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Die Entwicklung des Erdgaspreises | Energiepolitik | bpb.de

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Die Entwicklung des Erdgaspreises

Sebastian Schröer

/ 7 Minuten zu lesen

Erdgas ist einer der wichtigsten Energieträger in Deutschland und hat in den vergangenen Jahren stetig an Bedeutung gewonnen. Erdgas kann flexibel eingesetzt werden und hat eine bessere Klimabilanz als Kohle oder Öl. Die hohen Transportkosten könnten in Zukunft sinken, doch die steigende Nachfrage wird den Preis nach oben treiben.

Ein Arbeiter inspiziert Röhren für den Bau der Pipeline "Nord Stream" von Russland nach Deutschland, quer durch die Ostsee. Auf diese und ähnliche Pipelines ist Deutschland derzeit angewiesen, doch könnte der zukünftige Transport von Erdgas im flüssigen Zustand (LNG - Liquefied Natural Gas) die Abhängigkeit von solchen Pipelines lösen und somit auch den Gaspreis verändern. (© Nord Stream AG)

Abb. 1: Energiemix des Primärenergieverbrauchs in Deutschland (2012, in Prozent) (© bpb)

Neben Erdöl, Kohle sowie den stetig wachsenden erneuerbaren Energien ist Erdgas der derzeit bedeutendste Energieträger in Deutschland (Abb. 1). Erdgas wird vornehmlich zur Stromerzeugung und zur Wärmebereitstellung genutzt. In jüngster Zeit gewinnt Erdgas aber auch als Treibstoff für Fahrzeuge an Bedeutung.

Wie bei allen anderen fossilen Energieträgern ist Deutschland auch beim Erdgas wesentlich auf Importe angewiesen (Abb. 2). Deutschland importiert Erdgas vor allem aus technischen Gründen vornehmlich durch große Rohrleitungen, so genannten Pipelines. Daher spiegelt der Anteil der Lieferländer an den deutschen Gasimporten nicht notwendigerweise die Verteilung der weltweiten Erdgasreserven wider (Abb. 3).

Hohe Transportkosten führen zu sehr unterschiedlichen Preisen

Abb. 2: Verteilung der Erdgasimporte nach Deutschland (2011, in Prozent) (© bpb)

Ebenso wie Erdöl und andere Energieträger wird Erdgas an Börsen gehandelt. Angebot und Nachfrage bestimmen dann den Preis. Allerdings gibt es im Unterschied zu Erdöl keinen weltweit gültigen Preis für Erdgas, denn derzeit gibt es keinen weltweiten Markt. Vielmehr wird Erdgas in vielen kleinen regionalen Märkten gehandelt, die meist einzelne oder aneinander grenzende Staaten umfassen. Teilweise gibt es auch innerhalb von einzelnen Staaten getrennte Märkte. Die Folge davon ist, dass es derzeit viele verschiedene Preise gibt, die für einzelne Regionen der Welt gelten. Der Grund hierfür ist der aktuelle Stand der Technik. Während man Erdöl mit großen Tankschiffen, Zügen und Lastkraftwagen zu jedem beliebigen Ort auf der Welt bringen kann, ist dies mit Erdgas nicht so einfach möglich, da Gase generell andere Eigenschaften haben als Flüssigkeiten. Durch den höheren technischen Aufwand sind die Kosten des Transports von Erdgas sehr hoch. Dies macht es häufig unwirtschaftlich, Erdgas über lange Strecken zu transportieren. Als Folge wird Erdgas meist in der Nähe seiner Förderung oder entlang einer Pipeline verbraucht, wodurch sich von einander getrennte Märkte herausbilden.

Abb. 3: Nachgewiesene Erdgasreserven weltweit (2011, in Trillionen Kubikmeter) (© bpb)

Ein großer Nachteil dieser Märkte sind die Preisunterschiede. Diese orientieren sich an den Kosten für den Transport. Wären die Transportkosten sehr gering, würde sich die Möglichkeit ergeben, bei einem anderen Anbieter in einer anderen Gegend zu kaufen. Das würde Druck auf den heimischen Anbieter ausüben, die eigenen Preise gering zu halten, um keinen Kunden zu verlieren. Dieser Zusammenhang lässt sich bei Erdöl sehr gut sehen: Interner Link: Obwohl Erdöl weltweit an vielen verschiedene Orten unter sehr unterschiedlichen Bedingungen und damit Kosten gefördert wird, gibt es weltweit nur einen Preis für Erdöl. Dies ist möglich, weil die Transportkosten im Vergleich zum Rohölpreis sehr gering sind. Da dies für Erdgas nicht gilt, können sich hohe Unterschiede zwischen den verschiedenen regionalen Märkten herausbilden.

