Lange fristete die Schülerzeitung ausschließlich ein gedrucktes Dasein. Schon immer wurde dort gestritten, kritisiert, provoziert, oft mutiger als in anderen schulischen Kontexten. Was sich heute ändert, ist weniger der Ton als die Form. Immer mehr Redaktionen verlagern ihre Arbeit ins Digitale. Die Schülerinnen und Schüler produzieren Videos, starten Umfragen auf Instagram oder führen dort Interviews. Aus Schülerzeitungen können digitale Experimentierräume werden, Orte, an denen Schülerinnen und Schüler erproben, wie eine Haltung klingt, die über den eigenen Schulhof hinausgetragen wird.
Die Jugendpresse Deutschland, der Dachverband für junge Medienmachende, spürt diese Bewegung mit jeder neuen Wettbewerbsrunde ihres bundesweiten Schülerzeitungswettbewerbs deutlicher. 2025 wurden aus rund 700 Einsendungen 30 Redaktionen ausgezeichnet, darunter fünf in der Kategorie Online, eine für jede Schulform. Immer mehr Redaktionen sehen digitale Angebote als sinnvolle Ergänzung zu ihrem gedruckten Heft, einige Printausgaben haben sie schon heute abgelöst. Wie viele Online-Redaktionen es in ganz Deutschland gibt, lässt sich jedoch nicht beziffern. Schülerzeitungen müssen sich nämlich nirgendwo registrieren, sie verschwinden regelmäßig oder erfinden sich neu.
Hin zur Netzöffentlichkeit
Natürlich haben gedruckte Zeitungen ihren Reiz. Das Rascheln der Seiten, der Geruch der frisch gedruckten Ausgabe oder das Blättern in der großen Pause. In der Schule, wo es nicht darum geht, mit einem Zeitungsprojekt Geld zu verdienen, ist der wirtschaftliche Druck nicht so hoch. Das begünstigt die gedruckte Presse. In vielen Schulen ist zudem die Handynutzung im Unterricht und oft auch in den Pausen untersagt. Damit fehlt im Schulalltag die selbstverständliche Verbindung zum Digitalen. So sorgen die Regeln zum Umgang mit digitalen Medien dafür, dass es wohl noch etwas dauern wird, bis die gedruckte Schülerzeitung abgelöst wird.
Trotzdem: Gerade neu gegründete Schülerzeitungen fokussieren sich immer häufiger von Anfang an auf den digitalen Raum. Diese digitalen Schülerzeitungen sind offene Werkstätten, in denen Texte mit Videos, Audios mit Memes, Live-Streams mit spontanen Umfragen verschmelzen.
Dass der Schritt ins Netz sinnvoll ist, zeigt ein Blick auf die Medienwirklichkeit der Jugendlichen. Die Externer Link: JIM-Studie 2024, die jährlich den Medienumgang von 12- bis 19-Jährigen untersucht, macht deutlich: Keine andere Tätigkeit ist so fest im Alltag verankert wie die Smartphone-Nutzung. 93 Prozent der Befragten gebrauchen das Gerät täglich, 90 Prozent gehen regelmäßig online. Plattformen wie Instagram, YouTube und TikTok sind für etwa ein Drittel feste Nachrichten- und Informationsquellen. Vor diesem Hintergrund werden digitale Schülerzeitungen zu zeitgemäßen Resonanzräumen. Und: Jugendliche erleben die Mechanismen sozialer Netzwerke dabei auch als aktive Gestaltende. Sie lernen, wie Reichweite entsteht und welche Inhalte Aufmerksamkeit erzeugen.
Übungsfeld für demokratische Teilhabe
Schon immer war die Schülerzeitung ein Ort für Fragen. Wessen Stimme wird in der Schulgemeinschaft gehört? Und: Was sollte Schule sein? Im Digitalen treten diese Fragen deutlicher zutage, denn digitale Formate sind niedrigschwellig und zugleich weitreichend. Sie werden zu Übungsfeldern für demokratische Streitkultur, für das Aushalten von Widersprüchen und für das Ringen um Positionen. Allerdings müssen dabei auch die Risiken des digitalen Raums berücksichtigt werden: Diskussionen, die online geführt werden, sind oft schärfer und weniger kontrolliert. In Kommentarspalten kommt es nicht selten zu persönlichen Angriffen und Hassrede. Für junge Redaktionen bedeutet das, sich mit Fragen der Moderation und der digitalen Zivilcourage auseinandersetzen zu müssen. Auch das gehört zur Realität journalistischer Arbeit im Netz.
