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Die Entwicklung des Strompreises | Energiepolitik | bpb.de

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Die Entwicklung des Strompreises Die Energiewende beeinflusst den Strompreis maßgeblich

Michael Bauchmüller Michel Bauchmüller

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Die Energiewende stellt Deutschland vor große Herausforderungen. In den kommenden Jahren sind massive Investitionen erforderlich. Die Folge: Der Strompreis wird steigen, aber der CO2-Ausstoß sinken. Und auch wirtschaftlich ist die Energiewende eine Chance für den Technologiestandort Deutschland.

Die Energiewende erfordert einen massiven Umbau der Infrastruktur und verändert dadurch auch den Energiemarkt - mit Auswirkungen auf den Preis. (© AP)

Die Seilwinde ist montiert, langsam zieht Sie das Kabel in das Rohr hinein. Zentimeter für Zentimeter. Mit einer Art Handbesen schmiert ein Arbeiter das armdicke Kabel, damit es auch flutscht. Deutschland, Energiewendeland: eine einzige Baustelle.

Kabel wie dieses im platten Emsland werden irgendwann zum Herzen der Energiewende. Sie transportieren Strom aus Windparks auf dem Meer in Richtung Süden. Dort füllen sie die Lücken, die der Ausstieg aus der Atomkraft gerissen hat. Zumindest dann, wenn in Süddeutschland nicht die Sonne scheint. Denn bei gutem Wetter produzieren dort die Solarzellen den Strom. Mehr als 30 Kraftwerke können sie jetzt schon ersetzen, und jedes Jahr kamen zuletzt um die acht hinzu. Dumm nur, dass sie ohne Sonne nicht funktionieren. Nachts liefern sie nichts, und an wolkigen Tagen nur wenig. Und wenn dann noch Windstille herrscht? Dann müssen Kohle- oder Gaskraftwerke ran. Es ist ganz schön kompliziert geworden auf der Großbaustelle Deutschland.

Denn Strom lässt sich kaum lagern, das unterscheidet ihn von allen anderen Gütern. Weil immer so viel Elektrizität erzeugt werden muss, wie aus irgendwelchen Steckdosen fließt, ist der Fluss zwischen Kraftwerken und Verbrauchern ein ständiges Auf und Ab. Und der Preis ist es auch.

Was genau passiert da? Warum wird Strom tendenziell immer teurer? Und was hat das mit Wind und Sonne, mit Kohle und Gas zu tun? Vielleicht hilft eine Reise zu den Ursprüngen der Elektrizität, ins Reich der Kraftwerke, Turbinen und Generatoren. Die holen ihren Strom aus unterschiedlichen Quellen, zu unterschiedlichen Preisen. Da gibt es die Windräder, die nur Wind brauchen. Es gibt noch die letzten verbliebenen Kernkraftwerke, die sind größtenteils abgeschrieben und deshalb günstig. Es gibt große Kohlekraftwerke und welche, die Gas und Öl verbrennen, die teuersten Brennstoffe in deutschen Kraftwerkskesseln. Es gibt teure und billige Rohstoffe. Und es gibt teure und billige Zeiten.

Zugeschaltet wird, wenn es sich rechnet

Deutschland, ein trüber Winternachmittag. Wenig Wind, wenig Sonne. Wenn es so wenig Strom gibt, dann klettert der Preis. Wer daran verdienen kann, schaltet jetzt sein Kraftwerk zu – wenn sich das rechnet. Beispiel Gas: Gaskraftwerke sind flexibel, wie eine Glühbirne kann man sie schnell an- und wieder abschalten. Aber Gas ist auch vergleichsweise teuer. Also werden die Kraftwerke erst zugeschaltet, wenn der Strompreis eine bestimmte Schwelle überschritten hat, ansonsten würde das Kraftwerk ja Verluste machen. Umgekehrt gilt damit: Den Strompreis bestimmt auf dieser Preistreppe immer das letzte zugeschaltete Kraftwerk. Ökonomen nennen seine Kosten die "Grenzkosten". Manche Betreiber machen damit viel Gewinn, manche weniger – je nachdem, wie viel sie für die Stromerzeugung ausgeben müssen.

