Die Vorgeschichte
Seit wann ist Großbritannien Mitglied der Europäischen Union (EU) bzw. Europäischen Gemeinschaften (EG)?
Zurzeit hat das Vereinigte Königreich 73 Sitze im Europäischen Parlament. Zwischen 1977 und 2005 hatte das Land fünfmal die EU-Ratspräsidentschaft inne. Das nächste Mal werden die Briten 2017 die Ratspräsidentschaft übernehmen.
Ursula Lehmkuhl: Großbritannien zwischen Empire und Europa.
Ursula Lehmkuhl: Großbritannien in den Europäischen Gemeinschaften.
Warum findet in Großbritannien ein Referendum über seine EU-Mitgliedschaft statt?
Welche Reformen wurden beim EU-Gipfel im Februar 2016 vereinbart?
Sozialleistungen von EU-Arbeitnehmerinnen und -nehmern [5]
Zugeständnisse machte der Europäische Rat im Bereich der Zahlung von Sozialleistungen gegenüber EU-Arbeitnehmerinnen und -nehmern: Es sei legitim, "Maßnahmen zur Begrenzung von Arbeitnehmerströmen vorzusehen, wenn diese ein derartiges Ausmaß annehmen, dass sie negative Auswirkungen sowohl für die Herkunftsmitgliedstaaten als auch für die Bestimmungsmitgliedstaaten haben."
Ein "Warn- und Schutzmechanismus" soll verhindern, dass ein zu hohes Ausmaß an Zuwanderung negative Auswirkungen auf das Sozialsystem eines Mitgliedstaats hat. Damit soll "der vom System der Lohnergänzungsleistungen eines Mitgliedstaats ausgehenden Sogwirkung Rechnung" getragen werden. Der betroffene Mitgliedstaat teilt in diesem Fall der Kommission und dem Rat mit, dass er den Schutzmechanismus in Anspruch nehmen will. Nach Prüfung der Kommission, kann der Europäische Rat den Mitgliedstaat ermächtigen, die Sozialleistungen zu beschränken.
Dann könnten neu eingereisten EU-Arbeitnehmerinnen und -nehmern für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren, nachdem sie in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten angefangen haben, Sozialleistungen wie Lohnaufbesserungen oder der Anspruch auf Sozialwohnungen verweigert oder gekürzt werden. Dieser Schutzmechanismus kann höchstens sieben Jahre lang angewendet werden. Cameron hatte zunächst 13 Jahre gefordert.
Auch im Bereich des Kindergeldes wurden Reformvorschläge gemacht. Entscheidend wird demnach der Aufenthaltsort des Kindes, nicht des Arbeitnehmers: Die Mitgliedstaaten sollen die Möglichkeit erhalten, die Höhe der Leistungen an die Bedingungen des Mitgliedstaates, in dem das Kind wohnt, zu koppeln.
Souveränität [6]
"Es ist anerkannt, dass das Vereinigte Königreich in Anbetracht seiner Sonderstellung nach Maßgabe der Verträge nicht zu einer weiteren politischen Integration in die Europäische Union verpflichtet ist." [7], so der Europäische Rat. Die Bezugnahme auf eine immer engere Union solle daher nicht für Großbritannien gelten.
Die Parlamente der Mitgliedsländer sollen die Möglichkeit haben, Einspruch gegen Gesetzesvorhaben aus Brüssel zu äußern. Demnach können sie nach der Vorlage eines EU-Gesetzesvorhabens aufgrund des Subsidiaritätsprinzips innerhalb von zwölf Wochen Bedenken gegen den Entwurf äußern. Repräsentieren sie dabei 55 Prozent der den nationalen Parlamenten zugewiesenen Stimmen (also 15 der 28 Mitgliedstaaten), scheitert der Gesetzesentwurf oder muss abgeändert werden.
Eurozone [8]
Zwar ist Großbritannien Mitglied der Europäischen Union, doch hat es sich nicht an der dritten Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion beteiligt und gehört daher nicht zur Eurozone.
"Eine Diskriminierung natürlicher oder juristischer Personen aufgrund der offiziellen Währung des Mitgliedstaats oder gegebenenfalls der Währung, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie ansässig sind, als gesetzliches Zahlungsmittel fungiert, ist unzulässig", so der Europäische Rat. [9] Im Gegenzug verpflichten sich die Staaten ohne Euro, die Vertiefung der Währungsunion nicht zu behindern. Die Finanzmärkte und Banken der Mitgliedstaaten ohne Euro unterliegen nicht der Aufsicht durch die Europäische Zentralbank (EZB), sondern der eigenen nationalen Behörden. Auch "im Krisenfall" müssen diese Staaten Maßnahmen zur Stabilisierung des Euroraumes nicht mittragen.
Wettbewerb [10]
Die Wettbewerbsfähigkeit der EU soll verbessert werden. "Hierzu werden die einschlägigen Organe der EU und die Mitgliedstaaten alles tun, um den Binnenmarkt in vollem Umfang zu errichten und zu stärken sowie ihn so anzupassen, dass er mit dem sich wandelnden Umfeld Schritt hält." Der Europäische Rat versprach hierzu Schritte zu einer besseren Rechtsetzung; der Verwaltungsaufwand soll gesenkt, unnötige Rechtsvorschriften sollen aufgehoben werden. Dabei sollen die EU-Standards in Bezug auf Verbraucher - Arbeitnehmer-, Gesundheits- und Umweltschutz jedoch bewahrt werden.
Ist das Referendum am 23. Juni das erste britische Mitgliedschaftsreferendum?
Die Parallelen und Unterschiede zwischen dem Referendum 1975 und dem 2016 analysiert Mathias Haeussler. Weiter...
Seit wann ist ein Austritt aus der Europäischen Union möglich?