Darin liegt auch ihr bildungspolitisches Potenzial. Immer mehr Kinder und Jugendliche leiden unter sogenannter News Fatigue: Sie fühlen sich von der Informationsflut überfordert. Besonders betroffen von dieser Müdigkeit gegenüber Nachrichten, ebenfalls laut der der JIM-Studie 2024, sind Mädchen, jüngere Jugendliche, Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund sowie solche an Haupt- und Realschulen. So gewinnen Formate an Bedeutung, die zum einen informieren, aber auch zur gemeinsamen Auseinandersetzung einladen. Der Schülerzeitung gelingt genau das, indem sie einen Diskurs in der Schulgemeinschaft anregt. Ob es um den Zustand der Schultoiletten geht oder das neue Handynutzungsverbot: Die Schülerzeitung setzt Impulse, benennt Probleme, fragt nach und eröffnet Räume für Diskussion. Sie macht deutlich, dass Nachrichten etwas mit dem eigenen Umfeld zu tun haben und dass jede Meinung zählt, wenn sie begründet wird.
Warum online?
Vier Gründe sprechen für den digitalen Weg:
1. Reichweite und Sichtbarkeit
Gedruckte Zeitungen erreichen oft nur eine kleine Gruppe an Leserinnen und Lesern innerhalb der Schule. Online-Inhalte hingegen können sich weit darüber hinaus entfalten. So wirken junge Menschen mit ihren Ideen und Perspektiven nicht nur auf dem Schulhof, sondern auch in ihrer Stadt, in gesellschaftlichen Diskursen allgemein und mit etwas Glück sogar noch am anderen Ende der Welt – gleichzeitig bringt diese Offenheit digitaler Räume Risiken mit sich, wie beispielsweise Anfeindungen.
2. Teilhabe
Digitale Publikationen schaffen neue Formen der Teilhabe. Nicht jede Person schreibt gern. Manche filmen lieber, andere sprechen, wieder andere basteln Sounds oder gestalten interaktive Grafiken. Eine digitale Schülerzeitung öffnet all diese Räume. Damit spiegelt sie die vielfältigen Kompetenzen einer Schulgemeinschaft wider.
3. Flexibilität und Zeitmanagement
Bei einer digitalen Schülerzeitung können Fehler sofort korrigiert werden. So muss sich niemand mehr über das falsch gesetzte Komma ärgern, das sich in 300 gedruckte Exemplare eingeschlichen hat. Eine digitale Schülerzeitung hat außerdem keinen Redaktionsschluss. Beiträge erscheinen dann, wenn sie fertig sind. Dass es keinen Abgabetermin gibt, nimmt Druck raus. Es erlaubt aber auch, viel tagesaktueller zu berichten. So werden Konsumentinnen und Konsumenten kontinuierlich angesprochen.
4. Ökologie und Ökonomie
Digitale Schülerzeitungen sparen Ressourcen. Sie kommen ohne Papier aus, benötigen keine Druckerei und vermeiden unverkaufte und ungelesene Restexemplare. Und: Online-Medien erleichtern einer Redaktion auch den Einstieg. Statt hoher Druckkosten gibt es nur geringe Ausgaben für die Webseiten-Infrastruktur, die meist bei wenigen Euro im Monat liegen. Nicht zuletzt wird die Software für den Bau von Webseiten immer einfacher, was den Schülerinnen und Schülern so manches technisches Ärgernis erspart.
Die Stärken digitaler Schülerzeitungen zeigen sich also in vielerlei Hinsicht. Dass sie längst erfolgreich umgesetzt werden, zeigen Beispiele aus dem Schülerzeitungswettbewerb der Länder. Immer wieder werden im Wettbewerb Redaktionen ausgezeichnet, die das Potenzial crossmedialer Formate konsequent ausschöpfen. Die Redaktion „eigenleben“ der Klara-Oppenheimer-Schule in Würzburg etwa verknüpft auf ihrer Externer Link: Website Online-Artikel mit Inhalten auf X (ehemals Twitter), Facebook und LinkedIn. So entsteht ein Netzwerk, das verschiedene Öffentlichkeiten miteinander verbindet. Auch die Schülerzeitung „Externer Link: Coole Schule“ der Gemeinschaftsgrundschule Ründeroth in Engelskirchen beweist, dass crossmedialer Journalismus keine Frage des Alters ist. Ihre Beiträge reichen von kurzen Videoclips über ein eigenes Podcast-Format bis hin zu Online-Artikeln, die alle in einem lebendigen, gut strukturierten Auftritt gebündelt sind. Die Schülerzeitung des Landgraf-Ludwigs-Gymnasiums in Gießen verbindet Aktualität mit Social Media: Die Redaktion berichtet über nationale Themen wie die Wahlprogramme der Parteien ebenso wie über das Schulleben, etwa mit einer Vorstellung des neuen Schulsprechers.
