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"Erinnern mit Games" – geht das?

Leonie Meyer

/ 5 Minuten zu lesen

Anknüpfend an die Konferenz "Erinnern mit Games" der Stiftung Digitale Spielekultur haben wir uns drei der dort vorgestellten Spiele genauer angesehen – und sowohl die Entwicklerteams als auch Expertinnen und Experten zur Eignung in der politisch-historischen Bildungsarbeit befragt.

Das Open-World-Game "Curious Expedition 2" spielt in einer fiktiven Umgebung, die dem 19. Jahrhundert in der Zeit des Imperialismus nachempfunden wurde. (© Maschinen-Mensch)

Externer Link: Erinnern mit Games ist eine Initiative der Externer Link: Stiftung Digitale Spielekultur, die sich der Frage widmet, wie digitale Spiele zur Erinnerungskultur beitragen können. Am 24. Juni 2021 fand die gleichnamige digitale Konferenz statt, die durch die Externer Link: Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft (EVZ) gefördert wurde. Im ersten Teil der Veranstaltung diskutierten Expertinnen und Experten darüber, inwiefern digitale Spiele zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus geeignet sind. Im zweiten Teil wurden beispielhafte Spiele live vorgespielt und hinsichtlich ihres erinnerungskulturellen Potenzials diskutiert. Drei dieser Spiele stellen wir im Folgenden vor und lassen Expertinnen und Experten sowie die Entwicklerteams zu Wort kommen.

Externer Link: Curious Expedition 2

Curious Expedition 2

(© Maschinen-Mensch) (© Maschinen-Mensch) (© Maschinen-Mensch) (© Maschinen-Mensch)

Über das Spiel

"Curious Expedition 2" stammt von dem deutschen Spielentwickler-Studio Maschinen-Mensch und erschien im Jahr 2020. Das kommerzielle Open-World-Game spielt in einer fiktiven Umgebung, die dem 19. Jahrhundert in der Zeit des Imperialismus nachempfunden wurde. Die Spielenden erkunden in mehreren Expeditionen die Umgebung und können dabei Missionen meistern oder Schätze erbeuten und somit Ruhm erspielen. Während der Expeditionen büßen sie durch die Fortbewegung an Kraft ein. Um dem entgegenzuwirken, können sie sich durch Aufenthalte in Dörfern stärken, allerdings verlieren sie dadurch an Ansehen. Die Spielerinnen und Spieler werden mit dem Dilemma konfrontiert, sich zwischen der Ausbeutung der indigenen Bevölkerung und dem Verlust des eigenen Rufs zu entscheiden. Sie schlüpfen dabei in die Rolle eines (potenziellen) Kolonialverbrechers und können das Game ergebnisoffen spielen. Curious Expedition 2 ist ab 12 Jahren freigegeben und kann aktuell am PC und auf der Nintendo Switch gespielt werden.

Eignung in der Bildungsarbeit

Das sagt der Mit-Entwickler Riad Djemili von Maschinen-Mensch:

"In Curious Expedition 2 werden Themen wie Entdeckung, Kulturschätze und Ausbeutung im 19. Jahrhundert verarbeitet. Durch die spielerische und mit fantastischen Elementen angereicherte Gestaltung soll es auch Spielende erreichen, die Spiele nicht nur aufgrund ihres Bildungswertes spielen und diese zur Reflexion anstoßen. In der Bildungsarbeit empfehlen wir das Spiel begleitend zu besprechen."

Das sagt Felix Zimmermann, Mitglied des Leitungsgremiums des Arbeitskreises Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele:

"Stärker noch als sein Vorgängerspiel fällt Curious Expedition 2 durch eine starke Fiktionalisierung des vergangenheitsbezogenen Settings auf. Auf ihren Expedition treffen Spielende so beispielsweise auf indigene Bevölkerungen, die durch Echsenmenschen oder menschenähnliche Maulwurfswesen dargestellt werden. Der Bezug zur realweltlichen Kolonialgeschichte bleibt so abstrakt, lässt sich aber gewiss durch didaktische Einordnung herstellen. Produktiv ist eine Auseinandersetzung mit Curious Expedition 2 in jedem Fall, weil es eine Geschichte über Kontakt und Umgang mit dem Unbekannten erzählt und die Frage danach stellt, ob und wie ein ethischer Umgang mit Fremden möglich ist."

Externer Link: The Inner World 2

The Inner World 2

(© Fizbin) (© Fizbin) (© Fizbin) (© Fizbin)

Über das Spiel

"The Inner World 2" ist ein 2017 erschienenes, kommerzielles Spiel vom deutschen Studio Fizbin. In dem Adventure-Spiel begeben sich die Spielerinnen und Spieler auf die Suche nach dem "letzten Windmönch“, um die bedrohten Flötennasen und das Land Asposien vor dem Diktator Conroy und seiner Anhängerschaft zu retten. Das Spiel versteht sich als eine Parabel auf die deutsche Gesellschaft zu Zeiten des Nationalsozialismus. Die Spielerinnen und Spieler schlüpfen in drei verschiedene, wechselbare Heldenrollen und lösen verschiedene Rätsel. Das storybasierte Game kann am PC, auf der Playstation 4/5, der Xbox One sowie auf Smartphones und Tablets mit Android- oder iOS-Betriebssystem gespielt werden und ist ab 6 Jahren freigegeben.