In der Theorie würden erst alle anderen Kraftwerke angeschaltet, die billigeren. Da liefern dann zuerst Windräder und Solarzellen den Strom – reicht nicht, Preis steigt. Dann liefen alle verfügbaren Kohlekraftwerke, reicht auch nicht, Preis steigt weiter. Dann schließlich würden die Gaskraftwerke hinzukommen. Bis genügend Strom erzeugt wird.

Aber dieser Markt verändert sich. Im Sommer 2011 hatte die deutsche Bundesregierung den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen. Acht Kernkraftwerke wurden sofort stillgelegt, als Reaktion auf das Unglück im japanischen Meiler Fukushima. Nach und nach werden auch die übrigen vom Netz gehen, das letzte Ende 2022. Seither wachsen die erneuerbaren Energien in Deutschland weit schneller, als viele vor wenigen Jahren noch gedacht haben. Im ersten Halbjahr 2012 lag ihr Anteil schon bei einem Viertel der Stromproduktion. So schnell wandelt sich das Stromgeschäft, dass es auch die Politik hier und da überfordert.

Energiewende beeinflusst die Preise

Beispiel Strompreis: Früher war Strom immer mittags knapp. Dann liefen die Fabriken, in ganz Deutschland wurden Kochplatten angeworfen, Wäschetrockner und Geschirrspüler taten ihren Dienst. Große Nachfrage – hoher Preis. Heute ist das anders: An sonnigen Tagen strömt massenhaft Sonnenstrom ins deutsche Netz. Großes Angebot – niedriger Preis.

Für Stromkunden könnten niedrige Preise schön sein. Doch sie bezahlen nicht nur den Börsenpreis für Strom, sondern auch für das Netz, oder aber für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Damit nämlich überhaupt jemand riskierte, in den sauberen Strom zu investieren, verankerte ein eigenes "Erneuerbare-Energie-Gesetz" feste Preise. Wer sich Solarmodule kaufte und damit Strom erzeugte, erhielt in der ersten Zeit mehr als 50 Cent je Kilowattstunde, und das für 20 Jahre garantiert. Die Kosten dafür wurden auf die Stromkunden umgelegt. Ohne diese Sicherheit hätte kaum jemand in die teuren Module investiert. So gesehen hat das Gesetz den Boom erst möglich gemacht.

Doch je mehr Leute sich Solaranlagen kauften, desto mehr Module wurden produziert. So sank mit der Serienfertigung auch deren Preis – viel schneller, als alle erwartet hatten. Die Folge: Immer mehr neue Solardächer und -parks entstanden. Heute ist die Förderung zwar auf weit unter 20 Cent gefallen. Doch Jahr für Jahr müssen die Stromkunden auch noch für die alten Module mitbezahlen, ebenso für zigtausende Windräder. So wächst die Ökorechnung. Noch 2012 zahlte ein durchschnittlicher Haushalt 125 Euro im Jahr für den Ausbau des grünen Stroms. 2013 werden es schon 185 Euro sein. Es wird noch ein paar Jahre dauern, bis die Rechnung wieder schrumpft – dann, wenn die 20-jährige Förderungsdauer der ersten Solarmodule abgelaufen ist. Vorher schon kann allerdings jeder seinen Strompreis selber senken. Einmal, indem er Preise vergleicht und einen günstigeren Anbieter auswählt – heute ist das ohne großen Aufwand möglich. Und zum anderen, indem er weniger Strom verbraucht. Heimliche Stromfresser, ob verschwenderische Lampen, Kühlschränke oder Fernseher, finden sich noch in so gut wie jedem deutschen Haushalt. Dennoch: Vor allem Menschen mit geringem Einkommen müssen einen stetig wachsenden Teil davon für Energie aufwenden.

