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Einleitung

Andreas Goldthau

/ 4 Minuten zu lesen

Der globale Ölmarkt wird zunehmenden von Staatsfirmen dominiert. Gazprom, Saudi Aramco und andere verfügen über 85 Prozent der weltweiten Reserven, private Wettbewerber wie BP oder Shell müssen sich bei Förderprojekten mit der Rolle des Juniorpartners begnügen. Nationale Ölfirmen handeln nicht immer rein marktorientiert, sondern verfolgen auch politische Interessen. Langfristig könnten daher notwendige Investitionen unterbleiben.

Ölförderpumpe in der Nähe der kanadischen Kleinstadt Carlyle. (© picture alliance / All Canada Photos)

Der globale Ölmarkt ist im Umbruch. Zum einen geht mit dem Aufstieg asiatischer Schwellenländer zu veritablen ökonomischen Schwergewichten ein ungebremster Anstieg der Energienachfrage einher. Die zunehmende Motorisierung der indischen, chinesischen, vietnamesischen oder malayischen Bevölkerung, aber auch aufstrebende Industriezweige wie der asiatischen Chemieindustrie treiben die Nachfrage nach Öl. Zum anderen hat der Energiekonsum in westlichen Ländern einen Höhepunkt erreicht, und wird nach den meisten Prognosen langfristig zurück gehen. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass im Jahr 2035 über 60 Prozent der weltweiten Ölnachfrage auf Nicht-OECD-Länder entfallen werden – eine drastische Veränderung verglichen mit der Situation vor nur 30 Jahren, als die Industrieländer noch für knapp 70 Prozent verantwortlich waren. Dieser Umbruch hat Auswirkungen auf den Ölmarkt. Denn nicht nur verschiebt sich die globale Gewichtsverteilung zwischen "alten" und "neuen" Konsumenten. Zugleich setzen die "Neuen Nachfrager" auf Staatsfirmen, um ihren steigenden Ölbedarf zu decken. Wie beispielsweise die Interner Link: chinesischen Aktivitäten in Afrika zeigen, versuchen sie den schwankenden Ölmarkt zu meiden und sich über den direkten Einkauf in Förderprojekte einen eigenen Anteil an der Produktion – so genanntes Equity Öl – zu sichern. Dass dieser Trend mittlerweile eine Eigendynamik über aufsteigende Schwellenländer hinaus entwickelt hat, verdeutlicht der Fall Japans, das mit JOGMEC seit wenigen Jahren wieder über einen staatlichen Ressourcenkonzern verfügt.

Nicht nur auf der Konsumentenseite sind jedoch Staatsfirmen dominant. Seit den Nationalisierungswellen in den OPEC-Staaten in den 1960er und 1970er Jahren sind Reserven und Produktion der wichtigsten Öllieferanten fest in Staatshand. Nationale Ölfirmen (National Oil Companies oder NOCs) sind also ein alt bekanntes Phänomen. Bereits 1976, nach den ersten grossen Nationalisierungswellen, waren geschätzt drei Viertel der nicht-sozialistischen Ölreserven unter staatlicher Kontrolle. Dieses Muster hat sich allerdings in den letzten Jahren weiter verfestigt, da Produzentenstaaten signifikant ihren Einfluss auf den Energiesektor erhöhten. Einige Regierungen verstaatlichten direkt, wie beispielsweise Argentinien, das 2012 die spanische REPSOL-Tochterfirma YPF unter Staatsaufsicht brachte; andere stellten mit subtileren Methoden des Eigentumstransfers Teile des Ölsektors unter ihre Kontrolle, wie im Falle von Yukos, ehemals einer von Russlands größten privaten Ölkonzernen (2004). Aufstrebende Produzenten wie Brasilien setzen klar auf staatliche Steuerung von Beginn an.

Weltweiter Zugang zu Ölreserven (© bpb)

Im Ergebnis dieses doppelten Trends ist nun der Großteil der globalen Öl- und Gasreserven in der Hand von NOCs. Nach Schätzungen des US-Energieministeriums sind gerade noch 15 Prozent der weltweiten Öl- und Gasreserven für private Ölfirmen (International Oil Companies oder IOCs) voll zugänglich. Laut Weltbank liegen zudem geschätzt zwei Drittel der noch nicht nachgewiesenen Reserven in Ländern, in denen NOCs der Zugang vorbehalten bleibt. Im Zuge dieser Entwicklung sind, gemessen an den Reserven, die Top 20 der weltweit größten Öl- und Gasfirmen mittlerweile nahezu ausschließlich Staatsfirmen, vor allem aus den Golfstaaten, Russland und China. Big Oil, also ExxonMobil, Chevron, BP oder Shell dagegen liegen abgeschlagen auf den hinteren Rängen; ihre Reserven reichen zusammengenommen kaum an den nächst größeren NOC heran (siehe Tabelle). Einige Beobachter warnen daher angesichts eines neuen "Ressourcen-Nationalismus" vor einer Bedrohung der Energiesicherheit westlicher Länder und fordern Gegenstrategien, um die zukünftige Versorgung mit Öl sicherzustellen.