Die Ölpreisbindung

Als Folge der hohen Transportkosten ist ein weiteres Merkmal für die Preisbildung von Erdgas in Deutschland bedeutsam: Die Ölpreisbindung. Typischerweise bilden sich Preise, indem das Angebot auf die Nachfrage trifft. Neben den Kosten für Förderung und Transport für Erdgas ist auch der Preis für andere Energieträger wichtig, die aus Sicht der Kunden Erdgas ersetzen können. So wird beispielsweise ein Hauseigentümer vor Einbau einer Heizung den Preis von Erdgas mit dem von Heizöl und anderen Heizarten vergleichen, bevor er eine Entscheidung trifft. Diese wechselseitigen Beziehungen sorgen dafür, dass die Preise von Energieträgern, die miteinander im Wettbewerb stehen, nahe beieinander liegen. Die hohen Transportkosten können dieses Marktergebnis jedoch verzerren.

Zur Versorgung Deutschlands mussten Pipelines gebaut werden, was mit hohen Kosten verbunden war. Die beteiligten Unternehmen, die Lieferanten und auch die Abnehmer gingen mit dem Bau der Pipelines ein hohes Risiko ein, da unklar war, ob sich Erdgas durchsetzen und wie hoch der Preis zukünftig sein würde. Es bestand die Gefahr, dass entweder die Preise für Abnehmer zu hoch oder die Einnahmen für die Lieferanten zu gering sein würden und sich die hohen Kosten für den Bau der Pipelines nicht gelohnt haben würden. Daher einigte man sich vor dem Bau der Pipelines auf eine Bindung des Preises von Erdgas an dem von Erdöl. Dies hat das Risiko der Unternehmen deutlich verringert. Da der Erdgaspreis mit dem Ölpreis steigt, aber eben auch sinkt, ist die Bindung für beide Seiten annehmbar und daher sinnvoll, solange es keinen weltweiten Markt für Erdgas gibt. Aufgrund der langen Laufzeiten von 20 bis 30 Jahren gelten diese Verträge bis heute. In der Zwischenzeit wurde bei neuen Verträgen die Ölpreisbindung dann beibehalten.

Durch die Ölpreisbindung sind auch die Schwankungen des Erdgaspreises zu erklären. Weil es einen Weltmarkt für Erdöl gibt, führt jedes Ereignis an einem beliebigen Ort der Welt, das sich auf das Angebot oder die Nachfrage von Erdöl auswirkt, zu Änderungen des Ölpreises. So lässt beispielsweise die Ferienzeit die Nachfrage nach Benzin steigen, was zu einem höheren Ölpreis führt. Andererseits würde der Fund eines neuen Ölfeldes in Arabien den Preis sinken lassen. Über die Bindung des Erdgaspreises an den Ölpreis lassen solche Ereignisse den Gaspreis schwanken, obwohl keine tatsächliche Änderung auf den Markt für Erdgas eingetreten ist. Jedoch würde der Erdgaspreis auch ohne Ölpreisbindung schwanken, da auch das Angebot und die Nachfrage nach Erdgas Änderungen unterworfen sind. So stiege beispielsweise der Erdgaspreis im Winter, da dann mehr geheizt und Strom erzeugt werden müsste. Das Wetter hätte damit Einfluss auf den Preis, da sich Temperaturschwankungen auf die Nachfrage auswirken. Insgesamt würde jedes Ereignis, dass sich auf Angebot und Nachfrage von Erdgas auswirkt, zu Preisschwankungen führen.

Heute hat die Ölpreisbindung bei der Belieferung von Endkunden keine direkte Bedeutung mehr. Seit der Liberalisierung der Energiemärkte herrscht Wettbewerb im Erdgasmarkt, das heißt jeder Kunde hat die Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Lieferanten. Damit sind im Wettbewerb um Endkunden nur noch die Kosten und der Service des Lieferanten entscheidend. Eine Preiserhöhung mit Hinweis auf gestiegene Ölpreise ist daher nicht mehr möglich. Allerdings ist die Ölpreisbindung indirekt noch bedeutsam, da sie in den älteren Verträgen mit ausländischen Lieferunternehmen festgeschrieben ist und noch immer gilt. Typischerweise sind Unternehmen, die in Deutschland Endkunden beliefern Handelsunternehmen. Das bedeutet, dass sie ihr Erdgas von ausländischen Lieferanten direkt oder von Großhandelsunternehmen in Deutschland beziehen. Bei diesem Einkauf besteht die Ölpreisbindung meist weiterhin und ist für die Belieferung der Endkunden daher indirekt wirksam.