Eignung in der Bildungsarbeit

Das sagt einer der Entwickler, Sebastian Hollstein vom Studio Fizbin:

"The Inner World 2 eignet sich sehr gut für die historisch/politische Bildungsarbeit, weil es vor allem Empathie schafft. Die Spielerinnen und Spieler können durch die Augen einer anderen Person blicken, die von der asposischen Gesellschaft etwa als 'andersartig' und 'nicht gleichwertig' eingestuft wird. Gerade die Verbrechen des Nationalsozialismus sind so groß, dass sie als umfassender Komplex fast nicht greifbar oder spürbar zu machen sind – so müssen wir die Menschen auf unterschiedlichsten Wegen erreichen, beispielsweise auch in der Auslassung eines direkten Bezugs auf das NS-Regime. Das Erwecken von Mitgefühl und Verständnis durch den Perspektivwechsel, zum Beispiel in einem Computerspiel, ist universell und birgt großes Potenzial für die Erinnerungskultur."

Das sagt Peter Färberböck, Doktorand der Uni Salzburg, der zu Hexerei und Magie in Digitalen Spielen forscht:

"'The Inner World 2 - Der letzte Windmönch' stellt die Konzepte Diktatur, Faschismus und den Holocaust zugänglich, kritisch sowie niederschwellig dar und ist somit auch für ein jüngeres Zielpublikum geeignet. Das Spiel schafft es, schon in den ersten Minuten in die Thematik einzuführen und bietet so einen Impuls zur Diskussion für viele Altersgruppen. Durch die humorvolle Präsentation wirken jedoch der Diktator und sein Regime eher harmlos und Verschwörungsmythen werden zumindest teilweise normalisiert. So scheint etwa der 'Aluhutträger' in der Spielwelt zwar verwirrt zu sein, hat aber letztlich als einziger recht, denn sein Mythos entspricht der abstrusen Wahrheit. In Kombination mit der leichtherzigen Darstellung kann das falsch verstanden werden und müsste didaktisch entsprechend begleitet werden."

Externer Link: Jessika

Jessika

(© TriTrieGames) (© TriTrieGames) (© TriTrieGames) (© TriTrieGames)

Über das Spiel

"Jessika" ist ein kommerzielles Spiel vom deutschen Spielentwicklerteam TriTrieGames aus dem Jahr 2020. Die Spielerinnen und Spieler treten als Mitglied einer Hacker-Community auf, deren Aufgabe es ist, den Suizid einer jungen Frau namens Jessika aufzuklären. Das Spiel ist gespickt mit Full-Motion-Sequenzen, bei denen Jessika, gespielt von der Schauspielerin Lisa Sophie Kusz, von sich erzählt. Um auf die Videos zugreifen zu können, müssen die Spielenden zunächst einige Rätsel lösen. Im Verlauf des Spiels finden die Spielerinnen und Spieler über Jessikas Festplatte immer mehr Details über ihr Leben heraus und vollziehen dabei ihren Weg in die rechtsradikale Szene nach. Die dargestellte Geschichte ist an Begebenheiten des NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) angelehnt. Das Spiel kann am PC oder auf der Nintendo Switch gespielt werden und ist ab 12 Jahren freigegeben.

Eignung in der Bildungsarbeit

Das sagt einer der Entwickler, Seren Besorak von TriTrieGames:

"Jessika eignet sich gut für die Bildungsarbeit, da es Menschen an das Thema 'gesellschaftliche Radikalisierungsprozesse' heranführt und zu konstruktivem Dialog und Mediation einlädt – das ist jedoch nur ein Teilaspekt. Die Spielenden benötigen zusätzlich zwischenmenschlichen Austausch und eine moderierte Nachbereitung der gegebenen Spielinhalte. In Gemeinschaftsarbeiten können neue Impulse in den Bereichen Ethik, Soziales, Religion sowie Sprache bei den Spielenden gesetzt werden und kreative Inhalte erarbeitet werden."

Das sagt Aurelia Brandenburg, Mediävistin mit Schwerpunkt Digital Humanities:

"'Jessika' ist ein Paradebeispiel dafür, dass Spiele ein Werkzeug in politischer oder historischer Bildungsarbeit sein können, der Erfolg seines Einsatzes aber noch immer entschieden davon abhängt, wer dieses Werkzeug wie einsetzt. Das Spiel eröffnet z.B. durch die Spielmechanik des Aufdeckens von Videos und damit Elementen der erzählten Geschichte über frei wählbare Suchbegriffe eine schöne Möglichkeit zur Interaktion und Reflexion über die erzählte Radikalisierung der Protagonistin. Es individualisiert dadurch aber auch eben diese Radikalisierung stark bis hin zur impliziten Folgerung, dass Jessikas Vergewaltigung an ihrer Radikalisierung schuld sei. Diese Grenzen, an die das Spiel zwangsweise stößt, können zwar durch eine entsprechend intensive Einordnung aufgelöst werden. Diese Einordnung muss aber gut gemacht und durchdacht sein, um nicht ungewollt zu einer Verharmlosung von rechter Radikalisierung beizutragen."

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Leonie Meyer ist Redakteurin für werkstatt.bpb.de. Daneben studierte sie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Master Politikwissenschaft. Ihr thematischer Schwerpunkt liegt auf den Wechselwirkungen von Sozialen Netzwerken und Politik bzw. politisch-historischer Bildung.