Es wäre allerdings falsch, aus der Eigentumsstruktur allein direkte Rückschlüsse auf das Verhalten von NOCs zu ziehen. In der Tat ist die Bandbreite an NOCs groß: sie reicht von Produzenten-NOCs, also staatlichen Unternehmen wie Saudi-Aramco, die im Auftrag von Regierungen ölreicher Staaten die Ressourcen des Landes erschließen, zu solchen, die wie PetroChina für importabhängige Staaten die Ölversorgung sichern (Konsumenten-NOCs). Einige NOCs sind darüber hinaus in der Hand autoritärer Regime, andere werden von demokratischen Regierungen kontrolliert. Je nach Kategorie sind die Handlungsweisen unterschiedlich, ebenso wie die "Nutzenfunktionen" und Kalküle, die hinter unternehmerischem Handeln der NOCs stehen. Die sogenannte Corporate Governance, also die Art und Weise der Unternehmensführung, unterscheidet sich dementsprechend ebenso.

 
Energiekonzerne
 
Rang Firma Reserven (in Millionen Barrel Öl-Äquivalent)
1. PDVSA (Venezuela) 330,138
2. Saudi Aramco 313,310
3. INOC (Iraq) 162,320
4. NIOC (Iran) 152,022
5. Gazprom (Russland) 125,090
6. Qatar Petroleum 121,371
7. Kuwait Petroleum Corporation 112,584
8. Abu Dhabi National Oil Company 72,640
9. CNPC (China) 45,822
10. NNPC (Nigeria) 40,780
11. Libya NOC 39,845
12. Sontrach (Algerien) 38,731
13. Rosneft (Russland) 29,460
14. Petronas (Malaysia) 28,771
15. ExxonMobil 25,262
16. British Petroleum 18,071
17. Lukoil (Russland) 17,391
18. Royal Dutch Shell 14,273
19. Pemex (Mexiko) 13,548
20. Petrobras (Brasilien) 12,827

NOCs sind nicht rein marktorientiert

Für den Ölmarkt ist es zunächst prinzipiell gleichgültig, ob ein Staatsunternehmen oder ein privater Akteur fördert, da jedes zusätzliche Barrel, ob es nun auf dem Markt landet oder nicht, die Angebotssituation entlastet. Allerdings ist es fraglich, ob NOCs die in den kommenden Jahren notwendigen Investitionen tätigen werden – nach IEA Schätzungen bis 2035 10 Billionen US-Dollar allein im Ölsektor. Der Grund: Staatsunternehmen tendieren dazu, Entscheidungen nicht aus rein unternehmerischen Motivationen zu treffen. Daher birgt der Trend zu NOCs die Gefahr, dass sich das globale Ölangebot nicht mit der Nachfrage entwickelt, was weiter zunehmende Knappheit auf den Märkten bedeuten würde. Ähnliches gilt, allerdings mit regional beschränkter Reichweite, im Gassektor, der bis 2035 einen Investitionsbedarf von etwa 9,5 Billionen US-Dollar aufweist. Für die privaten, westlichen Wettbewerber bedeutet der Aufstieg der NOCs, dass sie zwar weiter vor allem Technologie und Managementerfahrung in Förderprojekte einbringen können, sich jedoch wohl zunehmend mit der Rolle des Juniorpartners begnügen müssen.

Allerdings ist ein wichtiger Faktor nicht zu unterschätzen: technologischer Fortschritt. So galt es noch vor wenigen Jahren als erwiesen, dass die Ölförderung in den OECD-Ländern ihren Höhepunkt erreicht hat und nun langsam zurück gehen würde. Aufgrund neuer und modernerer Bohrtechniken allerdings kann sich dieser Trend nun wieder umkehren. Die IEA schätzt, dass die USA, der weltweit grösste Ölkonsument, bis 2035 sogar wieder zum Nettoexporteur werden könnten. Dieses Beispiel zeigt, dass der Ölmarkt nicht statisch ist, sondern dynamisch. Die Rolle der gegenwärtig so dominanten NOCs kann sich damit langfristig ebenfalls wieder ändern.

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Andreas Goldthau ist Head of Department of Public Policy und Associate Professor an der Central European University, einer privaten amerikanischen Hochschule in Budapest. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Energiepolitik und Global Energy Governance. Er ist Herausgeber des Wiley Handbook of Global Energy Policy und Ko-Autor von "OPEC. Macht und Ohnmacht des Ölkartells" (Hanser).

*Der Autor dankt Sandra Wessmann für Ihre Mitarbeit in der Recherche.