Erdgaspreise werden weiter steigen

Die Vorhersage von Erdgaspreisen ist sehr schwierig, vor allem, wenn es um lange Zeiträume geht. Trotzdem sind einige aktuelle Entwicklungen hilfreich, um Vermutungen aufzustellen. Dabei sind insbesondere drei Trends bedeutsam:

Erstens hat die Technik in den letzten Jahren wesentliche Fortschritte gemacht, um die Transportkosten zu senken. Dies gilt speziell für den Transport von Erdgas im flüssigen Zustand. Man spricht hier von LNG (Liquefied Natural Gas). Bei diesem Verfahren wird Erdgas auf minus 160 Grad herunter gekühlt. Bei dieser Temperatur ist das Erdgas flüssig und verringert sein Volumen auf ein Sechshundertstel. Dadurch kann in einem Tank sehr viel mehr Erdgas transportiert werden als im gasförmigen Zustand, was die Transportkosten erheblich vermindert. Nachteilig ist, dass die Verflüssigung sehr aufwendig und damit auch sehr teuer ist. In den letzten Jahren haben sich diese Kosten durch technischen Fortschritt jedoch verringert, weshalb der Transport von Erdgas mit LNG-Tankschiffen wettbewerbsfähiger im Vergleich zu Pipelines wird. Je günstiger der Transport mittels LNG wird, desto eher ist es möglich, lokale Märkte miteinander zu verbinden. Sind die Transportkosten für Erdgas mittels LNG beispielsweise aus Arabien, Mittelamerika oder Indonesien mit denjenigen mittels Pipelines aus Russland vergleichbar, steigt der Wettbewerbsdruck für die Lieferanten, denn die Abnehmer haben die Wahlmöglichkeit. Als Folge sinkt der Preis für Erdgas.

Zweitens hat in den letzten Jahren das Shelf-Gas an Bedeutung gewonnen, das auch Shale-Gas oder unkonventionelles Gas genannt wird. Dabei handelt es sich um Erdgas, das in Gesteinsschichten tief in der Erde eingelagert ist und durch neuartige Technologien gefördert werden kann. Hierbei wird das Erdgas mittels anderer Gase aus den Gesteinsschichten herausgepresst. Diese Technologie, die in den Medien häufig als "Fracking" bezeichnet wird, sorgt für gesteigerte Förderung von Erdgas, insbesondere in Gebieten, in denen eine Förderung vorher nicht möglich war. Beispielsweise sind die USA hierdurch in den letzten Jahren von einem Erdgasimporteur zu einem Exporteur geworden. Als Folge erhöht sich das Angebot an Erdgas und lässt die Preise sinken.

Drittens lassen die stark wachsenden Volkswirtschaften der Entwicklungs- und Schwellenländer, allen voran China, die Nachfrage nach Erdgas steigen. Hierdurch steigen auch die Preise an. Auch in den Industrienationen steigt die Nachfrage nach Erdgas. Dies liegt nicht zuletzt an den Bemühungen zum Klimaschutz. Erdgas beinhaltet nur halb so viel Kohlenstoff wie Kohle und setzt daher bei der Verbrennung weniger Treibhausgasemissionen frei. Außerdem eignet sich Erdgas bei der Stromerzeugung sehr gut als Unterstützung für die erneuerbaren Energien, denn Erdgaskraftwerke können sehr kurzfristig ihre Erzeugung verändern und beispielsweise immer dann hochgefahren werden, wenn die Windkraftanlagen an windstillen Tagen nur wenig Strom produzieren.

Im Ergebnis kann vermutet werden, dass die Nachfrage aus den Entwicklungs- und Schwellenländern, aber auch aus den Industrienationen, in den kommenden Jahren größer sein wird als das Angebot. Daher werden die Preise mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter steigen.

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Sebastian Schröer studierte Ökonomie an der Universität Hamburg und schloss als Diplom-Volkswirt und Diplom-Kaufmann ab. Seit 2005 arbeitet er am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) in der Abteilung Energie und Rohstoffmärkte und analysiert dort die Marktintegration der erneuerbaren Energien sowie aktuelle Entwicklungen auf den europäischen Energiemärkten.