Hohe Investitionen erforderlich

Und die Baustelle Energiewende verlangt noch mehr Investitionen. Interner Link: Tausende Kilometer Stromleitungen werden nötig, damit die bestehenden Netze von dem grünen Strom nicht überlastet werden. Oder Interner Link: Stromspeicher, die den Wind- oder Sonnenstrom immer dann aufnehmen, wenn mehr als genug davon da ist. Das können zum Beispiel hochgelegene Seen sein, in die Wasser immer dann gepumpt wird, wenn es reichlich Strom gibt. Wird er dagegen knapp, läuft das Wasser durch Rohre wieder herunter und betreibt Turbinen. So erzeugt es wieder Strom. Auch der Strommarkt, wie wir ihn kennen, wird irgendwann nicht mehr funktionieren. Je öfter der Ökostrom fließt, desto seltener müssen die bisherigen Kohle- und Gaskraftwerke laufen. Womit sollen deren Betreiber aber dann noch Geld verdienen? Schon wird über spezielle Kraftwerks-Prämien diskutiert, damit die Reserve sich für die Stromkonzerne noch lohnt. Das alles kostet Geld.

Vieles spricht dafür, es auszugeben. Am Ende könnte ein komplett neues System stehen. Eines, in dem kaum noch Gas oder Kohle nötig ist, um Elektrizität zu erzeugen. Für das Klima wäre das die beste Lösung: Denn vor allem bei der Verbrennung von Kohle in Kraftwerken entstehen hohe Mengen des klimaschädlichen Kohlendioxid. Und obendrein würde Deutschland unabhängiger von teuren Rohstoff-Einfuhren. Eine echte Investition in die Zukunft.

Das könnte eines Tages sogar die Abhängigkeit vom Öl mindern. Denn auch die Zukunft des Automobils könnte elektrisch sein. Noch experimentieren viele Hersteller nur, und manche scheuen sich auch, den liebgewonnenen Otto- oder Dieselmotor aufzugeben. Doch Jahr für Jahr kommen neue Modelle auf den Markt – und wie einst bei den Solarzellen werden auch sie günstiger; während der Spritpreis von Rekord zu Rekord eilt. Denn Öl ist nicht unendlich. Es wird knapp und teuer. Der Durchbruch hängt vor allem von der Entwicklung der Batterien oder Brennstoffzellen ab: Zuverlässig, schnell zu beladen und obendrein mit genug Strom auch für weitere Strecken. Gelingt das, sind die Tage des klassischen Autos gezählt.

Grüne Technologie made in Germany

Deutschland, Energiewendeland. Erfinderland. Kein anderes Industrieland auf der Welt hat sich bei der Energieversorgung so viel vorgenommen wie dieses. Vielleicht zu viel? Bisher hat die Energiewende vor allem eines freigesetzt: neue Energie. Da sind Forscher, die aus Solarzellen noch die letzte Kilowattstunde herausquetschen; Windkanäle, in denen Rotorblätter von Windrädern perfektioniert werden; Anlagen, die mit Ökostrom Wasserstoff herstellen, der sich dann wiederum im Gasnetz speichern lässt oder Autos antreiben kann.

Im Emsland machen die Arbeiter am Nachmittag Feierabend. Die Winde wird abgebaut, die Kabelrolle ist leer. Knapp einen Kilometer Kabel haben sie verlegt. Nur ein kleines Stück einer langen, auch teuren Leitung. Aber immerhin das.

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Michael Bauchmüller, geb. 1973, berichtet für die Süddeutsche Zeitung seit über fünf Jahren über Energiepolitik. Seit 2005 ist er Korrespondent in Berlin. Neben Energiethemen kümmert er sich dort auch um Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes sowie um Verkehrspolitik. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.
(Foto: Rolf Walter/Xpress)