Tipps für die digitale Schülerzeitung
Ist die Entscheidung gefallen, die Schülerzeitung online zu bringen, stellt sich zuerst die Frage nach der technischen Basis. Für den Einstieg eignen sich Plattformen wie digi.reporter (kostenpflichtig), die datenschutzkonform, intuitiv und mit klarer Rollenverteilung funktionieren. Fortgeschrittene Redaktionen können mit WordPress (Gratisversion verfügbar) oder Jimdo (Gratisversion verfügbar) arbeiten. Das sind Baukasten-Systeme, die eine größere gestalterische Freiheit bieten. Wer noch einen Schritt weiter gehen möchte, kann eine eigene Website programmieren, muss dabei aber erheblich mehr Zeit und technisches Wissen einplanen. Alternativ lässt sich auch der Webspace der Schule nutzen; hier übernimmt die Schule jedoch Mitverantwortung für alle Inhalte.
Ist die Grundstruktur geschaffen, folgt die interne Organisation. Für die Kommunikation eignet sich der Messengerdienst Slack (Gratisversion verfügbar), in dem sich thematische Unterkanäle einrichten lassen, die den Überblick erleichtern. Die Aufgabenplanung gelingt übersichtlich mit Trello (Gratisversion verfügbar): Aufgaben lassen sich dort verschiedenen Schritten zuordnen, erledigte Punkte abhaken und der Fortschritt bleibt für alle transparent. Erste Ideen und Brainstormings können in Padlet (Gratisversion verfügbar) oder Etherpad (kostenfrei) gesammelt werden. Die quelloffene Cloud-App Nextcloud bringt neben einer Dateiablage auch Erweiterungen für die Kommunikation und Projektorganisation mit, erfordert aber etwas mehr Zeit in der Installation und Einrichtung.
Für den Social-Media-Auftritt ist eine grundlegende Strategie entscheidend: Soll die Schülerzeitung neue Mitglieder gewinnen oder Reichweite aufbauen? Gibt es ein Marketing-Budget, um einzelne Beiträge zu bewerben? Die Wahl der Kanäle hängt von der Zielgruppe ab. Der Trend geht klar zu Bewegtbild-Content und Storytelling, allerdings muss der Aufwand-Nutzen-Faktor stets mitgedacht werden. Tools wie Instagram Insights (kostenfrei) helfen, Zielgruppen und den Erfolg einzelner Beiträge zu analysieren.
Was bei kostenlosen Apps und Angeboten zu beachten ist
Die Nutzung von Apps und Angeboten wie Slack, Trello, Canva oder Buffer ist zwar in den Basisversionen häufig kostenfrei, es werden jedoch verschiedene Daten aus dem Nutzungsverhalten erhoben. Wenn Nutzerinnen und Nutzer zusätzlich mit einem Account angemeldet sind, werden darüber hinaus auch die personenbezogenen Daten des Accounts ausgewertet. Diese werden unterschiedlich lange gespeichert und mitunter an Dritte weitergegeben, etwa zu Werbezwecken.
Die Datenschutzeinstellungen für die genannten Tools können Nutzerinnen und Nutzer unter den folgenden Links nachlesen und verwalten:
Externer Link: Slack
Externer Link: Trello
Externer Link: Canva
Externer Link: Buffer
Der Rahmen, der Freiheit ermöglicht
Wo digitale Schülerzeitungen Haltung zeigen, Öffentlichkeit herstellen und Diskursräume eröffnen, rückt ein Thema fast automatisch mit ins Zentrum: die Verantwortung. Denn wer mit Sprache und Bildern Öffentlichkeit gestaltet, betritt auch juristisches Terrain.
Rechtlich gesehen müssen Schülerzeitungen nicht genehmigt, sondern lediglich in einigen Bundesländern angemeldet werden. Detailfragen sind in den Schulgesetzen unterschiedlich geregelt. So gehen etwa die Voraussetzungen für ein mögliches Vertriebsverbot auf dem Schulhof auseinander. Nur unter ganz speziellen Auflagen darf die Schulleitung so etwas anordnen, meist braucht es einen Beschluss der Schulkonferenz, in der auch Schülerinnen und Schüler sowie Eltern sitzen.
Was überall gleich ist: Die Herausgebenden und Redakteurinnen und Redakteure tragen die volle presse-, straf- und zivilrechtliche Verantwortung für ihre publizistische Arbeit . Ihre Freiheit endet dort, wo Rechte anderer verletzt werden. Kritik ist erlaubt, Diffamierung nicht. Es gilt eben das, was für jede andere Zeitung am Kiosk auch gilt.
Dass diese Freiheit heute selbstverständlich erscheint, ist das Ergebnis historischer Erfahrungen. Auch Schülerzeitungen wurden zur Zeit des Nationalsozialismus verboten. Ganz im Sinne der Gleichschaltung trat die "Hilf mit!" an ihre Stelle, ein Propagandablatt des Nationalsozialistischen Lehrerbundes.
Heute schützt das Grundgesetz in Artikel 5 die Pressefreiheit und gewährt damit auch Schülerinnen und Schülern das Recht, ihre Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern. Eine Schülerzeitung darf demnach genauso wenig zensiert werden wie jede andere Zeitung. Denn was hier entsteht, ist gelebte Pressefreiheit.