Hat bisher jemals ein Mitgliedstaat die Europäische Union verlassen?
Allerdings hielt Grönland, eine autonome Region Dänemarks, am 23. Februar 1982 ein Referendum über den Verbleib in den Europäischen Gemeinschaften (EG) ab. 1973 war Dänemark und damit auch Grönland den EG beigetreten. Nachdem die Insel 1979 mehr Autonomie gewonnen hatte, stimmten neun Jahre nach dem Eintritt 52 Prozent der Grönländer für einen Austritt aus den Gemeinschaften. Nach mehrjährigen Verhandlungen trat Grönland am 1. Februar 1985 aus den EG aus.
Die möglichen Folgen
Welche Folgen hätte der Brexit?
Der britische Austritt aus der EU würde zuerst einmal eine "Phase der Unsicherheit" nach sich ziehen, so Almut Möller, Leiterin des Berliner Büros des European Council on Foreign Relations. Sie befasst sich in ihrem Beitrag zum Dossier mit den politischen Folgefragen eines Brexit für Großbritannien und die EU. Weiter...
Aber auch wirtschaftlich hätte der Brexit weitreichende Folgen. Die EU ist der wichtigste Handelspartner des Vereinigten Königreichs. Sollte der europäische Binnenmarkt für die Briten nicht mehr frei zugänglich sein, müssten neue Abkommen getroffen werden. In seinem Beitrag zum Dossier befasst sich Wirtschaftskorrespondent Marcus Theurer mit den möglichen wirtschaftlichen Folgen eines Brexit. Weiter...
Einer der wichtigsten Wirtschaftszweige für Großbritannien ist der Finanzsektor, der oft "City of London" genannt wird, da der Londoner Altstadtbezirk ein traditioneller Standort für Banken ist. Mit Gewinnern und Verlierern eines Brexit im Bereich der Finanzwirtschaft setzt sich Ökonom Christian Odendahl auseinander. Weiter...
Was passiert, wenn die britischen Landesteile sich am Tag des Referendums unterschiedlich entscheiden?
Wales
In Wales halten sich Unterstützer und Gegner eines Brexit laut aktuellen Umfragen die Waage. Einige Abgeordnete der Conservative Party, der Labour Party und der Liberal Democrats sowie die walisische Mitte-Links-Partei Plaid Cymru unterstützen die Kampagne "Britain Stronger in Europe" bzw. ihren walisischen Arm "Wales Stronger in Europe". "Vote Leave" wird von einigen konservativen und vereinzelten Labour-Abgeordneten sowie von der UK Independence Party (UKIP) unterstützt, auch sie hat einen walisischen Arm: "Vote Leave Cymru". Welsh Labour, Plaid Cymru und die Liberal Democrats führen darüber hinaus ihre eigenen Kampagnen für den Verbleib in der EU.
Die Brexit-Gegner in Wales wie der Erste Minister Carwyn Jones betonen, dass Wales wirtschaftlich auf die Gelder aus Brüssel angewiesen sei. Er befürchtet das Ende der walisischen Landwirtschaft sei gekommen, falls es zum Ausstieg kommt. Denn Wales soll zwischen 2014 und 2020 Agrarsubventionen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro erhalten. Auch profitiert Wales vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, mit dem die EU strukturell schwache Regionen unterstützt. Brexit-Befürworter argumentieren hingegen, dass die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union extrem bürokratisch sei und die finanzielle Unterstützung durch die britische Regierung im Falle eines Brexit sogar steigen könnte.
Schottland
Während sich in England und Wales Befürworter und Gegner des Brexit ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, ist die Mehrheit der Schotten für einen Verbleib in der EU. 76 Prozent der schottischen Wählerinnen und Wähler sprachen sich laut einer Umfrage der linksliberalen Tageszeitung "Daily Record" im Mai für den Verbleib aus. Auch das schottische Parlament positionierte sich Ende Mai gegen den Brexit: Bei einer Abstimmung stimmten 106 Abgeordnete für und acht gegen den Verbleib. EU-Befürworter hoffen, dass Schottland am 23. Juni zum Zünglein in der Waage wird. Da in Schottland nur 5,4 Millionen der 64,6 Millionen Einwohner Großbritanniens leben, könnten die Schotten im Referendum jedoch auch leicht überstimmt werden. Für diesen Fall hält die Vorsitzende der Scottish National Party (SNP) und Regierungschefin Nicola Sturgeon eine weitere Abstimmung über die schottische Unabhängigkeit für "so gut wie sicher". Denn erst als unabhängiges Land könnte Schottland erneut Mitglied der EU werden.
Nordirland
Auch die Mehrheit der Nordiren scheint gegen den Brexit zu sein: Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos Mori von Anfang Mai waren 44 Prozent der mehr als 1.000 Befragten der Meinung, dass das Vereinigte Königreich außerhalb der EU schwächer wäre, während 20 Prozent der Aussage zustimmten, Großbritannien wäre ohne die EU gestärkt. Vier der fünf etablierten nordirischen Parteien unterstützen den Verbleib Großbritanniens in der EU. Nur die Democratic Unionists Party (DUP), welche die Mehrheitspartei in Nordirlands Regierung ist, spricht sich für einen Brexit aus. Wie in Schottland, könnte es im Falle eines Brexit auch in Nordirland zu einem Referendum kommen: Martin McGuinness, Stellvertretender Erster Minister Nordirlands und Mitglied der republikanisch-nationalistischen Sinn Féin, möchte die Bevölkerung dann über die Wiedervereinigung Nordirlands und Irlands abstimmen lassen. Diese wäre aber wohl kaum mehrheitsfähig: Umfragen in der nordirischen Bevölkerung zeigen eine kontinuierlich hohe Zustimmung für einen Verbleib in Großbritannien.